Lernen durch das "diskutative Prinzip" Zur Entwicklung der emanzipatorischen Lehrmethode in Heidelberg

Seit circa 1900 wurde an der Universität Heidelberg das autoritär-professorale Dozieren durch die emanzipatorische Lehrmethode des „diskutativen Prinzips“ abgelöst, das heißt durch kontroverse Debatten und fruchtbaren Gedankenaustausch zwischen den Gelehrten und ihren Studenten, durch das sogenannte „ewige Gespräch“, das bald als „Geist von Heidelberg“ idealisiert wurde. Diese neue Methode wird hier unter besonderer Berücksichtigung der pädagogisch-didaktischen Bemühungen des Professors der Nationalökonomie, Alfred Weber, mittels folgender Dokumente demonstriert: Seminarprotokolle, einschlägige Briefe, Berichte über Diskussionsabende und Erinnerungen von Studenten. Inspiriert durch die Jugendbewegung und durch Schulreformer wie Gustav Wyneken, war das Ziel dieser Lehrmethode die Heranbildung eines „Neuen Menschen“: eines kritischen, selbstverantwortlichen, politisch engagierten und stets zum Widerstand gegen Indoktrinierung und übermächtige Gewalten bereiten Individuums.[...]

Lernen durch das „diskutative Prinzip“. Zur Entwicklung der emanzipatorischen Lehrmethode in Heidelberg[*]

Von Eberhard Demm

Seit circa 1900 wurde an der Universität Heidelberg das autoritär-professorale Dozie­ren durch die emanzipatorische Lehrmethode des „diskutativen Prinzips“ abgelöst, das heißt durch kontroverse Debatten und fruchtbaren Gedankenaustausch zwischen den Gelehrten und ihren Studenten, durch das sogenannte „ewige Gespräch“, das bald als „Geist von Heidel­berg“ idealisiert wurde. Diese neue Methode wird hier unter besonde­rer Berück­sich­tigung der pädagogisch-didaktischen Bemühungen des Professors der Nationalöko­no­mie, Alfred Weber, mittels folgender Dokumente demonstriert: Seminar­protokolle, ein­schlä­gige Briefe, Berichte über Diskussionsabende und Erinnerungen von Studenten. Insp­iriert durch die Jugendbewegung und durch Schulreformer wie Gustav Wyneken, war das Ziel dieser Lehrmethode die Heranbildung eines „Neuen Menschen“: eines kriti­schen, selbstverantwortlichen, politisch engagierten und stets zum Widerstand gegen Indok­trinierung und übermächtige Gewalten bereiten Individuums, ein Ideal, das Weber nicht nur in seiner „Soziologie der Freiheit“ propagiert, sondern auch selbst in seinem eige­nen Leben vorbildhaft verwirklicht hat.

À l’université de Heidelberg, autour de 1900, une méthode d’enseignement nouvelle supplante les cours traditionnels, de caractère plutôt autoritaire et doctoral. Reposant sur le principe du discours, elle fait une large place à l’échange de points de vue et à la confrontation des idées entre professeurs et étudiants. Ce que l’on se met à appeler une « conversation sans fin » est vite idéalisé comme étant « l’esprit de Heidelberg ». C’est de cette méthode qu’il est question ici, et notamment des efforts pédagogiques et didacti­ques du professeur d’économie nationale Alfred Weber pour lui donner corps. L’étude se fonde sur des scripts de cours, sur des lettres d’époque, sur des témoignages relatant le déroulement de soirées passées à débattre, ainsi que sur des souvenirs d’étudiants. Inspirée par le mouvement de la jeunesse comme par des protagonistes de la réforme de l’école, Gustav Wyneken par exemple, cette méthode se donne pour objectif de former un « homme nouveau » : un individu doué d’une conscience critique, responsable de soi, engagé dans le combat politique et toujours prêt à résister à l’endoctrinement et aux abus de pouvoir – un idéal que Weber ne se contentait pas seulement de propager dans sa « sociologie de la liberté » mais dont sa vie personnelle était l’incarnation.

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Theorie und Praxis von Webers Lehrmethode

Die ältere Hochschuldidaktik in Heidelberg

Um 1900 waren die Lehrveranstaltungen an der Universität Heidelberg noch ziem­lich altmodisch. Die Vorlesung dominierte, und auch in den wenigen Semi­na­ren, die es ja bereits seit Jahrzehnten gab[1], waren Diskussionen zwischen Pro­fes­so­ren und Studenten eher die Ausnahme. Der Professor dozierte endlos, und ab­weichende Meinungen, wenn überhaupt ein Student sie zu äußern wagte, wur­den autoritär beiseite gefegt oder in einem „Stacheldraht spitzfindiger Methodolo­gien“ erstickt, wie es der russische Schriftsteller Fedor Stepun als Student im Semi­nar des Philosophen Wilhelm Windelband erleben musste.[2] Zahlreiche Kom­mi­litonen waren daher von der Universität enttäuscht und verlagerten ihre kreati­ven Interessen in andere Bereiche.[3] Auch die gesellschaftlichen Kontakte der Ge­lehr­ten folgten überholten Ritualen: dreistündige Diners mit höflicher Salon­kon­ver­sation bei Kerzenlicht waren wichtiger als intellektuelle Debatten.[4]

Der neue „Geist von Heidelberg“

Um die Jahrhundertwende kam eine jüngere Gelehrtengeneration nach Heidel­berg, die dort in kurzer Zeit den traditionellen Lebensstil verändern und neue Lehr­methoden einführen sollte. Zu ihnen gehörten unter anderem die Natio­nal­öko­nomen Max und Alfred Weber sowie die Biologen Georg Klebs und Hans Driesch.[5] Jetzt wurde nicht nur in den Seminaren offen diskutiert, sondern Pro­fes­so­ren verschiedener Fachrichtungen und fortgeschrittene Studenten trafen sich auch in verschiedenen Zirkeln, um Vorträge über politische, literarische und gesell­schaftliche Themen zu hören und anschließend darüber zu diskutieren. So kam es zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch zwischen den Gelehrten und ihren Schülern, zu einem „ewigen Gespräch“, das bald als „Geist von Heidelberg“ ide­alisiert wurde. In einem permanenten Prozess „geistiger Willensbildung“ wur­den unterschiedliche Positionen miteinander konfrontiert und damit die Voraus­set­zungen zu jener besonderen wissenschaftlichen Kreativität geschaffen, die die Uni­versität Heidelberg auszeichnete. Dabei waren Toleranz und Offenheit für den geg­nerischen Standpunkt selbstverständlich, aber auch scharfe Auseinanderset­zun­gen und kontroverse Debatten geradezu erwünscht.[6]

Das „diskutative Prinzip“

Die Lehrmethode der älteren Kollegen wurde nun scharf kritisiert. Alfred Weber mach­te sich über den traditionellen Heidelberger Professor lustig und bezeichnete ihn als „eine griesgrämige müde Maschine, die vom Katheder herun­ter Weisheit träu­felt“.[7] Vielleicht dachte er dabei insbesondere an seinen Kollegen im Nati­onal­öko­nomischen Seminar, Eberhard Gothein, der für seine endlosen Monologe be­kannt war.[8] Weber war ein konsequenter Anhänger der seminaristi­schen Lehr­me­tho­de und sein Ziel war, „das Vorherrschen des Lehrer und Schüler in einer mehr oder weniger autoritären Weise distanzierenden Collegs“ abzuschaf­fen und sein „Prin­zip der reinen Wortgläubigkeit“ durch das „diskutative Prinzip“ des Semi­nars zu ersetzen.[9]

Webers Seminarpraxis

Wie er dieses Ziel in der Praxis verwirklichte, lässt sich aus erhaltenen Semi­nar­pro­tokollen aus dem Ende der zwanziger, Beginn der dreißiger Jahre erken­nen.[10] Man bemerkt, dass Weber immer wieder die Studenten zur Kritik seines metho­do­lo­gischen Ansatzes ermuntert, gern durch Übertreibung Widerspruch provoziert und sich bemüht, die Diskussion durch überraschende Fragen wie „Warum kommt es nur in Deutschland zu einer Reformation?“ zu stimulieren. Natürlich wer­den die Diskussionen auch durch die unterschiedliche weltanschau­liche Orien­tie­rung der Studenten so lebendig. Marxistische Studenten wie Boris Goldenberg oder Richard Löwenthal, später Professor für Politikwissenschaft an der Freien Uni­versität Berlin, verfechten die Methode des dialektischen Materia­lismus, libe­ra­le und konservative Kommilitonen wie Heinrich Liepmann, Leiter einer libe­ra­len Studentengruppe, Ernst Wilhelm Eschmann, Mitarbeiter der rechts­kon­ser­va­ti­ven Zeitschrift „Die Tat“, und Norbert Elias, der später im Alleingang Webers Kul­tursoziologie fortsetzt, den morphologisch-geschichtsphi­losophischen Ansatz. Ein­mal geht es um die Frage, ob man Thomas Müntzer als Vorläufer des Marxis­mus ansehen könne. Goldenberg bejaht dies emphatisch, aber Weber fragt, ob Müntzers Auftreten wirklich durch die wirtschaftliche Struktur bestimmt werde und welchen Stellenwert die religiöse Sphäre dabei habe. Daraufhin streiten Löwen­thal, Elias und Goldenberg über die Priorität von sozial­ökonomischem Sein oder religiösem Bewusstsein und greifen schließlich Weber selbst an. Elias wirft ihm vor, das marxistische Interpretationsschema durch ein anderes ebenso dog­ma­ti­sches Schema ersetzen zu wollen, nämlich durch seine Kultursoziologie mit ihrer Unterscheidung von Zivilisationsprozess, Gesell­schaftsprozess und Kul­tur­be­wegung. Schließlich greift Marianne Weber, die Witwe Max Webers, die auch an manchen Seminaren teilnimmt, in die Diskussion ein und fragt nach der Bedeu­tung der Seele. Damit erntet sie natürlich bei den marxistischen Studenten nur Hohn und Spott, aber Weber akzeptiert dies unter der Bezeichnung „Lebens­ge­fühl“. Schließlich bekennt sich Löwenthal in seiner Pole­mik gegen Elias zum Klas­senkampf und verkündet emphatisch: „Wir fragen: Wie kann man ein­grei­fen?“ Die Diskussion ist zweifellos sehr lebendig und gibt inte­ressante Denk­an­stö­ße, aber keine der angeschnittenen Fragen wird wirklich ge­klärt, und Webers kul­tursoziologische Kategorien spielen offenbar kaum eine Rolle.[11]

Semi­nar­dis­kus­sionen aus früherer Zeit werden nur ganz vereinzelt in Webers aus­führlichem Brief­wechsel mit seiner Geliebten Else Jaffé geschildert. In einer Semi­narsitzung von November 1921 geht es um das Problem der politischen Frei­heit.[12] Zunächst bit­tet Weber die Studenten, ihre weltanschauliche Position zu die­ser Frage zu klä­ren. Diese halten die Schaffung von mehr Gleichheit für wich­tiger und erwarten da­von die Entstehung großartiger „Kulturobjektivationen“. Weber weist dem­ge­gen­über auf den Wert der politischen Freiheit hin und möchte zeigen, unter wel­chen politischen Bedingungen subjektive Kulturwerte wie Frei­heit oder Wahr­haf­tig­keit realisiert werden können. Danach wird über den Unter­schied zwi­schen poli­tischer und persönlicher Freiheit debattiert. Einer der Stu­denten fragt pro­vo­ka­tiv, ob es nicht nur ein gradueller Unterschied wäre, wenn man jemand über­zeuge oder ihn totschlüge, um seine Meinung durchzusetzen. Weber cha­rak­te­risiert dies als die typische Mentalität der Kriegsgeneration und fragt, ob ein poli­tischer Ein­satz für ein bestimmtes Prinzip nicht zum Verlust der Freiheit füh­ren könne. Man wür­de vielleicht die Macht erobern, aber um den Preis einer „Flucht aus der Frei­heit“ wie in der katholischen Kirche oder bei den Natio­nal­bol­sche­wisten. Die Stu­den­ten bezweifeln, ob jemand, der für die Durchsetzung seiner Prin­zipien kämpft, da­für seine Freiheit aufgeben müsse. Man kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Spannung zwischen dem „Freiheitswollen“, wie Weber es nennt, und dem Problem der Parteidisziplin, die zum aktiven Enga­gement in einer Partei oder poli­tischen Bewegung gehört, das Umschlagen zahl­reicher so­ge­nann­ter Be­frei­ungs­bewegungen in politische Diktaturen erklären kann. Zuletzt wird darüber dis­ku­tiert, mit welchen Mitteln früher die Freiheit erkämpft wurde und wie man Macht­verhältnisse ändern könne, um mehr Freiheit für den Ein­zel­nen zu ge­win­nen.

Eindrucksvoll ist, wie souverän Weber Wider­sprüche toleriert und wie fle­xi­bel er auf Einwürfe und Denkanstöße der Studenten reagiert. Statt auto­ritär zu in­doktrinieren, wie das auch in den zwanziger Jahren noch manche Kol­legen Webers tun – Beispiele dafür sind die Philosophen Heinrich Rickert und Karl Jaspers[13] – führt Weber eine offene Diskussion, in der er, ohne zu zögern, auch sich selbst in Frage stellt. Bemerkenswert ist die Debatte über eine mögliche „Flucht aus der Freiheit“. Erich Fromm, der 1925 bei Weber über die „Soziologie des jüdischen Gesetzes“ promovierte, nahm vermutlich daran teil[14] und ver­ar­bei­te­te zwanzig Jahre später mit großem Erfolg Webers Denkan­stöße in seinem be­rühm­ten Buch „Escape from Freedom“ und in anderen Büchern. In einem Brief vom 23. Dezember 1955 schrieb er an Weber:

„Ich erlaube mir, Ihnen mein letztes Buch ‚The Sane Society‘ zu senden; sollten Sie Zeit haben, es durchzublättern, werden Sie vielleicht sehen, wie lebendig, wenigstens in meinen Intentionen, das Studium bei Ihnen geblieben ist.“[15]

Die „Soziologischen Diskussionsabende“

Seine pädagogisch-didaktische Konzeption verwirklichte Weber nicht nur in sei­nen Seminaren, sondern auch in den sogenannten „Soziologischen Diskussi­ons­aben­den“.[16] Diese waren ursprünglich halbgesellige Zusammenkünfte der Mitglie­der des nationalökonomischen Seminars. Weber funktionierte sie in wis­senschaft­li­che Vortragsabende um, die Professoren und Studenten der National­ökonomie mit Kollegen und Kommilitonen anderer Fächer zusammenführten. In der Regel hielt ein Teilnehmer einen Vortrag über ein aktuelles Thema oder über eine wis­sen­schaftliche Neuerscheinung, dann folgte eine mehrstündige Diskus­sion, auf der vor allem die Studenten reden sollten. Wenn Gothein allerdings dabei war, ver­such­te er oft die Diskussion zu monopolisieren und redete endlos – sein eigener Sohn Percy kommentierte einmal: „Wir brauchen kein Konversationslexi­kon – Papa weiß alles.“[17] Weber ärgerte sich darüber, und als Gothein einmal langatmig die Bismarckbiografie des Historikers Erich Marcks lobte, fuhr er dazwischen: „Marcks hat Bismarck für den Weihnachtstisch der deutschen Jung­frau zurecht ge­macht.“[18] Bemerkenswert ist, dass Weber die Organisation der „Soziologischen Dis­kussionsabende“ seinen Studenten überließ: Sie bestimmten das Thema, luden die Referenten ein und leiteten die Diskussion. Weber trat ganz sozialintegrativ nur als einfacher Teilnehmer auf, griff natürlich auch als solcher in die Debatte ein und kritisierte zuweilen, aber nicht immer, „mit größtem Wohlwollen und größ­ter Schärfe alle Fehler und methodologischen Unzulänglich­keiten“.[19] Seine Stu­denten waren sehr selbstbewusst und ließen sich durch die Autorität von Pro­fes­soren keineswegs einschüchtern. An einem der Abende wurde der berühmte Archä­ologe Ludwig Curtius in der Diskussion von den Studenten offenbar recht res­pektlos behandelt, und der Münchener Literaturprofessor und George-Anhän­ger Friedrich Wolters kam mit seinem Vortrag überhaupt nicht an, was aber wohl auch mit der Abneigung insbesondere der sozialistischen Studenten des InSoSta (Insti­tut für Sozial- und Staatswissenschaften), wie das nationalöko­nomische Semi­nar ab 1923 hieß, gegen die „Georginen“, die Anhänger Stefan Georges, zusam­menhing.[20]

Die Themen waren sehr unterschiedlich: So hielten Studenten Buch­referate über „Die Aufgabe unserer Zeit“ von Ortega y Gasset und „Deutsch­land und der nächste Krieg“ von Friedrich von Bernhardi oder behan­delten Werke von Henri Bergson, Charles de Montesquieu und Thomas Mann. Der Philosoph Ludwig Klages erörterte die „Psychologie des Kriminellen“ und der Literaturtheo­retiker Georg Lukács seine „Soziologie des modernen Dramas“. Andere Referate be­han­delten amerikanische Lebensideale oder die zeitgenössi­sche Architektur als Zeug­nis für das Gegenwartsbewusstsein. In einer zeitgenössi­schen Studentenzeit­schrift wurde die Aufgabe der „Soziologischen Diskussions­abende“ so definiert:

„Kommilitonen und Dozenten aller Fakultäten und Anschauungen zu gemeinsamen Auseinan­dersetzungen und Erörterungen gegenwärtig-aktueller Problematik in Wissenschaft, Kunst und Politik zusammenzuführen [...] Die Beteiligung der Dozenten an der Aussprache ge­schieht auf jener Grundlage der Kameradschaft, welche man als ‚Intimität der Aussprache‘ bezeichnen kann. Nicht akademische Rangunterschiede, Altersunterschiede gelten, sondern Verantwortung, Gründe und Argumente. Gesetzte Aufgabe ist nicht, nach falscher Einigkeit oder Harmonie zu streben, Proselytenmacherei [zu versuchen], sondern Einheit und Totalität der Problemstellung herauszuarbeiten und zu deuten.“[21]

Die Debatten selbst, von denen einige in zeitgenössischen Studentenzeit­schriften resü­miert wurden, verliefen sehr unterschiedlich: Tiefschürfende Analy­sen und schar­fe Auseinandersetzungen waren ebenso möglich wie seichte Bon­mots und ober­flächliches Gerede, das an Ernst Blochs böses Wort erinnert, Heidelberg sei das „schmuddelige badische Mekka des Geschwätzes“.[22] Jedenfalls spiegeln die „Sozio­logischen Diskussionsabende“ genauestens Webers Lehr- und Wis­sen­schafts­begriff wider: Studenten und Professoren bildeten eine Arbeits- und Dis­ku­tier­gemeinschaft, die die Probleme getreu Webers Kultursoziologie in ihrer „Tota­li­tät“ analysierte, die Zersplitterung der einzelnen Fächer interdisziplinär über­wand und autoritär oktroyierte Harmonie durch dialektische Auseinanderset­zung er­setzte.

Formale Kriterien des „diskutativen Prinzips“

Um zu sehen, wie Weber methodisch in der Diskussion vorgeht, soll jetzt das be­rühm­te „Protokoll der Sitzung der vereinigten Seminare von Prof. A. Weber und Dr. Mannheim“ vom 21. Februar 1929 nach rein formalen Kriterien unter­sucht wer­den.[23] Thema dieser Sitzung war das Buch von Georg Lukács über „Geschich­te und Klassenbewußtsein“. Zwei studentische Referate dienten als Diskus­sions­grund­lage, was schon dadurch zum Ausdruck kam, dass das zweite Referat expli­zit dem ersten Referat einige Thesen entgegenstellte. Danach resümierte Weber zu­nächst alle jene Punkte, in denen er mit Lukács übereinstimmte. Danach for­mu­lier­te er insgesamt fünf Fragen, in denen das wohl nicht der Fall war und die, wie es hieß, „der Klärung bedurften“. Mannheim wies in seiner Antwort auf Gemein­sam­keiten in ihren Auffassungen hin und beantwortete schließlich einige Fragen. We­ber wies einige von Mannheims Antworten zurück und konterte mit weiteren Fra­gen, die vor allem der Klärung der Standpunkte dienten und zu weite­rer Dis­kus­sion ermuntern sollten. Leider fehlen im Protokoll Diskussionsbeiträge der Stu­denten, aber es wird wohl deutlich, dass das diskutative Prinzip Webers nichts Neu­es ist. Vorbild war die sokratische Methode, aber auch die scholastische Dia­lek­tik, wie sie schon in Abaelards Dialog „Sic et nunc“ aus dem 12. Jahrhun­dert an­gewandt wurde. Im pädagogischen Bereich wurde ein solches auf Fragen auf­ge­bau­tes Lehrverfahren bereits im „sokratisch-heuristischen“ Unterricht der deut­schen Aufklärung verwendet, zum Beispiel in dem beliebten „Kinderfreund“, einem „Lesebuch zum Gebrauch von Landschulen“ des preußischen Schulrefor­mers Eberhard von Rochow aus dem Jahre 1776, wenngleich es dort ziemlich mecha­nisch gehandhabt wurde. Um die Jahrhundertwende wurde diese Methode von den deutschen Reformpädagogen Hugo Gaudig, Georg Kerschensteiner und Hermann Lietz verfeinert und in den Dienst ihrer emanzipatorischen Erziehung ge­stellt.

Ursprünge von Webers Konzeption

Die Schulreform Gustav Wynekens

Von dieser Seite aus dürfte Weber Anregungen erfahren haben. Er hatte sich schon im Kaiserreich für Schulreformen, insbesondere für die Landschulbewe­gung interessiert und stand in engem Kontakt mit den Reformpädagogen Gustav Wyneken, Hermann Luserke und Kurt Hahn.[24] Wyneken behandelte die Schüler als gleichberechtigte Partner und prägte den Begriff der „Jugendkultur“, der er einen der Erwachsenenwelt gleichberechtigten Wert zuerkannte. In dem von ihm ge­gründeten und geleiteten Reforminternat Wickersdorf verwirklichte er eine neue Lehrmethode, in der die Schüler nicht mehr den Stoff stur auswendig lern­ten, sondern ihn sich selbständig erarbeiteten, und in der der Lehrer nicht als Auto­rität über die Schüler herrschte, sondern sich als ihr älterer Freund verstand. In Wickersdorf waren die Schüler an der Selbstverwaltung beteiligt und wurden durch die Gemeinschaft zur geistigen Autonomie erzogen. „Die Freie Schulge­mein­de“, wie sich das Reforminternat nannte, war eines der ersten Beispiele für die Realisierung einer emanzipatorischen und nichtautoritären Pädagogik in Deutsch­land.[25] Wyneken gehörte zum Umkreis der Deutschen Jugendbewegung, die sich unabhängig von der Welt der Erwachsenen eine eigene Jugendkultur auf­bauen, der Mechanisierung der modernen Zivilisation entrinnen und in roman­ti­schem Natur- und Gemeinschaftserlebnis einen „neuen Menschen“ schaffen woll­te, einen Men­schen, der sein Leben in freier Selbstverantwortung gestaltete und sich an Sponta­neität, Autonomie und einem unklar definierten Lebensgefühl ori­en­tierte. Weber bewunderte Wynekens pädagogische Konzeption[26] und nannte ihn den „Marx der Schule“. Als er 1910 durch das Innenministerium des thü­rin­gi­schen Kleinstaats Sachsen-Meiningen entlassen wurde, sammelte Weber Geld für ihn, bemühte sich um eine neue Stelle für den arbeitslosen Pädagogen und ver­tei­dig­te ihn vehement auf einer Veranstaltung der „Freideutschen Jugend“ in München gegen die Angriffe der bayerischen Klerikalen.[27]

Die Jugendbewegung

Weber hatte Wyneken durch die Vermittlung Paul Reiners, eines seiner Stu­den­ten, kennen gelernt, der zu der so genannten „Freischar“ gehörte, dem studen­ti­schen Zweig der Jugendbewegung. Weber war bei der Freischar außerordentlich popu­lär. Viele ihrer Mitglieder gingen in seine Vorlesungen oder kamen sogar extra nach Heidelberg, um ihn zu hören, und mehrere seiner prominentesten Schüler kamen aus der Jugendbewegung: Arnold Bergstraesser, Ernst Wilhelm Eschmann, Gerhart Lütkens und Alfred Seidel.[28] Sie konfrontierten ihn mit dem pädagogi­schen Leitbild der Jugendbewegung, wie es am prägnantesten in der berühmten Meißnerformel ausgedrückt ist:

„Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung vor eigener Verantwortung mit innerer Wahrheit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen ge­schlossen ein.“[29]

Es ist anzunehmen, dass Webers pädagogisch-didaktische Konzeption auch von die­ser Seite beeinflusst wurde. Allerdings erinnern die Ziele der Freischar, Erzie­hung in eigener Verantwortung und Entwicklung der persönlichen Autono­mie, auch an das Menschenbild von Klassik und Humanismus, das Weber zutiefst ge­prägt hat, und dürften daher seine bereits bestehenden Einstellungen in dieser Hin­sicht nur weiter verstärkt haben.[30]

Webers Studenten

Studentische Erinnerungen an Weber

Viele Studenten waren von Webers sozial-integrativer Lehrmethode und dem Vor­bild seiner Persönlichkeit begeistert. Dafür nur einige Zeugnisse:

Erich Fromm schrieb:

„Das Studium bei Ihnen war für mich eine der fruchtbarsten Erfahrungen in meinem Leben; nicht nur im Hinblick auf das, was ich lernte, sondern eben so sehr durch den Eindruck und das Vorbild Ihrer Persönlichkeit. Ich habe Sie in allen diesen Jahren immer lebendig vor mir gesehen, und in den Jahren der Hitler-Diktatur standen Sie, mehr als jeder andere, vor meinen Augen als der Repräsentant des Deutschland, an das ich immer glaubte.“[31]

Karl Mannheim erinnerte sich an Webers Seminar:

„So kann ich von mir selber sagen, dass ich von allem Inhaltlichen abgesehen, allein von Ihnen gelernt habe, was ein Seminar wirklich sein kann. Für Sie bedeutete diese Institution den Schauplatz eines echten geistigen Kontaktes und eine Erweckung des Mutes zur Assozia­tion. In Ihrem Seminar konnte man lernen, wie ein souveräner Lehrer vermeiden kann, mit seiner Autorität die Ursprünglichkeit seiner Schüler zu unterdrücken. Auch der jüngste Anfänger hatte Mut zu sich, da er vor sich einen Menschen sah, der auch nach einem lebenslan­gen Lernen und Kampfe die Kraft hatte, die fruchtbare Einstellung des Anfängers in sich wachzuhalten. [...] Als ein Philosoph mit einem langen Bart [gemeint ist Heinrich Rickert] mich jahrelang zwingen wollte, so zu denken wie er und ich dann zu Ihnen ging, um meine Arbeit einzureichen, überfiel mich ein Bangen, ob Sie wohl genau so kontrollieren würden, ob meine Gedanken die Ihrigen reproduzierten. Da sagten Sie zu meiner größten Überraschung: ‚Ich werde die Arbeit lesen, sie ist aber bereits angenommen, denn Sie sind ein erwachsener Mensch und haben zu sagen, was Sie für richtig finden.‘ Diese Sätze haben auf mich einen bleibenden Eindruck gemacht und nur durch dieses Erlebnis habe ich von An­fang an in mir die gefährliche Tendenz des Lehrers überwunden, Schüler nach seinem Eben­bilde formen zu wollen.“[32]

Ein amerikanischer Student, Milton Colvin, später Professor in den USA, schrieb:

„Ganz besonders habe ich mich darüber gefreut, wie Sie die Kriegsgeneration als Menschen betrachtet haben, die durchaus in der Lage sind, sich ihr Urteil selbst zu bilden. Nach meinen Erfahrungen ist das leider nicht bei allen Professoren der Fall.“[33]

Man darf sich natürlich durch solche Zeugnisse nicht zu der Annahme verlei­ten las­sen, dass alle Studenten Weber so verehrten. Manche konnten mit seiner „eigen­artigen Terminologie“ und seiner „Vermischung von Sozialwissenschaft und Sozialphilosophie in seiner ,Kultursoziologie‘“ wenig anfangen und suchten vor allem bei „Marx und Max“, das heißt bei Karl Marx und Max Weber, auch bei Max Scheler und Heinrich Rickert nach anderem methodischem Rüstzeug. Die metho­dologischen und persönlichen Spannungen zwischen Weber und seinem ameri­kanischen Studenten Talcott Parsons, der in den Sommersemestern 1926 und 1927 bei ihm studierte, aber seinen Bruder Max vorzog und für dessen Rezep­tion in den USA sorgte, sind bekannt.[34]

Webers Bewertung seiner Studenten

Auch waren selbst zu Webers Zeiten nicht alle Studenten gleich stark moti­viert. Einer von ihnen, Carl Zuckmayer, erinnert sich: „Die große Masse der Stu­denten, die für unsere damaligen Begriffe die Universität überfüllten, bestand aus den glei­chen Büffelochsen und Sturböcken wie überall.“[35] Weber selbst unter­schied zwischen zwei Kategorien: „einer kleinen stark zusammengeschmolzenen Grup­pe, die wirklich geistig sind“ und einer unerfreulichen Mehrheit, der er „Abge­schabtheit, Passivität und physische Ungeratenheit“ bescheinigte, und er stellte fest, dass der Prozentsatz der „Geistigen“ an der Universität immer mehr abnahm. Wenn „meine Jungens“, wie er sie nannte, obwohl inzwischen immer mehr Mäd­chen studierten, fleißig mitarbeiteten und seine Theorien und Frage­stel­lungen dankbar anwandten, freute er sich, wenn aber „ungeistige“ Brotstudenten vor ihm saßen, wie besonders im Volkswirtschaftskolleg, konnte er auch resig­nie­ren.[36]

Webers pädagogisches Leitbild: Der „neue Mensch“

In der Weimarer Republik

Was bezweckte Weber mit seinem pädagogisch-didaktischen Lehransatz? Dies geht aus verschiedenen Artikeln und Briefen deutlich hervor. Als Ziel seines Unter­richts bezeichnete er „politische Aufklärung durch die Niederreißung von Vor­ur­teilen in den Köpfen der Studenten“.[37] Er forderte auch die Kollegen dazu auf, die familiären und geistigen Traditionen, die die Studenten mitbringen, „durch Kri­tik und Konfrontation der Standpunkte“ in etwas Neues zu verwandeln. Eine sol­che „geistige Lebensverwandlung“ sei das „eigentliche Lebensgesetz der Hoch­schule“.[38] Darüber hinaus wollte er den Studenten, die nach einer politischen und weltanschaulichen Orientierung suchen, „irgend ein allgemeines Ziel und einen Glauben [...] geben – etwas, was sie als große Aufgabe empfinden.“[39] Dazu ge­hörte nach seiner Meinung unbedingt ein politisches Engagement der Studenten und eine aktive Teilnahme an der akademischen Selbstverwaltung der Universität. „Jede Entpolitisierung des studentischen Lebens“, so betonte Weber in einem pro­gram­matischen Aufsatz über die „Politisierung der Studentenschaft“, „bedeutet gleich­zeitig fast immer eine Verödung, eine Abwendung von wirklichkeitsgefüll­tem akademischem Dasein zu akademischer Scheinexistenz, angefangen vom Bier­philistertum bis zum bloßen Schillerkragen. Nur die Anteilnahme am Allge­mei­nen, und das heißt heute vor allem am Politischen, schafft existenzerfüllende Wahr­heit.“[40] Von vielen Studenten wurde Webers Unterricht, wie es in einer Stu­den­tenzeitschrift hieß, als „der beste Philosophie-Ersatz [...], den es gibt,“ emp­fun­den[41], ja, sogar als eine Art „Lebenshilfe“, denn in Webers lebensphilosophi­scher Position war das Leben und Erleben der letzte Sinn der Wissenschaft. Webers Hauptziel aber war, in Deutschland einen „neuen Men­schen“ zu schaf­fen – ein Ziel, das auch die Schulreformer der zwanziger Jahre proklamierten.[42] Aller­dings wird meistens nicht klar, was er damit eigentlich meint. Nur an einer gänz­lich unerwarteten Stelle, bei einer Rede auf einer Konfe­renz des „Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit“, der in erster Linie eine außenpolitische Zielset­zung hatte[43], bemühte er sich überhaupt um eine Definition des „neuen Men­schen“:

„Denn sie [die kommende Jugend] ist, was wir Europa bringen: Idealisten ganz ohne Pathos, Realisten aus dem Bewußtsein der Erdverbundenheit und doch frei vom Nur-Technischen des einseitigen Realismus, national bis in die Knochen und doch bewußt herausstrebend aus der bisherigen Enge – so ist diese Jugend. Eine Generation nicht denkbar ohne Nietzsche, aus­gestattet mit seinem neuen Körpergefühl [...].“[44]

Weber bemüht sich hier um eine Synthese zwischen schwer zu vereinbaren­den Gegen­sätzen: Nation und Welt, Idealismus und Realismus, Geist und Leib, aber es kommt nur unklares Wortgeklingel ohne scharfe Konturen heraus.

Für die „re-education“ nach 1945

Erst zwanzig Jahre später, nach der Erfahrung des Dritten Reiches, dem Weber in viel­fältiger Weise Widerstand leistete[45], gelang ihm schließlich eine klare Defi­ni­tion des „Neuen Menschen“. In seinem ersten programmatischen Artikel, den er nach dem Krieg in der von ihm mitbegründeten kulturpolitischen Zeitschrift „Die Wand­lung“ veröffentlichte, schrieb er:

„Unsere Aufgabe ist Umwandlung des deutschen Massenmenschen aus einem geduldig gehor­samen Massentier in einen Typus der Zusammenordnung charakterlich selbständiger, auf­rechter, selbstbewußter, auf ihre Freiheitsrechte eifersüchtiger Menschen.“[46]

Welche Eigenschaften sollte dieser neue Mensch haben und wie sollte er ent­ste­hen? Weber bezeichnete dies als die „Schlüsselfrage ihres [der Deutschen] ge­sam­ten künftigen Schicksals“ und widmete ihr in seiner 1946 veröffentlichten Schrift „Frei­er Sozialismus“, die seine Vorschläge für den Wiederaufbau und die Demo­kra­tisierung Deutschlands enthielt, ein ganzes Kapitel unter dem Titel „Erzie­hungs­programm“.[47] Zunächst versuchte er, den Nationalsozialismus zu erklären und charakterisierte ihn als eine Fehlentwicklung der deutschen Modalpersönlich­keit. Die im Dritten Reich agierenden dämonischen Kräfte hätten sich immanent im Menschen manifestiert und einen dominanten Phänotypus erzeugt, der durch Gehor­sam, mangelnde Zivilcourage und Brutalität gekennzeichnet war. Die „frü­her einmal vorherrschend gewesenen Anlagen selbstverständlichen Freiheitswol­lens und Freiheitshandelns“ – zu ihnen gehörten auch Selbstverantwortlichkeit, Mensch­lichkeit und Urteilsfähigkeit – seien im deutschen Menschentypus rezessiv ge­worden und müssten jetzt wieder zum Durchbruch gelangen.[48] Dies könne nur durch eine Erziehung zur Demokratie geschehen, durch eine „re-education“ also, wie sie auch die Amerikaner durchführen wollten. Diese dürfe sich nicht auf die Ver­mittlung praktischer bzw. technischer Kenntnisse beschränken, sondern müsse die Charakterbildung des jungen Menschen in den Mittelpunkt stellen. Weber war von der emanzipa­tori­schen Dynamik der Erziehung überzeugt und betonte immer wie­der, dass die Pädagogik sich nicht selbst unterschätzen dürfe und alle ihr ge­bo­te­nen Möglich­keiten nutzen müsse.[49] Dabei wies er auf die Erfolge der Sowjet­union hin, wo man es geschafft habe, aus dem „unaktiven verschlafenen russi­schen Muschik durch Erziehung [...] einen anspruchsvollen, agilen, aufnahmefä­higen Industriearbeiter“ zu machen.[50] Die pädagogisch-didaktische Methode, die Weber dafür propagierte, knüpfte an seine Erfahrungen aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik an: Man dürfe nicht „obrigkeitlich paukend“ vorgehen, son­dern müsse „von freiem Kameradschaftsgeist getragene Schüler- und Lehrerge­mein­schaften [schaffen], in denen man diskutierend lernt.“[51] Natürlich müssten demo­kratische Lehrinhalte im Mittelpunkt stehen. Da Weber den Lehrern und Schul­verwaltungen der Nachkriegszeit in diesem Punkt gründlich misstraute, ver­lang­te er, demokratische und pazifistische Erziehungsgrundsätze sogar in der Ver­fas­sung zu verankern.[52]

Die „Soziologie der Freiheit“

Als in der Nachkriegszeit immer deutlicher wurde, dass nicht nur nationalso­zia­lis­ti­sche Traditionen und Verhaltensmuster den freiheitlichen Menschentypus ge­fähr­deten, sondern dass sich in Ostdeutschland und Osteuropa eine sowjetische Spiel­art des Totalitarismus etablierte, fasste Weber seine Gedanken in einer ge­schlos­senen „Soziologie der Freiheit“ zusammen, die er in verschiedenen Veröf­fent­lichungen von 1949 bis 1953 immer wieder variierte, am eindringlichsten wohl im achten Kapitel der Neuauflage seiner „Kulturgeschichte als Kultursozio­logie“ sowie in seinem Werk „Der dritte oder der vierte Mensch“.[53]

Dritter oder vierter Mensch? – Kultursoziologische Entwicklungslinien

Bei seinen Überlegungen ging Weber von der Entwicklung der verschiedenen „Geschichts­körper“ Russland, Amerika und Europa aus. Russland stand dabei für ihn in der Tradition der alten despotisch-bürokratischen Herrschaftsgebilde des Alten Orients, die eine „Metaphysizierung des Staatlichen“ begründeten, welche in der Sowjetunion zu einem raffinierten totalitären Terrorapparat verfeinert wur­de.[54] Die Sowjetunion war für ihn daher „nichts anderes als das wiederauferstan­de­ne alte Ägypten mit alldurchdringender Bürokratie und allum­fassender Dienst­pflicht“.[55] Die Herrschaftsideologie führte vom Gottkönigtum Ägyptens über das abend­ländische Gottesgnadentum bis zum Legitimismus der neuesten Zeit, der büro­kratische Funktionarismus von der magisch begründeten Verwal­tung der alt­ori­entalischen Reiche über den „geweihten Obrigkeitsstaat“ bis zum Totalitaris­mus der Moderne.[56] Dagegen verkörperten Griechenland, das repub­likanische Rom, die mittelalterlichen Stadtstaaten sowie in der Neuzeit England, die Nie­der­lan­de und die Schweiz den „Hort der politischen Freiheit in Europa“, weil hier Büro­kratie und Staatsmetaphysik nicht zum Tragen kamen.[57] In Frank­reich, dem Ge­burts­land der modernen Bürokratie, konnten sich im Kampf gegen den Absolutis­mus die freiheitlichen Tendenzen nicht völlig durchsetzen, und es kam hier nur zu einer „gebrochenen Freiheitssphäre“.[58] In Deutschland wurde die Bürokratie „zur gefährlich gewordenen obrigkeitsstaatlichen Form fort­gebildet“.[59] Diese Tra­di­tionen in Europa erzeugten unterschiedliche Menschenty­pen: die westliche Tra­di­tion den an Freiheit und Humanität orientier­ten „dritten Men­schen“[60], Russland und das nationalsozialistische Deutschland den „vierten Men­schen“, ein an­ge­pas­stes „Funktionärswesen“, das sich in einer „Persönlich­keitsauflösung“[61] völ­lig in den Apparat integriert und rücksichtslos auch die un­menschlichsten Befehle sei­ner Vorgesetzten ausführt. Unter diesem Typus verstand Weber nicht nur den büro­kratischen „Schreibtischtäter“ totalitärer Staa­ten, sondern auch den effi­zien­ten Tech­nokraten der „Managerial Revolution“ in der westlichen Industrie­ge­sell­schaft, der schonungslos den Arbeitsprozess ratio­nalisiert und die Umwelt zer­stört.[62] Weber wies hier, ohne den Begriff selbst zu gebrauchen, auf das Phänomen der Entfremdung hin, in dem die vom Men­schen geschaffenen Organisa­tions­for­men sich als „Apparat“ verselbständigen und das Leben des Individuums beherrschen und enthumanisieren.[63] Damit steht er in einer langen kulturkritischen Denk­tradition, die mit Jean-Jacques Rousseau, Karl Marx und dem deutschen Idea­lismus begonnen hat und deren bekannteste Vertre­ter im 20. Jahrhundert Georg Lukács und Herbert Marcuse sind.[64] Bei der Alterna­tive „dritter oder vierter Mensch“ geht es letzten Endes um die Frage nach der weite­ren Entwicklung des Men­schen, die heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nichts von ihrer Aktualität ver­loren hat.

Der „Kongress für kulturelle Freiheit“

In der Öffentlichkeit am eindrucksvollsten vertrat Weber seine Überzeugun­gen auf dem „Kongress für kulturelle Freiheit“, der im Juni 1950 in Westberlin statt­fand und Zeichen gegen die zunehmende „Bedrohung der geistigen Freiheit“ set­zen sollte, der allerdings, wie wir heute wissen, als eine Propagandaveranstal­tung des „Kalten Krieges“ von der CIA finanziert wurde.[65]

Die praktische Realisierung der demokratischen Erziehung

Eigene Lehre

Wie sollten Webers Vorstellungen über eine Erziehung zur Demokratie in der Praxis verwirklicht werden? Zunächst einmal engagierte sich der greise Gelehrte selbst und nahm als Emeritus trotz seines hohen Alters – im Sommer 1945 war er immerhin 77 Jahre alt geworden – seine 1933 abgebrochenen Lehrveranstaltungen an der Universität Heidelberg wieder auf, die er bis kurz vor seinem Tod im Jahre 1958 auch regelmäßig abhielt. In seinen Seminaren behandelte er aktuelle politi­sche Themen wie „England und die Weltkrise“ oder „Probleme der Bewusstseins­situation in der BRD“ und wandte sich in den letzten Jahren verstärkt den Proble­men der Dritten Welt zu. Sein didaktischer Ansatz hatte sich noch weiter verfei­nert: Er sprach so wenig wie möglich und versuchte vielmehr durch geschickte Diskussionsleitung die Studenten dazu zu bringen, selbständig die Wahrheit zu erkennen. Es soll gelungene Sitzungen gegeben haben, in denen er gar nichts ge­sagt und nur das Wort erteilt hat.[66] Eine solche Didaktik ist selbst an heutigen Uni­versitäten nicht selbstverständlich, im Heidelberg der Nachkriegszeit ist sie die große Ausnahme. Ein Heidelberger Student der Nachkriegszeit, der nicht bei Weber studiert hatte, antwortete auf die Frage nach der Lehrmethode „Welche Formen der Vermittlung wurden eingesetzt?“: „Überwiegend die Form des Dozie­rens, nicht nur in den Vorlesungen, sondern auch in den Seminaren.“ Eine ande­rer, auch er kein Schüler Webers, erklärte: „Ich kann mich an keinen Dozenten erinnern, der sich darum bemüht hätte, die Studenten zur sachlich-lebendigen Diskussion und zur freien Rede anzuleiten.“[67] Weber kritisierte scharf solche altmo­dischen Methoden, sprach von „parauniversitärer Paukerziehung“[68] und entdeckte noch einen anderen Grund für pädagogisches Versagen: die zu starke Spezialisierung der Wissenschaft, die in „alexandrinische Lebensfremdheit“ oder in „technizistische Lebensgefährdung“ abglitt.[69] Allerdings musste er Mitte der fünfziger Jahr auch eine dramatische Verschlechterung des studentischen Niveaus fest­stellen und hoffte, dem durch die Anstellung von „Hochschulkuratoren“ mit „Beratungs- und Anregungsfunktion“ gegensteuern zu können.[70]

Die Politische Bildung

Eines der wichtigsten Mittel, die junge Generation in Deutschland zu Demo­kratie und Freiheit zu erziehen, sah Weber in einer obligatorischen politischen Bildung. Be­reits in einem Vortrag auf dem Deutschen Studententag in Heidelberg im März 1947 forderte er eine generelle Behandlung politischer Themen durch die Univer­si­tät und unterstützte in Heidelberg die Errichtung eines großen „Weltpoli­tischen Insti­tuts“, das allerdings erst 1955 in sehr viel bescheidener Form als Lehrstuhl für „Staatslehre und Politik“ errichtet und mit Webers Schüler Carl Joachim Fried­rich besetzt wurde.[71] Außerdem spielte er eine ausschlaggebende Rolle bei der Errich­tung einer selbständigen Disziplin der Politischen Wissen­schaft in der BRD, deren institutionelle Verankerung an den Universitäten erst nach langen Dis­kussionen und gegen den Widerstand zahlreicher Rektoren durch­gesetzt wer­den konnte.[72] Immerhin gelang es, über Webers Schüler Arnold Bergstraesser, Ordi­narius an der Universität Freiburg, Webers wissenschaftlichen Ansatz der Kon­stel­lationsanalyse jedenfalls zeitweise in dem neuen Fach einzu­führen.[73] Trotz­dem war Weber enttäuscht. Er hatte vorgesehen, die Politische Bildung in Deutsch­land als Pflicht­fach für alle Studenten einzuführen, nicht nur, um sie zu Frei­heit und Demokratie zu erziehen, sondern auch um die Entstehung eines un­frucht­baren Fachidioten­tums zu verhindern. In der Realität aber wurde die Poli­tik­wis­senschaft nur ein Spezialfach unter anderen und kann höchstens punktu­ell in den Ringvorlesungen eines „Studium generale“ eine größere Breitenwirkung ent­falten.

Epilog: Alfred Weber und die Studentenbewegung von 1968

Am 2. Mai 1958 starb Alfred Weber. Zehn Jahre nach seinem Tod entzündete sich an seinem Ideal des „Neuen Menschen“ eine scharfe Auseinandersetzung. Man schrieb das Jahr 1968, und Heidelberg war zu der Zeit ein Zentrum der Stu­denten­be­wegung.[74] Für den 23. Juli sollte zum 100. Geburtstag des Gelehrten eine akade­mische Gedenkfeier stattfinden, mit einer Rede seines Schülers, des in Basel leh­renden Volkswirtschaftlers Edgar Salin. Aber die Rektorin der Universität, Margot Becke, hatte gerade den Allgemeinen Studentenausschuss suspendiert und befürchtete studentische Unruhen. Sie verschob daher die Feier, in der Hoffnung, dass die Studenten dann in den Ferien seien. Als Salin davon erfuhr, sagte er zornentbrannt seine Rede ab und erklärte, „daß Alfred Weber Zeit seines Lebens ein Revolutionär gewesen sei, ich sei daher sicher, daß er in diesem Augenblick eher an der Spitze der Studenten als an der Spitze einer solchen Universität stehen würde.“ Statt dessen sprach Dolf Sternberger, Mitglied der CDU und Direktor des Heidelberger Instituts für Politikwissenschaft. Die studentische Fachschaft aber boykottierte diese Veranstaltung und verteilte ein Flugblatt, in dem die Studenten Auszüge aus einem Artikel Webers über die „Politisierung der Studentenschaft“ aus dem Jahre 1929 mit Äußerungen Sternbergers und der Rektorin von 1968 verglichen. Während Weber seinerzeit die „stärkste Politisierung [der Studenten], aber diese Politisierung in „gegenseitigem geistigen Ringen, mit Fairness“ gefor­dert hatte, „warnte Sternberger allerdings vor Politisierungsversuchen der Wissen­schaft, die mit der Forderung nach Engagement einhergehen.“ Sternberger sagte in einem Interview: „Ich muß Ihnen übrigens gestehen, daß ich das schwache politi­sche Engagement von Studenten der Politischen Wissenschaft mit einer gewissen Genugtuung beobachtet habe.“ Weber hatte 1929 geschrieben: „[...] ihre [der Studenten] Mitbeteiligung am Hochschulleben ist Notwendigkeit und meiner Ansicht nach noch lange nicht genügend entwickelt.“

Haben sich die Studenten zu Recht auf Weber berufen? Waren sie seine geis­tigen Enkel? Diese Fragen sind un­be­dingt zu bejahen. So ideologisch überspitzt die Studentenbewegung auch ge­we­sen ist, in ihr verkörperte sich das Leitbild von Webers pädagogisch-didaktischer Kon­zeption: der Typ des selbstverantwortli­chen, politisch engagierten und stets zum Widerstand gegen übermächtige Gewalten bereiten Individuums – ein Ideal, das er in Verwirklichung seiner „Sozio­logie der Freiheit“ nicht nur in der großen Poli­tik, sondern auch in den Kleinig­keiten des täglichen Lebens, in einem „ge­leb­ten soziologischen Denken“, wie es Richard Bräu so glücklich formuliert hat[75], immer wieder vorbildhaft ver­wirklicht hat. So hatte Webers Konzeption eines neu­en Menschen schließlich doch lang­fristig Früchte getragen.[76]



[*] Eine frühere Version dieses Artikels erschien unter dem Titel Erziehung zur Freiheit. Alfred Webers pädagogisch-didaktische Konzeption, in: Métrich, René; Petit, Jean (Hg.), Didasca­lies. Mélanges Yves Bertrand, Nancy 2002, S. 325–344.

[1] Huttner, Markus, Historische Gesellschaften und die Entstehung historischer Seminare. Zu den Anfängen institutionalisierter Geschichtsstudien an den deutschen Universitäten des 19. Jahr­hunderts, in: Middell, Matthias u.a. (Hg.), Historische Institute im internationalen Ver­gleich, Leipzig 2001, S. 39–83.

[2] Stepun, Fedor, Das Antlitz Rußlands und das Gesicht der Revolution. Aus meinem Leben 1844–1922, München 1961, S. 82f., Zit. S. 83.

[3] Benz, Richard, Lebens-Mächte und Bildungs-Welten meiner Jugend. Dresdner und Heidelber­ger Erinnerungen, Hamburg 1950, S. 123f.

[4] Jellinek, Camilla, Ein Lebensbild, in: Jellinek, Georg, Ausgewählte Schriften und Reden, Aalen 1970, S. 7–140, hier S. 84f.

[5] Zu Driesch: Driesch, Margarete, Das Leben von Hans Driesch, in: Wenzl, Aloys (Hg.), Hans Drieschs Persönlichkeit und Bedeutung für Biologie und Philosophie von heute, München 1951, S. 7–20, hier S. 17.

[6] Radbruch, Gustav, Der innere Weg, Stuttgart 1951, S. 87f.; Curtius, Ludwig, Deutsche und anti­ke Welt. Lebenserinnerungen, Stuttgart 1950, S. 374f.; Jansen, Christian, Professoren und Poli­tik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914–1935, Göt­tin­gen 1992, S. 31ff.; Demm, Eberhard, Alfred Weber und der Geist von Heidelberg. Ein Bei­trag zur Mentalitätsgeschichte der deutschen Bildungselite, in: Ders., Geist und Politik im 20. Jahr­hundert. Gesammelte Aufsätze zu Alfred Weber, Frankfurt am Main 2000, S. 83–98, hier S. 83; Ders., Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Der politische Weg Alfred We­bers 1920–1958 (Schriften des Bundesarchivs 51), Düsseldorf 1999, S. 15; Tompert, Hele­ne, Lebensformen und Denkweisen der akademischen Welt Heidelbergs im wil­hel­mi­ni­schen Zeitalter, vornehmlich im Spiegel zeitgenössischer Selbstzeugnisse, Lübeck 1969, S. 43ff.

[7] Alfred Weber an Else Jaffé, 09.02.1912, Bundesarchiv Koblenz (BArch), NL A. Weber/58, S. 174.

[8] Demm, Eberhard, Ein „Institut der Außenseiter“? Historische Forschung und Personalpolitik am Heidelberger Staatswissenschaftlichen Institut unter Eberhard Gothein und Alfred Weber (1904–1933), in: Demm, Geist und Politik (Anm. 6), S. 129–184, hier S. 139 u. 157.

[9] Weber, Alfred, Zur Hochschulreform, und Ders., Vom Wesen der Studentenschaft, in: Alfred Weber-Gesamtausgabe (AWG) Bd. 7: Politische Theorie und Tagespolitik (1903–1933), hg. von Eberhard Demm, Marburg 1999, S. 558–560 u. 647–649, Zit. S. 559 u. 648.

[10] Einige Protokolle aus Webers Nachlass veröffentlicht bei Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 443–470.

[11] Ebd., S. 114, 464ff.

[12] Alfred Weber an Else Jaffé, 02.11.1921, BArch, NL A. Weber/87, S. 360–369; vgl. Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 93f.

[13] Vgl. zur Lehrmethode von Rickert und Jaspers: Glockner, Hermann, Heidelberger Bilder­buch, Bonn 1969, S. 20; Goldmann, Nahum, Mein Leben als deutscher Jude, München 1980, S. 134; Löwenthal, Leo, Mitmachen wollte ich nie. Ein autobiographisches Gespräch mit Helmut Dubiel, Frankfurt am Main 1980, S. 58f.

[14] Fromm studierte bei Weber seit Oktober 1920 und nahm auch nach der Promotion noch an sei­nen Lehrveranstaltungen teil; Erich Fromm an Alfred Weber, 23.12.1955, BArch, NL A. Weber/19; in den Hörerlisten war er bei Weber offiziell nur im Sommersemester 1922 einge­schrie­ben, Universitätsarchiv Heidelberg, Quästur, Rep. 27/1412, Zahlungslisten der Hörer Webers.

[15] In: AWG 10, Ausgewählter Briefwechsel, hg. von Eberhard Demm und Hartmut Soell unter Mitwirkung von Nathalie Chamba und Volker Schober, Mar­burg 2003, S. 666; vgl. Klein-Lands­kron, Erich, Erich Fromm und Alfred Weber. Ein Beitrag zur Rezeption kultursoziolo­gi­scher Konzepte der Sinnkonstitution, in: Demm, Eber­hard (Hg.), Soziologie, Politik und Kul­tur. Von Alfred Weber zur Frankfurter Schule, Frank­furt am Main 2003, S. 155–174, hier S. 155f.

[16] Demm, Eberhard, Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920 (Schriften des Bundesarchivs 38), Boppard 1990, S. 70f.; Ders., Weimarer Repu­blik (Anm. 6), S. 102ff.

[17] Jaffé, Else, Biographische Daten Alfred Webers, in: Demm, Eberhard (Hg.), Alfred Weber zum Gedächtnis. Selbstzeugnisse und Erinnerungen von Zeitgenossen, Frankfurt am Main 2000, S. 65–84, hier S. 79.

[18] Honigsheim, Paul, Erinnerungen an Max Weber, in: König, René; Winckelmann, Johannes (Hg.), Max Weber zum Gedächtnis (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Beiheft 7), Köln 1963, S. 161–271, hier S. 211.

[19] Croner, Fritz, Ein Leben in unserer Zeit, Frankfurt am Main 1968, S. 157.

[20] Salin, Edgar, Um Stefan George, München 1954, S. 137f.; Demm, Eberhard, Entfremdung durch Mechanisierung und Bürokratisierung. Die Kulturkritik Alfred Webers und des Stefan George-Kreises, in: Ders., Geist und Politik (Anm. 6), S. 99–110, hier S. 100.

[21] Jacobsen, Otto, Neue Front, in: Komplizissimus 4 (1928), S. 38–40, hier S. 39.

[22] Zudeick, Peter, Der Hintern des Teufels. Ernst Bloch. Leben und Werk, Bühl 1987, S. 47.

[23] Historisch-kritische Edition des Protokolls bei Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 444–451. Ich übernehme hier meine Analyse aus Demm, Geist von Heidelberg (Anm. 6), S. 89f.

[24] Demm (Anm. 16), S. 186ff.; Ders., Weimarer Republik (Anm. 6), S. 86f.

[25] Linse, Ulrich, Die Jugendkulturbewegung, in: Vondung, Klaus (Hg.), Das Wilhelminische Bildungsbürgertum, Göttingen 1976, S. 119–138, hier S. 126ff.; Karl, Willibald, Jugend, Gesellschaft und Politik im Zeitraum des Ersten Weltkrieges, München 1973, S. 99ff.; Mosse, George L., The Crisis of German Ideology. Intellectual Origins of the Third Reich, New York 1964, S. 166.

[26] Weber, Alfred, Schule und Jugendkultur, in: AWG 7 (Anm. 9), S. 82–90, hier S. 82ff.

[27] Ders., Gustav Wyneken und die Freideutsche Jugend, in: ebd., S. 92–105.

[28] Vgl. die Zeugnisse von Edgar Salin und Ernst Wilhelm Eschmann bei Demm (Anm. 17), S. 110, 231.

[29] Zit. n. Kindt, Werner (Hg.), Grundschriften der deutschen Jugendbewegung, Köln 1963, S. 109.

[30] Einen Gegensatz zwischen der Selbstbestimmungsformel der Jugendbewegung und der Lehr- und Forschungsgemeinschaft in der Tradition Wilhelm von Humboldts kann ich nicht erken­nen, im Gegenteil; anders vom Bruch, Rüdiger, Langsamer Abschied von Humboldt? Etap­pen deutscher Universitätsgeschichte 1810–1945, in: Ash, Mitchel G. (Hg.), Mythos Hum­boldt. Vergangenheit und Zukunft der deutschen Universitäten, Wien 1999, S. 29–57, hier S. 49.

[31] Erich Fromm an Alfred Weber, 23.12.1955, BArch, NL A. Weber/19.

[32] Karl Mannheim an Alfred Weber, 25.07.1938, ebd./20.

[33] Milton Colvin an Alfred Weber, 01.06.1954, ebd./19.

[34] Croner (Anm. 19), S. 156; Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 89f. (Zit.).

[35] Zuckmayer, Carl, Als wär’s ein Stück von mir, Frankfurt am Main 1966, S. 303.

[36] Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 84 (Zit.).

[37] Weber, Wesen (Anm. 9), S. 647–649; Zit.: Alfred Weber an Helene Weber, 13.04.1904, BArch, NL A. Weber/47.

[38] Weber, Alfred, Politisierung der Studentenschaft, in: AWG 7 (Anm. 9), S. 650–652, hier S. 651, auch ausführlich zitiert bei Giovannini, Norbert, Jüdische Studentinnen und Studenten in Heidelberg, in: Ders. u.a. (Hg.), Jüdisches Leben in Heidelberg, Heidelberg 1992, S. 201–219, hier S. 211.

[39] Alfred Weber an Else Jaffé, 09.12.1923, NL A. Weber/92, S. 69; Hervorhebungen im Origi­nal.

[40] Weber (Anm. 38), S. 650f.

[41] Obrig, Ilse, Die geistige Haltung der Studentin, in: Komplizissimus 4 (1928), S. 38.

[42] Hermann, Ulrich, „Neue Schule“ und „Neue Erziehung“ – „Neue Menschen“, „Neue Gesell­schaft“. Pädagogische Hoffnungen und Illusionen nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, in: Ders. (Hg.), „Neue Erziehung“ – „Neue Menschen“. Ansätze zur Erziehungs- und Bil­dungsreform in Deutschland zwischen Kaiserreich und Diktatur, Weinheim 1987, S. 11–32; Weber, Wesen (Anm. 9), S. 647; Ders., Demokratie oder Diktatur, in: AWG 7 (Anm. 9), S. 458–461, hier S. 461.

[43] Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 214ff.

[44] Weber, Alfred, Das zeitgenössische Deutschland und seine Aufgabe in Europa, in: AWG 7 (Anm. 9), S. 536–538, hier S. 537; Ders., Der Deutsche im geistigen Europa, ebd., S. 539–548, hier S. 546f.

[45] Demm, Eberhard, Hat sich Alfred Weber mit dem NS-Regime akkommodiert? In: Ders., Geist und Politik (Anm. 6), S. 267–272; Ders., Alfred Weber und die Nationalsozialisten, ebd., S. 273–308; Ders., Zivilcourage im Jahre 1933. Alfred Weber und die Fahnenaktionen der NSDAP, ebd., S. 309–324.

[46] Zit. n. Weber, Alfred, Abschied von der bisherigen Geschichte, in: AWG 3, hg. von Richard Bräu, Marburg 1997, S. 222.

[47] Weber, Alfred, Freier Sozialismus. Ein Aktionsprogramm, in: AWG 9, Politik im Nachkriegs­deutschland, hg. von Eberhard Demm, Marburg 2001, S. 17–69, hier S. 62–69.

[48] Ebd., S. 62, auch zum Folgenden.

[49] Weber, Alfred, Die Schule im Zeitalter der Massen, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 679–692, hier S. 688ff.

[50] Ders. (Anm. 46), S. 219.

[51] Ders., Haben wir Deutschen seit 1945 versagt?, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 92–102, hier S. 100.

[52] Demm, Weimarer Republik (Anm. 6), S. 290.

[53] Weber, Alfred, Kulturgeschichte als Kultursoziologie, in: AWG 1, hg. von Eberhard Demm, Marburg 1997, S. 465–515; Ders., Der dritte oder der vierte Mensch, in: AWG 3 (Anm. 46), S. 253–287.

[54] Ders., Staatsmetaphysik und Wirklichkeit, in: AWG 8, Schriften zur Kultur- und Geschichts­so­ziologie (1906–1958), hg. von Richard Bräu, Marburg 2000, S. 530–546, hier S. 533; Ders., Mensch (Anm. 53), S. 290ff.

[55] Ders., Staatsmetaphysik (Anm. 54), S. 533.

[56] Ebd., S. 531.

[57] Ebd., S. 534ff.; Ders., Mensch (Anm. 53), S. 292ff., 325f.

[58] Ebd., S. 293.

[59] Weber, Kulturgeschichte (Anm. 53), S. 505.

[60] Demm, Eberhard, Einleitung, in: AWG 1 (Anm. 53), S. 29.

[61] Weber, Kulturgeschichte (Anm. 53), S. 480.

[62] Ebd., S. 465ff., 479f., 511ff.; Weber, Alfred, Deutschland und Europa, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 231–245, hier S. 243.

[63] Gehlen, Arnold, Studien zur Anthropologie und Soziologie, Neuwied 1963, S. 232.

[64] Weisskopf, Walter, Aliénation, idéologie et répression, Paris 1976, S. 53ff.; Israel, Joachim, L’aliénation de Marx à la sociologie contemporaine, Paris 1972, S. 38ff., 49ff.

[65] Coleman, Peter, The Liberal Conspiracy. The Congress for Cultural Freedom and the Strug­gle for the Mind of Postwar Europa, New York 1989.

[66] Demm (Anm. 17), S. 222.

[67] Müller, Leonhard (Hg.), Ich war Student in Heidelberg. Erinnerungen Heidelberger Pädago­gen an die Ruperto Carola, Heidelberg 1986, S. 15, 136.

[68] Weber, Mensch (Anm. 53), S. 459; Ders., Tradition und geistige Freiheit. Der Ruf nach Hoch­schulkuratoren, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 695–700, hier S. 696.

[69] Ders., Mensch (Anm. 53), S. 448.

[70] Ders., Tradition (Anm. 68), S. 700.

[71] Ders., Student und Politik, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 76–86; Mohr, Arno, Politikwissenschaft als Alternative. Stationen einer wissenschaftlichen Disziplin auf dem Wege zu ihrer Selbstän­digkeit in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1965, Bochum 1988, S. 142, 148ff.

[72] Ebd., S. 97ff.; Weber, Alfred, Die Politik als Lehrgegenstand der Universitäten und Hochschu­len, in: AWG 9 (Anm. 47), S. 658–663; Ders., Politische Wissenschaft im Rahmen der politischen Bildung, ebd., S. 664–673, hier S. 673; Molt, Peter, Der Bei­trag Alfred Webers zur Begründung der Politikwissenschaft in Deutschland, in: Demm, So­ziologie (Anm. 15), S. 235–261.

[73] Mohr (Anm. 71), S. 248.

[74] Zum Folgenden Hildebrandt, Dietrich „...und die Studenten freuen sich!“ Studentenbewegung in Heidelberg 1967–1973, Heidelberg 1991, S. 9; Demm, Eberhard, Alfred Weber und die Studentenbewegung von 1968, in: Ders., Geist und Politik (Anm. 6), S. 395f., dort auch die­ses und die folgenden Zitate.

[75] Bräu, Richard, Alfred Weber. Streitbares Leben – gelebtes soziologisches Denken, in: Nut­zin­ger, Hans G. (Hg.), Zwischen Nationalökonomie und Universalgeschichte. Alfred Webers Ent­wurf einer umfassenden Sozialwissenschaft in heutiger Sicht, Marburg 1995, S. 21–48, hier S. 21.

[76] Inzwischen hat allerdings, zumindest in Heidelberg, wieder ein Rückschlag eingesetzt. Der All­ge­meine Studentenausschuss (AStA) ist hier wie an allen Universitäten Baden-Württem­bergs und Bayerns aufgelöst, und die studentischen Fachschaften haben sich zu apolitischen, ge­selligen Treffpunkten der Erstsemester entwickelt, vgl. u.a. Jarausch, Konrad H., Das Hum­boldt-Syndrom. Die westdeutschen Universitäten 1945–1989 – ein akademischer Sonderweg? In: Ash (Anm. 30), S. 58–79, hier S. 72; Sellin, Volker, Auftakt zur permanenten Reform. Die Grund­ordnung der Universität Heidelberg vom 31. März 1969, in: Kohnle, Armin; Engehau­sen, Frank (Hg.), Studien zur deutschen Universitätsgeschichte. Festschrift für Eike Wolgast zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2001, S. 563–583; ferner persönliche Erfahrungen des Verfas­sers bei seiner Gastprofessur an der Universität Heidelberg in den akademischen Jahren 2001/2003.

Für das Themenportal verfasst von

Eberhard Demm

( 2007 )
Zitation
Eberhard Demm, Lernen durch das "diskutative Prinzip" Zur Entwicklung der emanzipatorischen Lehrmethode in Heidelberg, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1444>.
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