Erinnerung und Geschlecht – Auf der Suche nach einer transnationalen Erinnerungskultur in Europa Beitrag zum Themenschwerpunkt „Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte“

Erinnerungskultur hat derzeit Konjunktur. Zahlreiche aktuelle Tagungsankündigungen und Publikationen nehmen Bezug auf eine wissenschaftliche und geschichtspolitische Debatte, die weit über die historische Fachwissenschaft hinaus Aufmerksamkeit in den populären Medien findet. Auffällig sind jedoch zwei Merkmale: Die Auseinandersetzungen um öffentliches Gedenken fokussieren mehrheitlich den politischen bzw. kulturellen Raum der Nation und sie kommen in der Regel ohne nennenswerte Bezüge zum Geschlecht der Akteure aus. Diese Beobachtungen sind der Ausgangspunkt unseres Beitrags. Er stellt einen Forschungsansatz vor, der sich mit den Fragen beschäftigt: Wie lässt sich historisch arbeitende Genderforschung mit den Debatten um Erinnerungskultur verbinden? Wie kann die Erinnerung an Frauen und weibliche Handlungsräume in das kulturelle Gedächtnis Europas eingeschrieben werden? Und welche Präsentationsformen und Medien sind hierfür besonders geeignet? [...]

Erinnerung und Geschlecht – Auf der Suche nach einer transnationalen Erinnerungskultur in Europa

Von Sylvia Schraut und Sylvia Paletschek

Erinnerungskultur hat derzeit Konjunktur. Zahlreiche aktuelle Tagungsankündigungen und Publikationen nehmen Bezug auf eine wissenschaftliche und geschichtspolitische Debatte, die weit über die historische Fachwissenschaft hinaus Aufmerksamkeit in den populären Medien findet. Auffällig sind jedoch zwei Merkmale: Die Auseinandersetzungen um öffentliches Gedenken fokussieren mehrheitlich den politischen bzw. kulturellen Raum der Nation und sie kommen in der Regel ohne nennenswerte Bezüge zum Geschlecht der Akteure aus. Diese Beobachtungen sind der Ausgangspunkt unseres Beitrags. Er stellt einen Forschungsansatz vor, der sich mit den Fragen beschäftigt: Wie lässt sich historisch arbeitende Genderforschung mit den Debatten um Erinnerungskultur verbinden?[1] Wie kann die Erinnerung an Frauen und weibliche Handlungsräume in das kulturelle Gedächtnis Europas eingeschrieben werden? Und welche Präsentationsformen und Medien sind hierfür besonders geeignet?

Wir gehen dabei von folgender These aus: Die Konstruktion einer gendersensiblen europäischen Erinnerungskultur muss vom konkreten Ort als unmittelbarem Erfahrungsraum ausgehen. Von hier aus lassen sich so genannte „allgemeine“, männlich und national konnotierte, dem mainstream verhaftete Erinnerungen dekonstruieren. Die Erfahrungen von Frauen und Minderheiten lassen sich als Gedächtnisorte verankern und auch in die offizielle Geschichte einschreiben, wenn lokalen, regionalen, nationalen sowie transnationalen Erinnerungen vor Ort nachgespürt wird. Auf diese Weise lassen sich Bausteine zu einer gendersensiblen, nicht hegemonialen europäischen Erinnerungskultur schaffen.

Die folgenden methodischen Überlegungen agieren somit auf vier Ebenen und sie zielen, 1. auf die theoretische Fundierung einer historischen Analyse von Erinnerungskultur unter Genderaspekten, 2. das Sichtbarmachen von Geschlecht in der Erinnerungskultur, 3. Auf das Verhältnis von Erinnerung, Geschlecht und Raum bzw. die Implementierung neuer gendersensibler Erinnerungsorte in die deutsche und europäische Erinnerungskultur und 4. auf die Entwicklung hierfür geeigneter Präsentationsmedien, insbesondere auf das Internet. Unser Forschungsansatz verbindet also die historische Analyse mit konkreter Erinnerungspolitik und Experimenten zu ihrer medialen Ausformung. Deshalb soll im abschließenden Teil dieses Beitrags kurz ein Pilotprojekt zur Erinnerungskultur der 1848er Revolution in Offenburg, einer südwestdeutschen Mittelstadt, vorgestellt werden, das zur Erprobung unseres Konzeptes diente.

1. Bestandsaufnahme: Erinnerungskultur und Gender

Welche Merkmale charakterisieren die öffentliche Erinnerungskultur in Europa unter Berücksichtigung der Analysekategorie Geschlecht? Hierzu nur ein paar Schlagworte:

Öffentlich gepflegte Traditionsbildung und Erinnerungskulturen stehen historisch in engem Zusammenhang mit der Herausbildung der Nationalstaaten und der Ausformung nationaler Identitäten im Verlaufe des 19. Jahrhunderts. An diesen Prozessen orientierte Momente einer nationalen Erinnerungskultur (Denkmäler, Gedenktage, Feste usw.) dienten der Ausbildung eines wie auch immer definierten Nationalbewusstseins und förderten die Entwicklung einer solchen Identität häufig auch in Abgrenzung, Konkurrenz und Feindschaft zu Nachbarstaaten und sonstigen Mächten in Europa.[2] Der Herstellungsprozess kultureller Erinnerung spiegelt gesellschaftliche Auseinandersetzungen um die Deutung des Vergangenen. In der Regel setzten sich gerade im nationalen Verdichtungsprozess „Mainstream“-Deutungen durch, welche die Positionen von gesellschaftlichen Minderheiten und transnationale Aspekte des Erinnerns vernachlässigten. Die auf diese Weise ausgeformten (nationalen) Erinnerungsulturen wirken teilweise bis heute nach. Typisch ist darüber hinaus die Orientierung des kulturellen Gedächtnisses am bürgerlichen Geschlechtermodell, mithin eine männlich konnotierte Ausrichtung des so genannten „allgemeinen“ kulturellen Gedächtnisses. Frauen, als agierende Subjekte, ihre Handlungsspielräume und ihre Selbstentwürfe werden häufig marginalisiert oder vergessen.[3]

Diese Charakteristika lassen sich exemplarisch am Gedächtnisorte-Konzept Pierre Noras aufzeigen.[4] Noras Erkenntnisinteresse richtet sich auf die historisch verankerte nationale Identität, seine Referenzadresse ist ausschließlich die Nation. Auch explizit geht es ihm um die aktuelle oder zukünftige Stärkung und Absicherung eines über Erinnerung zu stabilisierenden nationalen Gedächtnisses. Eine Geschichtsschreibung, die sich mit Erinnerung unter Bezug auf das Norasche Konzepts befasst, ist in der Gefahr, ein Geschichtsbild mit den zuvor genannten Charakteristika zu entwerfen. Hierfür liefern die deutschen Erinnerungsorte von Etienne François und Hagen Schulze ein anschauliches Beispie1.[5] Es ist viel über das Konzept der deutschen Erinnerungsorte, insbesondere über die Aspekte „Nation“ und„Gedächtnis der Mehrheit“ diskutiert worden.[6] Hier soll lediglich das implizite Genderkonzept des Ansatzes von François/Schulze analysiert werden.

Von den 121 Beiträgen der Erinnerungsorte beschäftigen sich 25 mit Personen, davon sind fünf weiblich. Demnach repräsentieren Rosa Luxenburg und Rahel Varnhagen, Königin Luise und Marlene Dietrich das weibliche Element unter den deutschen Erinnerungsorten. Uta von Naumburg mag man noch dazuzählen, selbst wenn sie ihren Eintrag dem Bamberger Reiter schuldet, der ihr im Titel des Essays auch vorangestellt ist. Eine gewisse Blindheit gegenüber Geschlechterfragen lässt sich auch an scheinbar geschlechtsneutralen Beispielen aufzeigen, die unter den Erinnerungsorten genannt werden: So firmieren „Canossa“, „Nürnberg“, „Versailles“ oder „Rapallo“ auf den ersten Blick als „allgemeine“ Erinnerungsorte, sie sind es aber faktisch nicht, da mit ihnen ausschließlich männliche Handlungsspielräume assoziiert werden, dies aber nicht kenntlich gemacht wird. Selbst der „großen“ (Außen-)Politik fernere symbolisch aufgeladene Orte wie „Karlsruhe“, „furchtbare Juristen“ oder „Bürgerliches Gesetzbuch“ verweisen zweifellos deutlicher auf die männlichen Gesetzesmacher oder Ausleger denn auf die von ihnen angesprochenen männlichen und weiblichen Zielpersonen oder Kritiker. In einem weiteren Verdichtungsprozess ist inzwischen bei der Büchergilde eine einbändige Ausgabe der „Deutschen Erinnerungsorte“ erschienen, in der, wie es im Vorwort heißt, vor allem die politikgeschichtlichen Erinnerungsorte Eingang gefunden haben.[7] Zu diesen 29 Exempeln zählen keine einzige Frau und kein einziger weiblich konnotierter Erinnerungsort.

Diese grobe exemplarische Analyse einer an Nation ausgerichteten Erinnerungskultur veranschaulicht das „Unbehagen“, das eine unter Genderaspekten geführte Untersuchung der öffentlicher Erinnerungskultur und der sie begleitenden wissenschaftlichen Debatte zu Tage fördert. Jan Assmann zufolge trägt das kulturelle Gedächtnis zur Stiftung einer historisch begründeten Identität der Angehörigen einer Kultur bei und spiegelt die öffentliche Einordnung, Relevanzzuweisung, Bewertung und Deutung der Geschehnisse wider, mit Hilfe derer sich das politische und kulturelle Selbstbild eines Gemeinwesens historisch verankert.[8] Der Platz von Frauen, weiblichen Handlungsräumen und Selbstentwürfen in der Nation ist innerhalb dieser Sinnstruktur nach wie vor marginalisiert. Zu fragen ist: An welche Erinnerungen knüpfen Frauen eigentlich ihre Identität und mit welchen Erinnerungen schreiben sie sich in das politische Gemeinwesen ein, dem sie angehören?

Für die wissenschaftliche Analyse von Erinnerungskultur unter Genderaspekten ist der Bezug auf die Nation eher hinderlich. Dies spiegelt auch die vorhandene Forschungsliteratur zum Thema Erinnerung und Geschlecht wider. Zwar gibt es eine Reihe regionalgeschichtlicher Publikationen, die sich darum bemühen, „vergessene“ Frauen zu erforschen und die Geschichte von Frauen in die kulturelle Erinnerung vor Ort zu implementieren.[9] Bislang sind diese meist im Umfeld feministischen/bürgerschaftlichen Engagements entstandenen Ergebnisse jedoch kaum systematisch auf ihre gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Inhalte hin analysiert oder synthetisiert worden. Über die lokalgeschichtliche gezielte Erforschung vergessener Frauen hinaus gibt es nur erste methodisch reflektierte Versuche, gender und memory zu kombinieren. Zu nennen sind hier vor allem ein früher Sammelband von Selma Leydesdorff und Luisa Passerini aus dem Jahr 1996 oder ein paar Aufsätze mit Denkanstößen von Maria Grever.[10] Die meisten einschlägigen Publikationen und konkreten Fallstudien beziehen sich jedoch auf den außereuropäischen Raum.[11] Weitere einschlägige deutschsprachige Publikationen finden sich eher in der Literaturwissenschaft denn in der Geschichte. So fand beispielsweise im Rahmen der 3. Sommerakademie der Universität Oldenburg im März 2004 eine Tagung statt, die sich mit dem Thema Erinnerung und Geschlecht befasste. Im Mittelpunkt standen die Schwerpunkte „mediale Repräsentanz weiblicher Erinnerung“, „Sichtbarmachen von Geschlecht in Text- und Bildproduktion“ und „Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit von Erinnerung“. Dies sind Ansätze, die sich zwar mit der Dekonstruktion bestehender Erinnerungskulturen beschäftigten, aber dabei zumindest nicht zentral eine historische Perspektive einnehmen.[12] Es gibt darüber hinaus im deutschsprachigen Raum einige Studien zur weiblichen Erinnerung an den Holocaust, auch diese sind aber vorrangig von Literaturwissenschaftlerinnen und Pädagoginnen geschrieben.[13] Ähnlich ist auch eine im angloamerikanischen Kulturraum zu verortende noch nicht publizierte Tagung mit dem Titel „Gender and Memory“ einzuordnen, die vom Centre for Women’s Studies am University College in Limerick, Irland, im Jahr 2005 veranstaltet wurde. Hier dominierten sozialwissenschaftliche Ansätze rund um das Thema Erinnern und oral history. Im Zentrum stand die gendergeleitete Analyse von Prozessen des Erinnerns, nicht jedoch die gendersensible Dekonstruktion von Geschichtsbildern und der Bedeutung des männlich konnotierten Erinnerten in der Erinnerungskultur.[14]

2. Das Sichtbarmachen von Geschlecht in der ErinnerungskulturDas Bemühen um die Analyse der vorhandenen öffentlichen Erinnerungskultur unter Genderaspekten und das Bestreben, weibliche Erinnerung zu implementieren, greifen auf eine ganze Reihe methodischer Ansatzpunkte zurück.

Notwendig ist zum einen die Dekonstruktion der öffentlichen Erinnerungskultur(en) mit Hilfe der Kategorie Geschlecht. Geht man mit Joan Scott davon aus, dass „Gender“ eine wesentliche Kategorie zur Deutung gesellschaftlicher Beziehungssysteme ist und in der Geschichte eine zentrale Argumentationshilfe zur Etablierung, Legimitierung und Zementierung von Machtverhältnissen darstellt,[15] dann gilt es, Erinnerungsorte und -kulturen in ihren symbolischen, normativen und gesellschaftsgeschichtlichen Bezügen geschlechtsspezifisch zu analysieren. Es sind daher die geschlechtsspezifischen Aufladungen vorhandener Erinnerungsorte zu untersuchen und die mit ihnen verbundenen (nationalen) Symbole, Wertsetzungen, Macht- und Geschichtskonzepte sowie Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit zu erforschen. Das heißt: Zu analysieren sind die Geschlechterbeziehungen, die der öffentlichen Erinnerungskultur eingeschrieben sind. Eine solche Analyse steckt nach derzeitigem Forschungsstand noch in den Kinderschuhen. Doch die ersten einschlägigen Untersuchungen zeigen eine enge Anbindung der heutigen Erinnerungskultur an die hauptsächliche Entstehungszeit der Trägerelemente von Erinnerung, nämlich das bürgerliche Zeitalter – das 19. Jahrhundert – und damit an das bürgerliche Geschlechtermodell, das in diesem Zeitraum entwickelt wurde bzw. seinen Siegeszug antrat.[16]

Die in den gesellschaftlichen Leitkonzepten des 19. Jahrhunderts wirkmächtig verankerte Dichotomie von „männlich-öffentlich/politisch“ und „weiblich-innerhäuslich/privat“ führt folgerichtig dazu, weibliche Handlungsspielräume, Perspektiven und Leistungen aus dem männlich konnotierten öffentlichen Raum zu verbannen. Sie werden meist marginalisiert oder dem Vergessen anheimgegeben, sowohl, wenn sie dem bürgerlichen Geschlechtermodell entsprechen, als auch wenn sie ihm zuwiderlaufen. Das heißt freilich nicht, dass in der vom bürgerlichen Geschlechtermodell beeinflussten Erinnerungskultur des 19. Jahrhunderts keine Frauengestalten auftauchen. So haben Frauen als Mitglieder der Herrscherfamilien Anteil am öffentlichen Gedächtnis, freilich in der Regel nur in dem Maße und in denjenigen Handlungsräumen, die Schnittstellen zum bürgerlichen Geschlechtermodell aufweisen. Dies gilt auch für Herrscherinnen, die zumeist als (Landes-)Mütter mit allen zugehörigen mütterlichen Implikationen in der Erinnerungskultur Eingang finden.

Darüber hinaus werden die zeitgenössischen Vorstellungen von Geschlecht als „überzeitliche“ Werte präsentiert. Frauengestalten fungieren als Allegorien der Nation,[17] sie repräsentieren beispielsweise die Werte der Mütterlichkeit oder der Trauer.[18] Doch diese Zuschreibungen werden als überzeitliche anthropologische Größen begriffen. Sie werden damit enthistorisiert und entziehen sich folglich dem historischen Wandel. Diese Analyse lässt sich freilich auch auf männlich konnotierte Allegorien im Bilderkanon der Erinnerungskultur anwenden. So steht beispielsweise der überzeitlich definierten und damit scheinbar unwandelbaren Mütterlichkeit eine ebenso geschichtslose männliche Tapferkeit gegenüber. Doch stellt diese in Konkurrenz mit konkreten Erinnerungen an Bismarck oder an die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse nur eine Facette männlich konnotierter Erinnerung dar, während Frauen nahezu ausschließlich auf den überzeitlichen Wertekanon verwiesen werden.

Es wäre zweifellos relativ langweilig, bei der Feststellung stehen zu bleiben, dass die Erinnerungskultur des bürgerlichen Zeitalters durch das bürgerliche Geschlechtermodell gekennzeichnet ist. Doch diese im 19. Jahrhundert entstandene Erinnerungskultur ist bis heute im kulturellen Gedächtnis wirkmächtig; sie einfach zu ignorieren, führt nicht weiter. Alle Bemühungen, die öffentliche Erinnerungskultur zu gendern, kommen deshalb am bürgerlichen Geschlechtermodell auch nicht vorbei. Zu fragen ist folglich, wie die von diesem beeinflussten Erinnerungsbilder ihres scheinbar überzeitlichen historisch anthropologischen Charakters entkleidet werden können, um sie für eine gendersensible, nationale Grenzen überwindende Erinnerungskultur brauchbar zu machen. Ein erster Schritt zur Dekonstruktion solcher Geschlechterstereotypen mit geschichtslosem Geltungsanspruch ist ihre konsequente Historisierung: Diese kann über die Methode der Rückbindung scheinbar zeitloser nationaler Allegorien, Metaphern und Symbole des 19. Jahrhunderts an ihren Entstehungskontext und ihre vorbürgerlichen Traditionslinien hergestellt werden. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, Wandlungen innerhalb des Umgangs mit diesen Geschlechterbildern im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Das heißt, eine doppelte Historisierung der überlieferten Erinnerungskultur ist gefordert. In einem dritten Schritt sollte überlegt werden, wie in einem Akt reflektierter Geschichtspolitik und Traditionsstiftung eine gendersensible Erinnerungskultur geschaffen werden kann.

Nehmen wir als Beispiel die religiöse Figur der Mutter Maria, die im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Mütterlichkeit und Trauer um den verlorenen Sohn symbolisiert. Während der Nationalstaatsbildung beispielsweise in Irland oder Polen im 18. und 19. Jh. wurde Maria zur Allegorie der Trauer um die verhinderte Nation umfunktioniert. Es handelt sich um eine „starke“ Allegorie, denn sie bot eine Chance, alle Christen, Männer wie Frauen, an die Idee der Nation zu binden. Im 20. Jahrhundert ermöglichten die feministische Rekonstruktion dieser Allegorie und der Rückgriff auf ihre vorbürgerlichen Bedeutungsinhalte eine gewandelte Perspektive. Erneut interpretiert als religiöses Motiv des Leids und der Mütterlichkeit, eröffnete die Figur der Maria gerade Frauen die Chance, Widerstand zu leisten gegen Konflikte, die im Namen der Nation ausgetragen wurden. Dieser Prozess kann beispielsweise an der Bewegung von Müttern für den Frieden in Nordirland verfolgt werden.[19] Es handelt sich hierbei um eine politische Bewegung, welche die in der Nation verankerte nationale Allegorie des Leids als christlich überkonfessionell mütterlich konnotiertes Leidensmotiv deutet. Sie schuf damit eine Identifikationslinie gleichermaßen für Protestantinnen und Katholikinnen in Opposition zu den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen. Die Mariengestalt, im 19. Jh. transformiert zur weiblichen Allegorie des Leids der Nation, nun gedeutet in Anlehnung an die vorbürgerliche Allegorie für christlich-mütterliche Trauer um die toten Söhne und Männer, wandelte sich in diesem Transformationsprozess zur Lager überschreitenden Identifikationsfigur für Frauen, die sich gegen die „Zumutungen“ der Nation wendeten. Mit ähnlichen Deutungsmustern operierte eine politische Bewegung in Italien, die mit dem Rekurs auf Mütterlichkeit Witwen von Mafiosi wie Justizbeamte in ihrem Kampf gegen die Mafia vereinigte.[20]

Einen weiteren methodischen Ansatz, Erinnerungs- und Geschlechterforschung zu kombinieren, liefert die Frage nach den spezifisch weiblichen Formen von Erinnerung. Erinnern Frauen anders als Männer? Diese Frage ist freilich problematisch, denn sie ist dazu geeignet, eine Geschlechterdichotomie innerhalb der Erinnerungskultur zu konstruieren, die nicht per se vorausgesetzt werden muss. Wer nach Geschlecht fragt, findet Geschlecht. Der Ausgangspunkt ist für uns aber nicht der Konstruktionscharakter, sondern die historische und erinnerungspolitische Wirksamkeit von Geschlechtertopoi, und die einschlägige Forschung belegt den Ertrag dieses Ansatzes.[21]

Die bisherigen Untersuchungsergebnisse benennen vor allem drei Charakteristika hinsichtlich geschlechtsspezifischer Formen des Erinnerns:

1. Wie Oral History-Interviews gezeigt haben, individualisieren Frauen ihre Erinnerungen stärker als Männer. Frauen sagen „ich“, wenn Männer sich auf „man“ zurückziehen.[22] Da die Gedächtnisforschung zeigt, dass mit eigenen Erfahrungen verbundene Erinnerungen tiefer als entpersonalisierte Erfahrungen verankert werden, ist zu untersuchen, welche Konsequenzen sich aus diesem Muster für eine öffentliche Erinnerungskultur und für die historische Verankerung von Identität ergeben. Zu fragen ist auch: Was sind die Folgen für eine öffentliche Erinnerungskultur, wenn darauf bestanden wird, die Erinnerung an politische Geschehnisse nicht von subjektivem Erleben zu trennen? Über die Neuperspektivierung vorhandener bürgerlich geprägter Erinnerung an Frauen durch „unerwünschte“ persönliche oder private Details können beispielsweise Impulse für das Aufbrechen traditioneller Erinnerungsmuster geboten werden. Dies lässt sich am Beispiel von Frauen in der 1848er Revolution aufzeigen.[23] Sie besetzen in der „allgemeinen“ Geschichtsschreibung über die Revolution bestenfalls Nebenrollen als Familienmitglieder von Revolutionshelden, Verbandszeug herstellend und Fahnen stickend. Ihre Aktivitäten in der Revolution werden dabei häufig vor dem Werthorizont männlichen politischen Handelns interpretiert und dementsprechend entpolitisiert.[24] Eine Neuperspektivierung der „politischen“, männlich konnotierten Erinnerungen an die Revolution von 1848 durch die weiblich konnotierten persönlichen scheinbar unpolitischen Erfahrungen gibt auch Aufschluss über das zeitgenössische Geschlechterverhältnis. So wird zum Beispiel das Bild des erfolgreichen Revolutionspaares und der emanzipierten Freischärlerin in den Erinnerungen der Amalie Struve mit Widerhaken versehen, wenn plötzlich die Benachteiligung der Frauen im Revolutionsprozess aufscheint:

„Niemals empfand ich so tief die unwürdige Stellung, in welcher sich bis zum heutigen Tage das weibliche Geschlecht gegenüber dem männlichen befindet. Warum sollte die Frau, welche die Fähigkeiten dazu besitzt, nicht arbeiten dürfen im Augenblicke der Entscheidung. Warum sollte die Gattin, welche die Gefahren des Gatten teilte, nicht auch Teil nehmen an seinen Arbeiten? Fürwahr, so lange selbst im Sturm der Revolution so viele Rücksichten auf hergebrachte Vorurteile genommen werden, wird das Joch der Tyrannei nicht gebrochen werden.“[25]

Doch führt eine solchermaßen ausgestaltete enge Verbindung der Erinnerung an die „große“ Politik mit der „kleinen“ individuellen privaten Anmerkung notwendigerweise zu einer Mehrdimensionalität von öffentlicher Erinnerung? Ist sie einer modernen Gesellschaft mit ihren zahlreichen nebeneinanderher existierenden Milieus und Wertesystemen gerade auch im transnationalen europäischen Kontext angemessen? Über die reine Feststellung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Erinnerungsverhalten ist die einschlägige Forschung jedoch noch nicht hinausgekommen.

2. Wie vor allem Andrea Petó gezeigt hat, spielt in den Erinnerungen von Frauen innerfamiliäres Geschehen eine weitaus größere Rolle als in männlichen Erinnerungen.[26] Das lässt sich zwar auf die tradierte Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen zurückführen. Doch handelt es sich hierbei um ein Phänomen, das nicht auf die altbekannte Dichotomie von weiblich/privat und männlich/öffentlich reduziert werden sollte. Weibliche Erinnerung eröffnet vielmehr auch einen Einblick in die Familie als Ort der Gegenüberlieferung, als Ort der staatsfernen Traditionsstiftung jenseits des öffentlich bzw. politisch Erwünschten. So stellt die Familie beispielsweise in den sozialistischen Systemen des ehemaligen Ostblocks den Raum dar, in dem patriarchale Geschlechterverhältnisse trotz vordergründig geschlechteregalitärer Ideologie gepflegt oder religiöse antikommunistische Traditionen intergenerationell weitergegeben wurden. Dass Opa kein Nazi war[27] oder dass man „nichts gewusst“ hat – diese „Erinnerungen“ sind nicht Teil der deutschen Geschichtspolitik,[28] vermutlich dürften sie jedoch in vielen innerfamiliären Bemühungen um Traditionsstiftung und Identitätsbildung im Spannungsverhältnis zwischen Selbstdeutung und Verdrängung verankert sein. Die Einbeziehung des weiblich konnotierten scheinbar privaten Familienraums in die Analyse öffentlicher politischer Erinnerungskultur eröffnet folglich die kontrastierende Erforschung des vom politischen System geförderten und erwünschten Gedächtnisses und seiner sich der öffentlichen Kontrolle entziehenden weiblichen Gegenüberlieferungslinien. Letztlich bedeutet dies, das tendenziell „weibliche“ kommunikative Gedächtnis in das dominant „männliche“ kulturelle Gedächtnis verstärkt oder neu einzubinden. Diese Überlegungen eröffnen auch eine Neuperspektivierung der Debatten um kollektives, kommunikatives und kulturelles Gedächtnis unter Genderaspekten.[29] So könnte das kommunikative Gedächtnis als weiblich, das kulturelle als männlich konnotiert verstanden werden. Die konsequente Einbindung des kommunikativen Gedächtnisses in die öffentliche Erinnerungskultur käme einem Gendern von Erinnerungskultur gleich.

3. Ein Schlüsselthema der gegenderten Erinnerungsforschung stellt derzeit die historische Analyse von Kriegserinnerungen dar. Auf einer im Januar 2005 von den Autorinnen in Mannheim veranstalteten Tagung zum Thema „Gendering Memory in Europe“ nahm die Erforschung von Kriegserfahrung und -erinnerung einen zentralen Raum ein.[30] Dies mag zum einen darauf zurückzuführen sein, dass derzeit das Thema Krieg und Kriegserfahrung in der historischen Forschung Konjunktur hat.[31] Die Analyse von Kriegserinnerungen unter Gender-Aspekten macht jedoch auch deutlich, wie sehr Krieg, interpretiert als Kulminationspunkt nationaler Krise und Identitätsstiftung, dazu geeignet ist, die Gegenläufigkeit oder den sich gegenseitig in Frage stellenden Charakter weiblicher und männlicher Erinnerung herauszuarbeiten. So wird in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg in der Regel jenseits nationaler Besonderheiten im kommunikativen und kulturellen Gedächtnis die Verteidigung der Nation und die Identifikation mit nationalen Zielen als männliche Verhaltensweise erinnert, während Kollaboration, Fraternisierung und die Brechung nationaler Identifikation durch „Liebe“ als weibliche Verhaltensweisen in das Gedächtnis eingehen. Lässt sich daraus folgern, dass in der Erinnerung an den Krieg ein männlich konnotiertes Misstrauen hinsichtlich der nationalen Loyalität von Frauen virulent wird? Erklärt sich auch hieraus das Fehlen weiblicher Erinnerung im kulturellen Gedächtnis der Nation? Bislang ist die einschlägige Erforschung von Kriegserinnerungen unter Genderaspekten noch nicht zu synthetisierenden Fragestellungen vorgedrungen.

3. Erinnerung, Geschlecht und Raum

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die enge Verbindung von öffentlicher Erinnerung und Nation. Unter Zuhilfenahme der Kategorie Geschlecht lässt sich der scheinbar geschlechtsneutrale nationale Erinnerungsraum dekonstruieren. Zur erwünschten Implementierung weiblich konnotierter Erinnerungsorte in die öffentliche Erinnerungskultur kann die geforderte Dekonstruktion allein jedoch nicht genügen, denn durch sie werden keine weiblichen Erinnerungen im kulturellen Gedächtnis verankert. Das Einschreiben von Frauen in die Erinnerungskultur setzt voraus, die Politiklastigkeit des kulturellen Gedächtnisses aufzubrechen und jene Themenfelder aufzugreifen, die der historischen Anthropologie oder der Kulturgeschichte zugeordnet werden. Diese sind tendenziell weiblich konnotiert. Eine gendersensible Einarbeitung der historischen Erfahrungen von Frauen in das öffentliche Gedächtnis benötigt darüber hinaus ein räumliches Bezugssystem zusätzlich und jenseits des Nationalstaats. Das Spiel mit unterschiedlichen räumlichen Maßstäben, das heißt die Verbindung von lokaler, regionaler, nationaler und transnationaler Perspektive, ermöglicht Multiperspektivität und erleichtert damit die Einbindung der Kategorie Geschlecht, so unsere These.

Denkbar ist die Analyse von über den Nationalstaat hinausreichenden Erinnerungen beispielsweise anhand von Grenzregionen[32] oder transnationalen Kommunikationsnetzwerken.[33] Gibt es transnationale Gemeinsamkeiten geschlechtsspezifischer Erinnerungsmuster? Welche transnational verankerten Erfahrungen, Handlungsspielräume und Aktionen von Frauen können dem Vergessen entrissen und in eine beispielsweise auf Europa ausgerichtete Erinnerungskultur eingebracht werden? Ein solches Forschungsvorhaben setzt vergleichend angelegte Studien in unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen voraus, zumal der Vergleich aus nahe liegenden Gründen nicht allein auf der Ebene nationaler Erinnerungskultur(en) stattfinden kann.

Ein möglicher Weg für die einschlägige Forschung stellt aber auch die vergleichende Analyse weiblicher Erfahrungen und Handlungsspielräume in kleinräumigeren Bezugssystemen dar, etwa in historisch gewachsenen Regionen oder Kommunen.[34] Solcher Forschung haftet üblicherweise das Stigma der im Vergleich zur Nationalgeschichte geringeren Bedeutung, des „Klein Klein“ oder nicht Repräsentativen an. Doch anders als auf nationaler Ebene lässt sich für den regionalen oder lokalen Raum feststellen: Wer Frauen, weibliche Perspektiven und Aktionsräume in der Geschichte sucht, der findet überraschend viel Material. Wie unsere exemplarischen Analysen am Beispiel Offenburgs gezeigt haben, erlaubt das solchermaßen gewonnene Material, genau die Verbindungen zwischen Erinnerungskultur und Geschlechtergeschichte zu knüpfen, die für die Anreicherung der öffentlichen Erinnerungskultur mit weiblich konnotierten historischen Erfahrungen notwendig sind. Verbindet sich eine kleinräumliche Herangehensweise an Erinnerungskultur mit der Analysekategorie Geschlecht und einer Weitung der Themenfelder jenseits der Politik, dann ergeben sich eine Reihe neuer Forschungsperspektiven:

So verweist Erinnerungskultur im regionalen oder kommunalen Raum beispielsweise auf eine Vielzahl von mehr oder weniger zufällig übrig gebliebenen Denkmälern von, national gesehen, eher marginaler Bedeutung, die jedoch Erinnerungsräume an Frauen eröffnen. In Offenburg gibt es zum Beispiel ein Denkmal für französische Widerstandskämpferinnen, die hier getötet wurden.[35] Dieses Mahnmal ist vergessen worden; es könnte neu in die öffentliche Erinnerungskultur in Offenburg eingebunden werden und einen Baustein zu einer im lokalen Umfeld verankerten europäischen Erinnerungskultur darstellen. An seinem Beispiel ließen sich transnationale Verbindungen eines europäischen Widerstands aufzeigen, an dem auch Frauen beteiligt waren. Hier bietet eine europäische Perspektive, die auf der regionalen Ebene ansetzt, Chancen, die im nationalen Verdichtungsprozess verloren gehen. So musste auf nationaler Ebene dieses Bildwerk und ähnliche Erinnerungsorte, die weiblichen Widerstand repräsentieren, der „wichtigeren“ männlichen Konkurrenz oder dem angeblich geschlechtsneutralen Erinnern weichen. Die Debatten um das Berliner Holocaustdenkmal sind bestens dazu geeignet, den soziale, kulturelle und Geschlechterdifferenzen nivellierenden Prozess von zentral verankerter Erinnerung zu verdeutlichen.[36]

Doch es können nicht nur vergessene weibliche Erinnerungsorte neu belebt werden. Der Zugriff auf historisches Geschehen vom begrenzten Raum her ermöglicht überdies die neue Implementierung bislang vernachlässigten weiblichen Handelns in die regionale Erinnerungskultur. In Offenburg lebte beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts Marie Geck, eine damals durchaus überregional bekannte Sozialdemokratin. Die Ehefrau eines Reichstagsabgeordneten war auf kommunaler Ebene politisch sehr aktiv, arbeitete daneben in der familieneigenen Druckerei und erzog fünf Kinder.[37] Sie war national in der Sozialdemokratie sowie in der Frauenbewegung vernetzt und Briefpartnerin von August Bebel, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin. Jenseits ihrer tagespolitischen Arbeit widmete sie sich der Erinnerung an 1848 und veröffentlichte zahlreiche historische Aufsätze zum lokalen Geschehen rund um die Revolution, ebenso zur Geschichte der Offenburger Frauen. Dies geschah in der Absicht einer demokratischen Traditionsstiftung. Zeitgenössisch wurde sie als badische „Rosa Luxemburg“ bezeichnet, das heißt, sie wurde mit Hilfe überregionaler Bezüge charakterisiert. In der nationalen Geschichte vergessen, steht sie doch für einen spezifisch weiblichen und regionalen Zugang zur Erinnerungskultur. Durch ein bewusstes Erinnern können regional durchaus bedeutsame Gestalten wie Marie Geck eine gender- und erinnerungspolitische Bedeutung (zurück)erhalten. Ihr Beispiel erinnert an frauenbewegte, politisch aktive Frauen auf regionaler und auch auf nationaler Ebene, steht aber auch für das transnationale Gedächtnis beispielsweise der europäischen Arbeiterbewegung.

4. Erinnerung, Geschlecht und das Internet

Wenn weibliche Erinnerungen in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben werden sollen, genügt es nicht, auf traditionelle Formen und Medien zurückzugreifen. Zudem ist bei einem quasi additiven Hinzufügen weiblich konnotierter Erinnerung davon auszugehen, dass diese „Zusatzangebote“ auf nationaler Ebene dem üblichen Verdichtungs- und Hierarchisierungsprozess erneut geopfert würden. Aus dieser Annahme heraus entstand die Überlegung, explizit das Internet als Medium für die Präsentation einer gendersensiblen Erinnerungskultur zu nutzen. Die Charakteristika des Mediums Internet, seine Vor- und Nachteile werden heute in der einschlägigen Forschungsdebatte intensiv diskutiert. Diese Debatte kann hier nicht nachgezeichnet werden, wir wollen jedoch schlagwortartig kurz ausführen, welche Gesichtspunkte gerade für das Internet als Präsentationsmedium für eine geschlechtersensible Erinnerungskultur sprechen.[38] Eine solche hat folgendes zu leisten: Sie sollte die (nicht nur geschlechtsspezifische) Heterogenität des gesellschaftlichen Gedächtnisses sichtbar machen und möglichst viele Akteure am Prozess der Herausbildung eines geschlechterdemokratischen gesellschaftlichen Gedächtnisses beteiligen. Sodann ist das Internet ein geeignetes Instrument zur Erzeugung einer vielgestaltigen und grenzüberschreitenden Erinnerungslandschaft, die einer vorschnellen Kanonisierung von Geschichtsbildern und geschichtlicher Erfahrung entgegenwirkt. Hierfür sprechen folgende Qualitäten des Internets: Es besteht ein ungefilterter Zugang zu Informationen für eine Vielzahl virtueller „Besuchergruppen“. Gerade die Zielgruppe Frauen, die häufiger häuslich gebunden ist, kann sich hier einen Zugriff auf Erinnerungskultur verschaffen, der nicht unbedingt das konkrete Reisen zu „Erinnerungsorten“ oder etwa die Teilnahme an öffentlichen Gedenkfeiern erfordert. Der flexible und schnell (um)zugestaltende mediale Raum des Internet bietet die Möglichkeit, Erinnerung nicht hierarchisieren und beispielsweise aus Kostengründen begrenzen zu müssen, sondern erlaubt eine breite mehrdimensionale Präsentation. Auf diese Weise können Widerhaken in die zur Kanonisierung neigenden nationalen Erinnerungskulturen eingebaut werden. Die mediale Präsenz weiblich konnotierter Erinnerungsorte erleichtert die Suche nach vergessener Erinnerung, erzeugt einen „Schneeballeffekt“ und gibt Impulse für weitere ähnliche Projekte.

Die Überlegungen zur entkanonisierenden Wirkung des Internets spiegeln sich in einer Reihe methodischer Anforderungen an eine gendersensible Präsentation von Erinnerungsorten im Netz, die die Zugriffswege auf Informationen betreffen. Eine beide Geschlechter ansprechende Gestaltung bedeutet vor allem die Eröffnung von multiperspektivischen Zugriffen auf die Materialien, die neben den gewohnten, durch die „content management Systeme“ vorgegebenen hierarchischen, auch assoziative und kreative Auswahlmöglichkeiten der Informationen erlauben. Analysen bestehender historischer Internetauftritte zeigen überdies, dass die üblichen Thessauri und Suchmaschinen einen Gender-Bias haben und deshalb für die Einbindung weiblich konnotierter Erinnerung wenig brauchbar sind. Notwendig ist die Entwicklung eines gendersensiblen Thesaurus zur Präsentation von Erinnerungskultur. Zu prüfen ist ferner, inwieweit gängige Bildschirmauftritte in ihrer Ästhetik geschlechtsneutral sind bzw. welche neuen Anforderungen an eine Männer und Frauen ansprechende Bildschirmästhetik zu richten sind.

Unsere Überlegungen mündeten in ein an der Universität Freiburg im Sommersemester 2005 durchgeführtes Pilotprojekt über Erinnerung und Geschlecht im Internet, das im Rahmen eines interdisziplinären Seminars in Zusammenarbeit zwischen HistorikerInnenund InformatikerInnen entwickelt wurde. Die Aufgabe bestand darin, eine gendersensible Internetpräsentation am Beispiel der Revolution von 1848 in Offenburg zu erarbeiten.[39] Aus informatischer Perspektive verlangte diese Zielvorgabe, vielfältige Zugangsmöglichkeiten zu den Inhalten der Internetseiten zu erschließen. Aus historischer Perspektive bedeutete dies, auch die vergessenen Erinnerungen von Frauen sichtbar zu machen und nicht nur die Geschichtserfahrungen des männlich konnotierten mainstreams zu reproduzieren. Es sollte erkennbar werden, dass es sich bei Geschichte nicht um vergangene „Tatsachen“ handelt, die lediglich ausgegraben werden müssen. Was aus Geschichte erinnert wird, hängt von den Interessen der jeweiligen Gegenwart ab. Geschichte wird immer wieder neu gedeutet und konstruiert, so der Ausgangspunkt. Nicht alle Aspekte des revolutionären Ereignisses in Offenburg konnten von den Studierenden erarbeitet werden. Gezielt suchten die studentischen Teilnehmer des Pilotprojekts nach revolutionären Frauen oder nach revolutionären Niederschlägen im privaten und familiären Raum und sie legten besonderes Gewicht auf die kommunikativen Prozesse rund um das Revolutionsgeschehen. Als Themenschwerpunkte griffen sie schließlich heraus: Orte der Revolution,[40] Beziehungsnetze,[41] revolutionäre Paare[42] und Erinnerungen an die Revolution.[43] Der letzte Punkt war uns besonders wichtig, denn durch die verschiedenen selektiven Zeitschnitte, die 1848 jeweils anders deuteten, wird darauf verwiesen, dass Geschichtsbilder nicht der Historie immanent sind, sondern künstlich hergestellt werden. Es sollte deutlich werden – so unsere optimistische Annahme –, dass auch unsere eigene gendergeleitete Perspektive eine immer wieder neu zu historisierende, konstruierte und damit wandelbare ist. Doch auch die Auswahl der übrigen Schwerpunkte zeigt die notwendige Gewichtsverschiebung, die thematisch entsteht, wenn revolutionäre Geschehnisse unter Gendergesichtspunkten dargestellt werden. So veranschaulichen die ausgewählten Orte, dass Revolutionen nicht nur in politiknahen (männlich konnotierten) öffentlichen Räumen zu verorten sind, sondern auch an geschlechtsneutralen kommunikativen Orten beispielsweise im Gasthaus bzw. in der halböffentlichen primär weiblich konnotierten privaten Wohnung. Sichtbar wird, dass das politisch öffentliche Ereignis der Revolutionen ohne weiblich konnotierte Kommunikationsräume und Geselligkeit vermutlich gar nicht hätte stattfinden können. Und so war es nur folgerichtig, das revolutionäre Individuum durch das revolutionäre Paar zu ersetzen und das semiprivate/semiöffentliche Beziehungsnetz der männlichen und weiblichen Protagonisten der Revolution zu thematisieren.

Als kennzeichnend für alle gewählten Schwerpunkte und besonders fruchtbar erwies es sich, die dem bürgerlichen Geschlechtermodell traditionell eingeschriebene Dichotomie von ‚öffentlich‘ und ‚privat‘ gezielt zu durchbrechen und einen Perspektivwechsel vom Ereignis hin zum Ereignisort bzw. -raum vorzunehmen. Mit Hilfe der veränderten Blickrichtung konnten tradierte Bewertungsmuster und Bewertungshierarchien umgangen oder geöffnet werden und die Beteiligung von Frauen sowie weiblich konnotierte Handlungsfelder im Aktionsraum rund um das kanonisierte zumeist männlich besetzte Ereignis wurden sichtbar. Beide methodischen Vorgehensweisen – die Sprengung der in der tradierten Geschlechterordnung zugewiesenen dichtotomen Welten und die Betonung der Ereignisräume – eignen sich keineswegs nur für das gewählte historische Beispiel.

Es ist zu vermuten, dass sich über unser Offenburger Pilotprojekt hinaus auch andere historische Ereignisse auf diese Weise geschlechtersensibel darstellen lassen. Vom lokalen Ereignisraum ausgehend eröffnet sich schließlich über regionale und nationale Grenzen hinweg auch der Blick auf Europa. Denn im Rahmen zielgerichteter Analyse erweist sich der konkrete Ort des historischen Geschehens nicht länger als lediglich landesgeschichtlich zu behandelnder „Nebenschauplatz“. Im gendersensibel analysierten lokalen „Klein Klein“ finden vielmehr durchaus auch transnationale Kommunikationsprozesse ihren Niederschlag: als impulsgebender Stimulus für das regionale Geschehen wirken etwa politische Ereignisse des Nachbarlandes. Vom regionalen Raum ausgehend, lassen sich Wanderungs- und Kommunikationsprozesse als nationenüberschreitende Ereignisse und Einflüsse beschreiben und analysieren. Auf diese Weise können sie in ein historisches Sinndeutungsmuster eingeschrieben werden, das sich neben der Nation auch den transnationalen Bezügen und der Vielfalt von Erinnerung von Männern und Frauen jenseits des mainstreams verpflichtet sieht.



[1] Die Fülle von aktuellen Debatten um Gedächtnis, Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik kann hier nicht nachgezeichnet werden. Verwiesen sei lediglich auf einige zentrale Texte: So hat beispielsweise Maurice Halbwachs den Übergang und die Wechselwirkung zwischen kommunikativem und kollektivem Gedächtnis beschrieben (Halbwachs, Maurice, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt a.M. 2. Aufl. 1985), Eric Hobsbawm die Funktionen von Erinnerungskultur analysiert (Hobsbawm, Eric J. / Ranger, T. (Hg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983), Pierre Nora sich mit den Transformationsprozessen von erinnerten Ereignissen und ihrem Übergang in die Kultur der Gedächtnisorte befasst (Nora, Pierre, Zwischen Geschichte und Gedächtnis: Die Gedächtnisorte, in: Ders.: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990, S. 11-33) und Jan Assmann das Konzept eines „kulturellen Gedächtnisses“ entwickelt, verstanden als das kollektive Wissen über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Eigenheit und Eigenart stützt (Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Ders. /Hölscher, Tonio (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt a.M.1988, S. 9-19.

[2] Vgl. als Beispiele: Samuel, Raphael ed., Patriotism: The Making and Unmaking of British National Identity 3 vols., London 1989; Assmann, Aleida: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der deutschen Bildungsidee, Frankfurt a.M. 1993; Berding, Helmut (Hg.), Nationales Bewußtsein und kollektive Identität, Frankfurt a.M. 1994; Schmoll, Friedemann, Verewigte Nation. Studien zur Erinnerungskultur von Reich und Einzelstaat im württembergischen Denkmalkult des 19. Jahrhunderts, Tübingen u.a. 1995; Dörner, Andreas, Politischer Mythos und symbolische Politik: der Hermannmythos: zur Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen, Reinbek bei Hamburg 1996; Ozouf, Mona, Das Pantheon. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Zwei französische Gedächtnisorte, Berlin 1996; Buschmann, Nikolaus / Langewiesche, Dieter (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer -Nationen und der USA, Frankfurt a.M. 2003. Olick, Jeffrey K., States of Memory: Continuities, Conflicts, and Transformations in National Retrospection, Duke 2003.

[3] Vgl. Tacke, Charlotte, Nation und Geschlechtscharaktere. In: Frauen & Geschichte Baden-Württemberg (Hg.), Frauen und Nation (Frauenstudien Baden-Württemberg, Bd.10), Tübingen 1996, S. 35-48; Assmann, Aleida, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999; Hutton, Patrick, Mentalities, matrix of memory, in: Ollila, Anne (Hg.), Historical perspectives on memory, Helsinki, 1999, S. 69-90; Zemon Davis, Natalie, 'Who owns history', in: Ollila, Historical perspectives, S. 19-34; Niethammer, Lutz, Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek 2000; Lundt, Bea, Einleitung. In: dies. (Hg.), Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Köln, Weimar, Wien 2004, S. 1-29.

[4] Vgl. Nora, Pierre, Les lieux de mémoire, 7. Bde., Paris 1984-1993, oder: Ders., Das Abenteuer der Lieux de mémoire. In: François, Etienne (Hg.), Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich; 19. und 20 Jahrhundert, Göttingen 1995, S. 83-92; Ders., Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1998.

[5] François, Etienne / Schulze, Hagen (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde., München 2001.

[6] Vgl. als Beispiele: Mazohl-Wallnig, Brigitte, Europäische lieux de mémoire, in: L’Homme 11 (2000) S. 284-288; Carcenac-Lecomte, Constanze, Steinbruch deutsche Erinnerungsorte: Annäherung an eine deutsche Gedächtnisgeschichte, Frankfurt a.M. 2000; Van Sas, Niek, 'Towards a new national historiography: Lieux de mémoire and other theaters of memory', in: Joep Leerssen and Ann Rigney eds., Historians and social values, Amsterdam 2000, S. 169-184; LeRider, Jacques (Hg.), Transnationale Gedächtnisorte in Zentraleuropa, Innsbruck 2002; Erll, Astrid, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur, Weimar 2005, S. 23-27.

[7] François, Etienne / Schulze, Hagen (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte: eine Auswahl, Frankfurt a.M. 2005.

[8] Vgl. Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis, Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992 und als Beispiele für die aktuellen Diskussionen: Assmann, Aleida, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999; Gillis, John, Memory and Identity, The History of a Relationship, in: Ders. (Hg.), Commemorations: The Politics of national Identity, Princeton 1994, S. 3-24; Kansteiner, Wulf, Finding meaning in memory, in: History and Theory 41 (2002) S. 163-178; Straub, Jürgen (Hg.), Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte (Erinnerung, Geschichte, Identität, Bd. 1), Frankfurt a.M. 1998.

[9] Aus der Fülle der einschlägigen Publikationen einige badische Beispiele: Nellen, Petra u.a., Die Vergangenheit ist die Schwester der Zukunft. 800 Jahre Frauenstadtgeschichte in Heidelberg, Ubstadt-Weiher 1996; Asche, Susanne (Hg.), Karlsruher Frauen: 1745-1945. Eine Stadtgeschichte, Karlsruhe 1992; Thomas, Ilse (Hg.), Stadt ohne Frauen?, Mannheim 1993; Thomas, Ilse / Schraut, Sylvia (Hg.), ZeitenWandel. Frauengenerationen in der Geschichte Mannheims, Mannheim 1995.

[10] Leydesdorff, Selma / Passerini, Luisa (Hg.), Gender and Memory (International Yearbook of Oral History & Life Stories), Oxford 1996; Noakes, Lucy, War and the British: Gender, Memory and National Identity, London 1997; Grever, Maria, Die relative Geschichtslosigkeit der Frauen, Geschlecht und Geschichtswissenschaft, in: Küttler, Wolfgang (Hg.), Geschichtsdiskurs, Bd. 4, Frankfurt a.M. 1997, S. 108-123; Dies., The Pantheon of Feminist Culture. Women’s Movement and the Organisation of Memory, in: Gender & History 9 (1997) S. 364-374.

[11] So z.B.: Najmabadi, Afsaneh, The Story of The Daughters of Quichan: Gender and National Memory in Iranian History, Syracuse 1998; Baumel, Judith Tydor / Cohen Tova„ Gender, Place and Memory in the Modern Jewish Experience: Replacing Ourselves, London 2003; Des Jardins, Julie, Women and the Historical Enterprise in America: Gender, Race and the Politics of Memory, 1880-1945, University of North Carolina Press 2003.

[12] Die Publikation zur Tagung: FrauenKunstWissenschaft. Gender-Memory. Repräsentationen von Gedächtnis, Erinnerung und Geschlecht, in: FrauenKunstWissenschaft, HEFT 39, Juni 2005.

[13] Eschebach, Insa / Jacobeit, Sigrid / Wenk, Silke (Hg.), Gedächtnis und Geschlecht – Deutungsmuster in Darstellungen des nationalsozialistischen Genozid, Frankfurt a. M., New York 2002; Messerschmidt, Astrid, Bildung als Kritik der Erinnerung. Lernprozesse in Geschlechterdiskursen zum Holocaust-Gedächtnis. Frankfurt a. M. 2003.

[14] Vgl. den Tagungsbericht von Inga Brandes, dokumentiert bei hsozkult. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1048.

[15] Scott, Joan, W., Gender. Eine nützliche Kategorie der historischen Analyse, in: Kaiser, Nancy (Hg.), Selbst Bewusst, Frauen in den USA, Leipzig 1994, S. 27-75.

[16] Zur Ausformung des bürgerlichen Geschlechtermodells vgl. Hausen, Karin, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere" — Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben (1976), in: Rosenbaum, Heidi (Hg.), Seminar: Familie und Gesellschaftsstruktur, Frankfurt 1978, S. 161-191; Frevert, Ute, Bürgerliche Meisterdenker und das Geschlechterverhältnis. Konzepte, Erfahrungen, Visionen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Bürgerinnen und Bürger im 19. Jahrhundert, Göttingen 1988, S. 17-48; Schmid, Pia, Rousseau revisited, in: Zeitschrift fur Padagogik 38 (1992) S. 839-854; Trepp, Ann-Charlotte, Sanfte Männlichkeit und selbständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum, 1770-1840, Göttingen 1996; Schmid, Pia, „O, wie süss lohnt das Muttergefühl!“ Die Bestimmung zur Mutter in Almanachen für das weibliche Publikum um 1800, in: Opitz, Claudia / Weckel, Ulrike / Kleinau, Elke (Hg.), Tugend, Vernunft und Gefühl, Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten, Münster 2000, S. 107-125 oder Habermas, Rebekka, Frauen und Männer des Bürgertums: eine Familiengeschichte, Göttingen 2000.

[17] Vgl. beispielsweise: Agulhon, Maurice, Frauendarstellungen in der republikanischen Symbolik Frankreichs, in: Pribersky, Andreas (Hg.), Symbole und Rituale des Politischen, Ost- und Westeuropa im Vergleich, Frankfurt am Main; 1999, S. 209-219; Planert, Ute, Vater Staat und Mutter Germania. Zur Politisierung des weiblichen Geschlechts im 19. und 20. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht, Frankfurt/Main 2000, S. 15-65; Cusack, Tricia / Bhreathnach-Lynch, Sighle (Hg.), Art, nation and gender. Ethnic landscapes, myths and mother-figures, Aldershot 2003.

[18] Vgl. Kohn-Waechter, Gudrun (Hg.), Schrift der Flammen, Opfermythen und Weiblichkeitsentwürfe im 20. Jh., Berlin 1991; Turpin, John, Visual Marianism and national identity in Ireland, 1920-1960, in: Cusack, Tricia / Bhreathnach-Lynch, Sighle (Hg.), Art, nation and gender. Ethnic landscapes, myths and mother-figures, Aldershot 2003, S. 67-78.

[19] Corrigan-Maguire, Maired, The Vision of Peace: Faith and Hope in Northern Ireland, New York 1999.

[20] Vgl. Siebert, Renate, Women and the mafia. The power of silence and memory, in: Leydesdorff, Selma / Passerini, Luisa / Thompson, Paul (Hg.), Gender and Memory (International Yearbook of Oral History & Life Stories), Oxford 1996, S. 73-86.

[21] Die Debatte um sex und gender soll hier keineswegs ausgeklammert werden; vgl. Butler, Judith, Gender trouble: feminism and the subversion of identity, 10. Aufl. New York 1999; Butler, Judith, Undoing gender, New York 2004; Honegger, Claudia/Arni, Caroline (Hg.), Gender – die Tücken einer Kategorie. Scott, Joan W., Geschichte und Politik, Zürich 2001.

[22] Leydesdorff, Selma / Passerini, Luisa / Thompson, Paul (Hg.), Introduction, in: Gender and Memory (International Yearbook of Oral History & Life Stories), Oxford 1996, S. 1-16.

[23] Vgl. Asche, Susanne, Frauen ohne Furcht und Nadel? Geschlechterverhältnisse in der Revolution von 1848/49, in: Ariadne 33 (1998), S. 4-11; Paletschek, Sylvia, Einschluss im Ausschluss? Überlegungen zur politischen Partizipation von Frauen 1848, in: Hauch, Gabriella / Mesner, Maria (Hg.), Vom Reich der Freiheit ... Liberalismus. Republik. Demokratie 1848-1998, Wien 1999, S. 73-84; Hauch, Gabriella, Emanzipation, Schwesterlichkeit und Amazonentum - die Revolution von 1848/49 in Europa;eine Erfolgsstory für Frauen? In: Ludwig, Johanna (Hg.), Frauen in der bürgerlichen Revolution von 1848/49, Bonn 1999, S. 37-54.

[24] In den Überblicksdarstellungen zur Revolution von 1848 spielen nach wie vor Frauen und Geschlechterfragen nur eine marginale Rolle; als Beispiele seien genannt: Siemann, Wolfram, Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt a.M. 1985; Hardtwig, Wolfgang (Hg.), Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Göttingen 1998; Hein, Dieter, Die Revolution von 1848/49, München 1998; Timmermann, Heiner (Hg.), 1848 Revolution in Europa, Berlin 1999. Als hervorragendes Beispiel, wie eine Frauen integrierende Perspektive auf die Revolution aussehen könnte: Langewiesche, Dieter, „Mehr als je zieht es mich nach Paris“. Revolution als Medienereignis, in: ZEITPunkte, Heft 1, 1998, S. 92-96.

[25] Struve, Amalie, Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Den deutschen Frauen gewidmet, Hamburg 1850, S. 68 f.

[26] Petó, Andrea / Szapor, Judith, Women and „the alternative public sphere“. Toward a new definition of women’s activism and the seaparate spheres in East-Central Europe, in: NORA: NORDIC JOURNAL OF WOMEN’S STUDIES, 12 (2004), 3, S. 172-181. Vgl. dazu auch den Beitrag von Karen Steller Bjerregaard, Helle Bjerg und Claudia Lenz über die Erinnerungen der Besatzungszeit in Dänemark und Norwegen in diesem Band.

[27] Vgl. Welzer, Harald (Hg.), Das soziale Gedächtnis. Geschichte, Erinnerung Tradierung, 2001; Ders., „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt 2002.

[28] Vgl. Wolfrum, Edgar, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948-1990, Darmstadt 1999.

[29] Bei den die Diskussion um Erinnerungskultur anführenden Autoren spielt die Kategorie Geschlecht keinerlei Rolle; vgl. z.B. Maurice Halbwachs, Maurice (1985, EA 1925): Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. (EA 1925), Frankfurt a. M. 1985, S. 125-149; Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Ders. /Hölscher, Tonio (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1988, S. 9-19.

[30] Gendering Memory, Internationale Tagung, veranstaltet von Sylvia Schraut, Susanne Maurer und Sylvia Paletschek 21./22. Januar 2005 an der Universität Mannheim, finanziert von der Fritz-Thyssen-Stiftung. Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist geplant.

[31] Vgl. stellvertretend für zahlreiche andere Veröffentlichungen: Lipp, Anne: – Meinungslenkung im Krieg. Kriegserfahrungen deutscher Soldaten und ihre Deutung 1914 – 1918 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 159.) Göttingen 2003; Buschmann, Nikolaus / Langewiesche Dieter (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt/M. 2004; Korff, Gottfried (Hg.): Alliierte im Himmel. Populäre Religiosität und Kriegserfahrung. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Bd. 99.) Tübingen 2006.

[32] Vgl. etwa den Band: Bea Lundt (Hg.). Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Köln, Weimar, Wien 2004, der sich mit der Frage der „Nordung“ des Selbstverständnisses der Grenzregion von Schleswig-Holstein und Dänemark beschäftigt.

[33] Vgl. David Blackboum zum Thema Überwindung nationaler Geschichtsschreibung durch „local and transnational historiography“: Blackbourn, David, Europeanizing German History, in: GHI Bulletin No. 36 (2005) S. 25-31. Zu den aktuellen Debatten um Weltgeschichte, Europäische Geschichte oder transnationale Geschichte vgl. Werner, Michael / Zimmermann, Bénédicte, Vergleich, Transfer, Verflechtung, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607-636; Cohen, Deborah /O’Connor, Maura (Hg.), Comparison and History: Europe in Cross-National Perspective, London 2000; Haupt, Heinz-Gerhard, Auf der Suche nach der europäischen Geschichte, in: Archiv fur Sozialgeschichte 42 (2002), S. 544-556; Woolf, Stuart, Europe and its Historians, in: Contemporary European History 12 (2003), S. 323-337; Frevert, Ute, Europeanizing German History, in: GHI Bulletin NO. 36, 2005, S. 9-24. Osterhammel, Jürgen, Transnationale Gesellschaftsgeschichte: Erweiterung oder Alternative?, in: Geschichte und Gesellschaft 287 (2001), S. 464-479 und S. 471-474.

[34] Es gibt bislang nur wenige einschlägige Publikationen, die sich mit der Erinnerungskultur von Regionen jenseits der Nation im Rahmen übergeordneter Fragestellungen befassen. Zu nennen sind zum Beispiel: Auf der Suche nach regionaler Identität. Geschichtskultur im Rheinland zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus (erweiterte Dokumentation einer Studienkonferenz, Bensberger Protokolle, Bd. 89), Bergisch Gladbach, 1997; Schmoll, Friedemann, Verewigte Nation. Studien zur Erinnerungskultur von Reich und Einzelstaat im württembergischen Denkmalkult des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1995; Flender, Armin, Öffentliche Erinnerungskultur im Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg: Untersuchungen über den Zusammenhang von Geschichte und Identität, Baden-Baden 1998; Blatter, Michael/Schilling, Sandrine (Hg.), Erinnerungsorte? Ein Test: Wie sich Einwohner Luzerns erinnern, Zürich 2003. Fast keine publizierten Forschungsergebnisse liegen zur Frage von Erinnerungskulturen in Migrationsgesellschaften vor. Als Ausnahmen seien erwähnt: Motte, Jan / Ohlinger, Rainer, Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderergesellschaft, Essen 2004; Thelen, David / Rosenzweig, Roy, The presence of the past, New York 1998; Hudson, Robert / Réno, Fred (Hg.), Politics of identity: migrants and minorities in multicultural states, Basingstoke 2000; Ribbens, Kees, De vaderlandse canon voorbij? Een multiculturele historische cultuur in wording, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 117 (2004), S. 500-521.

[35] Vgl. Friedmann, Michael / Kreutz, Gernoth, Verborgen und Vertraut. Kleindenkmale in Offenburg, Offenburg 1994.

[36] Vgl. Cullen, Michael S., Das Holocaust-Mahnmal. Dokumentation einer Debatte, Zürich 1999; Brumlik, Micha / Funke, Hajo / Rensmann, Lars, Umkämpftes Vergessen: Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik, Berlin 2000; Kirch, Jan-Holger, Nationaler Mythos oder historische Trauer? Der Streit um ein zentrales Holocaust-Mahnmal für die Berliner Republik, Köln 2003; Leggewie, Claus / Meyer, Erik, „Ein Ort, an den man gerne geht“. Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989, München 2005.

[37] Vgl. Ernst-Schmidt, Judith, Marie Geck (1865 - 1927). Untersuchung über ihr Leben und Wirken anhand des schriftlichen Nachlasses ihres Mannes Adolf Geck im Generallandesarchiv Karlsruhe, Wiss. Arbeit für das Lehramt an Gymnasien, Stuttgart 1980.

[38] Vgl. Maurer, Susanne / Schraut, Sylvia, Gender and the Creation of European Lieux de Mémoire on the Internet, Paper zum Innternationalen Historikertag in Sydney 2005; http://www.cishsydney-2005.org/images/Sylvia%20SchrautAIO21.doc.

[39] Vgl. http://pohl.iig.uni-freiburg.de/1848/.

[40] Dargestellt wurden u.a. das Gasthaus Salmen, in dem der Offenburger Forderungskatalog formuliert wurde, der die badische Revolution einleitete, die Wohnhäuser von Revolutionären und Revolutionärinnen oder der Bahnhof als Ort, der die Zusammenkünfte und Versammlungen von Revolutionsfreunden überhaupt erst ermöglichte.

[41] Das Anliegen dieser Seite war es, ausgewählte Biographien von bekannten und weniger bekannten Revolutionärinnen vorzustellen. Es sollten ihre Netzwerke in der Revolutionszeit dargestellt werden, aber auch ihre geistigen WegbereiterInnen und diejenigen Personen, die sich auf ihr Erbe beriefen und die Erinnerung an sie pflegten.

[42] Herausgegriffen wurden sowohl bekannte wie auch unbekannte Paare aus Baden bzw. Offenburg, so Amalie und Gustav Struve, Amalie und Johann Hofer, Mathilde und Fritz Anneke.

[43] Die Erinnerung an 1848 wurde zu verschiedenen Zeitschnitten untersucht: 1848, 1898, 1948 und 1998.

Zuerst erschienen in:
Historische Mitteilungen 19 (2006), S. 15-28, auch online unter: (21.12.2009).
 
Wir danken den Autorinnen für die freundliche Genehmigung zur Wiederveröffentlichung dieses Artikels.
Für das Themenportal verfasst von

Sylvia Schraut

( 2009 )
Zitation
Sylvia Schraut, Erinnerung und Geschlecht – Auf der Suche nach einer transnationalen Erinnerungskultur in Europa Beitrag zum Themenschwerpunkt „Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte“, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2009, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1510>.
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