„If I had known how difficult it was to write a History of the World…“. Hendrik Willem van Loons Weltgeschichte für Kinder.

„[...] I should never have undertaken the task“, gestand Hendrik Willem van Loon in seinem 1922 erschienen Werk „The Story of Mankind“, einer Weltgeschichte für Kinder und Jugendliche. Der Erfolg seines Buches sollte seine Zweifel jedoch ausräumen: 75.000-mal verkaufte sich das Buch allein in der ersten Auflage, bis 1947 wurde es in englischer Sprache 19-mal – ab 1939 jährlich – neu aufgelegt, und es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, so auch Urdu und Bantu. Im Jahr seines Erscheinens rangierte das Buch auf Platz zwei der amerikanischen Sachbuch-Bestsellerliste, übertroffen nur von H.G. Wells’ „Outline of History“. Van Loons Weltgeschichte begeisterte so sehr, dass sie mit der eben erst geschaffenen „Newbery Medal“ ausgezeichnet wurde, dem bis heute verliehenen Preis der „Association for Library Service to Children of the American Library Association“ (ALA) für das beste Kinderbuch des Jahres. Mit Dennis Hopper als Napoleon und den Marx Brothers wurde das Buch 1957 von Irwin Allen sogar verfilmt. [...]

„If I had known how difficult it was to write a History of the World…“. Hendrik Willem van Loons Weltgeschichte für Kinder[1]

Von Susan Rößner

„[...] I should never have undertaken the task“, gestand Hendrik Willem van Loon in seinem 1922 erschienen Werk The Story of Mankind, einer Weltgeschichte für Kinder und Jugendliche. Der Erfolg seines Buches sollte seine Zweifel jedoch ausräumen: 75.000-mal verkaufte sich das Buch allein in der ersten Auflage, bis 1947 wurde es in englischer Sprache 19-mal – ab 1939 jährlich – neu aufgelegt, und es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, so auch Urdu und Bantu. Im Jahr seines Erscheinens rangierte das Buch auf Platz zwei der amerikanischen Sachbuch-Bestsellerliste, übertroffen nur von H.G. Wells’ Outline of History. Van Loons Weltgeschichte begeisterte so sehr, dass sie mit der eben erst geschaffenen Newbery Medal ausgezeichnet wurde, dem bis heute verliehenen Preis der Association for Library Service to Children of the American Library Association (ALA) für das beste Kinderbuch des Jahres. Mit Dennis Hopper als Napoleon und den Marx Brothers wurde das Buch 1957 von Irwin Allen sogar verfilmt.

Zweifelsohne war The Story of Mankind eines der erfolgreichsten Kinderbücher überhaupt. Die kritischen Leser/innen von heute werden jedoch befinden, dass die besten Tage des Buches vorüber sind. In seinem historiografischen Aufbau und seiner erzählerischen Struktur sowie nicht zuletzt in seinen verstörenden, rassistisch gefärbten und zum Teil mit antisemitischen Vorurteilen behafteten Aussagen ist es nicht mehr als ein typisches Produkt seiner Zeit.

Es ist der für die zeitgenössische Historiografie übliche Weg, den van Loon in seiner Geschichtsbeschreibung geht. Auf knapp 500 Seiten, die der in Rotterdam geborene, früh in die USA emigrierte und in München promovierte Historiker mit zahlreichen selbst angefertigten Strichzeichnungen versah, schildert er die Geschichte der Welt. Beginnend mit der Frühzeit und dem „prehistoric man“ schickt er seine Leser/innen auf eine Reise durch Ägypten und Mesopotamien, Phönizien und Persien, Griechenland und Rom. Im Anschluss behandelt er das Rittertum, die Renaissance und die großen Entdeckungen, die Reformation, die Balance of Power und Napoleon, die Industrialisierung und den Ersten Weltkrieg. Wie viele seiner zeitgenössischen Kollegen schrieb er unter der Prämisse, nur das zu berichten, was für die internationale Entwicklung und die gegenwärtigen Bedingungen von Belang gewesen war: „There was but one rule. ‚Did the country or the person in question produce a new idea or perform an original act without which the history of the entire human race would have been different?’”[2] Eine ausgewogene Betrachtung der Kontinente und Kulturen hatte dieses historistische Postulat jedoch nicht zur Folge. Wenngleich der Erste Weltkrieg dazu beigetragen hatte, außereuropäische Weltgegenden verstärkt in den Blick zu nehmen, bedeutete ‚international’ auch weiterhin in erster Linie ‚europäisch’. Die Leistungen anderer Kulturen wurden verneint oder ignoriert, als „originell“ und „schöpferisch“ galten allein die europäischen Völker. Einer gängigen Vorstellung zufolge erlangten fremde Länder und Kulturen erst „historische“ Qualität, wenn sie mit Europa in Kontakt geraten waren. Die ‚Welt’ bestand nur aus denjenigen Gebieten, die Europäer selbst erschlossen hatten. Weltgeschichte hieß demzufolge auch für van Loon vor allem eines: die Geschichte Europas. Obwohl er die traditionelle Geschichtsschreibung zu umgehen versuchte, indem er bewusst auf die klassische Einteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit verzichtete, gelang es ihm nicht, sich von der für Historiker seiner Zeit üblichen Auswahl an Ländern, Ereignissen und Persönlichkeiten zu befreien. So reduziert sich auch seine Weltgeschichte auf die gängigen Themen der europäischen Geschichte wie Karl der Große oder die Englische Revolution.

Der Anspruch Europas auf internationale Geltung speiste sich aus der vermeintlichen Vorreiterrolle und zivilisatorischen Vorrangstellung, die aus den für europäisch befundenen Eigenschaften der Kreativität und Originalität hergeleitet wurde und auf Grund dessen damalige Weltgeschichten auf die Darstellung eines Großteils nicht-europäischer Kulturen verzichteten, unter denen nur diejenigen für betrachtenswert gehalten wurden, die als zivilisatorische Vorgänger Europas gelten konnten. Eine Weltgeschichte zu schreiben hieß üblicherweise nicht, die Entwicklung verschiedener Weltregionen und ihre Verknüpfung untereinander darzustellen. Es hieß vielmehr, die Geschichte der ‚Zivilisation an sich’ und ihrer Zentren zu beschreiben. So auch van Loon: Die Zivilisation sei im Laufe der Jahrhunderte von Kultur zu Kultur gewandert und habe dabei einen geografischen Halbkreis beschrieben. Nachdem zunächst die orientalischen Völker, Griechenland und Rom in Besitz der „Fackel“ waren, „die die Welt erleuchten sollte“, kam die Zivilisation schließlich in den „äußersten Ecken“ Europas an, wo sie als Grundlage der heutigen Gesellschaft diene.[3] Wie die meisten anderen zeitgenössischen Universalhistoriker beschrieb van Loon die zivilisatorische Entwicklung dabei in einer linearen Form, indem er ihre jeweiligen Zentren wie Perlen an einer Schnur aufreiht. Jedes Weiterspringen des Zivilisationszentrums von einer Kultur zur nächsten geht dabei mit zivilisatorischem Fortschritt einher. Auf diese Weise jedoch wirken die von ihm beschriebenen Zivilisationen, so z.B. das persische Großreich, lediglich als Vorgeschichte der europäischen Kultur. Alle Kulturen, die nicht mehr im Mittelpunkt der zivilisatorischen Entwicklung stehen, fallen in die Bedeutungslosigkeit zurück – eine Sichtweise, durch die van Loon parallele historische Entwicklungen und interkulturelle Beziehungen nahezu völlig aus dem Blick verliert. Im Prinzip ließ das eurozentrische Weltbild der Zeit nur diese eine Art der Weltgeschichtsschreibung zu: die zwangsläufige Entwicklung eines einzigen Zivilisationsstranges hin zum Höhepunkt der Weltgeschichte, Europa. Lediglich ein Aspekt verstärkte sich nach dem Ersten Weltkrieg: der der zivilisatorischen Vergänglichkeit. Im Zuge der allgemein empfundenen Krise Europas, die die Erfahrungen des Krieges mit sich gebracht hatte, hielt man es nun für möglich, dass Europa seinen Status als zivilisatorisches Gravitationszentrum einmal würde aufgeben müssen. Wo es in Zukunft liegen würde, vermochte van Loon nicht zu beantworten. Er war sich jedoch sicher, dass der Schlüssel zur zivilisatorischen Vorrangstellung im technologischen Fortschritt zu finden sei. Der Schiffsbau und die Seefahrt, die bisher von entscheidender Bedeutung für den Fortschritt gewesen waren, spielten keine Rolle mehr. Wie so vielen seiner Zeitgenossen hatte der Erste Weltkrieg auch van Loon gezeigt, wozu Flugzeuge im Stande waren. Das nächste Zivilisationszentrum, so der Autor, würde da seinen Platz haben, wo die Luftfahrt am weitesten entwickelt sei.[4]

Die vorherrschende Stellung Europas sieht van Loon vor allem aus zwei Gründen gefährdet. Zum einen befände es sich in einer Phase „übertriebenen Nationalismus“, der an die Stelle der mittelalterlichen „common brotherhood“ gemeinsamen Glaubens und gemeinsamer –lateinischer – Sprache getreten sei.[5] Mit dieser Ansicht bewegte sich der gebürtige Niederländer im Fahrwasser einer Denkrichtung, die während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offenbar bei vielen europäischen Intellektuellen verbreitet war. Sie verortete die europäische Tradition in erster Linie in der Voraufklärung und idealisierte das Mittelalter als Zeitalter der religiösen, gesellschaftlichen und politischen Einheit, die durch Reformation, Aufklärung und das Aufkommen des Nationalstaats zerstört worden war. Verbunden war dieses konservative Denkmodell häufig mit antidemokratischen Elementen, Technikangst, der Kritik an der Massengesellschaft und elitärem Standesdünkel.[6] Zum anderen sieht van Loon einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der modernen Zivilisation und den seiner Auffassung nach für sie vollkommen unpassenden, alten Staatsformen. Welche Staatsformen van Loon meint, spezifiziert er zwar nicht. Wie vor Jahrhunderten aber würden sie von auf dieselbe alte Weise gewählten oder ernannten Personen geführt, ohne die gewaltigen historischen Veränderungen zu berücksichtigen: die territoriale Vergrößerung und technologische Entwicklung der Länder in Folge ihrer Suche nach überseeischem Besitz. Die Ursache für die expansiven Bestrebungen – und damit für den „final outburst“ des Ersten Weltkrieges – aber liegen allein im zivilisatorischen Fortschritt und dem damit einhergehenden Bedarf an Rohstoffen: „The original mistake […] was committed when our scientists began to create a new world of steel and iron and chemistry and electricity […].“[7] Was die Wissenschaftler hierbei jedoch vergaßen, so van Loon, war die Tatsache, „dass der menschliche Geist langsamer ist als die sprichwörtliche Schildkröte“. Der Mensch stecke nach wie vor in alten Strukturen und Denkweisen fest. Auch der materielle Fortschritt schafft hier keine Veränderung. In typisch historistischer Manier bringt van Loon zum Ausdruck, dass zwar die Utensilien der Moderne interkulturell übertragbar seien. Wahre Kultur aber und ihre geistigen Grundlagen kann man sich nicht aneignen; man besitzt sie. „A Zulu in a frock coat is still a Zulu. [...] And a human being with the mind of a sixteenth century tradesman driving the latest Rolls-Royce is still a human being with the mind of a sixteenth century tradesman.”[8] Zur Lösung des Dilemmas fordert van Loon nicht die Eindämmung der Technik oder die Rekonstituierung der mittelalterlichen Gesellschaft. Eine zeitgemäße Antwort auf die Probleme der Gegenwart besteht für ihn nicht in der Form von altbekannten politischen Systemen wie Monarchien oder Demokratien, sondern bei Männern „who will assume the new leadership – who will have the courage of their own visions [...].“ Auch hier kommt die konservative, antidemokratische Sichtweise des Autors zum Ausdruck. Allein einem „hero of the ages“[9] und somit einem autoritären System überlässt van Loon es, die Herausforderungen des Zeitalters der Moderne zu bewältigen.

Warum aber wurde van Loons The Story of Mankind ein solcher Erfolg? Nun, in erster Linie war es ein für Kinder und Jugendliche leicht lesbares und verständliches Buch, das, obendrein mit bisweilen ganzseitigen und farbigen Bildern versehen, Geschichte anschaulich vermitteln konnte. Das Ziel des Autors war es gewesen, eine „story with rhythm“[10] zu schreiben, und dies ist ihm sicher gelungen. In kurzweiligen Kapiteln wird auf unterhaltsame Weise von Jesus, Luther und dem Sturm auf die Bastille berichtet, um nur einige der beschriebenen Episoden zu nennen. Zwar unterschied sich das Buch in seinen Themen und seiner Struktur nicht von Weltgeschichten für erwachsene Leser/innen. Es verzichtete aber großenteils auf Daten und Zahlen und rückte stattdessen das grand design des Weltenlaufs in den Vordergrund. Weltgeschichte präsentiert sich in van Loons Werk als Abenteuer, an dem teilzunehmen er die Kinder nicht zuletzt durch die Form der persönlichen Anrede einlädt. Allerdings lässt sich der Autor bisweilen zu einem allzu laxen Umgang mit der Geschichte hinreißen. Die für ein Kinderbuch durchaus angebrachte einfache Ausdrucksweise geht bei van Loon häufig in eine saloppe Schilderung historischer Ereignisse über, die er zudem bisweilen eigenwillig interpretiert. So begründet er den Namen der „indo-europäischen Rasse“ damit, dass sie nicht nur Europa erobert hat, sondern sich auch „zur herrschenden Klasse in dem Land machte, welches nun als British India bekannt ist“.

Des Weiteren aber lässt sich die Weltgeschichte in zwei Strömungen ihrer Zeit einordnen. Zum einen bewegte sie sich in der Tradition der Universalgeschichtsschreibung, die nach dem Ersten Weltkrieg einen Aufschwung erlebte. Hatte van Loon zunächst eine achtteilige Geschichte für Kinder konzipiert, veranlassten der Erfolg des ersten erschienenen Teils dieser Reihe, vor allem aber der reißende Absatz, den H.G. Wells’ Outlines of History fand, van Loons New Yorker Verleger Horace Liveright dazu, ebenfalls auf eine einbändige Universalgeschichte zu setzen. Die Gründe für die Beliebtheit der oft nur wenige hundert Seiten starken Weltgeschichten variierten jedoch dies- und jenseits des Atlantischen Ozeans. In Europa bedienten sie in erster Linie das Bedürfnis der kriegsgeschüttelten und durch die Nachkriegsentwicklungen verunsicherten Bevölkerung nach vereinfachten Darstellungen der Geschichte und dienten auf diese Weise als lebensweltliche Orientierung. In den USA mag der Erfolg der Universalgeschichten dagegen hauptsächlich mit einer weiteren Entwicklung zu tun haben, in die van Loons Story of Mankind einzuordnen ist. Dort hatte sich seit den 1920er-Jahren das Phänomen der so genannten Middlebrow Culture verbreitet, ein Trend im Lese- und Bildungsverhalten, der zwischen Intellektualismus und Arbeiterkultur anzusiedeln ist und im Prinzip die Bildungsinteressen des US-Durchschnittsbürgers seiner Zeit umfasste. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch hier die sogenannten outlines, die die Möglichkeit boten, sich schnell und einfach Wissen anzueignen, zu einer gemeinsamen Perspektive zu gelangen und einen gewissen Standard an „Zivilisation“ aufrecht zu erhalten.[11] Auch wenn das große Interesse US-amerikanischer Leser an einer europazentrierten Weltgeschichte seltsam anmutet: die Lektürebedürfnisse vermochten die Universalgeschichten offenbar in der ‚alten’ wie auch in der ‚neuen’ Welt zu befriedigen, sicherlich nicht zuletzt aufgrund ihrer Praktikabilität und dem Versprechen, Unterhaltung, Informationen und lebensweltliche Vergewisserung zwischen nur zwei Buchdeckeln zu liefern.

Weiterhin ist van Loons Weltgeschichte Ausdruck der wachsenden Bedeutung der Kinderliteratur. Zwar waren Bücher für Kinder nichts Neues, aber erst im ersten Jahrhundertdrittel erlangten sie den Status einer eigenständigen Literaturgattung. 1919 war bei Macmillan die erste Kinderbuchabteilung eröffnet worden, seit 1922 dann wurde die bereits erwähnte Newbery Medal für Kinderbücher eingeführt, mit der auch die Storyof Mankind ausgezeichnet wurde. Van Loons Werk nahm unter den Preisträgern wiederum deshalb eine Sonderstellung ein, weil es bis heute das einzige Geschichtswerk und eins von nur sechs Sachbüchern überhaupt ist, die der Auszeichnung für würdig befunden wurden.[12] Auch dies zeugt von der ungeheuren Anziehungskraft, die die Weltgeschichte damals auf Jung und Alt ausgeübt haben muss.

Hendrik Willem van Loon konnte mit seinen späteren Veröffentlichungen, die häufig biografischer Natur waren und z.B. Rembrandt, Bach und Thomas Jefferson behandelten, nicht an den Erfolg seiner Weltgeschichteanknüpfen. Bereits in den 1920er-Jahren wirkte er als Mitherausgeber einer Zeitung, bevor er in den 1930ern seine Tätigkeit auf Radioproduktionen ausweitete. Engagiert im niederländischen Widerstand, gestaltete er in dieser Funktion auch Radiosendungen für seine ehemaligen Landsleute. In der etablierten Geschichtswissenschaft konnte van Loon keinen Fuß fassen. Sein nicht sehr gewissenhafter Umgang mit historischen Fakten hatte ihn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Story of Mankind bereits seine Stellung als Dozent für Geschichte an der Cornell University gekostet, wo er zwar unterhaltsame Seminare gab, die Studierenden mangels Gelerntem aber durch die Prüfungen fielen. Die Angriffe seiner Kollegen wertete van Loon als Neid auf seine Popularität. Nach einer weiteren kurzen Stellung als Head of Department der Sozialwissenschaften am Antioch College in Ohio zog er sich auf seine Tätigkeit als Autor zurück und unterstütze Franklin D. Roosevelt in seiner Präsidentschaftskampagne von 1940. Hendrik Willem van Loon starb 1944.[13]

Man kann sagen, dass The Story of Mankind ein Panoptikum der europäischen Weltgeschichtsschreibung und der Europavorstellungen ihrer Zeit war. Von den thematisierten historischen Ereignissen und behandelten Räumen bis hin zum eurozentrischen Weltbild, von der Dominanz der Geschichte West- und Mitteleuropas und der großen Staaten bis zur Technologiekritik, von der Abgrenzung Europas vor allem gegenüber dem Osten bis hin zu einer herablassend-exotistischen Sicht auf nicht-europäische Weltgegenden finden sich in van Loons Kinderbuch die Bestandteile der meisten anderen Europa- und Weltgeschichten seiner Epoche wieder. Lediglich der Ruf nach einem Führer, wie wir ihn hier finden, scheint für einen Amerikaner niederländischer Herkunft außergewöhnlich zu sein. In ihrer von einem chauvinistischen Eurozentrismus geprägten historiografischen, politischen und ethnischen Voreingenommenheit lässt sich die The Story of Mankind in die übliche Art der Geschichtsschreibung ihrer Zeit einordnen. Durch seine unkonventionelle Art zu schreiben jedoch und auf Grund der Tatsache, dass er sich als einer der wenigen um ein Geschichtsbuch für Kinder verdient gemacht hat, nimmt van Loon, wenn auch auf eine nicht ungebrochene Art und Weise, in der Europa- und Weltgeschichtsschreibung der Zwischenkriegszeit einen denkwürdigen Platz ein.

 


[1] Essay zur Quelle Hendrik Willem van Loon, The Story of Mankind (1922; Reprint: London 1947, S. 457-465); [Auszüge]. Zur Bearbeitung wurde der 1947 in London erschienene Reprint verwendet.

[2] Van Loon, Story, S. 449.

[3] Van Loon, Story, S. 86f.

[4] Van Loon, Story, S. 240.

[5] Van Loon, Story, S. 208.

[6] Erforscht ist dieses Phänomen bisher lediglich für Deutschland, wo es Merkmal insbesondere der katholischen Abendlandsbewegung ist. Vgl. Conze, Vanessa, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920-1970) [Studien zur Zeitgeschichte 69], München 2005.

[7] Van Loon, Story, S. 461.

[8] Van Loon, Story, S. 461.

[9] Van Loon, Story, S. 465.

[10] Van Loon, Story, S. 446.

[11] Rubin, Joan Shelley, The Making of Middlebrow Culture, Chapel Hill 1992, S. 210.

[12] McClure, Amy, From The Story of Mankind to Studies of Aids. A Hundred Years of Informational Books for Children, in: Pavonetti, Linda M. (Hg.), Children’s Literature Remembered. Issues, Trends, and Favorite Books, Westport 2004, S. 91-100.

[13] Mihm, Stephen Anderson, Artikel „van Loon, Hendrik Willem“, in: American National Biography Online, (07.08.2006).

 


Literaturhinweise:

  • Roobol, W.H., Europe in the Historiography between the World Wars, in: Rijksbaron, Albert; Roobol, W.H.; Weisglas, Max (Hgg.), Europe from a Cultural Perspective. Historiography and Perceptions. Proceedings of a Symposium organised by the Faculty of Arts of the University of Amsterdam and the Dutch National Committee of the European Cultural Foundation, Den Haag 1987, S. 52-61.
  • Schulin, Ernst, Universalgeschichtsschreibung im zwanzigsten Jahrhundert, in: Traditionskritik und Rekonstruktionsversuch. Studien zur Entwicklung von Geschichtswissenschaft und historischem Denken, Göttingen 1979, S. 163-202.
  • Stuchtey, Benedikt; Fuchs, Eckhardt, Problems of Writing World History. Western and Non-Western Experiences, 1800-2000, in: Dies. (Hgg.), Writing World History. 1800-2000, Oxford 2003, S. 1-44.

Hendrik Willem van Loon, The Story of Mankind (1922; Reprint: London 1947, S. 457-465); [Auszüge] London 1947, S. 457-465

[Früherer Titel der Quelle: The Story of Mankind (1922). Reprint: London 1947, S. 457-465]

The world has just passed through an agony of pain compared to which the French Revolution was a mere incident. The shock has been so great that it has killed the last spark of hope in the breasts of million of men. They were chanting a hymn of progress, and four years of slaughter followed their prayers for peace. “Is it worth while,” so they ask, “to work and slave for the benefit of creatures who have not yet passed beyond the stage of the earliest cave men?”

There is but one answer.

That answer is “Yes!”

The World War was a terrible calamity. But it did not mean the end of things. On the contrary it brought about the coming of a new day.

It is easy to write a history of Greece and Rome or the Middle Ages. The actors who played their parts upon that long-forgotten stage are all dead. We can criticize them with a cool head. The audience that applauded their efforts has dispersed. Our remarks cannot possibly hurt their feelings.

But it is very difficult to give a true account of contemporary events. The problems that fill the minds of the people with whom we pass through life, are our own problems, and they hurt us too much or they please us too well to be described with that fairness which is necessary when we are writing history and not blowing the trumpet of propaganda. [...]

Often before I have warned you against the false impression which is created by the use of our so-called historical epochs which divide the story of man into four parts, the ancient world, the Middle Ages, the Renaissance and the Reformation, and Modern Time. The last of these terms is the most dangerous. The word “modern” implies that we, the people of the twentieth century, are at the top of human achievement. [...]

We modern men and women are not “modern” at all. On the contrary we still belong to the last generation of the cave-dwellers. The foundation for a new era was laid but yesterday. The human race was given its first chance to become truly civilised when it took courage to question all things and made “knowledge and understanding” the foundation upon which to create a more reasonable and sensible society of human beings. The Great War was the “growing-pain” of this new world. [...]

The historian [...] will understand the real nature of the underlying causes and he will know that personal ambitions and personal wickedness and personal greed had very little to do with the final outburst. The original mistake, which was responsible for all this misery, was committed when our scientists began to create a new world of steel and iron and chemistry and electricity and forgot that the human mind is slower than the proverbial turtle, is lazier than the well-known sloth, and marches from one hundred to three hundred years behind the small group of courageous leaders.

A Zulu in a frock coat is still a Zulu. A dog trained to ride a bicycle and smoke a pipe is still a dog. And a human being with the mind of a sixteenth century tradesman driving the latest Rolls-Royce is still a human being with the mind of a sixteenth century tradesman. [...]
A thousand years from now, the historian will use the same words about Europe of the out-going nineteenth century, and he will see how men were engaged upon terrific nationalistic struggles while the laboratories all around them were filled with serious folk who cared not one whit for politics as long as they could force nature to surrender a few more of her million secrets. [...]

To keep the ever increasing number of factories going, the owners, who had also become the rulers of the land, needed raw materials and coal. Especially coal. Meanwhile the mass of the people were still thinking in terms of the sixteenth and seventeenth centuries and clinging to the old notions of the state as a dynastic or political organisation. This clumsy mediæval institution was then suddenly called upon to handle the highly modern problems of a mechanical and industrial world. It did its best, according to the rules of the game which had been laid down centuries before. [...]

The Ship of State [...] of the Egyptians and the Greeks and the Romans and the Venetians and the merchant adventurers of the seventeenth century had been a sturdy craft, constructed of well-seasoned wood, and commanded by officers who understood the limitations of the art of navigating which had been handed down to them by their ancestors.

Then came the new age of iron and steel and machinery. First one part, then another of the old ship of state was changed. Her dimensions were increased. The sails were discarded for steam. [...] Finally, and most imperceptibly, the old wooden square-rigger had been transformed into a modern ocean liner. But the captain and the mates remained the same. They were appointed or elected in the same way as a hundred years before. They were taught the same system of navigation which had served the mariners of the fifteenth century. In their cabins hung the same charts and signal flags which had done great service in the days of Louis XIV and Frederick the Great. In short, they were (through no fault of their own) completely incompetent. [...]

And the moral of the story is a simple one. The world is in dreadful need of men who will assume the new leadership – who will have the courage of their own visions and who will recognise clearly that we are only at the beginning of the voyage, and have to learn an entirely new system of seamanship.

They will have to serve for many years as mere apprentices. They will have to fight their way to the top against every possible form of opposition. When they reach the bridge, mutiny of an envious crew may cause their death. But some day, a man will arise who will bring the vessel safely to port, and he shall be the hero of the ages.

Für das Themenportal verfasst von

Susan Rößner

( 2007 )
Zitation
Susan Rößner, „If I had known how difficult it was to write a History of the World…“. Hendrik Willem van Loons Weltgeschichte für Kinder, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1384>.
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