Auf den Fersen der Briten. Handelsvertragsprojekt eines Konsuls der drei Hansestädte mit Siam für eine hanseatische Expansion in Südostasien (1856)

1856 ermunterte der Konsul der drei Hansestädte in Singapur Arnold Otto Meyer die Hansestädte schriftlich dazu, einen Handels- und Freundschaftsvertrag mit dem Königreich Siam abzuschließen. Dieses Schreiben liefert nicht nur einen Einblick in ein von einem Kaufmann angedachtes hanseatisches Expansionsprojekt in Südostasien. Indem es verdeutlicht, wie kolonielose Staaten sich durch die Aushandlung von „ungleichen Verträgen“ die Logik und Vorgehensweise europäischer Kolonialmächte aneigneten, leistet es einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Kolonialgeschichte Europas.

Auf den Fersen der Briten. Handelsvertragsprojekt eines Konsuls der drei Hansestädte mit Siam für eine hanseatische Expansion in Südostasien (1856)[1]

Von Marine Fiedler

Im Juli 1856 schrieb der Kaufmann und Konsul der drei Hansestädte in Singapur Arnold Otto Meyer (1825‒1913) an den Syndicus der auswärtigen Angelegenheiten Hamburgs Carl Hermann Merck (1809‒1880), um die Hansestädte zur Abschließung eines Handels- und Freundschaftsvertrags mit dem Königreich Siam zu ermuntern.[2] Wenige Wochen zuvor hatte er dem Syndicus bereits das kurz vorher ratifizierte britisch-siamesische Abkommen gesandt und ihn auf den Nutzen eines Anschlusses für die Hansestädte hingewiesen.[3] Meyers Schreiben liefert nicht nur einen Einblick in ein von einem Kaufmann angedachtes Expansionsprojekt des hanseatischen Handelsimperiums in Südostasien. Indem es verdeutlicht, wie kolonielose Staaten „ungleiche Verträge“ im Fahrwasser europäischer Kolonialmächte aushandelten, leistet es einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der kolonialen Vergangenheit Europas.

Arnold Otto Meyer stammte aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie, deren Angehörige sich im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts in Hafenstädten der Atlantik- und Mittelmeerküste sowie in außereuropäischen Orten etabliert hatten.[4] Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg und einer Arbeitserfahrung in New York trat Meyer 1848 in die Firma Behn, Meyer & Co. in Singapur ein, die sein älterer Bruder 1840 mitgegründet hatte. In den folgenden Jahren ersetzte er seinen Bruder als Teilhaber und gründete seine eigene Firma, die die Geschäfte von Behn, Meyer & Co. in Hamburg verwaltete.[5] Während seiner Aufenthalte in Singapur (1853–1857 und 1862–1864) übernahm er das bremische und hamburgische Konsulat seines Schwagers Behn. Zudem diente er als erster lübeckischer (1855–1857 und 1862–1864) und mecklenburg-schwerinscher (1855–1857) Konsul.[6]

Als Meyer seinen Brief an den Syndicus Merck verfasste, hatten der Handel und die Schifffahrt der Hansestädte mit Singapur seit den 1840er-Jahren an großer Bedeutung gewonnen.[7] Der 1819 von Thomas Stamford Raffles (1781–1826) für die britische Ostindiengesellschaft auf einem Gut des Sultans von Johor gegründete Freihafen bot fremden Flaggen günstige Handelsbedingungen. Das Gebiet, das bereits seit Jahrhunderten von kommerzieller und militärischer Bedeutung war, wurde allerdings auch zur Drehscheibe für die britische Expansion.[8] In Südostasien strebte Großbritannien nicht nach territorialer Herrschaft, sondern nach einer strategischen Vorherrschaft zur Förderung seiner Handels- und Wirtschaftsinteressen. So fielen mehrere asiatische Länder unter eine Art Semicondominium der Briten, die dank der Industrialisierung, des Aufbaus eines „fiskal-militärischen Staates“ und des Eingreifens in China und Indien zur führenden Macht einer neuen Welle europäischer Einflussnahme in Asien wurden.[9]

Obwohl das Königreich Siam dank seiner Reform- und Kompromissbereitschaft als einziger Staat in Südostasien seine formale Unabhängigkeit wahren konnte, befand es sich auch im Visier der Briten für die Erweiterung ihrer informellen Herrschaft. Als Pufferstaat zwischen den britischen Besitzungen und den französischen Einflussgebieten war es von vorrangiger strategischer Bedeutung. Nach der Unterzeichnung des Burney-Vertrags im Jahr 1826 warteten die Briten auf die Gelegenheit, einen neuen, für sie vorteilhafteren „ungleichen Vertrag“ mit Siam abzuschließen. Dies geschah erst im Jahr 1855 nach der Thronbesteigung von Mongkut (1804–1868) als König Rama IV.[10]

Angesichts der britischen Vorherrschaft in Südostasien mag es kaum erstaunen, dass Arnold Otto Meyer bei seinem Projekt eines Vertrags zwischen den Hansestädten und Siam auf seine Erfahrungen im britischen Reich und die britische Expansionspolitik zurückgriff. Deutsche Kolonialerfahrungen und „Kolonialphantasien“ abseits des deutschen Kolonialreiches des späten 19. Jahrhunderts sind seit den 1990er-Jahren ins Blickfeld der Forschung gerückt.[11] Zudem deuten immer mehr Studien auf informelle Kolonialismusformen[12] ebenso wie auf die direkte oder indirekte Beteiligung von Akteuren aus kolonielosen Staaten an der formellen Herrschaft einer Kolonialmacht.[13] Das britische Reich insbesondere eröffnete deutschsprachigen Akteuren vielfältige Chancen einer „imperialen Karriere“, die auch wichtige Folgen für deutsche Kolonialprojekte hatten.[14] Diese Entwicklungen lassen sich ebenfalls in der Forschung zu den Hansestädten beobachten: zunächst in Studien zur Beteiligung von Kaufleuten aus den Hansestädten und deren Hinterland am frühneuzeitlichen Kolonial- und Sklavenhandel,[15] dann zur Vorreiterrolle ihrer überseeischen Netzwerke für den deutschen Kolonialismus,[16] zuletzt auch in der Erforschung kolonialer Bestrebungen und Repräsentationen in den Hansestädten.[17]

Inwiefern war es überhaupt möglich, dass Meyer für die Expansion des hanseatischen Handelsimperiums in der Form der Aushandlung eines Handelsvertrags auftrat? Diplomatische Angelegenheiten gehörten nicht zu den offiziellen Zuständigkeitsbereichen der Wahlkonsuln.[18] Die Förderung des Handels und der Schifffahrt der vertretenen Staaten war die Haupttätigkeit der Konsuln, die regelmäßig Berichte zu diesen Themen erstatteten. Zudem sollten sie ihre Landsleute unterstützen, Konflikte zwischen Kapitänen und Mannschaften schlichten sowie verschiedene Formalitäten wie die Ausstellung der Pässe erledigen. Diese Aufgaben erfüllten die Konsuln der Hansestädte in der Regel unentgeltlich, allerdings konnte sich das Tragen der Konsulatsuniform für die Geschäfte und die Netzwerkbildung als sehr vorteilhaft erweisen.[19] Basierend auf diesen offiziellen Zuständigkeitsbereichen, wurden die Konsuln in der Diplomatiegeschichte traditionell als von den Diplomaten klar zu trennende Akteure wahrgenommen. Diese Dichotomie wird heutzutage zugunsten einer Berücksichtigung der vielfältigen Dimensionen der konsularischen Tätigkeit sowie der Agencyder Konsuln infrage gestellt. Im 19. Jahrhundert griffen Letztere aufgrund der langsamen Kommunikationsmittel, der begrenzten Kontrollmöglichkeiten in der Ferne und der eventuellen Abwesenheit diplomatischer Vertretungen nämlich oftmals in diplomatische Angelegenheiten ein.[20] Arnold Otto Meyer war nur einer der zahlreichen Konsuln der Hansestädte, die bei der Unterzeichnung von Handelsverträgen mitwirkten.[21]

Meyer war nicht nur der Initiator des hanseatischen Handelsvertragsprojekts mit Siam. Mit der vorliegenden Quelle wird ebenfalls deutlich, dass er die Hansestädte als Experte vor Ort über die notwendigen Schritte für die Verhandlungen beriet. In Singapur erkundigte er sich „genau und vielseitig“;[22] Informationen erhielt er von einem Höfling, einem Missionars und einem Engländer zudem direkt aus Bangkok.[23] Dank des gesammelten Wissens übermittelte er offizielle Nachrichten ebenso wie Gerüchte über die Verhandlungen anderer Mächte mit Siam, stellte die siamesischen Sitten und Bräuche dar und schlug basierend auf den Interessenfeldern der beiden siamesischen Könige Rama IV. und Phra Pinklao (1808‒1866) Geschenke vor. Im Anschluss an den hier transkribierten Ausschnitt fügte der Konsul zudem Notizen über die Könige, den Premierminister und ihre Höflinge hinzu, etwa über ihre Macht, ihr Aussehen, ihren Lebenslauf und ihre Zugänglichkeit für die Europäer.[24]

Obwohl Meyers Schreiben an den Syndicus der auswärtigen Angelegenheiten Hamburgs adressiert war, wandte sich sein Projekt an die „hanseatischen Flaggen“, die er in Singapur vertrat. Sein Konsulat war zwar kein von den drei Städten offiziell gemeinsam geführtes „hanseatisches Konsulat“. Die Vertretung durch eine einzige Person war jedoch trotz der konkurrierenden Interessen der Hansestädte eine übliche Praktik,[25] die in Singapur als wünschenswert angesehen war.[26] Die „Konsulatsgemeinschaft“ zwischen Hamburg, Bremen und Lübeck, die teilweise auf dem Bewusstsein einer hanseatischen Zusammengehörigkeit beruhte, ermöglichte ein flexibles Handelssystem, Kostenersparnisse sowie ein überzeugenderes Auftreten in fremden Ländern. In Abwesenheit eines mächtigen Souveräns nutzten die Hansestädte ‒ wenn erforderlich ‒ den Ruf ihres Handelsimperiums, um im Fahrwasser anderer Mächte ihre weltweiten Handelsbeziehungen auszubauen.[27] Diese pragmatische Dimension ist in Meyers Brief fassbar: Der Konsul strebte für die Hansestädte danach, einen Vertrag „am leichtesten“ und günstigsten wie möglich im Anschluss an die britisch-siamesischen Abkommen abzuschließen. Obwohl die Hansestädte drei separate Kontrahenten waren, betonte Meyer später, dass ihr Bündnis in den Briefen an den siamesischen Hauptkönig unbedingt erwähnt werden sollte.[28]

Welche konkreten Gründe führten Meyer dazu, ein Abkommen mit Siam im Rahmen der Handelsvertragspolitik der Hansestädte[29]zu befürworten? Dem Konsul zufolge sollte nicht so sehr der Direkthandel zwischen Siam und den Hansestädten, sondern vielmehr der südostasiatische intraregionale Handel und die Schifffahrt unter hanseatischen Flaggen via Bangkok ‒ zum Beispiel mit China ‒ gefördert werden. Zudem sollte der Handel mit einem Nachbarland Singapurs, das um 1850 als Reis- und Zuckerproduzent für Firmen wie Behn, Meyer & Co.[30] von vorrangiger Bedeutung war, ausgebaut werden. So hatte Meyers Vorgänger bereits den Syndicus Merck auf die Stelle Siams als Hauptmarkt für Singapur hingewiesen.[31] Diese Bedeutung lässt sich zudem dadurch fassen, dass die Kaufleute Singapurs 1849 fast eine britische Machtdemonstration unterstützt hätten, um Siam zur Unterzeichnung eines ihnen vorteilhafteren Handelsvertrags zu zwingen.[32] Ein Anschluss an den britisch-siamesischen Handelsvertrag sollte nämlich laut Meyer einen Ausgleich der Rechte zwischen Einheimischen und Fremden in Siam und dadurch eine Reduzierung der Konkurrenz ermöglichen. Nicht ohne Grund nannte er insbesondere das „Monopol“ der chinesischen Kaufleute im Produkthandel. Wie andere asiatische Kaufmannsgemeinschaften wurden die Chinesen durch die europäische Expansion keinesfalls verdrängt. Vielmehr waren sie wichtige Akteure der ökonomischen Globalisierung, die sich dank ihres kulturellen Kapitals adaptierten, über eine führende Stellung im südostasiatischen Produkt- und Manufakturhandel verfügten und für die europäischen Kaufleute als Mittelleute unentbehrlich waren.[33] Dank des Meistbegünstigungsprinzips sollte ein Anschluss es den hanseatischen Kaufleuten schließlich ermöglichen, mit anderen vertragschließenden Nationen zu konkurrieren.

Hinter den Handelsverträgen mit Siam versteckte sich jedoch mehr als der Handel allein. Die Konkurrenz um den europäischen und amerikanischen Einfluss in Südostasien ist spürbar, wenn der Konsul über eine angebliche Verteidigungsbündnisklausel ‒ vor allem Großbritannien gegenüber ‒ im amerikanisch-siamesischen Vertrag berichtet, die Frankreich wie „jeder andern großen Seemacht“ von großer Wichtigkeit sei. Zudem war Meyer zufolge der britische Druck über den Pufferstaat Siam den Siamesen, die „von der Geschichte Calcutta’s gehört [haben] und diese im Voraus auf Bangkok an[wenden]“, wohl bewusst. So schlug der Konsul vor, dies zugunsten eines hanseatisch-siamesischen Vertragsabschlusses zu nutzen, da Letzterer als Möglichkeit einer „Ausgleichung fremden Einflusses“ in Siam wahrgenommen werden könne. Die Strategie der siamesischen Könige bestand tatsächlich einerseits darin, das Königreich durch eine Vereinbarung mit der britischen Vormacht von weiteren westlichen Ansprüchen zu schützen und andererseits den britischen Einfluss durch Verhältnisse mit den anderen rivalisierenden westlichen Mächten zu beschränken.[34]

Meyers Appell, „so rasch als möglich“ einen Bevollmächtigten nach Siam zu schicken, beruhte außerdem auf seiner Vorstellung der Siamesen. Ihm zufolge sollten die Hansestädte „das Eisen schmieden weil es warm ist“, da der Tod einer der beiden Könige einen Vertragsabschluss gefährden könnte. Rama IV. und Phra Pinklao stellte Meyer als geschmackvolle und den Vertragsabschlüssen wohlgesinnte Monarchen dar. Jedoch betonte der Konsul, dass „das gute Einverständniß [...] nur bei den Königen“ stehe. Die „Großen des Landes“ und die Bevölkerung dagegen seien den Fremden gegenüber misstrauisch und kennen den Wert der für den Handel so wichtigen Ressource Zeit nicht. Die Handelsverträge sollten die europäischen Kaufleute vor der „despotischen Hand“ und der Korruption der siamesischen „Mächtigen“ schützen, die „eifersüchtigen Eingeborenen“ zum Freihandel zwingen und sie „an den Handel mit Europäern gewöhnen“. Da Meyer die Handelsverträge als einen Weg zur Modernisierung der Siamesen und zur Befreiung von der Willkür der „Großen des Landes“ vorstellte, lässt sich sein Diskurs wohl zum „Freihandelsimperialismus“[35] einordnen, der zur Legitimierung der Erweiterung der europäischen informellen Empires durch „ungleiche Verträge“ angeführt wurde.

Die „ungleichen Verträge“, die zum Beispiel Großbritannien mit China nach den beiden Opiumkriegen (1840‒1842 und 1856‒1860)[36] und mit Siam abschloss,[37] sanktionierten mit ihrer Extraterritorialitätsklausel die Herabsetzung der sogenannten halbzivilisierten Staaten, die dem europäischen Standard der Zivilisiertheit nicht entsprachen und somit nicht zu den vollberechtigten Angehörigen der Völkerrechtsgemeinschaft gezählt wurden.[38] Obwohl sie als Reziprozitätsverträge galten, gewährten sie den Hansestädten als souveräne Staaten des Deutschen Bundes weitreichende Vorteile, während die Vertragspartner de facto kaum von ihren Rechten Gebrauch machen konnten. Zur Erfüllung der im Vertrag festgeschriebenen Verpflichtungen konnten die „halbzivilisierten Staaten“ durch eine militärische Intervention gezwungen werden. In diesem Szenario konnten sich die Hansestädte dank der Meistbegünstigungsklausel trotz mangelnder Druckmittel auf die Solidarität anderer Mächte verlassen.[39] Allerdings waren solche Verträge „weniger ein westlicher Triumph als ein Kompromiss“, der als „praktisch gebotene Erleichterung des zwischenstaatlichen Verkehrs“[40] betrachtet wurde. So gelang es Rama IV. dank seiner Reform- und Kompromissbereitschaft auch, mit diesen Verträgen die Anerkennung Siams als unabhängiger Staat der Völkerrechtsgemeinschaft durch die westlichen Mächte zu bewirken.[41]

Das Projekt eines „ungleichen Vertrags“ zwischen Siam und den Hansestädten nach dem britischen Modell sollte sich verwirklichen. Der Vorschlag wurde nach Bremen und Lübeck weitergeleitet und verhandelt,[42] während Meyer, der inzwischen nach Hamburg zurückgekehrt war, sich für das Projekt weiter als Berater einsetzte.[43] Er verfasste sogar den Entwurf eines Briefes an Rama IV. und suchte die Geschenke bei Fabrikanten in Hamburg aus.[44] Schließlich wurde der hanseatisch-siamesische Vertrag im Oktober 1858 abgeschlossen. Er sicherte den Hansestädten nach dem Meistbegünstigungsprinzip das Etablierungsrecht in Bangkok, die freie Religionsausübung, die Stationierung von Konsuln und die Extraterritorialität zu. Doch gerade der letzte Punkt war aus Sicht der Hansestädte problematisch. Sie wollten dem siamesischen Konsul die Reziprozität der Extraterritorialität in den Hansestädten nicht zuerkennen, da sich dies aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips auf alle Nationen erstrecken würde. Letztendlich wurde die Extraterritorialität nur den Hansestädten in Siam zugestanden und somit die Ungleichheit der beiden Vertragspartner sanktioniert.[45]

Arnold Otto Meyers Brief und seine Folgen bezeugen also, wie kolonielose Staaten wie die Hansestädte durch die Aushandlung von „ungleichen Verträgen“ im Fahrwasser europäischer Kolonialmächte auftraten und sich deren Logik und Vorgehensweise aneigneten.



[1] Essay zu der Quelle: Arnold Otto Meyer: Brief an Carl Hermann Merck, Syndicus der auswärtigen Angelegenheiten Hamburgs (4. Juli 1856); [Transkript], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2022, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-77710>.

[2] Arnold Otto Meyer, Brief an den Syndicus Carl Hermann Merck, Singapur, 4.7.1856, Staatsarchiv Hamburg [im Folgenden: StAH], 111‒1 Cl. VI N°14d Vol. 1 Fasc. 1.

[3] Ders., Brief an den Syndicus Merck, Singapur, 18.6.1856, StAH, 111‒1 Cl. VI N°14d Vol. 1 Fasc. 1.

[4] Zur Geschichte dieser Kaufmannsfamilie vgl. Marine Fiedler, Von Hamburg nach Singapur. Translokale Erfahrungen einer Kaufmannsfamilie in Zeiten der Globalisierung (1765‒1914), Köln 2022. Der vorliegende Beitrag bezieht sich vorwiegend auf Ergebnisse des Kapitels 6.2 dieser Studie, S. 263‒287.

[5] Für eine Biografie von Arnold Otto Meyer siehe ders., „Mein Leben“, um 1907, StAH, 622‒1/65 Lorenz-Meyer C.IX.a.1. Zu den genannten Firmen vgl. Emil Helfferich, A Company History. Behn, Meyer & Co. Founded in Singapore November 1, 1840 and Arnold Otto Meyer Founded in Hamburg June 1, 1857, Bd. 1 und 2, Hamburg 1983.

[6] Über Meyers konsularische Tätigkeit siehe StAH, 111–1 Cl. VI. N° 2 Vol. 4b Fasc. 2b Inv. 4c, 4d, 4e, 4i, 4k, 4l und 4m; Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv, S/562; Staatsarchiv Bremen, 2–C.4.b.6.c.2; Stadtarchiv Lübeck, 01.1–03.02 ASA Externa Anglicana 438 und 440–441; Landeshauptarchiv Schwerin, 5.12–2/1, Nr. 684.

[7] Ernst Baasch, Die Anfänge des modernen Verkehrs Hamburgs mit Vorderindien und Ostasien, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 13 (1897), S. 92–130, hier S. 107‒109.

[8] Zur Geschichte Singapurs vgl. Constance Mary Turnbull, A History of Modern Singapore, 1819–2005, Singapur 2009; Kwa Chong Guan / Peter Borschberg (Hrsg.), Studying Singapore Before 1800, Singapur 2018.

[9] Nicholas Tarling, The Establishment of the Colonial Régimes, in: ders. (Hrsg.), The Cambridge History of Southeast Asia, Bd. 2: The Nineteenth and Twentieth Centuries, Cambridge 1994, S. 5–78, hier S. 5‒13; Jürgen Osterhammel / Jan C. Jansen, Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 2017, S. 37 f.

[10] Tarling, Establishment, S. 29, S. 46–51 und S. 67 f.

[11] Siehe u.a. Susanne Zantop, Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland (1770–1870), Berlin 1999; Andreas Eckert / Albert Wirz, Wir nicht, die Anderen auch. Deutschland und der Kolonialismus, in: Sebastian Conrad / Shalini Randeria (Hrsg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2002, S. 372–392; Sebastian Conrad, Doppelte Marginalisierung. Plädoyer für eine transnationale Perspektive auf die deutsche Geschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 28/1 (2002), S. 145–169; Malte Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient: Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich, 1851–1918, Frankfurt am Main 2006; Jürgen Zimmerer (Hrsg.), Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt am Main 2013.

[12] Vgl. z.B. Osterhammel / Jansen, Kolonialismus, S. 23–26.

[13] Vgl. z.B. für Südostasien Andreas Zangger, Koloniale Schweiz. Ein Stück Globalgeschichte zwischen Europa und Südostasien (1860–1930), Bielefeld 2011; Bernhard C. Schär, Tropenliebe. Schweizer Naturforscher und niederländischer Imperialismus in Südostasien um 1900, Frankfurt am Main 2015.

[14] Siehe u.a. Ulrike Kirchberger, Aspekte deutsch-britischer Expansion. Die Überseeinteressen der deutschen Migranten in Großbritannien in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1999; John Richard Davis / Stefan Manz / Margrit Schulte Beerbühl (Hrsg.), Transnational Networks. German Migrants in the British Empire, 1670–1914, Leiden 2012; Panikos Panayi, The Germans in India. Elite European Migrants in the British Empire, Manchester 2017; Moritz Von Brescius, German Science in the Age of Empire: Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers, Cambridge 2018.

[15] Vgl. u.a. Klaus Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680–1830. Unternehmen und Familien in Hamburg, Cádiz und Bordeaux, München 2004; Margrit Schulte Beerbühl, Deutsche Kaufleute in London. Welthandel und Einbürgerung (1660–1818), München 2007.

[16] Bradley D. Naranch, Between Cosmopolitanism and German Colonialism. Nineteenth-Century Hanseatic Networks in Emerging Tropical Markets, in: German Historical Institute London Bulletin Supplement 2 (2011), S. 99–132.

[17] Für Hamburg siehe z.B. Malina Emmerink, Hamburger Kolonisationspläne 1840–1842. Karl Sievekings Traum einer „Deutschen Antipodenkolonie“ im Südpazifik, München 2014. Vgl. ebenfalls die Forschungen der „Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung“.

[18] Im Gegensatz zu den Berufskonsuln erhielten die Wahlkonsuln kein Gehalt, brauchten keine besondere Ausbildung, durften Handel treiben und stammten nicht unbedingt aus dem Staat, den sie vertraten: Jörg Ulbert, Introduction. La fonction consulaire à l’époque moderne. Définition, état des connaissances et perspectives de recherches, in: ders. / Gérard Le Bouëdec (Hrsg.), La fonction consulaire à l’époque moderne. L’affirmation d’une institution économique et politique, 1500–1800, Rennes 2006, S. 9–20, hier S. 14–16.

[19] Für einen Überblick über die Konsulate der Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck im 19. Jahrhundert siehe Antjekathrin Graßmann, Hanse weltweit? Zu den Konsulaten Lübecks, Bremens und Hamburgs im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.), Ausklang und Nachklang der Hanse im 19. und 20. Jahrhundert, Trier 2001, S. 43–65, hier S. 49 f.; Eva Susanne Fiebig, The Consular Service of the Hansa Towns Lübeck, Bremen and Hamburg in the 19th Century. An Institutional History in Overview, in: Jörg Ulbert / Gérard Le Bouëdec (Hrsg.), Die Welt der Konsulate im 19. Jahrhundert, Hamburg 2010, S. 248–260, hier S. 257–259.

[20] Siehe u.a. Christian Windler, La Diplomatie comme expérience de l’autre. Consuls français au Maghreb (1700–1840), Genève 2002; Halvard Leira / Iver B. Neumann, The Many Past Lives of the Consul, in: Jan Melissen / Ana Mar Fernández (Hrsg.), Consular Affairs and Diplomacy, Leiden 2011, S. 225–246, hier S. 225–228; Ferry De Goey, Les consuls et les relations internationales au XIXe siècle, in: Cahiers de la Méditerranée 93 (2016), S. 61–75, hier S. 61–65.

[21] Jürgen Prüser, Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg mit überseeischen Staaten im 19. Jahrhundert, Bremen 1962, S. 54–57 und 63–67; Graßmann, Hanse weltweit, S. 48 f.

[22] Arnold Otto Meyer, Brief an Carl Hermann Merck, Singapur, 4.7.1856. Im Folgenden stammen alle Quellenzitate, soweit nicht anders vermerkt, aus der hier abgedruckten Quelle.

[23] Ebd.; ders., Brief an den Senator Johann Smidt, Singapur, 19.7.1856, Staatsarchiv Bremen, 2–C.4.b.6.c.2.

[24] Ders., Brief an den Syndicus Merck, Singapur, 4.7.1856, StAH, 111‒1 Cl. VI N°14d Vol. 1 Fasc. 1.

[25] Graßmann, Hanse weltweit, S. 51‒53.

[26] Senator Johann Smidt an Ferdinand von der Heyde, Bremen, 13.5.1865, Staatsarchiv Bremen, 2–C.4.b.6.c.2.

[27] Magnus Ressel, Von der Hanse zur Hanseatischen Gemeinschaft. Die Entstehung der Konsulatsgemeinschaft von Bremen, Hamburg und Lübeck, in: Hansische Geschichtsblätter 130 (2012), S. 127–174; Graßmann, Hanse weltweit, S. 56 f.

[28] Arnold Otto Meyer, Brief an den Syndicus Merck, 17.10.1857, StAH, 111–1 Cl. VI N° 14d Vol. 1 Fasc. 1.

[29] Prüser, Handelsverträge, S. 11.

[30] Helfferich, Company History, Bd. 1, S. 88 und 99.

[31] Theodor August Behn, Bericht an den Syndicus Merck, Juni 1852, Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv, S/562.

[32] Fréderic Gautier, französischer Konsul in Singapur, Brief an den französischen Außenminister, Singapur, 6.5.1849, Centre des archives diplomatiques de la Courneuve, 309CC Bd. 1, Fol. 338–350.

[33] Über die chinesische Kaufmannsgemeinschaft in Südostasien und insbesondere in Singapur siehe Rajat Kanta Ray, Asian Capital in the Age of European Domination. The Rise of the Bazaar, 1800–1914, in: Modern Asian Studies 29 (1995) 3, S. 449–554, hier S. 502–521; Zangger, Koloniale Schweiz, S. 50–58; Huei-Ying Kuo, Agency amid Incorporation. Chinese Business Networks in Hong Kong and Singapore and the Colonial Origins of the Resurgence of East Asia, 1800–1940, in: Review (Fernand Braudel Center) 32/3 (2009), S. 211–237.

[34] Tarling, Establishment, S. 46, S. 50 und S. 67.

[35] Über den britischen „Freihandelsimperialismus“ vgl. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 653 f.

[36] Vgl. Sabine Dabringhaus, Geschichte Chinas 1279–1949, München 2006, S. 56‒58.

[37] Die zwei folgenden Absätze stammen großenteils aus Fiedler, Von Hamburg nach Singapur, S. 279 f.

[38] Siehe Brett Bowden, The Colonial Origins of International Law. European Expansion and the Classical Standard of Civilization, in: Journal of the History of International Law 7 (2005), S. 1–23, hier S. 20.

[39] Prüser, Handelsverträge, S. 38 f. und S. 85.

[40] Osterhammel, Verwandlung, S. 1181 f.

[41] Tarling, Establishment, S. 50 und S. 69.

[42] Zur Aushandlung und zum Abschluss des hanseatisch-siamesischen Vertrags vgl. StAH, 111–1 Cl. VI N° 14d Vol. 1 Fasc. 1.

[43] Vgl. z.B. Arnold Otto Meyer, Brief an den Syndicus Merck, Hastings, 15.4.1857, StAH, 111–1, Cl. VI N° 14d Vol. 1 Fasc.1.

[44] Ders., Briefe an den Syndicus Merck, 17.10.1857 und 25.1.1858; ders. / Valentin Lorenz Meyer, Entwurf eines Briefes an den König von Siam für die drei Hansestädte, 1857, StAH, 111–1 Cl. VI N° 14d Vol. 1 Fasc. 1.

[45] Der Vertrag wurde 1861 in Bangkok ratifiziert: Prüser, Handelsverträge, S. 68 f. und S. 143.



Literaturhinweise:

  • Brett Bowden, The Colonial Origins of International Law. European Expansion and the Classical Standard of Civilization, in: Journal of the History of International Law 7 (2005), S. 1–23.
  • Antjekathrin Graßmann, Hanse weltweit? Zu den Konsulaten Lübecks, Bremens und Hamburgs im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.), Ausklang und Nachklang der Hanse im 19. und 20.
  • Nicholas Tarling, The Establishment of the Colonial Régimes, in: ders. (Hrsg.), The Cambridge History of Southeast Asia, Bd. 2: The Nineteenth and Twentieth Centuries, Cambridge 1994, S. 5–78.

Arnold Otto Meyer: Brief an Carl Hermann Merck, Syndicus der auswärtigen Angelegenheiten Hamburgs (4. Juli 1856); [Transkript][1]

Ew. Wohlgeboren

werden ohne Zweifel bei Ansicht dieses meinen Brief vom 18. Juni erhalten haben, in Begleitung eines via Southampton gesandten Buches den Tractat Ihrer Majestät der Königin von Großbritannien mit den Königen von Siam enthaltend.

Meine schon unter obigem Datum gegebenen Winke wegen der Art und Weise wie sich die Hansestädte am Genügentsten dem so eben definitive abgeschlossenen Vertrag anschließen können, muß ich heute durchaus bestätigen.

Ich habe mich genau und vielseitig erkundigt, wie ein Anschluß am leichtesten zu bewerkstelligen sei und habe ich einstimmig die Antwort erhalten daß ein jedes Land einen Bevollmächtigten nach Siam zu schicken habe; daß ein Handelsvertrag durch einfache Correspondence dagen [sic] nicht abzuschließen möglich sei.

Mein Vorschlag geht demnach dahin daß Sie in Vereinigung mit den übrigen Hansestädten einen in diplomatischen Angelegenheiten bewanderten Herrn heraussenden begleitet von den nöthigen Accredition und Geschenken an die beiden Könige.

Ich rathe dann zur möglichst raschen Expedition dieses Herrn, damit wir „das Eisen schmieden weil es warm ist“ denn es ist bekannt genug, daß die Großen des Landes den Absichten der Könige sehr zuwider sind, daß, sollte einer derselben sterben, es sehr zweifelhaft werden würde daß ähnliche Tractate abgeschlossen werden könnten.

Von dem ersten Minister an bis auf die untersten Würdenträger hegen die Siamesen eine große Angst vor dem Einfluß der englischen Nation. Sie haben von der Geschichte Calcutta’s gehört und wenden diese im Voraus auf Bangkok an! Daher haben die Siamesen es ungern gesehen daß ihnen sogleich ein Consul, in der Person des Herrn Hillier von Hongkong, von England zugeschickt worden ist. Es ruht das gute Einverständniß demnach nur bei den Königen; von den Würdenträgern dürfen die Engländer nur Opposition erwarten.

Diese Abneigung scheint mir aber als gegründete Veranlassung daß alle fremden Nationen sich so rasch als möglich ähnliche Rechte auswirken als es die Engländer gethan, denn nur durch die Ausgleichung fremden Einflusses wird das Vertrauen der eifersüchtigen Eingeborenen wieder hergestellt werden.

Die hanseatischen Flaggen dürfen also auf günstige Aufnahme rechnen.

Für den Augenblick ist es nicht so sehr der directe Handel zwischen den drei Städten und Siam der mir einen Anschluß an den Tractat wünschenswerth scheinen läßt, als die Möglichkeit unsere Schiffe für die Fahrt nach Bangkok und zurück oder von B. nach China zu verchartern. Bis heute kommen unsere Schiffe noch unter den alten Tractat, nach welchem sie die Abgabe nach Länge und Breite und Tiefe des Schiffes zu entrichten haben während einheimische Schiffe d.h. die des Königs davon frei sind! Für unsere Rheder strebe ich also jetzt; manche günstige Charter dürfte sich für unsere Schiffe bieten über Siam nach China zu gehen, oder Produkte hierherzubringen. Wie unangenehm wenn wir noch für längere Zeit diesen Ausweg für unsere Fahrzeuge unbenügt lassen müßten.

Der Handel in Landesprodukten liegt noch zu sehr in den Händen der Chinesen, welche ihn seit Jahren betrieben und daher gleichsam ein Monopol in demselben erlangt haben. Diese Leute lassen selbstverständlich ungern einen dritten zu um ihnen Concurrenz zu machen. [...]

Erst nach und nach muß sich die Regierung, die eingeborenen Kaufleute und das Volk, an den Handel mit Europäern gewöhnen, und dann erst wird Siam als den Europäern wichtiger Handelsplatz wichtig werden.

Um nur eins anzuführen. Bis heute kennt man in Bangkong [sic] eingeborenerseits garnicht den Werth der Zeit. Gefällt es den Großen nicht ein Schiff zu expedieren, so muß es warten u. so lange warten bis man irgend einer Forderung des Mächtigen nachgegeben oder ihn durch Geschenke günstig gestimmt hat!

Der neue Vertrag stellt nun freilich die Engländer gegen solche despotische Hand. Langsweise sicher allein versuchen werden es die Beamten immer dem Handel, der ihnen, wie bisher, keinen Vortheil bringt, störend in den Weg zu treten.

Der americanische Gesandte M. Harris ist mit der Rectification des Tractates für die Vereinigten-Staaten zu Stande gekommen. Man sagt officiell solcher sei Wort für Wort wie der englische abgefaßt, nur mit den nothwendigen Namens-Veränderungen.

Ein Gerücht dagegen will wissen es sei noch ein geheimer Articel hinzugefügt nach dem die V. Staaten sich anheischig machen Siam gegen den kriegerischen Angriff irgend einer Nation in Schutz zu nehmen. Verbürgen kann ich diese Nachricht nicht dagegen liegt sie sehr im Bereich der Wahrscheinlichkeit wenn man die politische Stimmung der Vereinigten Staaten Nord-Americas, England gegenüber, berücksichtigt.

Der französische Gesandte welcher uns mit seinem Geschwader verlassen hat, ist von diesem Gerücht informiert. Möglich daß er heraus findet wie viel Wahres davon ist. Der Punkt muß ihm ebenso wichtig sein als jeder andern großen Seemacht.

Ich komme nun noch auf die Geschenke zurück die eventualiter den Königen gemacht werden müssen. Ich schreibe „müssen“ denn es ist eine althergebrachte Sitte, und es wird demnach als selbstverständlich erwartet daß irgend eine europäische Macht die ein Freundschaftsbündniß mit den Herrschern von Siam zu schließen wünscht, diesen Geschenke darbringt oder besser, solche mit ihnen auswechselt.

Alle die letzten Gesandtschaften haben denn auch diese Etiquette beobachtet. [...]

Eine [...] Feuersprütze oder noch besser ein Thelegraphen Apparat würde sicher willkommen sein.

Der erste König versteht sich sehr gut auf Astronomie. Sir James Brooke schickte ihm daher vor einigen Jahren ein Fernrohr zum Werth von $400.

Der zweite König interessirt sich für’s Militair; irgend etwas wirklich Schönes was in dies Fach schlägt würde sehr gnädig aufgenommen u. gewürdigt werden. Revolver von Colt u. Minie Büchsen besitzt er aber schon lange; es wird uns Deutschen nicht schwer fallen in dieser Branche Vorzügliches zu liefern. Büchsen von Herzberg oder aus Bayern, blanke Waffen aus Solingen, die vollständige Equipirung unseres nordischen Militairs aus dem schönsten Material würden das Interesse des Königs rege machen.

Dieser besitz auch Talent für Mechanic und wünscht ferner sehr seine Bibliothek mit werthvollen und glänzenden, illustrirten, Werken zu füllen.

Letzeres paßt außerordentlich gut für uns weil unsere deutschen Künstler jede andere Nation in diesem Genre überstrahlen.

Mit Globussen u. deutschen Glaswaaren sind die königlichen Wohnungen gefüllt, allein Kunstwerke, als Oelgemälde und Statuen würden sehr gefallen.

Der erste König schnupft; eine Dose wäre also willkommen.

Die Geschenke an den zweiten König müssen ungefähr ein drittel des Werthes sein von denen welche dem ersten überreicht werden.

Einige der ersten Minister u. Fürsten dürften auch Etwas erwarten, als einen Staats-degen oder Parade Säbel.

Aus dem Angeführten wird es nicht schwer sein dasjenige herauszufinden welches von unseren Städten gewählt werden sollte.

Sollte ich noch vor Abgang der Post anderweitig Erkundigungen über Siam einziehen können so werde ich mir erlauben ein P.S. nachfolgen zu lassen. [...]

Ich verbleibe

Ergebenst

A. Otto Meyer

Consul

Singapore

4. July 1856


[1] Quelle zum Essay: Auf den Fersen der Briten. Handelsvertragsprojekt eines Konsuls der drei Hansestädte mit Siam für eine hanseatische Expansion in Südostasien (1856), in Themenportal Europäische Geschichte, 2022, URL: <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-98963>; Arnold Otto Meyer, Brief an den Syndicus Carl Hermann Merck, Singapur, 4.7.1856, Staatsarchiv Hamburg, 111‒1 Cl. VI N°14d Vol. 1 Fasc. 1 (Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um eine Abschrift).


Für das Themenportal verfasst von

Marine Fiedler

( 2022 )
Zitation
Marine Fiedler, Auf den Fersen der Briten. Handelsvertragsprojekt eines Konsuls der drei Hansestädte mit Siam für eine hanseatische Expansion in Südostasien (1856), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2022, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-98963>.
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