Max Webers Analyse des europäischen Kapitalismus.

In seinen Vorlesungen zur „universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ im Winter 1919/20 hat Max Weber auf eine Reihe von insbesondere demografischen, historischen und geografischen Faktoren hingewiesen, die es im Lichte zeitgenössischer Kapitalismustheorien hätten erwarten lassen müssen, dass der moderne Kapitalismus eher in China als in Europa entstehen würde.[...]

Max Webers Analyse des europäischen Kapitalismus[1]

Von Hinnerk Bruhns

In seinen Vorlesungen zur „universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“[2]im Winter 1919/20 hat Max Weber auf eine Reihe von insbesondere demografischen, historischen und geografischen Faktoren hingewiesen, die es im Lichte zeitgenössischer Kapitalismustheorien hätten erwarten lassen müssen, dass der moderne Kapitalismus eher in China als in Europa entstehen würde. In seinen Studien zum Konfuzianismus und Taoismus, und analog in jenen zum Hinduismus und Buddhismus, hat Weber die chinesische und indische Sozialordnung unter diesen und anderen Gesichtspunkten analysiert. Den entscheidenden Unterschied zur europäischen Entwicklung macht er an dem Gegensatz zwischen der orientalischen und der okzidentalen Stadt fest, und das hieß in diesem Zusammenhang, an dem Entstehen oder Nichtentstehen eines Stadtbürgertums, welches rationale wirtschaftliche Organisations- und Betriebsformen und ein – im Folgenden noch weiter zu erläuterndes – rationales Wirtschaftsverhalten entwickelte. Dies ist, verkürzt gesprochen, der erste Schritt der Untersuchungen der Wirtschaftsethik der Weltreligionen.[3]Der zweite Schritt betrifft das, was Weber als den kulturgeschichtlichen Unterschied der Rationalisierung in verschiedenen Kulturkreisen bezeichnet, die Frage nämlich, „welche Sphären und in welcher Richtung sie rationalisiert wurden.“[4]Auf das Problem des modernen Kapitalismus bezogen, ging es dabei um die Frage, welche Faktoren, neben dem Vorhandensein von rationaler Technik und rationalem Recht, die Menschen dazu befähigt und in die Lage versetzt hatten, eine diesem besonderen Kapitalismus angemessene und ihn befördernde Art „praktisch-rationaler Lebensführung“ zu entwickeln. Hier nun bringt Weber die Möglichkeit von „Hemmungen [oder aber positiven Anstößen] seelischer Art“ ins Spiel.[5]Auf diesem Gebiet, nicht auf dem kirchlicher Doktrinen oder religiöser Verhaltensanweisungen, sucht er einen kausalen Zusammenhang zwischen religiösen und wirtschaftlichen Systemen, da, wie er schreibt, „in der Vergangenheit überall die magischen und religiösen Mächte und die am Glauben an sie verankerten ethischen Pflichtvorstellungen“ zu den wichtigsten formenden Elementen der Lebensführung gehörten.[6]Dies ist, nach der Untersuchung der politischen, wirtschaftlichen, finanztechnischen, rechtlichen oder religiösen Organisationsformen und ihrer Rationalisierung, das große Thema der Schriften, in die auch die im Folgenden in Auszügen abgedruckte „Vorbemerkung“ einleitet.

In seiner glanzvollen idealtypischen Gegenüberstellung des Rationalismus von puritanischer und konfuzianischer Lebensführung bringt Weber seine These auf einen Punkt: Rückte die puritanische Ethik die Dinge der Erde in den Zusammenhang einer gewaltigen und pathetischen Spannung gegenüber der „Welt“, so reduzierte der Konfuzianismus die Spannung gegen die Welt auf ein absolutes Minimum, sowohl ihre religiöse Entwertung wie ihre praktische Ablehnung. Aus der Beziehung zum überweltlichen Gott und zur kreatürlich verderbten ethisch irrationalen Welt folgte im Puritanismus, im vollständigen Gegensatz zum Konfuzianismus, „die absolute Unheiligkeit der Tradition und die absolut unendliche Aufgabe immer erneuter Arbeit an der ethisch rationalen Bewältigung und Beherrschung der gegebenen Welt: die rationale Sachlichkeit des ‚Fortschritts’.“[7]

Weber bringt den Grundunterschied der beiden Arten von Rationalismus so auf die klare Formel: „Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt, der puritanische Rationalismus: rationale Beherrschung der Welt.“[8]Das aber bedeutete, dass kein Weg vom Konfuzianismus und seiner Ethik zu einer bürgerlichenLebensmethodik in dem Sinne führte, wie sie der Puritanismus – durchaus gegen seinen Willen – geschaffen habe.[9]Noch im letzten Satz seiner Studie über die Wirtschaftsethik des Konfuzianismus erinnert Weber daran, dass religiöse oder ethische Einstellungen oder Gesinnungen, und die durch sie bestimmten praktischen Stellungnahmen zur Welt aus einer doppelten Perspektive zu betrachten seien: einerseits, im Hinblick auf ihre Determinierung, durch „politische und ökonomische Schicksale“, andererseits im Hinblick auf die „ihren Eigengesetzlichkeiten zuzurechnenden Wirkungen“, auf ökonomische und soziale Entwicklungen.[10]

Die kurze, nur knapp 16 Seiten umfassende „Vorbemerkung“, der die nachstehenden Auszüge entnommen sind, ist der wohl letzte Text, den Max Weber (1864-1920) noch eigenhändig redigiert hat, bevor er am 14. Juni 1920 im Alter von nur 56 Jahren starb. Unter dem bescheidenen Titel „Vorbemerkung“ hat Weber ihn an den Anfang seiner Gesammelten Aufsätze zurReligionssoziologie gestellt, deren erster Band im November 1920 erschien. Der zweite und dritte Band folgten im Januar und Februar 1921. Diese drei Bände beinhalten, in teilweise stark überarbeiteten Fassungen, Webers hauptsächliche Schriften zum Verhältnis von Ökonomie und Religion, die er in zwei Schaffensperioden, 1904 bis 1905 und dann zwischen 1915 und 1919, im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik veröffentlicht hatte.[11]Die drei Bände vereinen mithin zwei unterschiedliche Textcorpora: Zunächst Max Webers berühmte Studie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, die zuerst in zwei Teilen 1904 und 1905 erschien und um eine aus dem Jahr 1906 stammende Untersuchung über die protestantischen Sekten in Amerika ergänzt wurde. Zwar legte Weber im Jahre 1920 nun eine stark überarbeitete Fassung seiner Protestantischen Ethik vor, aber die Grundstruktur des Aufsatzes blieb unverändert: Im Zentrum steht die Frage, wie im Gefolge der durch die Reformation ausgelösten religiösen Entwicklung bestimmte, im religiösen Glauben verankerte ethische Pflichtvorstellungen die praktische Lebensführung, und damit auch das Wirtschaftsverhalten der Menschen beeinflusst haben mochten. Verkürzt gesagt ging es also um die Frage, inwieweit bestimmte Formen des Protestantismus zur Entstehung und Verbreitung des Kapitalismus beigetragen hatten. Die These freilich, dass es hier einen ursächlichen Zusammenhang gab, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts keineswegs neu. Völlig neu jedoch war Webers Begründung der Natur dieses Zusammenhangs, denn Weber rückte die „Berufsethik des asketischen Protestantismus“ in das Zentrum seiner Darlegungen. Diese drückt „die Wertung auch der auf rationaler Grundlage erfolgenden kapitalistischen Erwerbstätigkeit als Erfüllung einer gottgewollten Aufgabe aus.“[12]Die bewusst einseitige, das heißt einen Teilaspekt des Gesamtzusammenhangs von Wirtschaft und Religion isolierende Untersuchung aus den Jahren 1904/1905 hat bekanntlich noch bis heute andauernde Missverständnisse hervorgerufen, im Sinne eines direkten, kausalen Zusammenhangs zwischen Protestantismus und Kapitalismus, sowie im Sinne einer idealistischen Geschichtsauffassung. In seinen Untersuchungen über Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen weitet Weber jedoch ab 1912/13 seine Forschungsfrage universalhistorisch vergleichend aus, um von der asiatischen Entwicklung her die Besonderheit der europäischen schärfer fassen zu können.

Anders als in der Protestantischen Ethik geht es dabei zunächst ganz zentral um die Analyse der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen, und die Untersuchung steht unter der von Weber schon 1904, im „Geleitwort“ zum ersten Band der Zeitschrift Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik explizit formulierten Leitfrage der „ökonomischen Bedingtheit der Kulturerscheinungen“.[13]Die umgekehrte Frage, immer zu Unrecht als die eigentliche Webersche Frage angesehen, wird erst im Anschluss daran gestellt; auch in der „Vorbemerkung“ formuliert Weber sie, wie die abgedruckte Quelle zeigt, erst am Schluss. Die in den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie versammelten Schriften haben also, bei aller Verschiedenheit, zunächst eine Frage gemeinsam: die nach den Entstehungsbedingungen des modernen rationalen Betriebskapitalismus in Europa. Diese Frage zu verdeutlichen, war Webers Anliegen in der „Vorbemerkung“ und so liefert er hier eine nachträgliche Formulierung seiner leitenden Forschungsfrage. In den Jahren seit der Erstveröffentlichung der Protestantischen Ethik hatte Weber diese Frage in zwei Richtungen über Europa hinaus ausgedehnt: Zum einen nach China, Japan und Indien, indem er nach den Bedingungen und Faktoren forschte, die dort der Entstehung eines modernen Betriebskapitalismus im Wege gestanden hatten, obwohl doch gerade China diesem teilweise sehr viel günstigere Vorbedingungen geboten zu haben schien. Die zweite Richtung führte Weber zurück ins antike Judentum, unter der Frage, welche Bedeutung gewisse Elemente der altjüdischen Religion in der christlichen Kulturwelt für die Rationalisierung bestimmter Lebenssphären gehabt hatten. Zuvor schon hatte er die Frage nach der Entstehung des modernen Kapitalismus auf die vorderorientalische und die griechisch-römische Antike ausgeweitet (Agrarverhältnisse im Altertum (1909), Die Stadt (1913/1914, posthum erschienen 1921).[14]Das Ergebnis all dieser Untersuchungen hat Weber in einem Satz zusammengefasst: „Als Resultat ergibt sich also die eigentümliche Tatsache: Die Keime des modernen Kapitalismus müssen in einem Gebiet gesucht werden, wo offiziell eine von den orientalischen und antiken verschiedene, durchaus kapitalfeindliche Wirtschaftstheorie geherrscht hat.“[15]

Die „Vorbemerkung“ beginnt mit folgendem berühmten Satz: „Universalgeschichtliche Probleme wird der Sohn der modernen europäischen Kulturwelt unvermeidlicher- und berechtigterweise unter der Fragestellung behandeln: welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, dass gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen?“ Unter diesen nur im Okzident vorkommenden Kulturerscheinungen von universeller Bedeutung nennt Weber die auf das rationale Experiment gegründete Wissenschaft, die rationale Staatslehre, die rationale Rechtslehre, die rationale harmonische Musik, die „klassische“, von der Renaissance geschaffene Rationalisierung der gesamten Kunst, den „rationalen und systematischen Fachbetrieb der Wissenschaft: das eingeschulte Fachmenschentum“ und den Staat überhaupt im Sinn einer politischen Anstalt, mit rational gesetzter Verfassung. Und so stehe es nun auch „mit der schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens: dem Kapitalismus.“ Weber stellt die Definition der Begriffe an den Anfang: Kapitalismus habe mit Erwerbstrieb oder Streben nach möglichst hohem Geldgewinn an sich nichts zu schaffen, der „Geist“ des Kapitalismus habe nicht das Geringste mit schrankenlosester Erwerbsgier zu tun: „Kapitalismus kann geradezu identisch sein mit Bändigung, mindestens mit rationaler Temperierung dieses irrationalen Triebes. Allerdings ist Kapitalismus identisch mit dem Streben nach Gewinn, im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb: nach immer erneutem Gewinn: nach ‚Rentabilität’. [...] Ein ‚kapitalistischer Wirtschaftsakt’ soll uns heißen zunächst ein solcher, der auf Erwartung von Gewinn durch Ausnützung von Tausch-Chancen ruht: auf (formell) friedlichen Erwerbschancen also. Der (formell und aktuell) gewaltsame Erwerb folgt seinen besonderen Gesetzen und es ist nicht zweckmäßig [...] ihn mit dem (letztlich) an Tausch-Gewinnchancen orientierten Handeln unter die gleiche Kategorie zu stellen.“[16]

Mit seinen Überlegungen war es Weber vor allem an der Bestimmung des Spezifischen der okzidentalen Entwicklung gelegen: Im Rahmen rationalen kapitalistischen Erwerbs sei das entsprechende Handeln an Kapitalrechnung orientiert. Begrifflich entscheidend sei jeweils nur, „daß die tatsächliche Orientierung an einer Vergleichung des Geldschätzungserfolges mit dem Geldschätzungseinsatz, in wie primitiver Form auch immer, das wirtschaftliche Handeln entscheidend bestimmt.“ In diesem Sinne, so Weber, habe es „Kapitalismus“ und „kapitalistische Unternehmungen“, auch mit leidlicher Rationalisierung der Kapitalrechnung, in allen Kulturländern der Erde gegeben, soweit die ökonomischen Dokumente zurückreichen.

Worin besteht für Weber nun das Besondere des okzidentalen Kapitalismus? Jedenfalls nicht in Erscheinungen, welche auch die okzidentale Gegenwart kennzeichnen, wie „der Gründer, Großspekulanten-, Kolonial- und der moderne Finanzierungskapitalismus schon im Frieden, vor allem aber aller spezifisch kriegsorientierte Kapitalismus“. Neben diesen universell verbreiteten Arten von Kapitalismus habe der Okzident eine ganz andere und nirgends sonst auf der Erde entwickelte Art des Kapitalismus hervorgebracht: die rational-kapitalistische Organisation von (formell) freier Arbeit.

Hier setzt unser Quellenauszug ein. Weber gibt seiner zunächst „rein wirtschaftlich[en]“ Forschungsfrage nach der Entstehung des bürgerlichen Betriebskapitalismus eine kultur- und sozialgeschichtliche Wende, indem er nun nach der Entstehung und Eigenart des abendländischen Bürgertums im Vergleich zur orientalischen Entwicklung fragt. Entscheidend für die „Lebensordnung“ der Masse der europäischen Bevölkerung war die technische Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese durchaus nicht universelle Erscheinung sah Weber als Ergebnis der „Sozialordnung“, der sozialen Struktur des Okzidents, in der jene technische Verwendung der Wissenschaft ökonomisch prämiert wurde, insbesondere aufgrund des hier sehr viel stärker ausgebildeten rationalen Rechts und der rationalen Verwaltung. Immer aber greift Weber weit in die Geschichte zurück und sucht, bei aller, rein instrumentalen, idealtypischen Isolierung von Faktoren, nach komplexen kausalen Zusammenhängen. So ist für ihn, um ein anderes Beispiel zu nennen, der politische Bürgerstand der okzidentalen Stadt, neben anderen Faktoren, auch insofern von entscheidender Bedeutung, als hier, nicht aber in der asiatischen Stadt, „auf dem Boden politischer Probleme“ Denker und Propheten aufgetreten sind, ohne die sich eine rationale innerweltlichen Ethik nicht entwickelt hätte.[17]

Dass „heute“, also zu Beginn des 20. wie schon während des ganzen 19. Jahrhunderts, die „religiöse Wurzel des modernen ökonomischen Menschentums“ abgestorben sei und „der Berufsbegriff als caput mortuum“ in der Welt stehe, das hat Weber verschiedentlich in aller Schärfe und Deutlichkeit formuliert.[18]Dies und alle anderen vorsichtigen Differenzierungen Webers haben nicht verhindern können, dass das Klischee der so genannten „Weber-These“ eines direkten Zusammenhangs zwischen Protestantismus und Kapitalismus auch hundert Jahre später hier und da munter weiterlebt. In den Wirtschaftswissenschaften und in der Wirtschaftsgeschichte, auch in Deutschland, spielt Max Weber heute höchstens eine marginale Rolle, und seine einschlägigen Schriften werden hier kaum gelesen, da man sie anderen Wissenschaften, der Religionssoziologie, der Alten und der mittelalterlichen Geschichte zuordnet. Die hier vorgestellte „Vorbemerkung“ zu den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie ist in diesem Zusammenhang von zweifacher Bedeutung: sie rückt in aller Kürze die eigentliche Forschungsfrage Webers ins Licht und verführt – hoffentlich – zur Lektüre der Schriften, denen Max Weber sie vorangestellt hat.

 


[1] Essay zur Quelle Nr. 1.8, Max Webers „Vorbemerkung“ zu seinen Aufsätzen zur Religionssoziologie (1920).

[2] Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, aus den nachgelassenen Vorlesungen herausgegeben von Sigmund Hellman und Melchior Palyi [1. Aufl. 1923], 3. durchgesehene und ergänzte Auflage besorgt von Johannes F. Winckelmann, Berlin 1958, hier zit. n. der 5. unveränderten Auflage, Berlin 1991.

[3] Dies ist der Obertitel zu Webers Schriften zum Konfuzianismus und Taoismus, Hinduismus und Buddhismus sowie zum antiken Judentum. Vgl. unten Anm. 11.

[4] Weber, Max, Vorbemerkung, in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie [= GARS], Bd. 1, Tübingen 1920, S. 1-16, Zitat von S. 12; vgl. den nachstehenden Quellenauszug Nr. 1.8.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus (Kap. VII: „Resultat: Konfuzianismus und Protestantismus“), in: Weber, GARS (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 514 und 527; vgl. Ders., Hinduismus und Taoismus (Kapitel III: „Die asiatische Sekten- und Heilandsreligiosität“), in: Weber, GARS (wie Anm. 4), Tübingen 1921, Bd. 2, S. 365f.

[8] Vgl. Weber, GARS (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 534.

[9] Vgl. Weber, GARS (wie Anm. 4), Bd.1, S. 524 sowie Bd. 2, S. 371.

[10] Vgl. Weber, GARS (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 536; sowie Bd. 2, S. 375.

[11] Band 1 der GARS (wie Anm. 4) umfasst: „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“; „Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus“; „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Vergleichende religionssoziologische Versuche: Einleitung; I. Konfuzianismus und Taoismus; Zwischenbetrachtung: Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung“. [Siehe jetzt: Weber, Max, Gesamtausgabe, Bd. I/19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoimus, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko, Tübingen 1989]. Band 2 enthält: „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen: II. Hinduismus und Buddhismus“ [Siehe jetzt: Weber, Max, Gesamtausgabe, Bd. I/20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916-1920, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio, Tübingen 1996]. Band 3 enthält: „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. III. Das antike Judentum“; „Nachtrag. Die Pharisäer“.

[12] Weber (wie Anm. 2), S. 313.

[13] Jaffé, Edgar; Sombart, Werner; Weber, Max, Geleitwort, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19 (1904), S. V.

[14] Weber, Max, Gesamtausgabe, Bd. I/22. Wirtschaft und Gesellschaft: die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilbd. 5: Die Stadt, hg. von Wilfried Nippel, Tübingen 1999.

[15] Weber (wie Anm. 2), S. 304.

[16] Weber, GARS (wie Anm. 4), S. 12

[17] Weber, GARS (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 372.

[18] Weber

 


Literaturhinweise:
  • Bruhns, Hinnerk; Nippel, Wilfried (Hg.), Max Weber und die Stadt im Kulturvergleich (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 140), Göttingen 2000
  • Bruhns, Hinnerk, La ville bourgeoise et l'émergence du capitalisme moderne: Max Weber: Die Stadt (1913/14-1921), in Lepetit, Bernard; Topalov, Christian (Hg.), La ville des sciences sociales, Paris 2001, S. 47-78, 315-319, 344-350
  • Käsler, Dirk, Max Weber. Eine Einführung in Leben, Werk und Wirkung, 3. Aufl., Frankfurt am Main, 2003 (Erstauflage 1995)
  • Mommsen, Wolfgang J., Max Weber, in: Wehler, Hans-Ulrich (Hg.), Deutsche Historiker, Bd. 3, Göttingen 1972, S. 65-90
  • Schluchter, Wolfgang, Religion und Lebensführung, 2 Bde., (Bd. 1: Studien zu Max Webers Kultur- und Werttheorie; Bd. 2: Studien zu Max Webers Religions- und Herrschaftssoziologie), Frankfurt am Main 1988
  • Swedberg, Richard, Max Weber and the idea of economic sociology, Princeton 1998

Weber, Max: „Vorbemerkung“ zu seinen Aufsätzen zur Religionssoziologie (1920)[1]

[...] der Okzident kennt in der Neuzeit [...] eine [...] nirgends sonst auf der Erde entwickelte Art des Kapitalismus: die rational-kapitalistische Organisation von (formell) freier Arbeit. Nur Vorstufen dafür finden sich anderwärts. [...] Die an den Chancen des Gütermarktes, nicht an gewaltpolitischen oder an irrationalen Spekulationschancen, orientierte, rationale Betriebsorganisation ist aber nicht die einzige Sondererscheinung des okzidentalen Kapitalismus. Die moderne rationale Organisation des kapitalistischen Betriebs wäre nicht möglich gewesen ohne zwei weitere wichtige Entwicklungselemente: die Trennung von Haushalt und Betrieb, welche das heutige Wirtschaftsleben schlechthin beherrscht und, damit eng zusammenhängend, die rationale Buchführung. [...] Ihre heutige Bedeutung aber haben alle diese Besonderheiten des abendländischen Kapitalismus letztlich erst durch den Zusammenhang mit der kapitalistischen Arbeitsorganisation erhalten. [...] [S. 7f.]

In einer Universalgeschichte der Kultur ist [...] für uns, rein wirtschaftlich, das zentrale Problem letztlich nicht die überall nur in der Form wechselnde Entfaltung kapitalistischer Betätigung als solcher: des Abenteurertypus oder des händlerischen oder des an Krieg, Politik, Verwaltung und ihren Gewinnchancen orientierten Kapitalismus. Sondern vielmehr die Entstehung des bürgerlichen Betriebskapitalismus mit seiner rationalen Organisation der freien Arbeit. Oder, kulturgeschichtlich gewendet: die Entstehung des abendländischen Bürgertums und seiner Eigenart, die freilich mit der Entstehung kapitalistischer Arbeitsorganisation zwar im nahen Zusammenhang steht, aber natürlich doch nicht einfach identisch ist. Denn „Bürger“ im ständischen Sinn gab es schon vor der Entwicklung des spezifisch abendländischen Kapitalismus. Aber freilich: nur im Abendlande. Der spezifisch moderne okzidentale Kapitalismus nun ist zunächst offenkundig in starkem Maße durch Entwicklungen von technischen Möglichkeiten mitbestimmt. Seine Rationalität ist heute wesenhaft bedingt durch Berechenbarkeit der technisch entscheidender Faktoren: der Unterlagen exakter Kalkulation. Das heißt aber in Wahrheit: durch die Eigenart der abendländischen Wissenschaft, insbesondere der mathematisch und experimentell exakt und rational fundamentierten Naturwissenschaften. Die Entwicklung dieser Wissenschaften und der auf ihnen beruhenden Technik erhielt und erhält nun andererseits ihrerseits entscheidende Impulse von den kapitalistischen Chancen, die sich an ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit als Prämien knüpfen. Zwar nicht die Entstehung der abendländischen Wissenschaft ist durch solche Chancen bestimmt worden. Gerechnet, mit Stellenzahlen gerechnet, Algebra getrieben haben auch die Inder, die Erfinder des Positionszahlensystems, welches erst in den Dienst des sich entwickelnden Kapitalismus im Abendland trat, in Indien aber keine moderne Kalkulation und Bilanzierung schuf. Auch die Entstehung der Mathematik und Mechanik war nicht durch kapitalistische Interessen bedingt. Wohl aber wurde die technische Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse: dies für die Lebensordnung unsrer Massen Entscheidende, durch ökonomische Prämien bedingt, welche im Okzident gerade darauf gesetzt waren. Diese Prämien aber flossen aus der Eigenart der Sozialordnung des Okzidents. Es wird also gefragt werden müssen: aus welchen Bestandteilen dieser Eigenart, da zweifellos nicht alle gleich wichtig gewesen sein werden. Zu den unzweifelhaft wichtigen gehört die rationale Struktur des Rechts und der Verwaltung. Denn der moderne rationale Betriebskapitalismus bedarf, wie der berechenbaren technischen Arbeitsmittel, so auch des berechenbaren Rechts und der Verwaltung nach formalen Regeln, ohne welche zwar Abenteurer- und spekulativer Händlerkapitalismus und alle möglichen Arten von politisch bedingtem Kapitalismus, aber kein rationaler privatwirtschaftlicher Betrieb mit stehendem Kapital und sicherer Kalkulation möglich ist. Ein solches Recht und eine solche Verwaltung nun stellte der Wirtschaftsführung in dieser rechtstechnischen und formalistischen Vollendung nur der Okzident zur Verfügung. Woher hat er jenes Recht? wird man also fragen müssen. Es haben, neben anderen Umständen, auch kapitalistische Interessen ihrerseits unzweifelhaft der Herrschaft des an rationalem Recht fachgeschultem Juristenstandes in Rechtspflege und Verwaltung die Wege geebnet, wie jede Untersuchung zeigt. Aber keineswegs nur oder vornehmlich sie. Und nicht sie haben jenes Recht aus sich geschaffen. Sondern noch ganz andre Mächte waren bei dieser Entwicklung tätig. Und warum taten die kapitalistischen Interessen das gleiche nicht in China oder Indien? Warum lenkten dort überhaupt weder die wissenschaftliche noch die künstlerische noch die staatliche noch die wirtschaftliche Entwicklung in diejenigen Bahnen der Rationalisierung ein, welche dem Okzident eigen sind? Denn es handelt sich ja in all den angeführten Fällen von Eigenart offenbar um einen spezifisch gearteten „Rationalismus“ der okzidentalen Kultur. Nun kann unter diesem Wort höchst Verschiedenes verstanden werden, ... Es gibt z.B. „Rationalisierungen“ der mystischen Kontemplation, also: von einem Verhalten, welches, von anderen Lebensgebieten her gesehen, spezifisch „irrational“ ist, ganz ebenso gut wie Rationalisierungen der Wirtschaft, der Technik, des wissenschaftlichen Arbeitens, der Erziehung, des Krieges, der Rechtspflege und Verwaltung. Man kann ferner jedes dieser Gebiete unter höchstverschiedenen letzten Gesichtspunkten und Zielrichtungen „ratio­nalisieren“, und was von einem aus „rational“ ist, kann, vom andern aus betrachtet, „irrational“ sein. Rationalisierungen hat es daher auf den verschiedenen Lebensgebieten in höchst verschiedener Art in allen Kulturkreisen gegeben. Charakteristisch für deren kulturgeschichtlichen Unterschied ist erst: welche Sphären und in welcher Richtung sie rationalisiert wurden. Es kommt also zunächst wieder darauf an: die besondere Eigenart des okzidentalen und, innerhalb dieses, des modernen okzidentalen, Rationalismus zu erkennen und in ihrer Entstehung zu erklären. Jeder solche Erklärungsversuch muß, der fundamentalen Bedeutung der Wirtschaft entsprechend, vor allem die ökonomischen Bedingungen berücksichtigen. Aber es darf auch der umgekehrte Kausalzusammenhang darüber nicht unbeachtet bleiben. Denn wie von rationaler Technik und rationalem Recht, so ist der ökonomische Rationalismus in seiner Entstehung auch von der Fähigkeit und Disposition der Menschen zu bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung überhaupt abhängig. Wo diese durch Hemmungen seelischer Art obstruiert war, da stieß auch die Entwicklung einer wirtschaftlich rationalen Lebensführung auf schwere innere Widerstände. Zu den wichtigsten formenden Elementen der Lebensführung nun gehörten in der Vergangenheit überall die magischen und religiösen Mächte und die am Glauben an sie verankerten ethischen Pflichtvorstellungen. Von diesen ist in den nachstehend gesammelten und ergänzten Aufsätzen die Rede. [S. 10ff.]



[1] Weber, Max, Vorbemerkung, in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, Tübingen 1920, S. 1-16.

 


Die Druckversion des Essays findet sich in Hohls, Rüdiger; Schröder, Iris; Siegrist, Hannes (Hg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005.
Für das Themenportal verfasst von

Hinnerk Bruhns

( 2006 )
Zitation
Hinnerk Bruhns, Max Webers Analyse des europäischen Kapitalismus, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2006, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1317>.
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