Der Weltverkehr und die Ausbreitung des Kapitalismus um 1900

Genauso wie Kaiser Wilhelm II. waren viele Deutsche um 1900 von der überragenden Wichtigkeit des Verkehrs überzeugt. Das Wort Verkehr vereinte damals drei verschiedene Bedeutungen in sich. Denn es bezeichnete sowohl Verkehrsmittel im Sinne von Transport nach der heutigen Wortbedeutung als auch Kommunikation und Handel. Um 1900 begriffen die Deutschen Verkehr als ein weltweites Phänomen. Sie betrachteten ihn weniger im nationalen Kontext, sondern betonten die globalen und grenzüberschreitenden Zusammenhänge. Um 1900 war nicht nur von Verkehr, sondern auch von Weltverkehr die Rede. [...]

Der Weltverkehr und die Ausbreitung des Kapitalismus um 1900[1]

Von Heidi Tworek

„Die Welt am Ende des 19. Jahrhunderts steht unter dem Zeichen des Verkehrs.“

Kaiser Wilhelm II. zum 60. Geburtstag des Staatsekretärs des Reichspostamts Dr. Heinrich von Stephan, Oktober 1891[2]

Genauso wie Kaiser Wilhelm II. waren viele Deutsche um 1900 von der überragenden Wichtigkeit des Verkehrs überzeugt. Das Wort Verkehr vereinte damals drei verschiedene Bedeutungen in sich. Denn es bezeichnete sowohl Verkehrsmittel im Sinne von Transport nach der heutigen Wortbedeutung als auch Kommunikation und Handel. Um 1900 begriffen die Deutschen Verkehr als ein weltweites Phänomen.[3] Sie betrachteten ihn weniger im nationalen Kontext, sondern betonten die globalen und grenzüberschreitenden Zusammenhänge. Um 1900 war nicht nur von Verkehr, sondern auch von Weltverkehr die Rede.

In deutschsprachigen Publikationen um 1900 erschienen zunächst abwechselnd die Begriffe Weltverkehr und Weltwirtschaft. Ab 1900 bevorzugten viele Autoren das Konzept der Weltwirtschaft, das den Blick vollkommen auf die Ökonomie verlagerte und den vieldeutigen Begriff des Weltverkehrs immer mehr in den Hintergrund drängte (vgl. Abb. 1). Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs aber gab es eine rege wissenschaftliche Diskussion über die Verflechtung von Kommunikationsmitteln und Handelsbeziehungen. Dieser Aufsatz widmet sich einem wissenschaftlichen Artikel aus dem Jahr 1914, der sich mit dieser Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Kapitalismus beschäftigt.[4]



Abb. 1: Google books Ngram Viewer, Stichwörter: Weltverkehr, Weltwirtschaft 1800–2000.[5]


Der Begriff des Weltverkehrs erfuhr zunächst Mitte des 19. Jahrhunderts eine Konjunktur, als das erste Unterseekabel 1850 zwischen Dover und Calais gelegt wurde. 1866 kam das erste erfolgreiche transatlantische Unterseekabel hinzu. Daraufhin verbreitete sich rasch ein Kabelnetz um die Welt. Im Jahr 1903, nach der erfolgreichen Verkabelung des Pazifiks, lagen ungefähr 406.000 Kilometer Unterseekabel auf dem Grund der Weltmeere.

Mit dem rasanten Aufstieg des Internets wuchs gleichzeitig das wissenschaftliche und populäre Interesse an den Vorgängern dieser weltumspannenden Technologie. Ende der 1990er-Jahre erschien ein populärwissenschaftliches Buch, das den Telegrafen als „viktorianisches Internet“ beschrieb.[6] In gewisser Hinsicht bildete das Kabelnetz tatsächlich die Grundlage für nachkommende Technologien, denn durch den Telegrafen entstand eine neue Form der immateriellen Informationsübertragung. Die drei Bestandteile des Verkehrsbegriffs – Menschen, Güter und Informationen – konnten sich nun unterschiedlich schnell um die Welt bewegen. Zum ersten Mal war die Geschwindigkeit der Informationsübertragung wesentlich rasanter als die der Menschen oder Waren. Diese scheinbare Entkoppelung von Transport und Kommunikation ab Mitte des 19. Jahrhunderts schuf neue Zeit- und Raumvorstellungen, die aber eher „zu einem Bedeutungsgewinn von Zeit als zu deren Vernichtung oder Überwindung“ führte.[7] Außerdem wurden die Kabel für nachkommende Technologien wie die Telefonie oder das Internet oft zwischen denselben Punkten gelegt, da diese Routen schon gesichtet worden waren. Es entstand eine gewisse Pfadabhängigkeit, da die Kommunikationsverbindungen und die Handelsrouten einander beförderten und befestigten. Die globale Karte der Internetkabel ähnelt der des Telegrafenkabelnetzes.

Auf der anderen Seite kann der Vergleich mit dem Internet nicht standhalten. Die exorbitanten Tarife der Unterseekabel hielten 99 Prozent der Bevölkerung davon ab, Telegramme zu verschicken. Trotz der in Großbritannien um 1900 lancierten Reformversuche des australischen Parlamentariers Henniker Heaton blieben die Tarife bis in die 1920er-Jahre hinein außerordentlich hoch. Private Unternehmen, die Regierungen und die Presse bildeten die überwiegende Mehrheit der Kunden. Lediglich etwa 90 Firmen verschickten Kabelnachrichten über den Atlantik.[8] Das weltumspannende unterseeische und oberirdische Kabelnetz ermöglichte jedoch eine gewisse globale Wahrnehmung selbst bei Menschen, die niemals ein Telegramm geschickt hatten.[9] Die soziokulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der Telegrafie war demnach viel größer als ihr Benutzerkreis.

Für den Wissenschaftler und Zeitgenossen sowie Postbeamten Max Roscher schien „Weltverkehr“ der passende Begriff, um die als neu empfundene Verflechtung zwischen Kommunikation und Kapitalismus zu beschreiben. Bei der diesem Aufsatz zugrunde liegenden Quelle „Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs“ handelt es sich um die letzten Absätze des zweiten Teils eines Artikels von Max Roscher. Roscher veröffentlichte 1913/1914 einen zweiteiligen wissenschaftlichen Artikel zur Wechselbeziehung zwischen der Weltwirtschaft und dem globalen Nachrichtenverkehr in der erst kurz zuvor gegründeten Zeitschrift Weltwirtschaftliches Archiv

In den jeweils knapp über 20-seitigen Artikeln beschäftigt sich Roscher mit der Entstehung des Weltverkehrs im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Im ersten Artikel erläutert er zunächst die Begrifflichkeiten. Im Anschluss geht er auf die Arten und Zwecke des internationalen Nachrichtenverkehrs ein. Roscher erklärt danach ausführlich die Unterschiede zwischen Post, Telegrafie und Telefonie im internationalen Nachrichtenverkehr. Die Entwicklung von der Telegrafie und Telefonie sowie die bevorstehende Verbreitung der drahtlosen Telegrafie und des Fernsprechers versteht er als eine Individualisierung und eine Intensivierung des Nachrichtenverkehrs. Die Entwicklung der neuen Kommunikationsmittel sei keineswegs eine Zerstörung von Raum und Zeit, sondern eine wirtschaftlich und kulturell bedingte Differenzierung der Kommunikationsmöglichkeiten. Nun biete sich die Möglichkeit an, „dem Gebote der Wirtschaftlichkeit entsprechend – bei der Überwindung des Hindernisses mit dem geringsten Aufwand an Kraft und Mitteln den größten Erfolg hinsichtlich der Schnelligkeit, Betriebssicherheit, Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit, Wohlfeilheit, Massenhaftigkeit zu erlangen“.[10]

Der zweite Teil des Artikels beschreibt die Geschichte der Kommunikationsmittel und stellt die These auf, dass die Post als eigentliche organisatorische Grundlage für die Telegrafie und Telefonie dient.[11] Danach geht Roscher auf die Voraussetzungen des internationalen Nachrichtenverkehrs ein, vor allem auf die technischen Bedingungen und die Rechtsverhältnisse. Ganz am Ende seiner Arbeit beschäftigt sich Roscher mit den Ursachen des internationalen Nachrichtenverkehrs. Zunächst seien neben der Verbreitung der Menschen auf der ganzen Erde und dem Vorhandensein von Staaten psychologische Bedürfnisse nach Wissen und Naturüberwindung die allgemeinsten Gründe für die rasante Entwicklung der internationalen Kommunikation. „Dieses Bedürfnis der Kulturvölker, in einen schnellen, ständigen, regelmäßigen, gesicherten, wohlfeilen Gedankenaustausch zu treten, war letzten Endes die Wurzel der großen internationalen Vereinigungen und der gewaltigen technischen Fortschritte unserer Zeit auf dem Gebiete des Nachrichtenverkehrs“.[12]

Wichtiger jedoch als diese kulturellen Triebkräfte seien der wirtschaftliche „Selbsterhaltungstrieb“ und der dadurch entstandene Konkurrenzkampf um einen Anteil des Weltverkehrs. Hinzu komme das Wachstum des internationalen Güterhandels, der sowohl auf Grund der unterschiedlichen Rohstoffausstattungen der einzelnen Länder als auch wegen der kulturellen, wirtschaftlichen und historischen Verschiedenheiten der Nationen entstanden sei. Die Baumwolle fungiere seit 1800 als Katalysator und Grundlage dieser Entwicklung, da die industrielle Baumwollverarbeitung immer mehr Rohstoff brauche und das Transportbedürfnis ansporne.[13] Weitere Produkte und Rohstoffe sowie der Menschen- und Nachrichtenverkehr folgten bald. Die Theorie des komparativen Kostenvorteils bildete also in gewisser Hinsicht die Grundlage von Roschers Interpretation des Welthandels.

Der Artikel endet aber nicht mit einer monokausalen Erklärung der Entwicklung des Weltverkehrs. Vielmehr betont Roscher die „Wechselbeziehung zwischen den Mitteln des Güter- (und Personen-) und des Nachrichtenverkehrs“. Die Mittel des Gütertransports wie zum Beispiel die Dampfschiffe ermöglichen den internationalen Nachrichtenaustausch, in diesem Fall von Briefen. Umgekehrt aber seien die Briefe „die Betriebsquelle des Welthandels“. Es gäbe hier daher keine einfache Kausalität, sondern Kommunikationsmittel und Welthandel seien vielfältig ineinander verflochten.

Roscher selber hatte zum Verhältnis von Staat und Kabelverkehr an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin promoviert. 1911 veröffentlichte er eine erweiterte Version seiner Arbeit, die das Kabelnetz hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht untersuchte.[14] Er arbeitete zur Zeit der Publikation als Ober-Postpraktikant. Als er den zweiten Teil seines Artikels in der Zeitschrift Weltwirtschaftliches Archiv im Jahre 1914 veröffentlichte, war er schon zum Telegrafeninspektor in Berlin aufgestiegen. Sowohl seine wissenschaftliche Arbeit als auch seine praktische Arbeitserfahrung bei der Reichspost machen Roschers Artikel zu wertvollen Quellen.

Roschers Artikel verweisen auf drei wesentliche Punkte im Zusammenhang mit dem Konzept des Weltverkehrs. Erstens betont er die Verflechtung von Kommunikation und Kapitalismus. Zweitens dient sein Aufsatz als ein Beispiel für die damals einzigartigen deutschen Konzepte der Weltwirtschaft und des Weltverkehrs. Drittens fällt sein Urteil zur wirtschaftlichen Bedeutung der Verkehrsbeschleunigung durch die neuen elektrischen Kommunikationsmittel durchaus positiv aus, wobei andere Stimmen zu der Zeit diese Entwicklung eher negativ betrachteten. Dieser Aufsatz führt nun diese drei Punkte weiter aus.

Erstens beschäftigt sich Roscher, wie andere Ökonomen und Soziologen, mit dem gegenseitigen Einfluss zwischen Kommunikationsmitteln und Kapitalismus. Der Weltmarkt sei, so der britische Wirtschaftswissenschaftler und Imperialismustheoretiker John Hobson, „the fullest expansion due to modern machinery of transport and exchange, the railway, steamship, newspaper, telegraph, and the system of credit built up and maintained by the assistance of those material agents.“[15] Seit 1900 schrieben immer mehr deutsche Wissenschaftler vor allem über den Zusammenhang zwischen Nachrichten und dem wachsenden globalen Handel. Bernhard Harms war Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kiel und Gründer des Instituts für Weltwirtschaft im Jahre 1914. Als er 1912 die Grundlage der Weltwirtschaftslehre beschrieb, hob er die überragende Bedeutung der Nachrichten vor. Denn das Überseegeschäft sei „mehr durch die elektrische Nachrichtenübertragung als durch die Dampfschiffe oder die Eisenbahn beeinflusst worden.“[16]

Die Kabel und die Beschleunigung der Informationsübertragung verursachten eine gewisse Synchronisierung der größten Börsen. Schon 1855 behauptete Karl Marx, der elektrische Telegraf verwandle ganz Europa in eine einzige Börse.[17] Großstädte wie New York, Chicago, London, Liverpool, Paris und Berlin wurden auf Grund ihrer exzellenten Kabelverbindungen und Börsen zunehmend zentraler im täglichen sich globalisierenden Handel. Zur gleichen Zeit erfuhr der Warenterminhandel eine rasante Ausbreitung. Da die Preise jetzt schneller übermittelt wurden als die Güter, entstand ein Markt für die Preisspekulation und für den Börsenterminhandel.[18]

Zudem entstand ein neuer Typ von Unternehmen im Bereich der Informationsbeschaffung, die auf dem Kabelnetz basierte. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die drei großen Nachrichtenagenturen gegründet: Agence Havas im Jahre 1832 in Paris, Wolff’s Telegraphisches Bureau im Jahre 1849 in Berlin und Reuter’s Telegram Company im Jahre 1851 in London. Diese Firmen stellten eine Art Großwarenhändler dar, welche die globalen Nachrichten sammelten und an die jeweiligen nationalen Zeitungen weiterleiteten. Da die Telegrammspesen und die Kosten eines globalen Netzwerks von Korrespondenten so außerordentlich hoch waren, teilten die drei Firmen die Welt unter sich auf. Jede Firma sammelte Nachrichten aus bestimmten Regionen und tauschte ihre Nachrichten mit den anderen zwei Agenturen aus. Aus der zunächst informellen Vereinbarung entstand ein Kartell, das bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs existierte. Sowohl die wirtschaftliche Globalisierung als auch das weltumspannende Kabelnetz förderten die zunehmende Bedeutung der Nachrichtenagenturen, die globale Nachrichten an die überwiegende Mehrheit der Zeitungen lieferten. Auf der anderen Seite waren viele Firmen abhängig von den wirtschaftlichen Informationen und vor allem von den Güterpreisauflistungen der Nachrichtenagenturen. Ölimporteure zum Beispiel unterschrieben ihre Verträge auf der Grundlage des „gegenwärtigen Reuters-Preises“ und diese Preise galten auch vor Gericht in Großbritannien und anderswo.[19]

Die Kabelgesellschaften selber waren Vorreiter der neuen kapitalistischen Prinzipien der multinationalen Firmengründung und -führung. Mit ihrem Hauptsitz in London wurden sie geradezu Paradebeispiele für den neuen „managerial capitalism“ des 19. Jahrhunderts, in dem man sowohl Kapital und Kontrolle als auch Anleger und Manager voneinander trennte.[20]

Obwohl vielen die Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Kapitalismus offensichtlich geworden war, beschäftigten sich deutsche Wissenschaftler insbesondere mit den dadurch aufgeworfenen Begriffsfragen. 1912 wurde sogar eine Zeitschrift namens Weltverkehr und Weltwirtschaft gegründet, in deren ersten Ausgabe sich Alexander Franz mit der Frage „Was ist Weltverkehr?“ auseinandersetzte.[21] Sowohl die Welt als auch der Verkehr galt es zu definieren. Roscher betrachtete den Verkehr im weitesten Sinne als „die Summe der gegenseitigen Beziehungen der Menschen zueinander.“[22] Im engeren Sinne war der wirtschaftliche Verkehr eine räumliche Übertragung der Güter, wobei der Handel das rechtliche Geschehen zwischen Vertragspartnern bezeichnete. Roschers räumliche Konzipierung des Verkehrs verweist schon auf die bevorstehende semantische Trennung der wirtschaftlichen und kommunikativen Aspekte des Verkehrs. Dieser engere Begriff ließe sich als „verkehrstechnisch“ beschreiben, und werde auch als Transport- oder Kommunikationswesen bezeichnet.[23]

Die räumliche Definition der Welt fiel Roscher schwer. Worin bestand die Welt? War der Welthandel dem internationalen Handel gleichzusetzen? Was hieß international? War der Verkehr zwischen Kolonie und Metropole als national oder international einzustufen? Selbst innerhalb der politischen Grenzen Deutschlands war der Nachrichtenverkehr nicht unbedingt national. Wie war das Verhältnis zu Bayern und Württemberg zu betrachten, die zwar Deutschland politisch angehörten, aber ihre eigenen Post- und Telegrafenverwaltungen nach der Vereinigung Deutschlands 1871 behielten? Wie bei der Frage zum kolonialen Verkehr fand Roscher keine einfache Antwort. „Der Verkehr zwischen Gebieten wie denjenigen der deutsche Reichspostverwaltung und Bayern oder Württemberg dagegen ähnelt wegen ihrer nahen Entfernungen technisch dem nationalen, verlangt aber die Erfüllung gewisser rechtlicher Voraussetzungen ebenso wie – allerdings in höherem Maße – der internationale Verkehr.“[24]

Die Welt bedeutete für Roscher die ganze Erdoberfläche. Der internationale Verkehr auf der anderen Seite finde zwischen zwei nah aneinander liegenden Staaten wie Frankreich und Deutschland statt. Der deutsch-französische Verkehr sei zwar internationaler Verkehr, aber kein Weltverkehr. Bei Weltverkehr handele es sich „um die schließlich die ganze Erde umspannenden Verkehrsbeziehungen zwischen weit entfernten (aber nicht nur zwischen den ‚an den beiden jeweiligen entgegengesetzten Enden der bekannten Welt liegenden‘) Gebieten“.[25]

Bei allen begrifflichen Überlegungen sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die Kabel geografische Konstellationen zunächst eher befestigten. Das erste erfolgreiche lange Unterseekabel wurde 1866 zwischen Großbritannien und Nordamerika gelegt, und die nordatlantische Verbindung bleibt bis heute die wichtigste internationale Kommunikationsverbindung. Die weiteren Kabelverbindungen folgten der imperialen Logik und wurden dort gelegt, wo der koloniale Handel mit Dampfschiffen schon stattfand. Erst um 1900 versuchten die US-amerikanische und die britische Regierungen Kabel jeweils nach Südamerika und über den Pazifik zu legen, um neue Wirtschaftsräume zu erobern.[26] Der Gewinn blieb aus, und solche Kabel hingen am Tropf der Staatssubventionen. Denn Roscher hatte damit Recht, dass die Wechselbeziehungen zwischen dem Nachrichtenverkehr und dem Handel nicht so einfach auseinanderzuhalten waren.

In Deutschland war die Sorge um den Weltverkehr besonders groß. Um 1900 begriff sich Deutschland zunehmend als globale anstatt europäische Macht. Deutschland hatte deutlich weniger Kabel gelegt als Großbritannien. Im Nachrichtenkartell war die deutsche Nachrichtenagentur außerhalb von Europa nur für die deutschen Kolonien in Übersee zuständig, wobei die französische und englische Nachrichtenagenturen Gebiete wie Südamerika und China betreuten, die für Deutschland wirtschaftlich interessant, aber nachrichtentechnisch anscheinend unerreichbar waren. Ab 1900 machten sich Industrielle und Politiker zunehmend ernste Gedanken über diese globale asymmetrische Informationsbeschaffung und deren möglichen Auswirkungen auf den Exporthandel. In derselben Zeitschrift wie Roscher warnte N. Hansen vor der für Deutschland und die USA unvorteilhaften Aufteilung der Welt im Nachrichtenkartell.[27] Während des Ersten Weltkriegs forderte zum Beispiel Theodor Schuchart eine Reform des deutschen Wirtschaftsnachrichtenwesens als wesentlicher Bestandteil der Welthandelsförderung.[28]

Die deutsche Regierung setzte seit Anfang des 20. Jahrhunderts große Hoffnungen in die neue Technik der drahtlosen Telegrafie und investierte viel Geld, um das Kabelnetz zu umgehen und direkte Verbindungen zu vorher unerreichbaren Ländern wie China und Brasilien herzustellen. 1903 zwang der Staat AEG sowie Siemens & Halske dazu, eine gemeinsame Tochterfirma namens Telefunken zu gründen, die sich mit der Forschung und Entwicklung der drahtlosen Telegrafie beschäftigte. Die Firma Telefunken erhielt in den ersten sechs Jahren 70 bis 80 Prozent aller ihrer Einnahmen vom Militär, allen voran von der Marine. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren Telefunken und die Firma Marconi die zwei größten Funkfirmen der Welt.[29]

Trotz der ab 1900 wachsenden Sorgen eines Teils der deutschen Elite fiel Roscher ein insgesamt positives Urteil zur Beschleunigung und zum Weltverkehr. Der Nachrichtenverkehr, so Roscher, „wirkt preisverbilligend und -ausgleichend, verringert das Risiko, belebt die wirtschaftlichen Kräfte.“[30] Andere Wissenschaftler äußerten sich mit ähnlichen Behauptungen. Am bekanntesten ist wohl Norman Angell. Der Brite veröffentlichte 1911 sein inzwischen berühmt-berüchtigtes Buch The Great Illusion. Danach würde die zunehmende wirtschaftliche Globalisierung bald zu einem dauerhaften Frieden führen, so Angell, weil der Krieg für alle Beteiligten zu teuer werden würde. Die Menschheit würde sich psychologisch so weiterentwickeln bis „the telegraph and the bank have rendered military force economically futile.“[31] Angell war von der Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Kapitalismus genauso überzeugt wie Roscher, wobei nur Angell die weitreichenden, sich bald aber als falsch erweisenden Schlussfolgerungen über die friedensstiftenden Effekte zog.

Roscher beendet seinen Artikel mit folgendem Satz: „So stellt das hochvervollkommnete internationale Verkehrswesen unserer Zeit mit ihrer grundsätzlichen Verkehrsfreiheit auf der ganzen Erde die Voraussetzung für jenes kunstvolle Gebilde der Weltwirtschaft dar, das die Einzelwirtschaften der Erde zu einer Weltverkehrsgesellschaft zusammenfasst.“[32] Die Kommunikations- und Transportmittel seien wesentliche und nicht außer Acht zu lassende Bestandteile der wirtschaftlichen Beziehungen. In den Monaten gleich nach der Veröffentlichung seines Artikels brach der Erste Weltkrieg aus. Die Briten kappten die Unterseekabelverbindungen von und nach Deutschland. Die deutschen Funktürme in den Kolonien gerieten ebenso ins Visier der Alliierten. Die Schlacht auf der deutschen Kolonialinsel Neu Pommern, so der damalige Name, im Pazifik um Bita Paka im Oktober 1914 zum Beispiel fand nur deswegen statt, weil die Australier den deutschen Funkturm dort erobern wollten.[33] Die Kommunikationsinfrastruktur wurde zu einem wichtigen Kriegsinstrument. Der Weltverkehr schien in Trümmern zu liegen.

Nach dem Ersten Weltkrieg blieb jedoch einiges beim Alten. Das Nachrichtenkartell wurde nochmals auf die Beine gestellt, wobei Deutschland nur für deutsche Nachrichten zuständig war. Die internationalen Verträge für den Post-, Telegrafen- und Funkverkehr waren weiterhin gültig und wurden vor allem im Funkbereich weiterentwickelt. Roscher schrieb weitere Artikel für die Zeitschrift Weltwirtschaftliches Archiv, wobei er in der Zwischenkriegszeit hauptsächlich jährliche Chroniken des internationalen Post- und Schnellnachrichtenverkehrs veröffentlichte.Wie andere Wissenschaftler benutzte er zunehmend den Begriff der Weltwirtschaft und berichtete im Jahre 1949 über die Neugründung der Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft.[34] Max Roscher wurde selber aber nie wirklich bekannt.[35]

Das Konzept einer Weltwirtschaft verbreitete sich sogar im angelsächsischen Raum, besonders auf Grund der Emigration vieler deutschsprachiger Ökonomen in die USA nach 1933. Die jüngsten Diskussionen über den finanziellen Wert der Daten brachten die ökonomische Bedeutung der Informationen nochmal zum Vorschein. So beschreibt der Soziologe Manuel Castells unser heutiges Wirtschaftssystem als „Info-Kapitalismus“.[36]Aber schon vor über 100 Jahren hatte der Telegrafeninspektor Max Roscher begriffen, dass der Kapitalismus sich nur in Verflechtung mit Kommunikation rasch hatte verbreiten können.



[1] Essay zur Quelle: Roscher, Max: Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs (1914).

[2] Zitiert nach: Geistbeck, Michael, Der Weltverkehr. Telegraphie und Post, Eisenbahnen und Schiffahrt in ihrer Entwickelung dargestellt, Freiburg im Breisgau 1895, S. v.

[3] Krajewski, Markus, Restlosigkeit. Weltprojekte um 1900, Frankfurt am Main 2006. Zum deutschen Begriff der Weltwirtschaft, siehe Slobodian, Quinn, How to See the World Economy: Statistics, Maps, and Schumpeter's Camera in the First Age of Globalization, in: Journal of Global History 10 (2015), H. 2 S. 307–332.

[4] Vgl. die mit diesem Essay veröffentlichte Quelle: Roscher, Max, Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs in: Weltwirtschaftliches Archiv (1914), H. 3.2, S. 37–59, hier S. 57–59. Die folgenden Zitate stammen, sofern nicht anders angegeben, aus den hier mit veröffentlichten Quellenausschnitten.

[5] Vgl. Google books Ngram Viewer, Stichwörter: Weltverkehr, Weltwirtschaft 1800–2000, URL: <https://books.google.com/ngrams/graph?content=Weltverkehr%2CWeltwirtschaft&year_start=1800&year_end=2000&corpus=20&smoothing=3&share=&direct_url=t1%3B%2CWeltverkehr%3B%2Cc0%3B.t1%3B%2CWeltwirtschaft%3B%2Cc0> (08.10.2015).

[6] Standage, Tom, The Victorian Internet: The Remarkable Story of the Telegraph and the Nineteenth Century's On-Line Pioneers, New York u.a. 1998.

[7] Wenzlhuemer, Roland, „I had occasion to telegraph to Calcutta“: Die Telegrafie und ihre Rolle in der Globalisierung im 19. Jahrhundert, in: Themenportal Europäische Geschichte (2011), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2011/Article=513> (08.10.2015), S. 7.

[8] Müller, Simone, Beyond the Means of 99 Percent of the Population: Business Interests, State Intervention, and Submarine Telegraphy, in: Journal of Policy History 27 (2015), H. 3, S. 439–464; Hoag, Christopher, The Atlantic Telegraph Cable and Capital Market Information Flows, in: Journal of Economic History 66 (2006), H. 2, S. 342–353.

[9] Müller, Simone, Wiring the World: The Social and Cultural Creation of Global Telegraph Networks, New York 2016.

[10] Roscher, Max, Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs, Teil 1, in: Weltwirtschaftliches Archiv 2 (1913), H. 2, S. 310.

[11] Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Post als Grundlage für die Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, siehe Behringer, Wolfgang, Communications Revolutions: A Historiographical Concept, in: German History 24 (2006), H. 3, S. 333–374.

[12] Roscher, Max, Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs, Teil 2, in: Weltwirschaftliches Archiv 3 (1914), H. 1, S. 55.

[13] Zu Baumwolle siehe Beckert, Sven, Empire of Cotton: A Global History, New York 2014.

[14] Roscher, Max, Die Kabel des Weltverkehrs, hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht dargestellt, Berlin 1911.

[15] Hobson, John, The Evolution of Modern Capitalism: A Study of Machine Production, New York 1902 (erste Auflage 1894), S. 98.

[16] Harms, Bernhard, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Versuch der Begründung einer Weltwirtschaftslehre, Jena 1912, S. 141.

[17] Marx, Karl, Die kommerzielle Krise in Großbritannien, in: Gesamtausgabe (MEGA), Band 14, Berlin 2001, S. 37.

[18] Engel, Alexander, Buying Time: Futures Trading and Telegraphy in Nineteenth-Century Global Commodity Markets, in: Journal of Global History 10 (2015), H. 2, S. 284–306.

[19] Silberstein-Loeb, Jonathan, The International Distribution of News: The Associated Press, Press Association, and Reuters, 1848–1947, Cambridge u.a. 2014, S. 195.

[20] Zu managerial capitalism, siehe Chandler, Alfred, The Visible Hand: The Managerial Revolution in American Business, Cambridge, MA 1977. Zu multinationals, siehe Jones, Geoffrey, Multinationals and Global Capitalism: From the Nineteenth to the Twenty-First Century, Oxford 2005.

[21] Franz, Alexander, Was ist Weltverkehr?, in: Weltverkehr und Weltwirtschaft 1 (1912), S. 2–10.

[22] Roscher, Über das Wesen, 1914, S. 299.

[23] Ebd., S. 300–301. Zu verkehrswissenschaftlichen Diskursen nach dem Ersten Weltkrieg, siehe Schlimm, Annette, Ordnungen des Verkehrs. Arbeit an der Moderne – deutsche und britische Verkehrsexpertise im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2011.

[24] Roscher, Über das Wesen, 1914, S. 303.

[25] Ebd., S. 305.

[26] Müller, Simone; Tworek, Heidi, „The Telegraph and the Bank“: On the Interdependence of Capitalism and Communications, 1866–1914, in: Journal of Global History, 10 (2015), H. 2, S. 259–283.

[27] Hansen, N. Depeschenbureaus und internationales Nachrichtenwesen, in: Weltwirtschaftliches Archiv 3 (1914), H. 1, S. 78–96.

[28] Schuchart, Theodor, Zur Frage der deutschen Außenhandelsförderung, Berlin 1916.

[29] Tworek, Heidi, Magic Connections: German News Agencies and Global News Networks, 1900–1945, in: Enterprise & Society 15 (2014), H. 4, S. 672–686.

[30] Roscher, Weltwirtschaftliches Archiv, 3, 1914, S. 59.

[31] Norman Angell, The Great Illusion: A Study of the Relations of Military Power in Nations to their Economic and Social Advantage, New York 1911, S. 184–185.

[32] Roscher, Über das Wesen, 1914, S. 59.

[33] Tworek, Heidi, Wireless Telegraphy, 1914–1918, in: Online. International Encyclopedia of the First World War, October 2014, URL: <http://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/wireless_telegraphy> (08.10.2015) und Winkler, Jonathan Reed, Information Warfare in World War I, in: Journal of Military History 73 (2009), H. 3, S. 844–867.

[34] Roscher, Max, Die Wiedererstehung der Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft, in: Schmollers Jahrbuch fu¨r Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 69 (1949), H. 6, S. 743–751.

[35] Der einzige Max Roscher mit einem Eintrag in der Deutschen Biografischen Enzyklopädie ist ein Weimarer Reichstagsabgeordneter und KPD-Politiker.

[36] Castells, Manuel, Information Technology and Global Capitalism, in: Hutton, Will; Giddens, Anthony (Hgg.), Global Capitalism, New York 2000, S. 52–74.



Literaturhinweise

  • Krajewski, Markus, Restlosigkeit. Weltprojekte um 1900, Frankfurt am Main 2006.
  • Müller, Simone M.; Tworek, Heidi, „The Telegraph and the Bank“: On the Interdependence of Capitalism and Communications, 1866–1914, in: Journal of Global History, 10 (2015), H. 2, S. 259–283.
  • Slobodian, Quinn, How to See the World Economy: Statistics, Maps, and Schumpeter's Camera in the First Age of Globalization, in: Journal of Global History 10 (2015), H. 2, S. 307–332.
  • Wenzlhuemer, Roland, Connecting the Nineteenth-Century World: The Telegraph and Globalization, Cambridge 2012.
  • Winseck, Dwayne R.; Pike, Robert M., Communication and Empire: Media Markets, and Globalization, 1860–1930, Durham u.a. 2007.

Roscher, Max: Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs (1914)[1] 

„Eine wesentliche Ursache des internationalen Nachrichtenverkehrs ist die Entwicklung des internationalen Güteraustausches, weil dieser ohne ein hochentwickeltes Verkehrswesen überhaupt nicht möglich ist. Darum beruht der internationale (Güter- und Nachrichten-) Verkehr auf denselben Ursachen wie der international Güteraustausch, der Welthandel. […]

Erst das 19. Jahrhundert mit seiner beispiellosen technischen und der höchst bedeutungsvollen rechtlichen Entwicklung der erforderlichen Grundlagen schuf das Verkehrswesen, das nötig war, um einen derart vielgestaltigen internationalen Güteraustausch zu bewältigen. Durch die früheren Transportmittel konnten nur hochwertige Luxusartikel befördert werden, und die für diese kaufkräftige Bevölkerungsschicht war klein. Erst als von 1800 an das Transportbedürfnis immer mehr wuchs, als namentlich die Baumwollproduktion einen Massenbeförderung des Rohstoffes verlangte, weil die Baumwolle ein Massenstoff wurde, drängte der mächtig gesteigerte Verkehr nach neuen Transportmitteln. Der Baumwolle folgten bald andere Massenstoffe: Getreide, Fleisch, Schafwolle, Jute, Hanf, Flachs, Seide, Erze, Kohle, Zucker. Der in gleicher Weise stark vergrößerte Personentransport kam hinzu.

Der zur Bewältigung des Warenaustausches erforderliche vervollkommnete Güter- und der lebhafte Personenverkehr verursachten nun aber ihrerseits ein gleich hochentwickeltes Nachrichtenwesen. Jener Verkehrsmechanismus arbeitet um so präziser, reibungs- und hemmungsloser, je leistungsfähiger der Nachrichtenverkehr ist, den er für seine Zwecke zur Verfügung hat. Darum wird auch die Erfindung des elektrischen Telegraphen zunächst für den Eisenbahnverkehr verwertet. Der Schnellbetrieb der Eisenbahnen, der Vermittler des Überlandverkehrs bedurfte zu seiner Sicherstellung eines den Eisenbahnzügen vorauseilenden Nachrichtenmittels, ebenso wie der ungeheuer verbesserte und gesteigerte Schiffsverkehr zur Leitung der Träger des überseeischen Güter- und Personenverkehrs auf dem großen Schachbrett des Weltmeeres ein die ganze Erde umspannendes Welttelegraphennetz erforderlich machte.

Eine Ursache für den internationalen Nachrichtenverkehr haben wir also auch in den vervollkommneten Mitteln des Güter- und Personenverkehrs zu erblicken. Aber umgekehrt sind die letzteren, wie leicht ersichtlich, vielfach nicht die Ursache, sondern die Folge des ersteren. So besteht eine innige, befruchtende Wechselbeziehung zwischen den Mitteln des Güter- (und Personen-) und des Nachrichtenverkehrs. Eine solche lebhafte Wechselwirkung vereinigt aber auch den internationalen Güteraustausch und das internationale Verkehrs- und besonders auch das Nachrichtenwesen. Nicht nur in dem dargelegten Verhältnis von Ursache und Folge stehen internationaler Güteraustausch und Nachrichtenverkehr, sondern auch umgekehrt von Folge und Ursache. Der Nachrichtenverkehr bildet die Grundlage des Güteraustausches, die Briefe sind die Betriebsquelle des Welthandels. Sie ermöglichen die Warenanbietung, die Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen. Der Nachrichtenverkehr wirkt preisverbilligend und -ausgleichend, verringert das Risiko, belebt die wirtschaftlichen Kräfte. An den Haupthandelsplätzen der ganzen Welt laufen täglich die Telegramme ein und berichten über Marktverhältnisse, Bewegung der Schiffe, Stand der Produktion. Recht bezeichnend sagt Harms: ‚Das internationale, vor allem das Überseegeschäft – von allen anderen nicht zu reden – ist weder durch den Fortschritt des Schiffsverkehrs, noch durch das Eisenbahnwesen so sehr beeinflußt worden, wie durch die elektrische Nachrichtenübertragung.‘[1]

So stellt das hochvervollkommnete internationale Verkehrswesen unserer Zeit mit ihrer grundsätzlichen Verkehrsfreiheit auf der ganzen Erde die Voraussetzung für jenes kunstvolle Gebilde der Weltwirtschaft dar, das die Einzelwirtschaften der Erde zu einer Weltverkehrsgesellschaft zusammenfaßt.“

[1] Harms, Bernhard, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, Jena 1912, S. 141.



[1] Roscher, Max, Über das Wesen und die Bedingungen des internationalen Nachrichtenverkehrs in: Weltwirtschaftliches Archiv (1914), H. 3.2, S. 37–59, hier S. 57–59.


Für das Themenportal verfasst von

Heidi Tworek

( 2015 )
Zitation
Heidi Tworek, Der Weltverkehr und die Ausbreitung des Kapitalismus um 1900, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2015, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1662>.
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