Die Funktionalisierung des Monarchen im 19. Jahrhundert im europäischen Vergleich

Innerhalb der Machtstrukturen des Staates im 19. Jahrhundert nimmt die Beziehung zwischen Monarch, Regierung und Parlament eine zentrale Stellung ein. Der Vergleich dieses zumeist dualistisch strukturierten Verhältnisses in den Ländern Europas zeigt über¬wiegend europäische Gemeinsamkeiten und nicht nationale Unterschiede, so dass für diesen Bereich der Verfassung weder von einem „deutschen Sonderweg“ noch von einer „exception française“ gesprochen werden kann. Der europäische Verfassungstyp des „monarchischen Konstitutionalismus“ setzte sich innerhalb der allermeisten Verfassungsstaaten durch. Erklären lässt sich dies unter anderem mit der „Funktionalisierung“ des Monarchen während der dynamischen Verfassungsentwicklung im langen 19. Jahrhundert zwischen 1789 und 1918/22.

Die Funktionalisierung des Monarchen im 19. Jahrhundert im europäischen Vergleich

Von Martin Kirsch

Innerhalb der Machtstrukturen des Staates im 19. Jahrhundert nimmt die Beziehung zwischen Monarch, Regierung und Parlament eine zentrale Stellung ein. Der Vergleich dieses zumeist dualistisch strukturierten Verhältnisses in den Ländern Europas zeigt über­wiegend europäische Gemeinsamkeiten und nicht nationale Unterschiede, so dass für diesen Bereich der Verfassung weder von einem „deutschen Sonderweg“ noch von einer „exception française“ gesprochen werden kann. Der europäische Verfassungstyp des „monarchischen Konstitutionalismus“ setzte sich innerhalb der allermeisten Verfas­sungsstaaten durch. Erklären lässt sich dies unter anderem mit der „Funktionalisierung“ des Monarchen während der dynamischen Verfassungsentwicklung im langen 19. Jahr­hun­dert zwischen 1789 und 1918/22. Nach Klärung der Begriffe „Monarch“ und „monar­chischem Konstitutionalismus“ und seiner drei Erscheinungsformen steht im zweiten Ab­schnitt die Funktionalisierung des Monarchen hinsichtlich seiner faktischen Rolle im Ver­fassungssystem im Vordergrund: Der Monarch besaß eine erstaunliche Anpassungsfähig­keit, politische und gesellschaftliche Funktionen zu übernehmen und sicherte sich damit seinen Herrschaftsanspruch trotz gesellschaftlich-politischen Wan­dels. Hinsicht­lich seiner innenpolitischen Rolle lassen sich drei grobe Unterscheidungen treffen: a) die natio­nale Integrationsfunktion, b) die Rolle des politischen „Vermittlers“ und c) die (teil­weise desintegrierend wirkende) Aufgabe eines „Bollwerks“. Abschließend folgt ein knapper Ausblick zum Legitimitätswandel des Monarchen im Konstitutionalis­mus.

Au sein des structures de pouvoir du 19ème siècle, une position centrale revient aux rela­tions entre le monarque, le gouvernement, et le Parlement. Une comparaison de ces rela­tions, généralement dualistes, dans les pays européens révèle plus de points communs que de différences nationales. Ainsi, pour cette partie de la Constitution, on ne peut parler ni d’un « Sonderweg allemand » nie d’une « exception française ». Dans la plupart des États constitutionnels, le « constitutionnalisme monarchique » s’est imposé comme étant l’ar­ché­type du modèle constitutionnel européen. Ceci s’explique entre autres par la « fonc­tion­nalisation » du monarque au cours de l’histoire constitutionnelle du long 19ème sièc­le entre 1789 et 1918/22. Après avoir défini les concepts de « monarque » et de « consti­tutionnalisme monarchique » ainsi que les trois formes différentes qu’il présente, l’au­teur analyse dans la deuxième partie de sa contribution la fonctionnalisation du monar­que et son rôle de fait au sein du système constitutionnel : le monar­que disposait d’une capacité d’adaptation étonnante lui permettant de prendre en charge de nouvelles fonc­tions politiques et sociales, ce qui lui assurait un pouvoir et une légi­timité toujours re­nouvelés. Quant à son rôle intérieur, trois grandes distinctions peuvent être établies entre a) sa fonction d’intégration nationale, b) son rôle de « médiateur » politique, et c) sa fonction de « rempart » (faisant parfois l’effet d’une force de désintégration). Pour finir, l’auteur montre comment la légitimation du monarque évolue dans le con­sti­tu­tion­nalisme.

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Der monarchische Konstitutionalismus als Verfassungstyp

Damit der Vergleich nachvollziehbar bleibt, ist es unumgänglich, im Vorfeld die be­nutz­ten Maßstäbe offen zu legen. Dementsprechend müssen am Anfang einige Defi­nitionen vorgestellt werden. Was soll im Folgenden unter „Monarchie“ verstan­den werden? Der übliche, nämlich allein die dynastische Herrschaft eines Königs erfassende Begriffsinhalt des Wortes soll hier durch einen Kunstgriff er­wei­tert werden, so dass dieser im Sinne seiner griechischen Ursprungsbedeu­tung gene­rell die Herrschaft eines Einzelnen beschreibt. Diese Erweiterung ist deshalb sinn­voll, weil insbesondere ­im Frankreich des 19. Jahrhunderts ne­ben Königen und Kaisern auch republikani­sche Konsuln und Präsidenten eine durch die jewei­lige Verfassung beschränkte Herrschaft ausübten und insoweit für die republika­ni­schen Phasen einerseits schwerlich von einer Monarchie im Sinne einer auf dem dynas­ti­schen Prinzip beruhenden Herrschaft gesprochen werden kann, anderer­seits diese Phasen auch kein typisches Präsidialsystem aufwiesen. Da sich aber in Frank­reich zwischen 1789 und 1877 anders als in England seit 1835/41 nicht ein par­lamentarischer Konstitutionalismus durchsetzte, sondern, abgesehen von kurz­fris­tigen Ausnahmen, ein einzelner Herrscher, gleich ob in einer Monarchie oder in einer Republik, eine wichtige Rolle im Verfassungssystem einnahm, lässt sich für die französische Verfassungsentwicklung die These aufstellen, dass auch hier die Entwicklung des begin­nenden Verfassungsstaates zumeist in der Form eines (in diesem erweiterten Sinne gedachten) monarchischen Konstitutionalismus ver­lief.

Dieses Untersuchungskriterium, ob eine Monarchie – also verstanden als die Herrschaft eines Einzelnen – vorliegt, dient erstens der Auffindung monarchischer Verfassungsstrukturen in republikanischen Systemen und damit unter anderem der Abgrenzung zu kollegial verfassten Strukturen, wie sie in Frankreich in der Ver­fassung von 1795, aber auch in der Schweiz während des gesamten 19. Jahrhun­derts oder in den Konstitutionen der Niederlande von 1798 und 1801 zu finden waren (die damit die alteuropäische republikanische Tradition fortsetzten, vor­nehmlich aus föderalen Gründen eine gegenseitige Kontrolle innerhalb der Mit­glieder der Exekutive verfassungsrechtlich abzusichern). Das Merkmal Monarchie dient zweitens der Unterscheidung vom Präsidialsystem, das in Frankreich zum Beispiel die Konstitution von 1848 verwirklichte. Im Gegensatz zur Präsidial­republik zeichnet sich die Monarchie im erweiterten Sinne durch die fehlende Aus­wahlmöglichkeit beim Regierungsantritt (zum Beispiel Staatsstreich) sowie die faktische Nicht-Absetzbarkeit des Herrschers aus (keine zeitlich beschränkte Amtsdauer), ohne dass der Monarch aber auf jeden Fall einen dynastischen An­spruch auf das Amt geltend machen kann.[1] Es gibt zwar einige funktionale Ähnlich­keiten zur Präsidialrepublik, aber die „Überwindung“ der zuvor benannten grundlegenden Differenzen durch die Einführung des auf einer höheren abstrakten Ebene liegenden Begriffes „Staatsoberhaupt“, womit die Unterscheidung zwi­schen Monarch und Präsident einer Republik sekundär würde, wird der real­histo­rischen Situationen im 19. Jahrhunderts nicht gerecht.[2]

Gegen eine derartige Ausdehnung des Monarchiebegriffs kann geltend ge­macht werden, dass das alteuropäische traditionale Legitimitätsmuster des Erb­prinzips für die Verfassungswirklichkeit im 19. Jahrhundert noch von so grund­legender Bedeutung blieb, dass es als das allein entscheidende konstitutive Merk­mal einer monarchischen Herrschaft für die Begriffsfassung zugrunde gelegt wer­den muss. Hinter diesem inhaltlichen Einwand verbirgt sich das methodische Problem, inwieweit sich die unterschiedlichen alten und „neuen“ Formen der Monarchie in der historischen Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts immerhin so stark ähnelten, dass es sinnvoll erscheint, sie unter einem gemeinsamen Analyse­begriff zu subsumieren. Dass es meines Erachtens sinnvoll ist, mit einem derartig weiten Begriff zu arbeiten, soll anhand folgender Untersuchung gezeigt werden.

Zwei weitere zur Beurteilung nicht nur des Monarchen, sondern auch des Verfassungssystems im 19. und 20. Jahrhundert grundlegende analytische Schlüs­selbegriffe sind Konstitutionalismus und Parlamentarismus. Es soll deshalb noch kurz dargelegt werden, was an dieser Stelle unter diesen beiden Termini verstan­den werden soll. Der hier zugrunde gelegte weite Begriff des Konstitutionalismus bezeichnet die Machteinschränkung der politisch Herrschenden im Staat durch (geschriebenes) Verfassungsrecht. Er knüpft an den englischen, französischen oder auch italienischen Sprachgebrauch an und geht damit über die sprachliche Engfassung innerhalb der deutschen verfassungshistorischen Forschung, die ganz überwiegend nur das konstitutionelle Königtum des 19. Jahrhunderts als Konsti­tutionalismus bezeichnet, hinaus. In Weiterentwicklung von Überlegungen Karl Loewensteins[3] kann der Konstitutionalismus im 19. Jahrhundert im Hinblick auf die Regierungsform in eine monarchische, eine parlamentarische (zum Beispiel Großbritannien ab 1835/41), eine präsidiale (zum Beispiel Frankreich 1848) und eine direktoriale Variante (Frankreich 1795, Schweiz 1848) unterschieden wer­den. Innerhalb des monarchischen Typs des Konstitutionalismus lassen sich hin­sichtlich der Verfassung und deren Umsetzung vier Erscheinungsformen unter­scheiden: der Verfassungsstaat.

  • mit machtpolitischem Übergewicht des Monarchen (Frankreich 1814, Preu­ßen 1850)
  • mit faktischer Dominanz des Parlaments (Frankreich 1791 und 1830, Belgien 1831, Sardinien-Piemont ab 1852
  • mit bonapartistischer Prägung (Frankreich 1799 und 1852)
  • mit ständischer Prägung (Polen 1791, Schweden 1809)

Ist es überhaupt sinnvoll, unter dem Begriff des Konstitutionalismus diese vier Erscheinungsformen gemeinsam behandeln zu wollen? Ein derartiger Ein­wand wird sich insbesondere auf die Herrschaft Napoleons I. und Napoleons III. be­zie­hen, werden die beiden Regime doch sowohl in der französischen als auch in der deutschen Historiographie häufig als Diktaturen oder zumindest als „autokra­tische Regime“ bezeichnet.[4] Das entscheidende Kriterium, welches ge­gen eine Einordnung des Bonapartismus als Diktatur oder Autokratie spräche, wäre die faktische Einschränkung der Machtausübung Napoleon Bonapartes und seines Neffen mit Hilfe einer Konstitution. Nun ist sicherlich kaum zu bestreiten, dass beide Bonapartes 1799 bzw. 1852 eine Konstitution erließen, aber beschränkte die Verfassung tatsächlich die Herrschaft Napoleons I. bzw. III.?

Blicken wir auf die normative Struktur der Konstitutionen von 1799 und 1852, so regelten sie das Gesetzgebungsverfahren in der Weise, dass die alleinige Gesetzesinitiative beim Monarchen in Zusammenarbeit mit dem Staatsrat lag, jedoch alle Gesetze und das Budget der Zustimmung des Parlaments bedurften. Insofern war für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Gesetzes – genauso wie bei beiden anderen Erscheinungsformen des monarchischen Konstitutiona­lismus – eine gemeinschaftliche Ausübung der Legislativgewalt durch Parlament und Regierung in dualistischer Weise nötig. Galt dies nun auch für die Verfas­sungswirklichkeit? Es ist nicht zu übersehen, dass die napoleonischen Herrscher alles daran setzten, die parlamentarische Arbeit der Gesetzgebung ihrer politi­schen Brisanz zu berauben, indem der an sich politisch hochsensible Gesetz­ge­bungsprozess gleichsam auf ein behördenartiges, technisches Verfahren reduziert wurde. Dies gelang aber nur zu Teilen, denn wenn auch die parlamentarische Debatte nicht mehr das große Forum der politischen Auseinandersetzung war, so verzichteten die Abgeordneten nicht auf ihre Macht der Mitgestaltung. Stattdessen verlagerte sich der Einfluss der Kammer im Rahmen der Ausschuss- und Anhö­rungsarbeit in das Vorfeld der offiziellen Einbringung des Gesetzes. Insofern darf auch in der Verfassungswirklichkeit der nicht unerhebliche Einfluss der Parla­mente auf die inhaltliche Gestaltung der Gesetze nicht unterschätzt werden – nur war diese Mitbestimmung nicht mehr an einem etwaigen Scheitern von Geset­zesinitiativen der Regierung zu messen, denn wegen dieses „Vorverfahrens“ scheiterten die Regierungsvorlagen seltener. Jedoch kam es trotz dieser politi­schen Praxis immer wieder zu ablehnenden Voten der Kammern.[5] Ohne die Zusam­menarbeit mit dem Parlament konnte also kein Gesetz zustande kommen, insofern waren auch das Konsulat Napoleon Bonapartes und das Zweite Kaiser­reich konstitutionelle Monarchien. Einschränkend muss für die Herrschaft Napo­leon Bonapartes sicherlich betont werden, dass dies ohne Einschränkungen nur für die Zeit von 1799 bis 1804 gesagt werden kann, denn bis 1810 schloss sich eine Übergangsphase an, in der teils die Rechte des Parlaments respektiert wur­den, teils aber auch mit Hilfe des Senats an ihm vorbei agiert wurde, während in den letzten vier Jahren bis 1814 Napoleon I. ohne Zweifel eine autokrati­sche Herr­schaft ausübte.[6] Von monarchischem Konstitutionalismus wird deshalb im Fol­gen­den so lange gesprochen, wie ein rechtlicher und machtpolitischer Dualismus zwischen Monarch und Parlament zumindest im Bereich der Legislative oder Exekutive noch besteht, während im Parlamentarismus – hier als parlamentarische Form des Konstitutionalismus bezeichnet – allein der Mehrheitswillen der Volks­ver­tretung über Wohl und Wehe von Exekutive und Legislative entscheidet, ohne dass der Monarch noch über einen größeren politischen Einfluss verfügt.[7] Ein Über­blick, der einen großen Teil der Konstitutionen im 19. Jahrhundert ein­be­zieht, zeigt, dass der monarchische Konstitutionalismus der dominante Ver­fas­sungs­typ des 19. Jahrhunderts war und nicht nur, wie Guy Antonetti meint, der­jenige der Zeit bis 1848.[8] Die Verfassung der konstitutionellen Monarchie bot eine Ant­wort auf die in den verschiedenen Ländern Europas auftretenden Fragen wie die Finanz­schwierigkeiten des absolutistischen Staates, die nationale Unabhängig­keit, die Strukturierung eines neuen oder um neue Gebiete erweiterten Staats­wesens oder die Einbeziehung der Bevölkerung in den politischen Willens­bil­dungs­prozess.

Die Funktionalisierung des Monarchen

Dieser Befund eines dominierenden Verfassungstyps ist aber gerade ange­sichts der französischen Paradoxie eines beinahe 90 Jahre währenden, sich aber fortlaufend wandelnden monarchischen Konstitutionalismus (insgesamt 13 Ver­fassungs­texte) noch näher erklärungsbedürftig: Es gilt hierbei die Gleichzeitigkeit zweier sich dem Anschein nach widersprechender Phänomene zu erklären, denn obgleich die einzelnen Erscheinungsformen der konstitu­tionellen Monarchie relativ schnell scheiterten, blieb doch das System der monarchischen Variante des Konstitutionalis­mus an sich erhalten.

Lassen wir kurz die in der Forschung angeführten Gründe für das häufige Scheitern einzelner Verfassungsregime Revue passieren und versuchen, sie zugleich in den europäischen Kontext zu stellen: Pierre Rosanvallon sieht in der strikten Trennung des politischen Denkens in ein Lager der (republikanischen) Revolution und in eines der (monarchischen) Konterrevolution, die ein für die dualistisch aufgebaute konstitutionelle Monarchie notwendiges juste milieu-Denken verhinderte, den Hauptgrund für die Unmöglichkeit eines dauerhaften konstitutionellen Königtums (1791, 1814, 1830). Seine These, dass dies eine singularité française sei[9], ist aber im europäischen Vergleich nicht haltbar. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf die beständigen Um- und Rückschwünge der spanischen Verfassungsgeschichte seit 1808/12 verwiesen, denn nach dem Wiener Kongress und in den 1820er Jahren schwankte das Land zwischen libera­ler Verfassung und absolutistischer Reaktion, seit dem Estatuto real von 1834 wechselten sich liberale und konservative Konstitutionen ab, und erst nach dem Experiment einer Republik gelangte dieser Teil der iberischen Halbinsel zu Beginn der 1870er Jahre in zunehmend stabileres Fahrwasser. Ähnliche Unruhe zeichnete seit 1848 auch die österreichische Verfassungsgeschichte mit ihren diversen Konstitutionenvorgaben, -rücknahmen und zwischenzeitlichen Ausset­zungen und intensivem Gebrauch des Notverordnungsrechts aus. Das mehrfache Scheitern einer konstitutionellen Monarchie war also keineswegs ein „französi­scher Sonderfall“.

Maurice Agulhon verweist für die Entwicklung in Frankreich neben der von Rosanvallon beschriebenen tiefen Spaltung der französischen Nation auf den fehlenden Willen dreier Monarchen, auch wirklich als konstitutioneller Monarch zu regieren (Louis XVI., Charles X., Napoleon I.). Von den drei „willigen“ Köni­gen habe Louis XVIII. am Ende seines Lebens nicht mehr genügend Tatkraft besessen, um ein stabiles juste milieu zu begründen, und Louis-Philippe mit Guizot, aber auch Napoleon III. hätten statt der politischen Mitte die konservative Seite bevorzugt.[10] Zumindest für Napoleon III. ist diese Beurteilung sehr zweifel­haft, da er ja gerade eine Liberalisierung des Empires einleitete, die 1870 zu einer neuen Verfassung führte. Auch in dieser Hinsicht standen die französischen Könige aber nicht allein, denn auch etwa Ferdinand VII. von Spanien weigerte sich 1814 und 1823, als konstitutioneller Herrscher zu agieren, während Friedrich Wilhelm IV. zwar bereit war, eine derartige Rolle für Preußen, keinesfalls aber für das gesamte Deutschland der Paulskirche zu akzeptieren. Es gab aber noch wei­tere gewichtige Gründe für den Verfassungswandel (nicht nur) in Frankreich: etwa die fehlende Reformbereitschaft für eine Wahlrechtserweiterung, die 1830 und 1848 in Verbindung mit einer sozioökonomischen Krisenlage zum revolutio­nären Regimewechsel führte, oder aber auch die Kriegsniederlagen von 1814/15 und 1870. Welches waren nun die Gründe für das Fortbestehen eines monarchi­schen Konstitutionalismus über die vielen Regimewechsel hinweg? Hierbei inte­ressiert uns in diesem Zusammenhang, was der monarchischen Struktur in Frank­reich, aber auch in anderen europäischen Staaten zum Überleben verhalf.

Ein grundlegendes Argument für die Monarchie war per se der Verweis auf den traditionalen Herrschaftsanspruch – also die Beibehaltung des Königtums 1789 und 1830, die Restauration einer alten bzw. neuen Dynastie (1814, 1852) oder der Wunsch nach einer Restauration (1871). Aber bereits lange vor der Fran­zösischen Revolution hatten die einsetzende Säkularisierung und die zunehmende Bürokratisierung den aufgrund von Heiligkeit und Abstammung berufenen König allmählich zu einem schlichten, aber mächtigen Staatsorgan verwandelt. Jedoch kam es mit der Einführung einer geschriebenen Verfassung zu einer zusätzlichen rechtlichen Abstraktion des Monarchen zu einem Verfassungsorgan. Diese „Funktionalisierung“ des Königtums[11] aufgrund seiner Verrechtlichung ermög­lichte in Frankreich, aber auch in den anderen europäischen Staaten die Anpas­sung des monarchisch geprägten Verfassungsstaates an die sich auf­grund der Revolutionen und sozioökonomischen Entwicklungen beständig wandelnden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und Kräftekoalitionen. Johannes Paulmann hat in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Gestaltung der Außen­politik von einer „symbolischen Entlastung der Monarchen“ aufgrund der Kon­stitutionalisierung und Bürokratisierung gesprochen, da im Unterschied zur frühen Neuzeit nicht mehr allein die Dynastie den Staatsverband zusammenhielt.[12] Inner­halb des eingeschränkteren Handlungsspielraums konnte er sich damit also fle­xibler anpassen.

Der Monarch wurde aufgrund dieser neuen möglichen Anpassungsfähigkeit für bestimmte politische und gesellschaftliche Funktionen gleichsam „notwen­dig“. Diese Funktionen des Monarchen im Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts konnten vielfältiger Natur sein, wobei sich hinsichtlich seiner innenpolitischen Rolle mindestens drei grobe Unterscheidungen treffen lassen:

  • die nationale Integrationsfunktion

  • die Rolle des politischen „Vermittlers“

  • die (teilweise desintegrierend wirkende) Aufgabe eines „Bollwerks“.

Dem König stand dabei seine Aufgabe in den mei­sten Fällen aufgrund eines traditionalen Anspruchs zu.[13] Er übernahm im (nationalen) Staat eine Integrations­funktion, indem er zwi­schen den politisch und religiös gespaltenen gesellschaftli­chen Gruppen vermit­telte und gleichsam über den „Parteien“ stand (Napoleon I., Ludwig XVIII.). Im Zeitalter der Nationalstaaten verkörperte das monarchische Staatsoberhaupt des­wegen auch häufig die nationale Einheit und Unabhängigkeit (Napoleon I. und III., belgische, britische und italienische Könige, deutscher Kai­ser, österreichi­scher Kaiser als „multinationale“ Klammer).[14] Diese symbolische Aufgabe war an sich nichts Neues, sondern konnte auf eine lange Tradition der Vorstellung vom „guten Herrscher“ zurückblicken, ohne dass hierfür, wie Jens Ivo Engels für Frankreich zu Recht betont hat, gleich der Begriff der Sakralität bemüht werden muss. Gleichzeitig war sie flexibel genug, dass sie sich mit neuen Wertorientie­rungen, wie der nationalen Idee, verbinden konnte. Ablesen lässt sich dieser inhaltliche Wandel der Symbolkraft des Herrschers etwa an den Festen und Huldi­gungen, die dem Monarchen zuteil wurden, aber auch an der Entwicklung der Monarchenbegegnungen im 19. Jahrhundert, wie in jüngster Zeit Johannes Paul­mann eindrucksvoll herausgearbeitet hat.[15]

Ob der Monarch bereit war, eine Vermittlerfunktion innerhalb der verfas­sungsrechtlich geprägten Machtstrukturen des politischen Systems des Verfas­sungsstaates zu akzeptieren, hing einerseits vom Selbstverständnis des Herrschers und andererseits von den Rahmenbedingungen ab, welche die Konstitution vor­gab. Auffällig im europäischen Vergleich ist, dass der Monarch immer dann eine derartige Funktion verwarf oder boykottierte, wenn er zuvor absolutistisch regiert hatte und zudem in eine die Stellung der Krone deutlich schwächende Verfassung eingebunden werden sollte: Das gilt für Louis XVI. 1791/92 angesichts der fran­zösischen Verfassung von 1791, Ferdinand VII. 1814 bzw. 1823 in Spanien unter den Bedingungen der durch die französische Konstitution von 1791 maßgeblich geprägten Verfassung der Cortes von Cádiz von 1812, Ferdinand I. 1820/21 in Neapel-Sizilien, als er die zuvor genannte spanische Verfassung annehmen sollte, oder auch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der die deutsche Kaiserkrone 1849 unter den Vorgaben der Paulskirchenverfassung von vornherein ablehnte (auch der norwegische Fall von 1814 mit der lange in Kraft bleibenden Eidsvollverfas­sung bestätigt als Ausnahme diese Regel, denn der ehemalige französische Gene­ral Bernadotte, seit 1810 Machthaber und seit 1818 als Karl XIV. Johann auch schwedischer König, war eben gerade nicht ein „gebürtiger Absolutist“ und zu­dem in Norwegen durch einen Statthalter vertreten). Die Rolle des Vermittlers fiel dem Monarchen im konstitutionellen System also eher dann zu, wenn, wie bei der oben genannten zweiten Erscheinungsform des monarchischen Konstitutionalis­mus[16], dem Parlament bereits die dominante Rolle zukam. Diese Möglichkeit eröffnete sich immer dann, wenn im alltäglichen Parlamentsbetrieb noch nicht als feste Parteien organisierte parlamentarische Gruppen agierten, sodass ein Bedarf nach Vermittlung bestand. Diese Chance zum Ausgleich nutzte der konstitutio­nelle Monarch dann aber zur persönlichen Einflussnahme, er zog sich also hierbei gerade nicht auf die ihm von Benjamin Constant zugedachte „neutrale“ Rolle zurück, sondern nutzte die Uneinigkeit der Kammermitglieder für eine eigenstän­dige Politik (Louis-Philippe in Frankreich, Leopold I. in Belgien, Viktor Emanuel II. in Sardinien-Piemont und dann in Italien).[17] Diese Gestaltungsmacht konnte sich durch die Leitung der Ministerratssitzungen vollziehen, aber auch bei der Ernennung und Abberufung der Regierung (sie bedurfte des „doppelten Vertrau­ens“ von Parlament und Monarch) und maßgeblich bei der Militär- und Außenpo­litik, worauf gleich noch näher einzugehen sein wird. Die Rolle des Monarchen in derartigen Verfassungssystemen hat Guizot treffend beschrieben:

« Le trône n’est pas un fauteuil vide. Une personne intelligente et libre [...] siège dans ce fauteuil. Le devoir de cette personne royale [...] c’est de ne gouver­ner que d’accord avec les autres grands pouvoirs publics [...]. Quelque limitées que soient les attributions de la royauté, quelque complète que soit la responsabilité de ses ministres, ils auront toujours à discuter et à traiter avec la personne royale pour lui faire accepter leurs idées et leurs résolutions, comme ils ont à discuter et à traiter avec les chambres pour y obtenir la majorité. »[18]

Schließlich konnte dem Monarchen im Verfassungssystem auch eine zuwei­len desintegrierende Wirkung zukommen, wenn er die Funktion eines Bollwerks gegen weitergehende politische Mitbestimmungs- und soziale Ansprüche über­nahm. Diese Abwehrhaltung betraf aber im Verlaufe des 19. Jahrhunderts unter­schiedliche gesellschaftliche Gruppen, denn mit den zuneh­menden Partizipations­ansprüchen und Wahlrechtserweiterungen traten immer weitere soziale Gruppen in die politische Arena, auch wenn sie zeitweise wieder von diesen Rechten aus­geschlossen wurden. Insofern lässt sich für den monarchischen Konstitutionalis­mus im Europa des 19. Jahrhunderts nicht ein spezifischer gesellschaftlicher Antagonismus – etwa Bürgertum versus Adel – feststellen, in den der Monarch eingebunden gewesen wäre. Dafür sei auf einige Beispiele verwiesen:

Blicken wir auf Frankreich, so lassen sich bei Ludwig XVI. zwischen den vornehmlich dem Adel und dem Klerus entstammenden Gegnern der Revolution und den aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzten Befürwortern des Verfassungsstaates eine deutliche Konfliktlinie erkennen (wobei sicherlich die gesellschaftlichen Bündnisse sich von der Flucht nach Varennes 1791 bis zu den Ereignissen des Sommers 1792 nochmals veränderten). Auch bei Karl X. ist die soziale Frontlinie aufgrund des hohen Wahlzensus zwischen Adli­gen und Großbürgertum noch relativ deutlich, wobei diese politische Reformblo­ckade an die Grenze der Verfassungsstruktur stieß, denn ähnlich wie 1792 schien auch 1830 kein Kompromiss mehr zwischen den beiden Verfassungsmächten der Legislative und Exekutive möglich. Bereits in der Julirevolution zeigte sich, dass der Monarch nicht allein den Interessen des Adels zugute kam, diente doch die Beibehaltung der Monarchie unter Louis-Philippe maßgeblich dazu, mögliche Ansprüche des republikani­schen, sozial schlechter gestellten Bürgertums und der Arbeiter gegenüber den reichen Eigentümern abzuwehren. Alle drei französischen Beispiele zeigen, dass die Bollwerksfunktion des Monarchen immer dann auf das Verfassungssystem desintegrierend wirkte, wenn zu der politischen Blockade er­gänzend eine sozioökonomische Krise trat, die entweder wie 1830 oder später 1848 zu einer Revolution führte oder ihr wie 1792 zu einem zusätzlichen Dynami­sierungsschub verhalf. Dies konnte wie in den drei französischen Fällen zu einem Sturz des Herrschers führen oder aber innerhalb bestehender konstitutioneller Monarchien einen Verfassungswandel nach sich ziehen, wie 1848 in den Nieder­landen oder in Luxemburg. Revolutionen konnten natürlich auch zu einem Wech­sel des politischen Systems unter Beibehaltung des bisherigen Herrschers führen, so 1789 in Frankreich oder 1848 etwa mit der erstmaligen Einführung konstitutio­neller Systeme in bis dahin absolutistisch regierten Staaten (Neapel, Sardinien-Piemont, Preußen, Dänemark, Österreich). Dabei wurde der Herrscher mit der Verrechtlichung der politischen Handlungsbedingungen einem tiefgreifenden Funktionswandel unterworfen, den er eher bereit war zu akzeptieren, wenn die Konstitution ihm noch umfangreiche Kompetenzen zugestand (hierbei war jedoch nicht entscheidend, wie stark der Monarch an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt war, denn aus der Art und Weise der Ausarbeitung – also Oktroyierung oder Verabschiedung durch eine Nationalversammlung – lässt sich für die Revo­lution von 1848 keine allgemeine Regel im Hinblick auf Bestand oder Misslingen der neuen Konstitutionen ableiten).[19]

Fehlte in politischen Krisensituationen der für die Revolutionen von 1789, 1830 und 1848 typische zusätzliche soziale Konfliktstau und erwies sich der Monarch zugleich als durch­setzungsfähig, so konnten selbst weitgehende Forde­rungen des Parlaments einen Systemwandel nicht bewirken. So diente der preußi­sche König den adligen Großgrundbesitzern im Verfassungskonflikt (1862–66) zur Verteidigung ihrer sozialen Stellung gegen die Ansprüche des li­beralen Bür­gertums, und der dänische König trotzte im Verbund mit konservativen gro­ßen Grundherren (1884–1894) einer liberalen Koalition aus Bürgertum und Bau­ern. Selbst weitgehende Ansprüche des Parlaments wie hier, wo die liberale Kam­mermehrheit offensiv forderte, dass die Regierung nach den Mehrheitsver­hältnis­sen im Folketing zu bilden sei (wobei sie sich auf § 48 des dänischen Grundgeset­zes beriefen, der an sich aber nur regelte, dass die Finanzgesetze zuerst dem Folketing vorzulegen seien), konnten keinen Systemwandel erzwingen. Denn am Ende des däni­schen und preußischen Verfassungskonflikts befanden sich Monarch und Parlament in einer Pattsituation – im Gegensatz zu Frankreich 1830 hatte das Bollwerk in den beiden Ländern gehalten. Gegen einen schwachen (da in Schweden befindlichen) König in Norwegen (1874–84) oder gar nur einen „Ersatz-Monarchen“ wie Mac Mahon 1877 in Frankreich war in einer Verfas­sungs­krise eine Parlamentarisierung und damit ein grundlegender Funktionswan­del des Monarchen sicherlich einfacher durchzusetzen, wobei im französischen Fall damit gerade der Versuch scheiterte, die Machtbeteiligungsansprüche der nouvelles couches sociales abzuwehren. In den verfassungsstrukturellen Kon­struktionen mit einem machtvolleren Monarchen, wie in Preußen oder Dänemark, musste aber die Beendigung des Verfassungsstreits mit einer Bestätigung des Status quo des Kräfteverhältnisses zwischen Monarch und Parlament keinesfalls eine weitrei­chende Vorentscheidung über eine künftige Parlamentarisierung sein, denn ohne die Rolle von Persönlichkeiten in der Geschichte überbewerten zu wollen, konnte doch ein Sinneswandel des Monarchen – wie derjenige des däni­schen Königs von 1901 – aufgrund seiner Stellung im dualistischen Verfassungs­gefüge zu einer Dynamisierung des Balancesystems führen. Von einem durch den preußischen Verfassungskonflikt ausgelösten „deutschen Sonderweg“ in der Parlamentaris­musgeschichte kann also nicht die Rede sein.[20]

In der europäischen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts finden sich also natürlich auch die Fälle, wo der Monarch sich nicht als Bollwerk erwies, sondern bereit war, die Macht zu Teilen an das Parlament abzugeben und dabei teilweise in die Rolle eines Vermittlers schlüpfte: Zeigte sich der Monarch Reformen gegenüber offen oder zumindest bereit, sich dem reformerischen Willen des Parlaments nicht mit einer Kampfregierung entgegenzustellen, so konnte durch einen Wahlerfolg der parlamentarischen Reformkräfte (so 1869 in Frank­reich unter Napoleon III. und durch die liberale Venstre in Dänemark 1901) oder durch die Bildung einer von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung (Cavour auf Basis des connubio 1852, Teilung des belgischen Parlaments in Liberale und Katholiken, Ende ihrer Union 1846, Liberale in Baden 1860–65 unter Lamey/Roggenbach) das Parlament einen entscheidenden Machtzuwachs innerhalb des monarchischen Konstitutionalismus verbuchen, ohne dass der Monarch bereits aus seiner vermittelnden Rolle in eine bloß „repräsentierende“ Rolle verdrängt worden wäre. Der Monarch verlor damit noch nicht seine Politik (mit)bestimmende Rolle, die für seine Funktion innerhalb des monarchischen Konstitutionalismus für die meisten europäischen Staaten im 19. Jahrhundert so typisch war.

Die Außenpolitik blieb im 19. Jahrhundert weitgehend eine Domäne monar­chischer Politik – gleich welche Erscheinungsform des monarchischen Konstitu­tionalismus wir in den Blick nehmen. Dementsprechend stark konnte die Wechsel­wirkung mit der Stellung des Herrschers innerhalb der Verfassung sein, und dies galt im Positiven wie Negativen insbesondere für Kriege: Hierbei sind die von einem oder mehreren fremden Staaten betriebenen außenpolitischen Einflussnah­men auf die Konstitution eines anderen Staates von den innenpolitischen Rück­wirkungen von diplomatischen bzw. militärischen Siegen oder Niederlagen zu unterscheiden: Die Eingriffe eines fremden Herrschers konnten die Souveränität eines Staates beinahe vollkommen ignorieren wie zum Beispiel die Verfassungs­oktroyierun­gen durch Napoleon I. in Italien, Spanien, Holland, Westfalen oder Polen zwischen 1802 und 1808; sie umfassten militärische Interventionen durch die europäischen Großmächte zum Zwecke der Aufhebung einer Verfassung wie in Spanien und Neapel zu Beginn der 1820er Jahre oder in Ungarn 1849, oder sie beschränk­ten sich auf diplomatischen Druck, wie im Falle Badens von 1831, in welchem der Deutsche Bund die Rücknahme des liberalen Pressegesetzes er­reichte und auf diese Weise den Machtanspruch der liberalen Kammer empfind­lich beschränkte. Auch die Bemühungen der österreichischen Diplomatie hin­sichtlich der deutschen Verfassungsfrage im Jahre 1849/50 gehören hierher, und zu denken ist schließlich an die Interventionen der Botschafter der europäischen Großmächte am osmanischen Hof, als 1876 erstmals eine Konstitution eingeführt wurde.[21]

Betrachten wir die innenpolitischen Rückwirkungen, so führten sie aufgrund der Stellung des Monarchen als oberster Kriegsherr häufig zu einer Stärkung oder Schwächung seiner Position im konstitutionellen Balancesystem. Kriegsniederla­gen schwächten die piemontesischen Könige 1848/49 und erlaubten so auf Dauer eine Stärkung des Parlaments. Auf das mangelnde Kriegsglück in Italien 1859 folgte in Österreich die Verfassungsreform von 1860/61, auf das Unterliegen im Krieg mit Preußen 1866 die Aufhebung der Verfassungssistierung und der öster­reichisch-ungarische Ausgleich von 1867. Die Niederlage Dänemarks 1864 been­dete die Experimente mit den „Gesamtstaatsverfassungen“ und führte zur Revi­sion von 1866, und der militärische Zusammenbruch der beiden bonapartistischen Machthaber 1814/15 bzw. 1870 brachte Frankreich unmittelbar einen Regime­wechsel. Die Niederlage im Krieg mit Japan 1904 beschleunigte die Krisensitua­tion im Zarenreich und im Gefolge der Revolution wurde 1906 die erste Konstitu­tion in Russland erlassen. Und schließlich erfüllte der Erste Weltkrieg eine ent­sprechende Funktion in Deutschland und Österreich. Siege dagegen förderten die Legitimität der Gewinner auch im Innern und stärkten damit ihre Machtposition – das kam anfangs in Frankreich Napoleon Bonaparte, in Italien 1859/60 dem Par­lament zugute, in Preußen dagegen 1864 und 1866 maßgeblich dem König und seinem Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Bismarck, dem es auf diese Weise gelang, sich aus der innenpolitischen Sackgasse zu befreien und die macht­volle Stellung des Monarchen zu bewahren.

Diese Veränderungen der Stellung des Monarchen im Verfassungsgefüge hin zu einer funktionalen Auffassung des Königtums lassen sich nicht nur anhand der Verfassungswirklichkeit zeigen, sondern begegnen uns auch in der zeitgenössi­schen Staatstheorie. Ein derartiges Verständnis der Monarchie zeigte sich etwa in den Diskussionen der französischen Nationalversammlung über die Unverletz­lichkeit des Königs. So machte Duport im Juli 1791 zwar auch geltend, dass die Monarchie im Gegensatz zur Republik den Sitten und Traditionen Frankreichs besser entspräche, doch sein Hauptaugenmerk galt dem Argument, dass innerhalb des Verfassungssystems der Monarch als ein bedeutendes, unabhängiges Gegen­gewicht zur starken gesetzgebenden Versammlung nötig sei, denn ohne eine ent­sprechende Hemmung der Kompetenzen der Legislative bestehe die Gefahr einer Despotie des Parlaments. Die für die Unabhängigkeit nötige Unverletzlich­keit solle in zeitlicher Hinsicht nur so lange gelten, wie der Herrscher die Funk­tion des Königs ausübe, danke er dagegen ab, sei er als ein nunmehr simple citoyen wie alle seine Mitbürger den allgemeinen Rechtsregeln unterworfen. Barnave hinge­gen sah die Hauptaufgabe des Monarchen in der Sicherung einer stabilen Regie­rung, die er nur mit Hilfe seiner Unverletzlichkeit bewahren könne – eine Recht­fertigung der politischen Macht des Königs aufgrund seiner Heilig­keit und damit eines traditionalen Legitimitätsanspruchs erfolgte aber weder bei dem einen noch bei dem anderen.[22] Diese Legitimation des Königs setzte sich auch in späterer Zeit fort, wenn zum Beispiel Benjamin Constant mit seiner Idee der pouvoir neutre et abstrait eine Konzeption der Monarchie entwickelte, die sich auf die „neutrale“ Vermitt­lerfunktion des Königs oberhalb der Parteien konzentrierte. Ähnliche Begründun­gen der Monarchenherrschaft lassen sich auch bei Cesare Balbo nachweisen. Lorenz von Stein entwickelte derartige Überlegungen insofern weiter, als er dem Monarchen die Funktion zusprach, der Vertreter der selbständigen, über der Gesellschaft stehenden Idee des Staates zu sein, obgleich er – wie er weiter analy­sierte – in der historischen Wirklichkeit des Julikönigtums auch die Aufgabe eines Bollwerkes gegen weitergehende politische und soziale Ansprüche der unteren Gesellschaftsschichten zugunsten der herrschenden Elite übernehmen konnte.[23]

Bereits auf dem Wiener Kongress hatten die versammelten Großmächte mit dem verkündeten Prinzip der „Legitimität“ weniger an die historisch-dynastische und damit traditionale Begründung von Herrschaft angeknüpft, sondern ganz machtrationalistisch vornehmlich das geltende Völkerrecht zugrunde gelegt, denn angesichts eines seit über 20 Jahren beinahe permanent tobenden Krieges mit Frankreich sollte der Frieden und damit die innere und äußere Stabilität der Staa­ten erhalten werden. Legitim sollten also nur diejenigen Herrscher sein, die diese an rationalen Kriterien zu messende Leistung auch faktisch erbrachten. So ver­wundert es nicht, dass der Wiener Kongress nachträglich auch vielfach die wäh­rend der napoleonischen Zeit gegen das dynastische Prinzip gerichteten Verände­rungen sanktionierte (etwa die Abschaffung der Zwischengewalten in den Rhein­bundstaaten), um so – wie es Volker Sellin prägnant formuliert hat – „die halben ‚Bonapartes‘ in ganze ‚Bourbonen‘ zurückzuverwandeln“. Nicht der dynastische Anspruch, sondern die völkerrechtliche Legitimität der Staaten stand im Vorder­grund, die Souveränität nach 1815 lag also bei den einzelnen Staaten und die Fürsten verwandelten sich zu bloß ausführenden Organen dieser rational begrün­deten Macht. Erst im Nachhinein entstand eine die eigentlichen Machtverhältnisse von 1815 verschleiernde Legitimitätsideologie, welche die Ergebnisse des Wiener Kongresses gegenüber der Öffentlichkeit in den Ländern Europas als die Ver­wirklichung des Erbprinzips glaubhaft machte.[24]

Funktionalisierung und Legitimität des konstitutionellen Monarchen

Dieser Befund wirft die Frage auf, welche Legitimität der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert überhaupt zugrunde lag. Beruhte sie vornehmlich auf der traditionalen Form des dynastischen Prinzips? Geht man – wie hier – von den drei Herrschaftstypen Max Webers aus[25], so zeigte sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts, dass die traditionale Legitimierung des Monarchen unter ande­rem aufgrund der sich verstärkenden Verrechtlichung der politischen Handlungs­bedingungen immer mehr zugunsten einer rationalen Begründung zurücktrat, wo­bei zeitweilig charismatische Elemente mit einflossen, dann nämlich, wenn die Hoffnung auf einen erfolgreichen Führer zur Krisenbewältigung und der Wunsch nach nationaler Größe den Aufstieg eines Einzelnen ermöglichten, dessen monar­chischer Charakter durch Plebiszite „demokratisch“ verstärkend legitimiert wurde (Napoleon I., Napoleon III., Alexander Cuza 1864 in Rumänien). Die konstitutio­nelle Monarchie des 19. Jahrhunderts zeichnete sich also durch eine Mischung der Legitimitätsprinzipien aus. Die Herrschaft eines Königs wurde nicht als gottgege­ben akzeptiert, sondern zunehmend danach beurteilt, mit welchem Erfolg er seine Funktion in Staat und Nation ausfüllte.

Zum Schluss soll noch angedeutet werden, welche Konsequenzen das Wech­selverhältnis zwischen Demokratisierung und Parlamentarisierung[26] sowie Funk­ti­o­nalisierung für die Legitimität des Monarchen und damit auch seinen politischen Handlungsspielraum im Konstitutionalismus hatte. Der seit der Revo­lution von 1789 virulente und sich ab 1848 deutlich verstärkende Legitimitätsan­spruch der Demokratisierung war um 1900 so stark geworden, dass das Zensus­wahlrecht für das Parlament zunehmend abgelöst und auch letzte ständische Ele­mente wie der Einfluss eines nicht gewählten Oberhauses zurückgedrängt wurden – das galt in gewisser Weise auch für den Monarchen, der sich für seinen Anspruch auf politische Mitbestimmung nicht mehr ernsthaft auf das dynastische Prinzip berufen konnte. Insbesondere in den Massenmedien wurde er im Über­gang vom 19. zum 20. Jahrhundert zunehmend nach dem bürgerlichen Leistungs­prinzip, also nach seinem Erfolg oder Misserfolg beurteilt, sodass sich sein Funktionswandel be­schleu­nigte.[27] Gleichzeitig nahm aber aufgrund der immer mehr Staaten er­greifen­den Parlamentarisierung die Gestaltungsmacht des Monar­chen ab. Als Konse­quenz aus diesen beiden Tendenzen ergab sich ein weiterer Funktions­wandel des Monarchen, der ihn aber seiner politischen Macht beraubte: Entweder wurde er im parlamentarischen System auf eine rein repräsentative Rolle ver­wiesen oder durch einen von der gesamten Bevölkerung demokratisch gewählten oder vom Parlament bestellten Präsidenten ersetzt und damit vollstän­dig ins Privat­leben zurückge­drängt (wobei er aufgrund des Interesses der Öffent­lichkeit daran auch hier eine nicht unbedeutende Funktion bei der Identitätsbil­dung spielte). Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass die hier beschrie­bene Funktionalisierung der Monarchie im Rahmen des Verfassungsstaates des 19. Jahrhunderts auch die Möglichkeit zur Negation des Konstitutionalismus eröffnete: Die rational bedingte Reduzierung der Monarchie auf eine funktional verstandene „Einherrschaft“ ohne traditionale Beschränkungen machte, wenn das neue demokratische Kontrollprinzip für Parlament oder Herrscher nicht anerkannt wurde, den Weg frei zur Diktatur, die zudem möglicherweise an die Macht der charismatischen Herrschaftslegitimation anzuknüpfen wusste. Der monarchische Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts ermöglichte also nicht nur den Über­gang zum parlamentarisch-demokratischen Verfassungsstaat, sondern ebenfalls zu den autoritären Regimes des 20. Jahrhunderts. Am Ende der Funktionalisierung des Monarchen standen in Europa also der politisch entmachtete König, der Präsi­dent und der Diktator.



[1] Insofern wäre der Begriff der „Monokratie“ bereits zu weit gefasst, der ja ebenfalls das Präsidialsystem einschließen würde. Zur Terminologie und Typologie der Monokratie: Gilis­sen, John, Essai d’étude comparative de la monocratie dans le passé, in: La mono­cratie, Bd. 1 (Recueils de la Société Jean Bodin pour l’histoire comparative des institutions, Bd. 20), Bruxelles 1970 , S. 5–135, hier S. 42ff., 132ff.

[2] So aber Raithel, Thomas, Der preußische Verfassungskonflikt 1862–1866 und die französi­sche Krise von 1877 als Schlüsselperioden der Parlamentarismusgeschichte, in diesem Band.

[3] Loewenstein, Karl, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 81ff., 110ff., 120ff.

[4] Als Beispiele aus der neueren Literatur: pauschale Einordnung als Diktatur im Titel, aber differenzierte Betrachtung im Text etwa bei: Woloch, Isser, Napoleon and His Collaborators. The Making of a Dictatorship, New York 2001, S. 50ff., 85ff., 186ff.; differenzierend im Hinblick auf einzelne Herrschaftsmethoden ab 1804, vgl. Lentz, Thierry, Le grand consulat. 1799–1804, Paris 1999, S. 123ff., 505ff.; Alexander Grab verwendet die Begriffe „autoritäres Regime“ und „Diktatur” synonym, vgl. Grab, Alexander, Napoleon and the transformation of Europe, New York 2003, S. 36ff.; Michael Sibalis spricht in Anschluss an Howard G. Brown vom liberal authoritarianism, um den napoleonischen police state von Diktaturen des 20. Jahrhunderts abgrenzen zu können, vgl. Sibalis, Michael, The Napoleonic Police State, in: Ph. G. Dwyer (Hg.), Napoleon and Europe, Harlow 2001, S. 79-94; das Parlament als pures Feigenblatt für die Diktatur abqualifizierend vgl. Crook, Malcom, Napoleon Comes to Power. Democracy and Dictatorship in Revolutionary France 1795–1804, Cardiff 1998, S. 78; für weitere Nach­weise in der Literatur bis 1998 vgl. Kirsch, Martin, Monarch und Parlament im 19. Jahrhun­dert. Der monarchische Konstitutionalismus als europäischer Verfassungstyp – Frankreich im Vergleich (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 150), Göttingen 1999, S. 210ff.

[5] Blicken wir hinsichtlich ablehnender Kammervoten auf das Frankreich Napoleon Bonapartes ab 1799, so ereignete sich der spektakulärste Fall im Jahre 1802, als der einführende Teil zum Code civil scheiterte. Auch nach Einsprüchen zog die Regierung Gesetzesvorlagen etwa zur Friedensgerichtsbarkeit zurück bzw. brachte das Militärdienstgesetz erst nach entsprechen­den Veränderungen wieder ein. Ähnliches lässt sich auch für das Zweite Kaiserreich beobachten. Auch hier zog die Regierung angesichts einer umfassenden Opposition in der Kammer Geset­zes­projekte zurück: So scheiterten in der Sitzungsperiode von 1853 auf diese Weise vier Vor­lagen, ähnlich erging es dem Vorhaben für die Eisenbahnlinie in den Pyrenäen im Jahre 1856 sowie einem Gesetzesprojekt von 1862. Häufig entwickelten sich Veränderungen auch auf­grund von Zusatzanträgen des Parlaments. Gleichwohl ist natürlich festzuhalten, dass der ganz überwiegende Teil aller Gesetze durch das Corps législatif während des Konsulats und der Kaiserreiche angenommen wurde. Ausführlicher zu dieser Problematik eines napoleoni­schen Konstitutionalismus: Kirsch, Martin, Die Entwicklung des Konstitutionalismus im Ver­gleich. Französische Vorbilder und europäische Strukturen in der ersten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts, in: Ders.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalis­mus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts, Berlin 1999, S.147–173; Ders., Charismatische Herrschaftselemente in der konstitutio­nel­len Monarchie. Frankreich 1851–1870 und Preußen-Deutschland 1862–1890 im Ver­gleich, in: Ders.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Verfassungswandel um 1848 im europäischen Ver­gleich, Berlin 2001, S. 179–204.

[6] In der Zeit von 1810–14 setzte sich Napoleon I. regelmäßig über Verfassungsbestimmungen hinweg, jedoch ohne die jähr­liche Einberufung der Kammer und die parlamentarische Genehmigung der Gesetze und des Budgets abzuschaffen.

[7] Ausführlicher zu dieser Problematik: Kirsch (Anm. 4), S. 40ff.

[8] Antonetti, Guy, Les monarchies constitutionelles, in: Bercé, Yves-Marie (Hg.), Les monar­chies, Paris 1997, S. 445f., 466ff.; auch Jean-Pierre Brancourt bietet – abgesehen von einer Aufstellung zu den Entstehungsbedingungen (S. 475) – weitgehend keine europäische Typo­logie, sondern geht letztlich nationalgeschichtlich vor: Brancourt, Jean-Pierre, Les monar­chies en Europe au XXe siècle, in: ebd., S. 471–516.

[9] Rosanvallon, Pierre, La monarchie impossible. Les Chartes de 1814 et de 1830, Paris 1994, S. 149ff., 170ff., 178ff.

[10] Agulhon, Maurice, La République française. Vision d’un historien, in: Isoart, Paul u.a. (Hg.), Des Républiques françaises, Paris 1988, S. 52ff.

[11] Von einer „funktionalisierten Monarchie“ spricht Hasso Hofmann und bezieht sich dabei auf einen Verweis Böckenfördes; auch Dollinger betont den funktionalen, auf nationale und ver­fassungsmäßige Aufgaben bezogenen Charakter des Königtums im 19. Jahrhundert. Hof­mann, Hasso, Das Problem der cäsaristischen Legitimität im Bismarckreich, in: Hammer; Hartmann, Hasso (Hg.), Le Bonapartisme/Der Bonapartismus (Anm. 2), S. 91f.; Böcken­förde, Ernst-Wolfgang, Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815–1918), 2. Aufl., Königsstein 1981, S. 159f.; Dollinger, Heinz, Das Leitbild des Bürgerkönigtums in der euro­päischen Monarchie des 19. Jahrhunderts, in: Werner, Karl Ferdinand (Hg.), Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, Bonn 1985, S. 331f.; Mazzonis spricht im Hinblick auf die Rolle des Königs in der Gesellschaft von einem rapporto di reciproca utilità funzionale; Mazzo­nis, Filippo, Monarchia, in: Bongiovanni, Bruno u.a. (Hg.), Dizionario storico dell’Italia unita, Roma 1996, S. 623.

[12] Paulmann, Johannes, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000, S. 105.

[13] Franz-Lothar Kroll stellt stärker auf die zeitgenössisch diskutierten Modelle ab: Königtum der sozialen Reform, Königtum als pouvoir neutre und konstitutionelles Königtum – die hier vorgeschlagene Integrationsfunktion geht über das „soziale Königtum“ hinaus, da sie auch die politische und kulturelle Funktion miterfasst. Zudem verhielt sich der König in der politi­schen Praxis beinahe nie als pouvoir neutre und der Begriff der konstitutionellen Monar­chie umfasst die beiden vorherigen Formen. Eine alleinige Berücksichtigung der zeitgenössi­schen Termini erlaubt also nur bedingt die für den Vergleich notwendige Typisierung. Zu den theoretischen Überlegungen der Zeitgenossen s.u.; Kroll, Frank-Lothar, Stufen und Wandlun­gen der Fürstenherrschaft in Brandenburg-Preußen, in: Ders. (Hg.), Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., München 2000, S. 21f.

[14] Johannes Paulmann argumentiert für Frankreich, dass es hier zu einer Trennung von Monar­chie und Nation gekommen sei – diese Einschätzung trifft aber eigentlich nur für die Revolu­tionszeit zu, denn beide Napoleone betonten stark das nationale Element, und Ludwig XVIII. versuchte zumindest zeitweise, monarchische Tradition und national-revolutionäre Ergeb­nisse miteinander zu verknüpfen; Paulmann (Anm. 12), S. 98f.

[15] Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 125ff.; Engels, Jens Ivo, Das „Wesen“ der Monarchie? Kritische Anmerkungen zum „Sakralkönigtum“ in der Geschichtswissenschaft, in: Majestas 7 (1999), S. 3–39; Ders., Königsbilder. Sprechen, Sin­gen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahr­hunderts, Bonn 2000; Wienfort, Monika, Monarchie, Verfassung und Fest. Großbritannien und Preußen um 1800 im Vergleich, in: Kirsch; Schiera, Konstitutionalismus (Anm. 5), S. 175–194; Paulmann, ebd., S. 94–108, 405ff., 413ff.

[16] S.o. S. 3.

[17] Colombo spricht für die italienischen Könige von einer impossibilità di essere neutrali; Colombo, Paolo, Il re d’Italia. Prerogative costituzionali e potere politico della Corona (1848–1922), Milano 1999, S. 390ff.; für die weiteren Nachweise vgl. Kirsch (Anm. 4), S. 160–190.

[18] Zit. n.: Ponteil, Félix, Les institutions de la France de 1814 à 1870, Paris 1966, S. 151.

[19] Zur Verfassungssituation 1848: Kühne, Jörg-Detlef, Verfassungsstiftungen in Europa 1848/49. Zwischen Volk und Erfolg, in: Langewiesche, Dieter (Hg.), Demokratiebewegung und Revolution 1847 bis 1849. Internationale Aspekte und europäische Verbindungen, Karls­ruhe 1998, S. 52ff.; Ders., Revolution und Rechtskultur. Die Bedeutung der Revo­lu­tio­nen von 1848 für die Rechtsentwicklung in Europa, in: Langewiesche, Dieter (Hg.), Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte. Ergebnisse und Nachwirkungen, München 2000, S. 57–72; Kirsch, Martin, Verfassungswandel um 1848. Aspekte der Rezeption und des Vergleichs zwischen den europäischen Staaten, in: Ders.; Schiera (Hg.), Verfassungswandel um 1848 (Anm. 5), S. 31–62.

[20] Ausführlicher zu dieser Problematik: Kirsch, Monarch und Parlament (Anm. 4), S. 349ff.; Raithels gegenteilige Meinung einer Weichenstellungsfunktion des preußischen Ver­fas­sungs­kon­flikts für einen „deutschen Sonderweg“ gründet sich auf den zu engen, nämlich allein auf Frank­reich bezogenen Vergleich: Raithel, Thomas in diesem Band; einen preußisch-fran­zö­si­schen Vergleich unter Einbeziehung der Konflikte in Dänemark und Norwegen 1874–84 gibt: Kirsch, Martin, Verfassungsrechtlicher Rahmen und politische Praxis. Parlamentarisierung und Parteiensystem Frankreichs im europäischen Vergleich, in: Kirsch, Martin; Kosfeld, Anne G.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Mas­sengesellschaft – Konstitutionalismus um 1900 im europäischen Vergleich, Berlin 2002, S. 52–61.

[21] Zur Verfassungspolitik Napoleons in den von Frankreich abhängigen Staaten: Kirsch, Französi­sche Vorbilder und europäische Strukturen (Anm. 5), S. 152–163; zur Situation 1820/21: Daum, Werner, Die Verfassungsdiskussion in der Revolution Neapel-Siziliens 1820/21. Historische Reflexion und europäische Bezüge, in: Kirsch; Schiera, Konstitutiona­lismus (Anm. 5), S. 239–272; Heydemann, Günther, Konstitution gegen Revolution. Die bri­tische Deutschland- und Italienpolitik 1815–1848, Göttingen 1995, S. 67–111; zu Baden: Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und star­ker Staat, 6. Aufl., München 1993, S. 350f.; Nolte, Paul, Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800–1850. Tradition – Radikalismus – Republik (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 102), Göttingen 1994, S. 74ff., 85ff.; zur Situation von 1848/49: Botzenhart, Manfred, 1848/49. Europa im Umbruch, Paderborn 1998, S. 237f., 253f.; zum Osmanischen Reich: Bozkurt, Gülnihal, Europäisierung der Verfassung? Das Osmanische Reich zwischen 1876 und jungtürkischer Revolution, in: Kirsch; Kosfeld; Schiera (Anm. 20), S. 433f.

[22] Die Reden Duports und Barnaves zur Unverletzlichkeit des Königs vom 14. bzw. 15. Juli 1791 in: Furet, François; Halévi, Ran, La monarchie républicaine. La Constitution de 1791, Paris 1996, S. 557ff., 565ff. Sicherlich handelt es sich aufgrund der gescheiterten Flucht des Königs um eine sehr spezifische Situation, doch die Begründungen hätten auch sehr viel tra­ditionaler ausfallen können. Zur Diskussion über den Charakter der royauté: Colombo, Paolo, Governo e Costituzione. La trasformazione del regime politico nelle teorie dell’età rivoluzionaria francese, Milano 1993, S. 410ff.

[23] Boldt, Hans, Deutsche Staatslehre im Vormärz (Beiträge zur Geschichte des Parlamentaris­mus und der poli­tischen Parteien, Bd. 56), Düsseldorf 1975, S. 142ff., 148f.; Constant, Ben­jamin, Grundprinzipien der Politik, die auf alle repräsentativen Regierungssysteme und insbe­sondere auf die gegenwärtige Verfassung Frankreichs angewandt werden können, in: Ders., Werke 4: Politische Schriften, hg. v. Lothar Gall, Berlin 1972, S. 11–244; Stein, Lorenz von, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 2: Die industrielle Gesellschaft. Der Sozialismus und Kommunismus Frankreichs von 1830 bis 1848, (Leipzig 1850) Ndr. München 1921, S. 49ff.; Balbo, Cesare, Della monarchia rappre­sentativa in Italia. Della politica nella presente civilità, Firenze 1857, S. 106ff., 219ff.

[24] Sellin, Volker, „Heute ist die Revolution monarchisch“. Legitimität und Legitimierungspoli­tik im Zeitalter des Wiener Kongresses, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archi­ven und Bibliotheken 76 (1996), S. 338ff., 350ff., 358ff. (Zitat: S. 350); Ders., Die geraubte Revolution. Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Göttingen 2001, S. 280ff.; Schroeder, Paul W., The Transformation of European Politics 1763–1848, Oxford 1994, S. 578f.

[25] Zu den drei Typen (rational, traditional, charismatisch) legitimer Herrschaft: Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der ver­stehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 124ff.; vgl. auch Breuer, Stefan, Max Webers Herrschaftssoziologie, Frankfurt 1991; histo­rische Beispiele zur charismatischen Herrschaft bietet etwa: Nippel, Wilfried (Hg.), Virtuosen der Macht. Herrschaft und Charisma von Perikles bis Mao, München 2000.

[26] Zum Wechselverhältnis von Demokratisierung und Parlamentarisierung insbesondere in Deutschland vgl. jetzt den Überblick zur aktuellen Forschungslage: Kühne, Thomas, Demo­kratisierung und Parlamentarisierung: Neue Forschungen zur politischen Entwicklungsfähig­keit Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), S. 293–315; Kreuzer, Marcus, Parliamentization and the question of German exceptionalism. 1867–1918, in: CEH 36 (2003), S. 327–357.

[27] Die Bedeutung der Massenmedien für den Funktionswandel des Monarchen betonen: Kohl­rausch, Martin, Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transforma­tion der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2005; Schmidt-Gernig, Alexander, Die Presse als „vierte Gewalt“? Politischer Skandal und die Macht der Öffentlichkeit um 1900 in Deutsch­land, Frankreich und den USA, in: Kirsch; Kosfeld; Schiera (Anm. 20), S. 169–193.

Für das Themenportal verfasst von

Martin Kirsch

( 2007 )
Zitation
Martin Kirsch, Die Funktionalisierung des Monarchen im 19. Jahrhundert im europäischen Vergleich, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1419>.
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