Der „Erste Europäische Mauerfall“. Zur erinnerungskulturellen Aneignung des 25-jährigen Mauerfalljubiläums als Mittel der politischen Gegenwartskritik[1]
Helen Wagner
Am 9. November 2014 jährte sich der Fall der Berliner Mauer zum 25. Mal und ließ angesichts des „von Jahrfünft zu Jahrfünft sich steigernde[n] Feierkult[s] um den Jahrestag des Mauerfalls“[2] ein besonderes Jubiläum erwarten. Zwar lenkt das Mauerfalljubiläum die öffentliche Aufmerksamkeit alljährlich auf die Öffnung der innerdeutschen Grenze, aber die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum sollten nicht nur an das Ereignis im Jahr 1989 erinnern, sondern selbst zum Ereignis werden.[3] Ziel war es, ein dezidiert europäisch ausgerichtetes Jubiläum zu gestalten, weshalb unter anderem Michail Gorbatschow und Lech Wałęsa als Ehrengäste geladen waren und Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede beim zentralen Festakt die Verdienste der osteuropäischen Demokratiebewegungen als Wegbereiter der „Wende“ besonders hervorhob.[4] Für große Aufmerksamkeit sorgte aber vor allem eine aufwendig inszenierte Lichtinstallation aus etwa 8.000 illuminierten Ballons, die den Verlauf der Berliner Mauer über eine Strecke von rund 15 Kilometern nachzeichneten. Drei Abende lang hatten die zur „Lichtgrenze“[5] arrangierten Ballons den ehemaligen Mauerverlauf erleuchtet, bevor am Abend des 9. Novembers ein Ballon nach dem anderen in die Luft stieg, um vor den Augen von hunderttausenden Zuschauer:innen symbolisch an die Öffnung der Grenze zu erinnern. Christoph Bauder, einer der zwei Lichtkünstler hinter der Aktion, erklärte, die aus Luft und Licht bestehende Lichtgrenze solle „der Schwere, Massivität und Dauerhaftigkeit des ursprünglichen Bauwerkes eine leichte, durchlässige und vor allem temporäre Gedenkinstallation gegenüberstellen“[6], und Medien wie etwa Spiegel-Online urteilten „selten fühlte sich ein Gedenktag in Deutschland so leicht an wie dieser.“[7] Das gemeinsam von zwei Künstlern, einer Berliner Event-Agentur und der Robert-Havemann-Gesellschaft realisierte Spektakel war aber nicht die einzige künstlerische Inszenierung, die im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Presse auf sich zog. In die vermeintlich von Leichtigkeit und Euphorie geprägten Jubiläumstage mischten sich auch die von Begeisterung bis Empörung reichenden Reaktionen auf eine weitere Kunstaktion, die das historische Jubiläum nicht primär zur Erinnerung an die Vergangenheit, sondern zur politischen Gegenwartskritik nutzte. Dieser Beitrag stellt die Aktion anhand einer Videoquelle vor und erläutert daran zum einen, wie die performative Umdeutung erinnerungskultureller Praktiken als politisches Instrument genutzt wurde, und zum anderen, welche Bedeutung dem Mauerfalljubiläum im Speziellen und Jubiläen im Allgemeinen in der deutschen und europäischen Erinnerungskultur zukommt.[8]
Die umstrittene Kunstaktion begann zunächst unbemerkt. Nur wenige Tage vor dem Mauerfalljubiläum hatten Aktionskünstler:innen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) am helllichten Tag die Gedenkinstallation „Weiße Kreuze“ abmontiert, die am Spreeufer neben dem Reichstagsgebäude an Menschen erinnert, die beim Versuch der Überwindung der Berliner Mauer ihr Leben verloren. Das vom Aktionskünstler und promovierten Philosophen Philipp Ruch geleitete ZPS sorgt seit seiner Gründung im Jahr 2008 immer wieder mit provokanten Kunstaktionen für Aufsehen. Die durch Spenden finanzierten Aktionen zeichnen sich häufig durch eine Verbindung historischer Themen und politischer Gegenwartskritik aus. So übte die Gruppe beispielsweise 2009 und 2010 mit Aktionen zum Gedenken an den Völkermord in Srebrenica Kritik an den Vereinten Nationen oder initiierte im Mai 2014 nach dem Vorbild der britischen Kindertransporte von 1938/39 eine fiktive Kampagne zur „Kindertransporthilfe des Bundes“ als Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik.[9] Mit der Aktion zum Mauerfalljubiläum weitete das ZPS diese Kritik ein halbes Jahr später auf die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union aus, indem es mit der Demontage der Mauerkreuze einen Kontrapunkt zu den staatlichen Jubiläumsfeierlichkeiten setzte.
Die sieben jeweils zur Ufer- und zur Wasserseite bedruckten Kreuze erinnern an 13 namentlich genannte und alle „unbekannten Opfer der Mauer“.[10] Ein privater Bürgerverein hatte die Gedenkinstallation zum zehnten Jubiläum des Mauerbaus im Jahr 1971 gestiftet. Ursprünglich waren die Kreuze an den jeweiligen Todesorten der Opfer aufgestellt worden. Um ihre Pflege zu erleichtern, wurden sie zu einer zentralen Gedenkinstallation am Reichstagsufer zusammengeführt, „wo die Grenzmauer entlang der Ebertstraße auf das Flussufer stieß“.[11] Mitte der 1990er-Jahre mussten die Kreuze vorübergehend Bauarbeiten weichen und wurden an einen Zaun des Tiergartengeländes direkt gegenüber dem Reichstagsgebäude verlegt. Der Plan, die Kreuze dort abzumontieren und perspektivisch wieder am inzwischen umgebauten Reichstagsufer zu platzieren, sorgte allerdings für Proteste, sodass die Kreuze am Tiergarten erhalten blieben. Bei den sieben Kreuzen am Reichstagsufer handelt es sich um eine neu geschaffene Gedenkinstallation, die im Jahr 2003 in ihrer heutigen Form feierlich eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben wurde.[12]
Gut eine Woche vor dem 25-jährigen Mauerfalljubiläum hatte das ZPS mit Hilfe von etwa 60 Unterstützer:innen ein Ablenkungsmanöver am Reichstagsufer inszeniert, um die Mauerkreuze abzumontieren. Eine Gruppe Studierender lauschte scheinbar einer Stadtführung, zu der eine weitere Gruppe aus Familien mit Kinderwagen hinzukam. Die so entstandene Menschenmenge bildete die Kulisse, vor der ein vermeintlicher Restaurator Handwerker:innen Anweisungen zur Demontage der Kreuze erteilte.[13] Vor den Augen unbeteiligter Passant:innen und auf Ausflugsbooten vorbeifahrender Tourist:innen ersetzten sie die großen weißen Kreuze durch kleine gelbe Klebezettel. Auf den Klebezetteln waren nicht weiter kontextualisierte Namen zu lesen, und ein Hinweisschild gab neugierigen Leser:innen lediglich die kryptische Information „Hier wird nicht gedacht“.[14] Erst ein zwei Tage später veröffentlichtes Video und zeitgleich publizierte Presseinformationen gaben Aufschluss darüber, was es mit den abmontierten Kreuzen und den an ihrer Stelle platzierten Zetteln auf sich hatte.
Das knapp dreiminütige Video wurde am 3. November 2014 auf YouTube hochgeladen und sowohl auf der Webseite zur Aktion (www.europäischer-mauerfall.de) als auch in eine Spendenkampagnenseite eingebunden, die das ZPS auf der internationalen Crowdfunding-Plattform Indiegogo.com publizierte. Im Stile eines Bekennervideos beginnt der Film mit der Einblendung eines schwarz-roten Logos und einer Sprecherin, die die Initiator:innen der Aktion als „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“[15] vorstellt. Der Name erinnert an eine heute wenig bekannte, 1948 gegründete antikommunistische Organisation, die bis Mitte der 1950er Jahre von Westberlin aus den Widerstand von SED-Gegner:innen unterstützte und mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdiensts unter anderem Sabotage- und Spionageaktionen in SBZ und DDR durchführte.[16] Zu den Tätigkeiten der zu einem nicht unerheblichen Teil aus Mitgliedern mit NS-Vergangenheit bestehenden antikommunistischen Widerstandsgruppe gehörten auch die Suche nach Gefangenen sowie Unterstützung bei Gefangenenbefreiung und Fluchthilfe. Mit seiner Aktion zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum stellte sich das ZPS also in eine Tradition politischer Sabotageaktionen und DDR-Fluchthilfe[17], indem es sich als Fluchthelfer der an die Mauertoten erinnernden weißen Kreuze inszenierte, wie das Kampagnenvideo deutlich macht. Zu den Bildern der am helllichten Tag durchgeführten Demontage der Mauerkreuze erklärt die anonym bleibende Sprecherin im Voice-over-Kommentar, dass die Installation „Weiße Kreuze“ aus dem Berliner Regierungsviertel geflüchtet und „nun in Sicherheit vor den offiziellen Gedenkfeiern am 9. November“[18] sei. In einem „Akt der spontanen Solidarität“ seien die Kreuze an die „Außengrenzen der Europäischen Union“ geflüchtet, wo sich die „Mauertoten“ nun in den „Armen ihrer zukünftigen Schwestern und Brüder [befinden] – Flüchtlinge, die als nächstes an den europäischen Außenmauern sterben werden“. Das Video zeigt Teile der europäischen Grenzanlagen, an denen scheinbar einige der Kreuze montiert wurden sowie Geflüchtete in einem Waldstück, von denen einige die übrigen Kreuze in den Händen halten und mit eindringlichen Blicken schweigend in die Kamera schauen.
Auf die dergestalt inszenierte „Flucht“ der Mauerkreuze folgt ein Schnitt auf historisches Bildmaterial vom 9. November 1989, zu dem ein Sprecher die in sechs Tagen bevorstehenden Gedenkfeiern zum 25-jährigen Mauerfall ankündigt. Zu den ikonischen Bildern sich öffnender Schlagbäume und vor Freude weinender Menschen beim Grenzübertritt erläutert er, dass sich „das Unrecht […] 28 Jahre fest“ gehalten und die Grenze 1.200 Menschen das Leben gekostet habe. Das Unrecht an den europäischen Außengrenzen habe dagegen gerade erst begonnen. Zum Schnitt auf aktuelle Bilder vom Aufbau der europäischen Grenzanlagen und von dort stattfindender Polizeigewalt gegen Geflüchtete erläutert der Sprecher, dass „an dieser Grenze“ jedes Jahr zehntausende Menschen sterben. Die gegenwärtigen Bilder vom Aufbau der Grenzanlagen kontrastieren mit den zuvor gezeigten historischen Bildern des Mauerfalls. Zu den gewaltvollen Bildern von verletzten Geflüchteten an den Außengrenzen der Europäischen Union führt der nun wieder weibliche Voice-over-Kommentar aus: „So sieht das aus, was die Ruhe der Mauertoten stört. Ein Verrat an ihrer Geschichte.“ Eine schematische Darstellung der Grenzanlagen verdeutlicht den Grad der Abriegelung, während die Sprecherin zu Bildern von über das Mittelmeer flüchtenden Menschen anklagend feststellt: „Wir leben am Vorabend der militärischen Abriegelung Europas. 25 Jahre nach dem Mauerfall werden Europas Grenzen wieder dichtgemacht.“ Bilder von an der Mittelmeerküste angespülten Leichen werden von der an die Zuschauer:innen gerichteten rhetorischen Frage untermalt, ob so die Grenzen „eines selbstbewussten und hilfsbereiten Kontinents“ aussehen.
Die explizite Gegenüberstellung der gegenwärtigen Abriegelung Europas nach außen und der historischen Grenzöffnung nach innen geht in einen Appell über, der die Geschichte von 1989 zur Handlungsanleitung für die Gegenwart des Jahres 2014 macht. Ein erneuter Schnitt auf historisches Bildmaterial zeigt nun nicht mehr die ikonischen Bilder des Berliner Mauerfalls, sondern die heute weniger bekannten Bilder des österreichischen Außenministers Alois Mock und seines ungarischen Amtskollegen Gyula Horn beim Durchschneiden von Stacheldrahtanlagen an der österreich-ungarischen Grenze, die im Juni 1989 um die Welt gingen. Der weibliche Voice-over-Kommentar erklärt: „So kam vor 25 Jahren der Mauerfall ins Rollen, dieses Erbe müssen wir bewahren. Alles, was wir dafür brauchen, ist ein Bolzenschneider und viele Menschen.“ Das Video endet mit einem Spendenaufruf für die zugehörige Crowd-Funding-Kampagne, mit der am 7. November 2014 Busfahrten zur europäischen Außengrenze finanziert werden sollten und über die sich Interessierte für die Beteiligung am „Ersten Europäischen Mauerfall“ registrieren konnten. Der Appell versprach eine Verwandlung der Zuschauer:innen zu Akteur:innen des geplanten „Europäischen Mauerfalls“ ohne besonderen Aufwand: „Wir haben alles vorbereitet und getestet, Sie müssen nur noch einsteigen.“
Wie die gesamte Aktion spielt das knapp dreiminütige Kampagnenvideo mit einer Vielzahl historischer Referenzen und erinnerungskultureller Praktiken. Die Kunstaktion machte sich die erinnerungskulturelle „Fixierung auf rhythmisiert wiederkehrende Ereignisse und die Ökonomisierung der Aufmerksamkeit“[19] zunutze, indem sie das Mauerfalljubiläum über die performative Umdeutung erinnerungskultureller Praktiken auf bestimmte narrative Kerne reduzierte und so Kritik an der gegenwärtigen EU-Grenzpolitik übte. Durch die erzählerische Verknüpfung von Ereignissen versuchen Individuen und Kollektive, aus ihren erlebten oder ihnen vermittelten Erfahrungen sinnhafte und zeitlich geordnete Geschichten zu machen. Sie konstruieren also Narrative, die eine intersubjektiv verständliche Wahrnehmung und Deutung der Welt ermöglichen und als Grundlage einer gemeinsamen Identitätskonstruktion für soziale Gruppen, wie beispielsweise Nationen, dienen können.[20] Die Kunstaktion des ZPS präparierte die inhaltlichen Fixpunkte sich wandelnder kollektiver Erzählungen über den Mauerfall heraus, mit deren Hilfe die als sehr ereignisreich und kontingent wahrgenommenen Monate, Wochen und Tage um den 9. November 1989 zu einer sinnvollen und kohärenten Geschichte strukturiert werden.[21] Wie der Zeithistoriker Martin Sabrow gezeigt hat, konfiguriert die dominante Erzählung zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum den Herbst 1989 als wundersame und gleichzeitig durch eine friedliche Revolution erkämpfte, „von Warschau über Berlin bis nach Bukarest laufende Welle der Befreiung vom diktatorischen Joch“[22], gleichsam als Happy End „im zeithistorischen Erfolgsnarrativ [….] in der Tradition der deutschen Freiheitsgeschichte“.[23] Der Mauerfall gilt in diesem Erfolgsnarrativ als revolutionäre Überwindung einer staatlichen Grenze, als Akt der Befreiung von einem zwar staatlichen, aber unrechtmäßigen Grenzregime, das gewaltsam aufrechterhalten und von Bürger:innen friedlich überwunden wurde.
Diese Deutung der Vergangenheit übertrug das ZPS mit seinem Kampagnenvideo auf die Gegenwart des Jahres 2014, indem es beide Grenzregime visuell miteinander verknüpfte. Das Voice-Over verstärkte die Gegenüberstellung der ikonischen Bilder des Mauerfalls auf der einen mit den Bildern vom Aufbau der europäischen Grenzanlagen und ihrer gewaltsamen Verteidigung gegen Fluchtversuche auf der anderen Seite. Indem der Voice-over-Kommentar die deutsche Teilung als „Unrecht“ vorstellte, das sich „28 Jahre fest“ gehalten habe und anschließend konstatierte, dass sich dagegen an den europäischen Außengrenzen das „Unrecht gerade erst im Aufbau“ befinde, übertrug das Kampagnenvideo den narrativen Kern der Unrechtmäßigkeit des staatlichen Grenzregimes von der Geschichte des Mauerfalls auf die Gegenwart der europäischen Grenzpolitik. Damit einher ging die narrative Umdeutung der Flüchtenden von Menschen, die illegal eine staatliche Grenze überschreiten, zu Opfern, die gegen staatliches Unrecht aufbegehren. Der Versuch der Grenzüberschreitung wurde durch die Referenz auf die zum Handlungsmuster erklärte Vergangenheit zum Ausweis der Legitimität von Flucht in der Gegenwart. Sowohl die aktive Ausübung von Gewalt an den europäischen Außengrenzen als auch die unterlassende Seenotrettung auf dem Mittelmeer in der Gegenwart wurden so narrativ mit der gewaltsamen und häufig tödlichen Unterbindung der „Republikflucht“ in der Vergangenheit verknüpft.
Die performative Umdeutung erinnerungskultureller Praktiken verstärkte diese narrative Zuschreibung, indem sie das ritualisierte und pathetische offizielle Gedenken konterkarierte und zum Gegenstand politischer Gegenwartskritik machte. So wurden die weißen Kreuze, die an die auf ihrer Flucht aus der DDR verstorbenen Menschen erinnern, selbst als Flüchtende inszeniert. Das ZPS führte die Kreuze als Handelnde vor, die von einer Gedenkinstallation zu erinnerungskulturellen Akteur:innen mit scheinbar eigener Agency erklärt wurden. Die Inszenierung machte sie von passiven Objekten einer opferzentrierten Gedenkkultur zu aktiven Subjekten des Erinnerns, die sich in ihrer Eigenschaft als Geflüchtete der Vergangenheit mit Geflüchteten der Gegenwart solidarisierten.[24] Die explizit sichtbar gemachte Gewalt an den europäischen Grenzanlagen erschien so als Störung der Totenruhe der zu erinnerungskulturellen Akteur:innen personifizierten Kreuze. Denn die Totenruhe der Maueropfer sei an eine bestimmte Lesart ihrer Fluchtgeschichte als legitimer, wenn auch illegaler Grenzübertritt gebunden. Die gewaltvolle, häufig sogar tödliche Sanktionierung der Fluchtversuche wurde so zum „Unrecht“ und zum „Verrat“ an einer universalisierten Fluchtgeschichte erklärt. Zum einen überspitzte das ZPS mit dieser Inszenierung die Opferzentrierung der gegenwärtigen Erinnerungskultur. Zum anderen nahm sie aber gleichzeitig auch die in Bezug auf die deutsche Erinnerungskultur im Allgemeinen häufig diskutierte Kritik auf, dass diese zwar auf Opfer fokussiert sei, ihnen und ihren Angehörigen aber selbst oft nicht genug Raum und Teilhabe an der Gestaltung offizieller Gedenkfeiern gebe.[25] Die Inszenierung spielte außerdem mit religiösen Motiven des Totengedenkens und verdeutlichte damit, dass öffentliche Trauer- und Gedenkrituale den Toten der innerdeutschen Grenze einen Opferstatus und damit einen Platz innerhalb der nationalen und europäischen Erinnerungskultur einräumten, der den Toten an den europäischen Außengrenzen verwehrt bleibt. Diesen Opferstatus wies ihnen das Kampagnenvideo unter anderem über die christlich geprägte Sprache von den Geflüchteten als „Schwestern und Brüder“ an den europäischen Außengrenzen zu.[26]
Diese staatlichen Außengrenzen führte das Video zudem als historisch kontingent und veränderlich vor, indem es den Mauerfall als eine durch gemeinsames Engagement vieler Menschen herbeigeführte Öffnung einer lange als undurchdringbar wahrgenommenen staatlichen Grenze zeigte. Mit den ikonischen Bildern vom 9. November 1989 referierte das Video auf die seit 1989 gängige Deutung der Grenzöffnung als Akt der glücklichen Selbstbefreiung der ostdeutschen Bevölkerung von staatlicher Repression. Schließlich prägten die Bilder bereits seit dem historischen Abend ihrer Ausstrahlung „einen spezifischen Blick auf die Begebenheit und lieferten auf diese Weise eine politische Deutung des Ereignisses gleich mit.“[27] Die mediale Berichterstattung habe den „Bühnenraum des ‚historischen Ereignisses‘ […] bereits ausgeleuchtet, bevor das ‚Volk‘ als Akteur zu seinem Auftritt“[28] gekommen sei, wie Godehard Janzing pointiert festhielt, womit er die „doppelte Rolle der Beteiligten als Handelnde und Zuschauer“ in der Geschichte des Mauerfalls betont. Mit der Bildsprache seines Kampagnenvideos zielte das ZPS darauf, seine Zuschauer:innen erneut zu Handelnden im Prozess einer europäischen Grenzöffnung zu machen. Die offizielle Inszenierung des Mauerfallgedenkens als explizit europäisches Jubiläum mit Ehrengästen wie Gorbatschow und Wałęsa bot dafür die geeignete Folie.
Das Kampagnenvideo griff diese europäische Dimension der Geschichte des Mauerfalls über die historischen Bilder der Außenminister Österreichs und Ungarns aus dem Juni 1989 auf. Die Aktion hatte die bereits im Mai 1989 begonnenen Demontage-Arbeiten an der österreichisch-ungarischen Grenze nachträglich medial inszenieren sollen, da Fotos vom Rückbau der Grenzanlagen durch ungarische Soldaten zunächst wenig Aufmerksamkeit erhalten hatten.[29] Das Treffen und gemeinsame Durchschneiden des Zauns durch Alois Mock und Gyula Horn diente also als „symbolische Bestätigung eines Vorgangs, der schon längst am Laufen war“.[30] Wenn es im Voice-Over des ZPS-Kampagnenvideos als Kommentar zu den Bildern vom Juni 1989 hieß: „so kam vor 25 Jahren der Mauerfall ins Rollen, dieses Erbe müssen wir bewahren“, wurde also zum einen der Fokus auf die europäische Dimension des Mauerfalls gelenkt. Zum anderen verwiesen die historischen Bilder aber auch auf die Bedeutung der Sichtbarkeit politischen Handelns und auf die potenzielle Wirkmächtigkeit medialer Inszenierungen. Indem die Aktionskünstler:innen jeden ihrer Schritte sorgfältig medial inszenierten und ihr politisches Ziel eines „Europäischen Mauerfalls“ zur Aufführung brachten[31], eigneten sie sich diese spezifische Dimension der Mauerfall-Geschichte an und erklärten sie zum bewahrenswerten Erbe.
Auch mit der partizipativen Ausrichtung seiner Kunstaktion, in der die Zuschauer:innen vermeintlich spielend leicht zu Akteur:innen der „2. Friedlichen Revolution“[32] werden konnten, spielte das ZPS ganz explizit mit der offiziellen Gedenkpraxis, die in Berlin den Mauerfall durch die Kunstaktion der „Lichtgrenze“ als partizipatives Spektakel zur Wiederaufführung brachte. In Berlin waren Einwohner:innen und Besucher:innen seit dem 7. November 2014 eingeladen, zunächst an der Lichtgrenze entlang zu spazieren und die Ballons mit eigenen Notizen, Gedanken und Wünschen zu versehen, um schließlich am 9. November deren Aufstieg in den Himmel als von Leichtigkeit geprägte, symbolische Wiederaufführung der Grenzöffnung zu erleben. Diese Inszenierung von Leichtigkeit überspitzte das ZPS mit seinem Aufruf, nicht lediglich für die Busfahrt zur bulgarischen EU-Außengrenze zu spenden. Vielmehr wurden die Unterstützer:innen aufgefordert, sich zu registrieren, um am 7. November selbst einen der Busse zu besteigen und mit einer vom ZPS vorbereiteten Ausrüstung und Anleitung zu „How to make EU-Mauerfall“[33] im DIY-Stil am 9. November die Grenzanlagen einzureißen – „wir haben alles vorbereitet und getestet, Sie müssen nur noch einsteigen.“ Die Aktionskünstler:innen machten sich damit eine Entwicklung zunutze, die der Zeithistoriker Frank Bösch als zunehmende Ausrichtung auf „Geschichte als Erlebnis – Ereignisse als historische Erfahrung in situ“[34] beschreibt. Gemeint ist die zu beobachtende Tendenz, „dass Menschen zunehmend gezielt an Ereignissen im Zuge ihrer Entstehung – also live – teilnehmen, die bereits vorab das Versprechen bergen, historische Bedeutung zu erlangen. Hier kommt es nicht zu einem Reenactment, sondern zu einem Enactment von Geschichte, also einer aktiven Beteiligung der Teilnehmenden an einem Geschehen, dem historische Relevanz zugesprochen wird“.[35] Dass sich diese Tendenz auch in der Erinnerungskultur beobachten lässt, macht Bösch unter anderem am Beispiel der Berliner „Lichtgrenze“ zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum fest.[36] Die Performativität von erinnerungskulturellen Inszenierungen, die auf das aktive Erleben vor Ort oder das mediale Miterleben von Gedenkritualen ausgerichtet ist und sie mitunter selbst zum historischen Ereignis werden lässt[37], nutzte das ZPS also gezielt für seine künstlerische Gegenwartskritik.
So bestiegen nicht nur etwa 100 Teilnehmer:innen die Busse zur Fahrt an die europäische Außengrenze, sondern zahlreiche nationale und internationale Medien berichteten über die Aktion und ermöglichten damit eine medial vermittelte Teilnahme. In Zusammenschau mit Beiträgen in sozialen Medien ergab sich so ein minutiöser Bericht über den Verlauf der Aktion[38], die bereits bei der Abfahrt vom Berliner Maxim-Gorki-Theater von einer großen Polizeipräsenz begleitet wurde. Die auf ihrer Fahrt mehrfach von Grenzschützer:innen und Polizeikräften kontrollierten und von Gegner:innen bedrohten Aktivist:innen erreichten schließlich am 9. November die EU-Außengrenze in der Nähe der bulgarischen Stadt Lessowo, wo sie allerdings von örtlichen Einsatzkräften am Erreichen und Durchschneiden der Grenzanlagen gehindert wurden. Die weißen Kreuze wurden nach dem Abschluss der offiziellen Gedenkfeiern am Abend des 9. November wieder an ihrem Platz am Berliner Reichstagsufer angebracht. Bei den im Video verwendeten Kreuzen hatte es sich lediglich um in Werkstätten des Gorki-Theaters angefertigte Repliken gehandelt.[39] Politiker:innen wie etwa der Berliner Innensenator Frank Henkel oder Bundestagspräsident Norbert Lammert kritisierten die Aktion als „verabscheuungswürdig“[40] und die Demontage der Kreuze als Diebstahl „mit einer heldenhaften Attitüde und einer pseudohumanitären Begründung, die man für blanken Zynismus halten muss“.[41] Das Maxim-Gorki-Theater, das die Aktion als Teil des Festivals „Voicing Resistance“ infrastrukturell unterstützt hatte, sah sich ebenfalls scharfer Kritik ausgesetzt und entschuldigte sich in einer Stellungnahme bei eventuell durch die Aktion verletzten Angehörigen von getöteten DDR-Flüchtlingen.[42] Auch einige Teilnehmer:innen der Aktion veröffentlichten eine Woche später eine Stellungnahme und reflektierten ihre Rolle als „Statist:innen in einem Kunstprojekt, das sich vornehmlich als Medienspiel an eine deutsche Öffentlichkeit richtete“[43] und „aus einer privilegierten Position heraus [...] ohne Beteiligung von lokalen Akteur:innen und Betroffenen“ agiert habe. Kritiker:innen stritten über die Fragen, ob die Aktion zynisch oder „nötig“[44] gewesen sei, „die Grenzen des guten Geschmacks“[45] verletzt habe oder ob es sich gar um den „hirnrissigste[n] Dreck, der in der jüngsten Zeit aus deutschen Theatern gekommen ist“[46], handele. Es wurde debattiert, ob die Aktion als Ausdruck von „Sehnsucht nach Wirklichkeit auf der Bühne“[47] oder eher als „Konstitution einer besorgten, engagierten und staatstreuen Gemeinschaft, [als] konformistische Kehrseite der sich nonkonformistisch gebenden Aktionskunst“[48] zu lesen sei.
Diese Fragen können und sollen an dieser Stelle nicht entschieden werden. Die intensive und langanhaltende Debatte über die Aktion, die die Öffentlichkeit schon in der Woche vor dem eigentlichen Jubiläum und auch noch Monate später „polarisiert“[49] habe, wie Martin Sabrow festhält, markierte jedenfalls einen Bruch im „Erzählmuster, das die Euphorie des Aufbruchs von 1989 beschwört“ und das inzwischen „den Glanz verloren“ habe. Die Aktion übte Kritik an der Jubiläumsfixierung der europäischen Erinnerungskultur und machte sich gleichzeitig die Eigenschaft von Jubiläen als machtvolle Ressource zur Generierung von Aufmerksamkeit und zur „gegenwartszentrierte[n] Identitätsproduktion“[50] zunutze. Mit der Aneignung und performativen Umdeutung der erinnerungskulturellen Jubiläumspraxis ist die Aktion also auch ein Beispiel für das von Achim Landwehr beschriebene Potenzial „zu einer Inversion der Zeiten“[51], mit der das Jubiläum geeignet sei, als „Knotenpunkt, als Relativum ohne eigene Substanz, […] das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft nicht nur immer wieder auszutarieren, sondern beständig infrage zu stellen.“ Waren die weißen Kreuze im Jahr 1971 selbst im Rahmen eines Jubiläums installiert worden, dienten sie nun als Mittel der politischen Gegenwartskritik, indem sie durch ihren (zumindest vermeintlichen) Grenzübertritt den nationalen Gedenkraum auf die europäische Grenzpolitik ausdehnten. Auch zum Mauerfalljubiläum des Jahres 2021 richteten sich die Augen der europäischen Öffentlichkeit auf die Situation an den EU-Außengrenzen, denn an der Grenze zwischen Polen und Belarus mussten tausende Geflüchtete in der winterlichen Kälte ausharren. Ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Initiativen warb um Spenden, mit denen Busse finanziert werden sollen, um Geflüchtete aus der Grenzregion nach Deutschland zu evakuieren – der Slogan zur Kampagne: „Mauerfall jetzt!“[52]
[1] Essay zur Quelle: Zentrum für Politische Schönheit, Erster Europäischer Mauerfall (03.11.2014); [Video], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2022, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-77374>.
[2] Martin Sabrow, Deutsche Zeitgeschichtsjubiläen als historische Selbstvergewisserung, in: Tim Schanetzky et al. (Hrsg.), Demokratisierung der Deutschen. Errungenschaften und Anfechtungen eines Projekts, Göttingen 2020, S. 299–317, hier S. 305.
[3] Vgl. Frank Bösch, Im Bann der Jahrestage, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 70 (2020), S. 29–33, hier S. 29.
[4] Vgl. z.B. „Für Frieden und Freiheit“. Ballons über Berlin, in: Merkur, URL: < https://www.merkur.de/politik/25-jahre-mauerfall-berlin-gedenkveranstaltungen-hauptstadt-zr-4430958.html> (12.3.2022).
[5] Vgl. die Webseite zur Kunstaktion, <http://lichtgrenze.de/impressum/> (17.11.2021).
[6] Ebd.
[7] Anne Meiritz / Christoph Sydow, Berlin erinnert, Berlin jubelt, in: Spiegel Online, URL: <https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mauerfall-jahrestag-berlin-gedenkfeier-am-brandenburger-tor-a-1001910.html> (8.11.2021).
[8] Vgl. dazu auch die kurz nach Fertigstellung dieses Essays erschienene Bestandsaufnahme von Christine Gundermann / Habbo Knoch / Holger Thünemann, Einleitung. Öffentliche Jahrestage als geschichtskulturelles Phänomen, in: dies. (Hrsg.), Historische Jubiläen. Zwischen Historischer Identitätsstiftung und geschichtskultureller Reflexion, Berlin u.a. 2022, S. 7–18.
[9] Vgl. Masetto Bonitz, Bergungsarbeiten auf Lehte (2009), in: Miriam Rummel / Raimar Stange / Florian Waldvogel (Hrsg.), Haltung als Handlung. Das Zentrum für Politische Schönheit, 3. Aufl., Berlin 2019, S. 5–32; Maggy Sperl, Die Säulen der Schande (2010), in: ebd., S. 33–58; Julius Graupner, Die Kindertransporthilfe des Bundes (2014), in: ebd., S. 115–144.
[10] Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Gedenkort „Weiße Kreuze“ / Deutscher Bundestag, <https://www.berlin.de/mauer/orte/gedenkorte/gedenkort-weisse-kreuze-_-deutscher-bundestag-297891.php> (17.11.2021).
[11] Bundesstiftung Aufarbeitung, Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze, Berlin 2011, S. 46.
[12] Vgl. Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Gedenkort „Weiße Kreuze“; Bundesstiftung Aufarbeitung, Orte des Erinnerns, S. 46 f.
[13] Vgl. Svenja Borgschulte, Erster Europäischer Mauerfall (2014), in: Rummel / Stange / Waldvogel (Hrsg.), Haltung als Handlung, S. 150.
[14] Zentrum für Politische Schönheit, Erster Europäischer Mauerfall.
[15] Ebd.; ebenso die unmittelbar folgenden Zitate.
[16] Zum historischen Referenzpunkt der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit vgl. Enrico Heitzer, Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU). Widerstand und Spionage im Kalten Krieg 1948–1959, Köln/Weimar/Wien 2015.
[17] Zur Verbindung zwischen der Namenswahl des ZPS und der historischen Widerstandsgruppe KgU siehe auch Kai-Uwe Merz, Rezension zu Enrico Heitzer, Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU). Widerstand und Spionage im Kalten Krieg 1948–1959, Köln/Weimar/Wien 2015, in: Jahrbuch für die Geschichte Ost- und Mitteldeutschlands 60 (2014), S. 327–330, hier S. 327.
[18] Zentrum für Politische Schönheit, Erster Europäischer Mauerfall; ebenso die unmittelbar folgenden Zitate.
[19] Achim Landwehr, Magie der Null. Zum Jubiläumsfetisch, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 70 (2020), S. 4–9, hier S. 7.
[20] Vgl. dazu einführend Achim Saupe / Felix Wiedemann, Narration und Narratologie. Erzähltheorien in der Geschichtswissenschaft (1.1.2015), in: Docupedia, URL: <http://docupedia.de/zg/saupe_wiedemann_narration_v1_de_2015> (1.10.2021).
[21] Zur „sinn- und kohärenzstiftenden Funktion“ und zur Wandelbarkeit von Erzählungen als „Phänomene kollektiver Wirklichkeitserzeugung und intersubjektiver Verständigung“ vgl. ebd.
[22] Martin Sabrow, 1989 als Erzählung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 69 (2019), S. 25–37, hier S. 25–33, Zitat S. 29.
[23] Ebd., S. 30; Zum 9. November als Gedenktag und den Jubiläen von Mauerfall und Vereinigung siehe auch die kurz nach Fertigstellung dieses Essays erschienenen Ausführungen in Martin Sabrow, Novemberrevolution, Judenpogrom und Mauerfall. Der 9. November als zeitgeschichtlicher Erinnerungsort, in: Gundermann / Knoch / Thünemann (Hrsg.), Historische Jubiläen, S. 19–34; Frank Britsche, Jahrestage zu 1989/90. Zwischen Geschichtsaneignung und Identitätsbildung, in: ebd., S. 35–64.
[24] An dieser Stelle danke ich den anonymen Gutachter:innen für die hilfreichen Kommentare zur Ergänzung und Zuspitzung dieses Texts.
[25] Vgl. dazu beispielsweise Sebastian Klinge, 1989 und wir. Geschichtspolitik und Erinnerungskultur nach dem Mauerfall, Bielefeld 2015; oder jüngst mit Bezug auf die Opfer rechter Gewalt Jonas Zipf / Ayşe Güleç / Volkhard Knigge, Kein Schlussstrich!? Gedenkkultur, Norm und Repräsentation, in: Onur Suzan Nobrega / Matthias Quent / Jonas Zipf (Hrsg.), Rassismus. Macht. Vergessen. Von München über den NSU bis Hanau, Symbolische und materielle Kämpfe entlang rechten Terrors, Bielefeld 2021, S. 405–423.
[26] Vgl. Raimar Stange, Appropriativ, agitatorisch, anständig. Die Ästhetik des Zentrums für politische Schönheit, in: Rummel / Stange / Waldvogel (Hrsg.), Haltung als Handlung, S. 286–304, hier S. 292.
[27] Godehard Janzing, Der Fall der Mauer. Bilder von Freiheit und/oder Einheit, in: Gerhard Paul (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder. 1949 bis heute, Göttingen 2009, S. 574–581, hier S. 574.
[28] Ebd., S. 578.
[29] Martin Eichtinger / Helmut Wohnout, Alois Mock. Pioneer of European Unity, in: Eva Maltschnig / Fritz Plasser / Günter Bischof (Hrsg.), Austrian Lives, Innsbruck 2012, S. 164–186, hier S. 178.
[30] Helmut Wohnout, Vom Durchschneiden des Eisernen Vorhangs bis zur Anerkennung. Österreichs Außenminister Alois Mock und die europäischen Umbrüche 1989–1992, in: Andrea Brait (Hrsg.), Grenzöffnung 1989. Innen- und Außenperspektiven und die Folgen für Österreich, Göttingen 2014, S. 185–220, hier S. 190.
[31] Zur Inszenierung und Aufführung der Aktionen des ZPS vgl. Mely Kiyak, Warum fällt es der Kunstkritik so schwer, das Zentrum für politische Schönheit als das zu betrachten, was es ist: als Kunstwerk?, in: Rummel / Stange / Waldvogel (Hrsg.), Haltung als Handlung, S. 331–336, hier S. 333.
[32] Zentrum für Politische Schönheit, Erster Europäischer Mauerfall.
[33] Ebd.
[34] Frank Bösch, Geschichte als Erlebnis. Ereignisse als historische Erfahrung in situ, in: Sarah Willner / Georg Koch / Stefanie Samida (Hrsg.), Doing history. Performative Praktiken in der Geschichtskultur, Münster 2016, S. 83–96, hier S. 84, (Hervorhebung im Original).
[35] Ebd.
[36] Vgl. ebd., S. 89.
[37] Vgl. ebd., S. 89–91.
[38] Eine Auswahl aus der Presseberichterstattung findet sich auf: Zentrum für Politische Schönheit, Erster Europäischer Mauerfall, und in: Zentrum für Politische Schönheit (Hrsg.), Reaktion. Zentrum für Politische Schönheit, München 2021. Das digitale Theatermagazin „Nachtkritik.de“ entsendete eine Korrespondentin als Teilnehmerin und veröffentlichte eine Rezension inklusive Auswahl an Pressereaktionen und eine ausführliche Live-Dokumentation zum Verlauf der Aktion, vgl. Sophie Diesselhorst, Erster Europäischer Mauerfall. Das Zentrum für Politische Schönheit fährt an die Außengrenze der Europäischen Union, um Grenzzäune aufzuschneiden, in: Nachtkritik, URL: <https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=10218:2014-11-11-15-05-49&catid=38:die-nachtkritik&Itemid=40> (17.11.2021); Sophie Diesselhorst et al., An die Grenzen Europas. Liveblog, in: Nachtkritik, URL: <https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=10194:2014-11-07-13-38-48&catid=315:blog-k2&Itemid=100078> (17.11. 2021).
[39] Vgl. Kiyak, Kunstwerk, S. 336.
[40] Zitiert nach Tiemo Rink, Wie die Mauerkreuze verschwanden, in: Der Tagesspiegel, 16.11.2015.
[41] Zitiert nach Diesselhorst, Grenzen Europas. Gegen die Aktivist:innen wurden mehrere Strafanzeigen wegen schweren Diebstahls gestellt. Die Ermittlungen wurden allerdings eingestellt, „da die Kreuze nicht mit Zueignungsabsicht entfernt wurden“; vgl. Borgschulte, Mauerfall, S. 161.
[42] Vgl. Diesselhorst, Grenzen Europas.
[43] Zitiert nach ebd.; ebenso das folgende Zitat.
[44] Martin Kaul, Mauertote versus Frontexopfer, in: die Tageszeitung, 3.11.2014.
[45] Ines Kappert, Die Grenzen des guten Geschmacks, in: die Tageszeitung, 8.11.2014.
[46] Matthias Heine, Zentrum für Blödheit, in: Die Welt, 13.11.2014.
[47] Patrick Wildermann, Grenzen müssen fallen, in: Der Tagesspiegel, 10.11.2014.
[48] Robert Zwarg, Konformistischer Aufstand. Die „Aktionskunst“ des Zentrums für politische Schönheit, in: Chris Wilpert / Robert Zwarg (Hrsg.), Destruktive Charaktere. Hipster und andere Krisenphänomene, Mainz 2017, S. 81–91, hier S. 84.
[49] Sabrow, 1989, S. 30 f.; ebenso die folgenden Zitate.
[50] Landwehr, Magie, S. 9.
[51] Ebd.
[52] Civilfleet-support e.V., MauerfallJetzt!, URL: <https://mauerfall.jetzt/> (17.11.2021). Auch diese Initiative arbeitet mit einer Vielzahl historischer Referenzen und verbindet das Gedenken an das historische Ereignis des Mauerfalls mit einer Handlungsaufforderung für die politische Gegenwart. Die geplante Evakuation der Geflüchteten ist von der Zustimmung des Bundesinnenministeriums abhängig.
Literaturhinweise:
Marcus Böick / Constantin Goschler / Ralph Jessen (Hrsg.), Jahrbuch Deutsche Einheit 2020, Berlin 2020.
Saskia Handro, Wozu noch historische Jubiläen? Wiederholung als gesellschaftliche Integrations- und Orientierungsressource, in: Christine Gundermann / Habbo Knoch / Holger Thünemann (Hrsg.), Historische Jubiläen. Zwischen historischer Identitätsstiftung und geschichtskultureller Reflexion, Berlin u.a. 2022, S. 233–268.
Catrin B. Kollmann, Historische Jubiläen als kollektive Identitätskonstruktion. Ein Analyseraster für Organisationen, Wissenschaftler und Besucher, Stuttgart 2014.
Lydia Lierke / Massimo Perinelli (Hrsg.), Erinnern stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive, Berlin 2020.