Auszüge eines Briefes des Paters Anton Maria Bentz S.J. vom 4. Juli 1749 aus El Puerto de Santa María[1]
ex potu S. Mariae 4 Julii 1749
Reverende in Christo pater.
Warum ich villmehr Eüer Erwürdten als einen anderen zuschreibe, ist die ursach
unser alten freindschaft etc etc. Was übrigens uns bishero begegnet, und Euhr Ehrwürden
zu wissen ein verlangen tragen werdten ist, das wür alle 3 uns bishero zimblich wohlauf
befunden, P. Ducrue ausgenohmen, so auf dem meer beÿ 50 mahl den tribut abgestattet,[2]
aniezto aber zu Sevilia oder Hispali[3] bei einen monath schon sambt anderen 3 teutschen
patribus sich befindet. Wür haben unseren aufenthalt hier in Portu S Mariae, und geniesen
eine sbanische, das ist eine theure und sehr kleine kost. Es würdt von unserm P. Procuratore
vor iegliche person täglich ein halber gulden bezahlt. Aber das ganze tractament den trunckh
ausgenohmen wäre in Teutschland nit 7 kr[eutzer] werth; nichts zumelden von der abgeschmackhten
zusamen füegung, als zum [exempl] gesottne kürbis und ein bröckhlein schebbs[4]fleisch
darauf, und dergleichen mehr. Unser haushalter ein brueder, der uns die kost gibt, heist
seinen namen nach auf teutsch holztauben. Übrigens ist das orth, an dem wür wohnen,
überaus plaisierlich, hat den schönsten prospect auf das landt, und auf das meer, sonderbahr
sichet man zu Cadix alle schiff einlaufen, welches unser tägliche sehr vergnügliche recreation ist.
Die hiesige statt hat zwar keine mauern, ist iedoch eine von denen wonit grösten, doch
schönsten stätten in ganz Sbanien, weilen die gassen zimblich weit, ordentlich sauber (
wider den landsbrauch) und die meiste gepflasteret. Unser hospitium ist zimblich wohl
gebauet, 4 eckhuss, und hat die schönste hauscapellen, die ich noch in Sbanien auf der rais gesehen.
Sie zehlet 6 altär, aber nur 5 kelch, den 6ten mues man aus der pfarr entlehnen.
[…]
Ich hab dahier die erste sbanische procession gesechen, die mir in warheit recht sbanisch ist
vorkommen. Vorausgienge ein ungeheürer 7 köbfiger drackh, auf den ruckhen hatte er
ein kleines heüslein, aus welchen heraus schauete ein kleines mändlein, nit ungleich einen
charletan gekleidet, dises tumblete sich lustig in seinen keffig herum. Auf disen drackhen
folgten die 4 weldthail in risen gestalt, sie reicheten fast an die dächer der heüser
hinauf. Sie tanzten ser künstlich und dräheten sich um und um. Umb alle dise tanzeten
sbrungen und lauften herum 6 bueben mit blattern in denen händten in narren kleidern auf
die weis wie ich es vergangenen winter in München bei der studenten ihrer schlitten farth
in der fasnacht gesechen. Dise andächtige vorstellung befliesseten 6 in weisen
kleidern unsinig daher hubfendte tantzer. Über ein weil folgte der andere
etwas andächtigere theil der procession. Erstlich verschidene bruederschafthen, alsdan
allerleÿ weise, schwarze, braune, blaue, graue und weis nit wie gefärbte religiosen
dergleichen ich niemahl noch gesechen, aber ich mues es gestehen: die auferbeülichkeit wahre sehr
schlecht, und ist es nit der landsbrauch. Einige schwezten, andere lasen brief, wider andere
steckhten die brillen auf die naasen und betrachteten die leüth an denen fenstern und auf denen
gassen. Es ärgeret sich aber niemandt daran in Sbanien. Doch ist dises wahr, es dürften 100
sbanische religiosen auf der gassen vor einen weltlichen vorbei gehen, ohne das diser vor einen einzigen
den huet abziechet; entgegen gehet nur einer von uns teutschen oder böhmen auf die gassen, so
werdten sich 100 vor seiner bis auf die erdten neigen. Aus welchen ich meinen beruef erst recht
schätzen gelehrnet und Gott gedankhet. Zwischen disen bruederschaften und religiosen wurdten
ville fähnlein als wie standarten bei der teütschen cavallerie getragen. Man tragte
auch mit 6 [7] bis 7 überaus kostbahre statuen lauter sbanischer heiliger, welche dan bald
da bald dort von 2 fraÿlen[5] mit ihren rauchfässern angerauchet wurdten. Zu endt des
cleri[6] wurdte das Hochwürdtige Guet weit comodter als bei uns auf einen kostbahr
gezierten tischlein von 4 getragen, allwo zumerckhen, das man in disen ländern
nichts weis von seegen geben.Die procession wurdte beschlossen von etlich und 40 räutten[7].
Mit grösserer andacht wurdte in unseren capellen geehrt der Hl. Joannes Nepomucenus
und der Hl. Aloÿsius beÿde mit einer noven[8]. Die unkösten von die erste haltete aus
ein vermöglicher kaufmann aus Böhmen gebührtig. Es wurdte dieser von dem Hl. Joanne
Nepomuceno vor etlichen jahren sichtbahrlich aus der todtsgefahr errettet. Da er bei 2
stundt von hier unter die mörder gerathen, und über 20 tödtliche wunden bekomen.
An vorabendt und am tag selbsten hielte er bei unseren hospitio eine music und auf
der gassen ein feürwerckh. In der noven des Hl. Aloÿsii, welche die teutsche missionarii
aushalthen, wurde täglich eine kleine sermon gehalten, alsdan der rosen krantz, und
6 pater und ave gebettet. Es würdt diser glorreiche heilige auch allhier auf das
andächtigste verehret. Ein missionarius aus der österreichischen provintz schreibet ihm
nächst Gott seine gesundheit zue. Der medicus wie uns gedunckhte, curierte seine hizige
kranckheit zimblich wunderlich, er ware auch schon mit denen Heiligsten Sacramenten
versechen. Nach disen nahm er das gmähl des Hl. Aloÿsii zu sich, machte ein gelübd
und wurde die selbe nacht so gut, das er sich selbsten wider aufrichten kunte, aniezso liset
er schon widerum mess. Weilen ich weis, das Euer Ehrwürden ein besonderer liebhaber
des Hl. Aloÿsii seÿen, und überall dessen bilder, reliquiaria und andachten in flor[9]
zubringen sich befleissen, so vermeine ich, es wurden die selbe nit unrecht daran sein,
wan sie etwan zu Castl[10], allwo sie ohne das schon den vollkommen ablas auf den
sontag [?] octav [?] S. Aloÿsii zuwegen gebracht, auch einführten das aloÿsianische
festus oder bruederschaft verbündnus, welches in Böhmen, absonderlich zu [Prag] floriert.
[…]
Disen brief nun hatte ich schon lang bereit gehalten, als wür endlich [?] unser so sehnlich
verlangte disposition von Rom aus erhalten. P. Aloÿsius Knapp ist mit 5 anderen
meistens Böhmen in die philippinische Inslen, P. Ducrue aber und ich nacher Mexico
sambt 18 teütschen patribus und 3 brüdern disponiert. 2 nider reiner nach der provinc
S. Fidei[11] und 8 patres sambt 2 brüdern nacher Peru. Dise seindt durchaus teutsche.
Wan die sbanier werdten darzu gestossen seÿn, wird ein iede mission beÿ 40 missionarios
zellen. Wür haben die hofnung längstens im october abzuseglen. M. Richter ein
böhm hat widerum müssen in seine provinc zurückh reisen, indem er auf den meer
die dörrsucht an sich gezogen, ohne etwas zuvermerckhen, bis er hieher gekomen,
der doctor hat dafür gehalten, er wurde in kurzer zeit ein unfehlbahres grab in
Sbanien finden. Ich hab von ihm eine zwar zimlich theüre iedoch ser guete
sackh uhr gekauft, nachdem ich die meinige zuvor umb eben den werth verkauft
hab, den sie mich gekostet; dan sie ware allzu schwach.
[…]
Nun bin ich müed vom schreiben
und bitte zum beschluss Eühr Ehrwürdten mit wenig zeilen den R.P. Rectorem zu Veldkürch[12]
zuberichten. Wollen Eühr Ehrwürden mir anworten, so belieben Sie das coupert an P. Josefum
Celle General Procurator von Indien nacher Genua zuverfertigen. Ich schraibe Eühr
Ehrw. mit fleis in teutscher sbrach weilen etctc.
verbleibe also wie allzeit
[1] BayHStA, Jes. 609/4, fol.7r-8v; Quelle zu dem Essay: Thomas Schader, „[…] die mir in warheit recht sbanisch ist vorkommen.“ Interkulturelle Hermeneutik auf der Schwelle nach Übersee (1749), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2022, URL <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-115013>.
[2] Im übertragenen Sinn erbrechen, sich übergeben.
[3] Lateinischer Name für Sevilla
[4] Schöps: verschnittener Schafbock, verschnittener Hammel (vgl. Adelung Online-Wörterbuch).
[5] Fraile: span. für Mönch
[6] Clerisēy: ein Collectivum, die sämmtlichen Geistlichen eines Ortes (vgl. Adelung Online-Wörterbuch).
[7] Verm. von Räutern: Rädern und Reitern (vgl. Adelung Online-Wörterbuch).
[8] Novene: Neuntägige Andacht
[9] Im übertragenen Sinn: etwas zum Blühen bringen (vgl. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache).
[10] Gemeint ist die das heutige Castell, eine Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Kitzingen.
[11] Gemeint ist hier die Hauptstadt der Provinz Neugranada, Santa Fe de Bogotá.
[12] Gemeint ist Feldkirch, im österreichischen Voralberg gelegen.