Beredtes Schweigen. Symbole, Worte und Riten als Elemente der Kommunikation am europäischen Hof der Frühneuzeit

Als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg 1690 in Berlin der englische Hosenbandorden verliehen wurde, nutzte der ehrgeizige Fürst diesen Anlass zu einer aufwendigen, theatralischen Inszenierung. Mehrere Berichte über die Festlichkeit und das Ritual der Ordensübergabe sind bis heute erhalten. Anhand eines solchen Texts aus den Akten des Staatsarchivs Gotha kann gezeigt werden, wie rituelle Kommunikation in der Frühneuzeit den Transport politischer Botschaften über Sprachgrenzen hinweg ermöglichte.

Beredtes Schweigen. Symbole, Worte und Riten als Elemente der Kommunikation am europäischen Hof der Frühneuzeit[1]

Von Marian Hefter

In der christlichen Theologie gilt seit Augustinus von Hippos Zeiten der Merksatz: „Kommt zum Wort das Element, wird daraus ein Sakrament.“ Für die performativen Akte, um die es sich bei Sakramenten ja handelt, wird also zweierlei benötigt: zum einen eine zeichenhafte Handlung, zum andern einige das Geschehen bezeichnende Worte. Beide müssen korrekt ausgeführt werden, also den Normen entsprechen, um jeden Zweifel an der Gültigkeit des Geschehens auszuschließen. Die Erteilung und der Empfang eines Sakraments ändern die Wirklichkeit durch aufeinander bezogenes symbolisches und sprachliches Handeln. Dieser Gleichklang von Tat und Wort kann als konstitutiv für rituelle symbolische Kommunikation angesehen werden und ist auch außerhalb der religiösen Sphäre anzutreffen. Besonders die Forschung zur europäischen Frühneuzeit befasst sich seit einigen Jahren wieder verstärkt mit den Bedeutungsebenen verbalen und nonverbalen Geschehens. Für diese Untersuchungen spielt die zeitgenössische Bewertung des Verhältnisses von gesprochenen und auf andere Weise ausgeführten Akten eine bedeutende Rolle. Welche Informationen wurden etwa bei der Verschriftlichung eines rituellen Geschehnisses transportiert – zumal, wenn gar kein wirklich neuer Inhalt vorlag?

Als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg am 6. Juni 1690 (julianisch) in Berlin der Most Noble Order of the Garter, der englische Orden vom blauen Hosenband, verliehen wurde, nutzte der ehrgeizige Fürst diesen Anlass zu einer grandios theatralischen Inszenierung. Johann von Besser, bisher als Rat und auch als Diplomat in London tätig, hatte mit diesem Akt seine Feuertaufe im Amt des Zeremonienmeisters zu bestehen.[2] Der politische Hintergrund der Aufnahme des Kurfürsten in die Reihe der Ordensritter durch König William III. von England aus dem Hause Oranien-Nassau war nämlich nicht nur so vielschichtig, dass er aus heutiger Sicht schon fast verworren zu nennen ist – er war durch die vielen Verflechtungen auch überaus heikel. Zwar pflegten die Brandenburger schon seit Generationen enge Kontakte zur Familie der niederländischen Statthalter, und unter den Vorfahren Friedrichs III. befanden sich in beiden Linien sogar dieselben Mitglieder des Hauses Oranien. Allerdings hatte sich Willem, der niederländische Cousin des Kurfürsten mütterlicherseits, gerade erst ein Jahr zuvor in der Glorious Revolution, kurioserweise wohl mit Unterstützung von Papst Innozenz XI.,[3] zum König von England ernennen lassen. Diese Entwicklung war so neu, dass ihre politischen Folgen anno 1690 noch nicht abzuschätzen waren. Der abgesetzte Schwiegervater Williams III., der katholische König James II., hatte zudem Asyl bei seinem Cousin, König Louis XIV. von Frankreich, gesucht und erhalten. Dieser war seinerseits allerdings gerade dabei, im beginnenden Pfälzischen Erbfolgekrieg den Westen des Heiligen Römischen Reichs aufzurollen und zu verwüsten. Dass sowohl Brandenburg als auch die Niederlande in diesen Krieg ebenfalls involviert waren, war zeitgenössisch selbstverständlich – ging es doch um das Erbe eines Cousins zweiten Grades des Kurfürsten.

Was also in Berlin am 6. Juni 1690 geschah, war keineswegs eine letztlich unbedeutende Ehrung unter Freunden, eine kleine Aufmerksamkeit unter Verwandten oder eine nett gemeinte Höflichkeit unter den Potentaten Europas, sondern eine realpolitische Demonstration unter Verbündeten, die durch Verwandtschaft zu Feinden Frankreichs auf Jahrhunderte geworden waren. Der im Thüringischen Staatsarchiv Gotha aufbewahrte Bericht von der Ordensverleihung[4] lässt daran keinen Zweifel. Denn neben der Information über das zeremonielle Geschehen ist sicher die politische Ebene ursächlich dafür, dass das Haus Sachsen-Gotha die Beschreibung in ihr Archiv aufnahm. Seit der Zeit Herzog Friedrichs I. (1646–1674–1691) versuchte man hier über Jahrzehnte, sich zunächst vorrangig politisch und zunehmend auch kulturell an Frankreich anzulehnen. Wann und wie das Dokument nach Gotha gekommen ist, ist unbekannt; die Überlieferung ist völlig kontextlos. Das Schriftbild erlaubt es, die Entstehung in nicht allzu weiter Entfernung zum dargestellten Ereignis zu datieren. Auch wenn die Bezeichnung „Groß-Brittannisch“[5] vorkommt, liegt der Entstehungszeitraum dennoch nicht unbedingt nach dem Act of Union von 1707. Immerhin sichert der Umstand, dass die Archivalie in den von Justin Vierschrodt angelegten Findbüchern verzeichnet ist, den terminus ante quem von 1760 für die Ankunft der Papiere in Gotha.

Die Schilderung der Geschehnisse steht unter dem Titel „Nachricht Wie der Churfürst Friederich der III. zu Brandenburg mit dem Groß-Brittannischen Hosenbands-Orden von König Wilhelmen durch abgeordnete Gesandten investiret worden“. Über acht Seiten berichtet ein anonymer Verfasser in 30 Punkten – er nummeriert bis 31, vergibt aber die 21 nicht – von der „Solennitat“ anlässlich der Aufnahme des brandenburgischen Kurfürsten in den Hosenbandorden. Dabei bedient er alle Gewohnheiten dieser Textgattung: Die Einrichtung des Festsaales ist ebenso einer detaillierten Beschreibung würdig wie die Ehrenzeichen, die bei der Einholung der englischen Gesandten gebraucht wurden. Im späten 17. Jahrhundert war es schon seit einiger Zeit eher unüblich, dass sich regierende Fürsten oder Monarchen selbst auf Reisen außerhalb ihres Territoriums begaben, wenn sie auch einen oder mehrere Bevollmächtigte senden konnten. Dies verringerte nicht nur die Unbequemlichkeiten und Kosten der Reise, sondern verhinderte auch langwierige Zeremonialstreitigkeiten zwischen den beteiligten europäischen Häusern. So war Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Vater Friedrichs III., im Jahr 1653 in Berlin schon durch einen Gesandten in den Orden aufgenommen worden.[6] Für William III. kamen jedoch die unsicheren Verhältnisse in dem Land, dessen Thron er erst kurz zuvor okkupiert hatte, hinzu. Somit verbot sich die Investitur des brandenburgischen Cousins von eigener, königlicher Hand in mehrfacher Hinsicht. Das alles war den Zeitgenossen so geläufig, dass es im vorliegenden Bericht nicht explizit formuliert wird. Auch, dass die Ernennung Friedrichs III. für William III., der übrigens schon seit 1653 und damit lange vor seiner Zeit als königlicher Ordenssouverän Ritter vom Hosenband war, eine besondere Bedeutung gehabt haben muss, bleibt unausgesprochen. Es handelte sich bei dieser Verleihung zwar nicht um die erste Auszeichnung durch William III. in seiner Funktion als König von England. Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg aber war der erste Herrscher, der von William III. in den Hosenbandorden aufgenommen wurde, und zudem ein Nicht-Engländer. Die Annahme des Ordens von der faktisch souveränen brandenburgischen Seite bedeutete zugleich eine Akzeptanz Williams III. als Ordenssouverän und damit zugleich als souveräner König. Die Oranier würden auch in ihrer royalen Stellung weiterhin auf die Unterstützung des verwandten brandenburgischen De-facto-Königs auf dem Kontinent zählen können.

In der Masse der sonstigen Informationen des Berichts geht dieser politische Subtext jedoch beinahe unter. Gerade einmal zwölf Zeilen befassen sich mit ihm – diese sind in der Handschrift aber immerhin optisch abgesetzt. Der Rest des Textes berichtet in aller Ausführlichkeit von den mit rotem Samt bezogenen Stühlen, die je nach Rang des Sitzenden mit oder ohne silberne Fransen ausgestattet sind, er behandelt das Lösen der Kanonen und das abendliche Feuerwerk, „welches viel Tausend Menschen mit angesehen“. Um die blau leuchtenden Illuminationen zu verdeutlichen, werden die Formen und Darstellungen des abgebrannten Bodenfeuerwerks sogar als Skizzen wiedergeben: Es handelt sich zum einen um ein Wappen, gehalten von einem bildhaft gezeichneten Einhorn und einem nur sprachlich bezeichneten Löwen. Nicht nur dieses Schildhalterpaar, sondern auch die Wappenaufschrift „V WMR“ verweisen eindeutig auf das neue englische Königspaar: William und seine Ehefrau Maria sind Könige, auf Latein also Reges, und sie sollen als solche hochleben, auf Latein also Vivant. Die Entscheidung, statt einer königlichen Krone den Hut eines deutschen Kurfürsten über das englische Wappen zu setzen, wirkt allerdings kurios. Dass es sich aber eindeutig um einen solchen handelt, macht der Vergleich mit der zweiten Darstellung deutlich: Hier sind die drei royalen Kronen „Von Engel- Schott- und Irrland“ auf felsenartigen Podesten dargestellt. Das größte Augenmerk liegt aber nicht auf den Feuerwerken, sondern auf dem textilen „Habit, welches admirabel schön zu sehen“: Von Punkt 14 bis 20 geht es in der Reihenfolge des Anlegens um das „Hosenband“ selbst, den „Roth Sammeten Rock Durch und Durch weis gefüttert“, das „schön Gülden Schwerdt“, den „schönen Viol-Blauen Sammeten mantel“ mit seinen goldenen Schnüren, Quasten und Wappen, den „Roth Sammeten Kragen“, die „über aus breite und schöne Güldene Kette“ sowie abschließend um den „schwartzen Sammeten Hut“. Mit seinem Diamantendekor und dem angesteckten schwarz-weißen Federbusch, „welcher überaus herrlich und prächtig“, stellte er wohl den optischen Höhepunkt des Aufzuges dar – im Gegensatz zu dem ungewöhnlichen Mantel, der vor allem als „forn gantz schieff geschnitten“ beschrieben wird.[7] Jedes dieser Ausstattungsgegenstände wurde dem Kurfürsten von den beiden englischen Gesandten angelegt, nachdem sie ihm zuvor den Oberrock ausgezogen hatten. Und jeder Teilakt der Einkleidungszeremonie wurde durch „einige“ oder „etliche Wort“ respektive eine „Kurtze Rede“ von Seiten der Überbringer begleitet. Was da gesagt wurde, erfahren wir nicht; es wird weder die verwendete Sprache genannt noch der Sprecher festgelegt, auch der Inhalt bleibt unbekannt. Offenkundig hatte all das für den Berichterstatter keine Relevanz. Wichtig war, dass überhaupt etwas von englischer Seite gesagt worden war, wichtig auch, wann es gesagt worden war – nicht weiter wichtig aber, was da gesagt worden war. Für den Ablauf der Zeremonie tat der Inhalt offenbar weiter nichts zur Sache, ja, vielleicht verstand es auch gar niemand, weshalb man es nicht näher qualifizieren oder gar festhalten konnte. Die Einteilung in längere und kürzere Reden musste genügen.[8] Diese Diskrepanz zwischen der Ausführlichkeit der Beschreibung und der Stummheit der Engländer wird noch auffälliger, wenn man sieht, dass nicht nur die zeremoniell vorgegebenen, somit wiederkehrenden und also dem Informierten bekannten Sprüche bei der Insignienübergabe nicht wiedergegeben werden, sondern auch alle anderen Äußerungen der Gesandten: Die kurze Ansprache an den Kurfürsten zu Beginn der Verleihung, die „etwas lange“ Rede nach der Investitur und auch die daran anschließende „Kurtze Rede“, worunter man vielleicht die Proklamation der Titel Williams III. und Friedrichs III. vermuten kann, sind völlig unbestimmt. Exakter wird es nur einmal, wenn nämlich „ein Engelsmann, [...] eine Rede in Englischer Sprache“ hält. Nun könnte man meinen, in der Erwähnung der Fremdsprache liege die Lösung des Rätsels: Vielleicht ist der Autor der Beschreibung, ja, der ganze Hof der englischen Sprache nicht mächtig, während die Engländer ihrerseits keine andere Sprache beherrschten? Gerade die zweite Vermutung hat einiges für sich: Noch fünfzig sowie hundert Jahre später, als den Herzögen Friedrich III. 1741 und Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg 1791 der Hosenbandorden zugesandt wurde, sprachen wenigstens Teile der internationalen Gesandtschaft „kein teutsch“[9] oder sogar nur Englisch. Allerdings griff man in diesen Fällen schon auf die linguae francae Latein und Französisch zurück, auch wenn etwa Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg selbst die englische Sprache geläufig war. Dennoch ist für den Berliner Fall von 1690 denkbar, dass den englischen Gesandten schlicht keine andere Möglichkeit offenstand, als sich in ihrer Muttersprache sicher auszudrücken. Jedoch war am Brandenburger Hof durchaus einige Kenntnis des Inhalts der Ansprache vorhanden, sodass das Berichterstatter unseres Textes die Möglichkeit gehabt hätte, sich nach dem Inhalt der Ansprache zu erkundigen.[10] Ob er es getan hat oder nicht, bleibe dahingestellt. In jedem Fall hat er aber entschieden, dass der Inhalt der Rede des Engländers für den Wert seiner Beschreibung nicht von Relevanz sein würde. Wieder ist festzustellen: Der Akt des Sprechens zählt, nicht der Inhalt. Die frühneuzeitliche Kommunikation kann so ausgeprägt symbolisch werden, dass bei ritualisierten performativen Akten das Wort nicht nur zum äußeren Element hinzutritt, sondern dabei selbst zu einem solchen wird.

In dieser Pauschalität ist dieser Schluss so augenscheinlich allerdings nicht zu halten. Dreimal nämlich findet sich in der Festbeschreibung eine Aussage über den Inhalt dessen, was gesagt wird. Aber zwei der Fälle betreffen wieder rituell festgelegte Texte, deren Verlesung Teil des Verleihungsaktes darstellen: Ganz zu Beginn der Zeremonie werden dem Kurfürsten die „Leges des Ordens“ präsentiert, die anschließend laut verlesen werden. Und auch der Inhalt des „Ordens Brieff mit den Siegel“ wird allen Anwesenden kurze Zeit später durch Vorlesen bekannt gemacht. Bemerkenswerterweise werden auch die an diesem Akt beteiligten Höflinge namentlich genannt: Ein „Herr Von Danckelman“, ein Geheimer Rat, nahm das Statutenbuch von den Engländern entgegen, um sie dem „Geheimen Secret: Ilgen“, also Heinrich Rüdiger Ilgen, zum Vortrag zu überreichen. Und auch mit der Urkunde über die Aufnahme Kurfürst Friedrichs III. wurde genau so oder doch sehr ähnlich verfahren – die Schilderung drückt sich hier etwas verkürzt aus. Überhaupt sind – im Unterschied zu einigen der englischen Gäste – einige der deutschen Anwesenden der namentlichen Erwähnung würdig: Zu dem Rat und dem Sekretär treten der „Ober Marschal Von Grumbkau“, der die englischen Gesandten im Berliner Schloss als erster empfängt. Besonders wichtig ist die Anwesenheit des sich ganz passiv verhaltenden „Fürsten [Karl Wilhelm] Von Anhalt, Von Zerbst und Barby Von Köthen“: Nicht nur, dass er durch sein Stehen auf den Thronstufen das Geschehen bezeugen und auch noch glanzvoller machen kann, er goutiert als ein Vertreter aus altem, fürstlichen Haus durch seine Präsenz auch den gesamten politischen Hintergrund der Ordensverleihung. In seiner Nähe befinden sich zudem „Feld Marschal Dörfflingen“, das ist Georg von Dörfflingen, „und andere Herren Geheime Räthe“, also Vertreter des brandenburgischen Hof- und Zivilstaats. Gleichsam als unbewegliches Scharnier „stund von Anfang bis zu Ende der Ceremonien Meister, Mons: Beßer“, zwischen dem Thronaufbau und den beiden Sesseln der englischen Gesandtschaft. Ob er von dort aus mit seinem Wissen um die Planungen den zeremoniellen Akt dirigierte, erfahren wir in der Beschreibung nicht. Als letzter Deutscher wird „Herr von Fuchs“, das ist der Geheime Rat Paul von Fuchs, im Text vorgestellt als derjenige, der „eine treffliche Rede gantz laut, daß iederman deutlich verstehen Kundte“, hält. Es ist dies in dem ganzen Dokument die einzige Beschreibung von mehr oder minder frei gesprochenen Worten, die nicht auf die Länge eingeht. Von Bedeutung ist vielmehr die allgemeine Verständlichkeit und hohe Qualität des Beitrags. Worauf sich diese Einschätzung beruft, bleibt jedoch völlig unklar. Ob auf sprachliche Finesse, klugen Inhalt oder besonders gelungene Darbietung abgehoben wird, bleibt unter dem allgemeinen Begriff der Trefflichkeit verborgen. Die ausdrückliche Feststellung, dass die Rede des Herrn von Fuchs von allen Anwesenden zumindest akustisch erfasst werden konnte, legt nahe, dass dies ein Distinktionsmerkmal der Ansprache gewesen ist – oder aber doch wenigstens so wahrgenommen werden soll. Im Textfluss durch eine Einrückung abgehoben folgt, wie als Versuch zur Untermauerung dieser Behauptung, nun erstmals und einzig eine Paraphrase der „Contenta“. Zwar fällt diese teilweise etwas idiosynkratisch aus, dennoch lassen sich zwei inhaltliche Blöcke unterscheiden: Der erste hebt die „Fürtrefflichkeit“ des Hosenbandordens heraus, die mit historiographischen Argumenten unterstützt wird. Sowohl das Alter des Ordens von mehr als drei Jahrhunderten als auch sein königlicher Stifter gereichen ihm und damit auch den Ordensrittern zur Ehre. Zudem weiß Herr von Fuchs anno 1690 von einer äußerst illustren Runde von Mitgliedern zu berichten, wobei besonders die Kaiser und Könige des Reiches sowie die Kurfürsten hervorgehoben werden. Dieser Dreiklang muss vor dem Hintergrund gelesen werden, dass die Kurfürsten im 17. und 18. Jahrhundert eine größere Rangnähe zu den gekrönten Häuptern als zu den übrigen Fürsten prätendierten – zumindest so lange, bis sie sich den einen oder anderen Königstitel organisiert hatten. Wie Fuchs allerdings auf die Zahl von 60 Kurfürsten kam, wäre zwar interessant zu wissen, erfahren wir aber nicht; es dürfen im Jahr 1690 tatsächlich kaum sechs gewesen sein. Der zweite Teil der Rede widmet sich der politischen Ausdeutung und Einordnung des Geschehens: Geradezu auf mystische Vorstellungen zielend wirkt der Nachdruck, der auf den Umstand gelegt wird, dass der historische Ordensgründer, der gegenwärtige Ordenssouverän und der neue Ordensritter jeweils die Ordnungszahl drei hinter ihren Namen tragen. Somit werden die Zeitgenossen von 1690 in eine Traditionslinie, ja, vielleicht sogar in ein analoges Verhältnis zu vergangenen Geschehnissen gestellt. Dass der französische Feind Edwards III. im hundertjährigen Krieg die Ordnungsnummer 6 trug, während der gegenwärtige französische Feind Williams und Friedrichs im Pfälzischen Erbfolgekrieg die Ordnungsnummer 14 führte, stört dieses Bild jedoch empfindlich. Entsprechend werden die Zahlenspiele zu Gunsten einer anderen Analogie aufgegeben: Wie Philippe VI. ist auch Louis XIV. beherrscht von „ambitio, Regiersucht, und Hochmuth die gantze Welt Zu Bezwingen“. Angesichts der Tatsache, dass auch William III. gerade erst nicht ganz friedlich auf den Thron gelangt war und seine Herrschaftsansprüche sich nicht auf eine unbestrittene Legitimität stützen konnten, waren diese Vorwürfe recht kühn. Auch dürfte die unterschwellige Behauptung, Philippe VI. habe im 14. Jahrhundert einen Eroberungskrieg gegen England geführt, auch 1690 wenige Unterstützer gefunden haben. Mit der behaupteten Analogie war es also nicht weit her und auch die Niederlage der Engländer in der finalen Schlacht von Castillon im Jahre 1453 taugte wohl nicht als historisch paralleles Bild. Daher blickte Fuchs abschließend lieber in die Zukunft und versprach im Namen seines Herren, „wieder den ietzo regierenden König in Franckreich“ zu kämpfen, um „deßen auffs höchste angewachsene Hochmuth zu Dämpffen“. Das von William III. erhaltene Schwert wollte er „wieder Die Feinde Europae [...] gebrauchen“ – mit Sicherheit eine Anspielung auf die Tatsache, dass Louis XIV. in Absprache mit den Osmanen die militärische Schwäche des Heiligen Römischen Reiches im Westen ausnutzte, da Kaiser Leopold I. seit Jahren die militärischen Truppen gegen die Soldaten Sultan Süleymans II. an der Ostfront im Einsatz hatte.

Doch zurück von den europäischen Schlachtfeldern in den „Neuen Saale“ im Berliner Schloss oder vielmehr in die Quelle, die von diesem Ort berichtet. Bemerkenswert ist nämlich, dass nun – wir befinden uns am Ende der Paraphrase und immerhin schon auf der sechsten Seite des Berichts – der Name des Gesandten genannt wird: Es handelt sich um „Mylord Jonston“. Der ihn begleitende „Herolden“ bleibt weiterhin namenlos. Diese späte Nennung legt nahe, dass es letztlich unerheblich war, zu wissen, wer von englischer Seite bevollmächtigt worden war, den König und die Gesellschaft des Hosenbandordens in Berlin zu repräsentieren. Beide Personen treten völlig hinter ihre Funktionen zurück und auch James Johnston findet nur in der einen Situation namentliche Erwähnung, in der er eindeutig nicht Seine königliche Majestät vertritt: Es ist der Moment, in dem eben diese ihn als ihre Vertretung „zu dieser Solennitat erwehlen“. Kaum ist dies aber geschehen, kann Johnston nur noch als „der Englische Gesandte“ angesehen werden. Und entsprechend ist er auch schon im nächsten Satz wieder nur der „Engelsmann“. Was er als solcher laut unserem anonymen Bericht in seiner „Rede in Englischer Sprache“ auf die doch eher eigenwilligen Ausführungen des Herrn von Fuchs antwortete, wäre zwar aus heutiger Sicht höchst interessant zu wissen; jedoch erfahren wir es, wie oben schon angemerkt, in der vorliegenden Nachricht nicht. Genau dieser bewusste Wissens-Verzicht des Berichterstatters zeigt, dass sich in der symbolischen Kommunikation die Gewichtung von Sprechakt und Sprechinhalt völlig zu Gunsten des Aktes verschieben kann. Die Botschaft, die es zu transportieren galt, kam auch so an: Der Orden wurde vom neuen König von England an den Kurfürsten von Brandenburg überreicht, dieser ist eng verwandt und künftig noch weiter an ein königliches Haus gebunden. Die Investitur geschah mit den aus der Tradition heraus notwendigen Elementen: dem offiziellen Empfang der legitimierten Gesandtschaft, der Anlegung der Ordenszeichen, dem Wechsel von ziviler zu ritueller Kleidung, der öffentlichen Proklamation des Geschehens durch Trompetenschall und Kanonendonner – und immer wieder den dazwischengeschalteten rituellen Sprechakten. Der formelle und korrekte Ablauf der Zeremonien und damit die erfolgte Performanz konnten garantiert werden, wozu neben der schriftlichen Dokumentation zusätzlich einige relevante Zeugen benannt sind. Ihre Anwesenheit und Nähe zum Thron des Kurfürsten zeichnete sie aus, ihre Beobachterrolle bestätigte sowohl das formelle Bezeichnen als auch das in der Form inhaltlich Bezeichnete.

Alle äußeren Aspekte waren also unzweifelhaft und es fiel den Zeitgenossen gewiss nicht schwer, sich die politische Ebene zu erschließen. Zu eng waren die familiären Verbindungen zwischen den Hohenzollern und den Oraniern, zu frisch wohl auch die Nachricht von der Glorious Revolution, zu unerhört das Vorgehen Louis' XIV. gegen das Reich. Um aber den Empfängern der Beschreibung jeden politischen Interpretationsspielraum zu nehmen, spricht Fuchs die Botschaft zusätzlich noch aus. Auch in der Frühneuzeit machte es einen Unterschied, ob etwas (wenn auch unmissverständlich) symbolisch ausgedrückt oder expressis verbis und „gantz laut, daß iederman deutlich verstehen Kundte“, formuliert wurde. Brandenburg und Frankreich hatten lange Zeit in ihrer Distanz zu den Habsburgern einen gemeinsamen Interessenpunkt gehabt. Der auf dem Schlachtfeld bereits geschehene Bruch Brandenburgs mit Frankreich war mit der Hinwendung zur englischen Krone nun definitiv. Von nun an würde sich Frankreich neue Partner im europäischen Mächtekonzert suchen müssen. Brandenburg hatte seinen bereits gefunden: Auch als mit dem Tod Williams III. im Jahr 1702 die Zeit der Oranier auf dem englischen Thron beendet war, band sich Brandenburg durch Hochzeiten weiterhin an die englische Krone, die 1705 an das Haus Hannover überging. Der Beitrag Preußens bei der Reichsverteidigung stärkte das Selbstbewusstsein und Ansehen seines Herrschers darüber hinaus so sehr, dass Friedrich III. das Projekt, selbst König zu werden, mit erneuerter Zielstrebigkeit und letztlich erfolgreich vorantrieb. Zwar konnten diese Entwicklungen am 6. Juni 1690 in Berlin gewiss nicht vorausgesehen werden; dass aber auch zukünftig die Machtverhältnisse in Europa umkämpft und im ständigen Wandel sein würden, war mit Sicherheit allen Anwesenden klar. Und allen, die nicht persönlich dabei waren, wurden durch Berichte und Beschreibungen wie die hier vorliegende „Nachricht“ die Geschehnisse zur Kenntnis gegeben und bewusst gemacht.

„Kommt zum Wort das Element, wird daraus ein Sakrament.“ – Im Bericht über die Kreierung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg zum Ritter vom englischen Hosenbandorden kommt zu den elementaren, äußeren Worten und Handlungen der englischen Gesandtschaft die Rede des Herrn von Fuchs für und „neben Sr. Churfürstlichen Durchlaucht“ hinzu. In ihr wurde die bereits politisch und in der Folge auch symbolisch veränderte Realität noch einmal unmissverständlich kommuniziert: Wie der neue König von England in legitimer Nachfolge zu den bisherigen englischen Königen seit dem Mittelalter stand, waren die Könige von Frankreich seit ewigen Zeiten Feinde der gesamten Christenheit und somit gemeinsam zu bekämpfen. Die von Friedrich III. erbetene und von William III. gewährte Verleihung des Hosenbandes war eine machtpolitische Mitteilung an Kaiser Leopold I., an die Könige Louis XIV. und James II., an Papst Innozenz XI., an Sultan Süleyman II. und an alle übrigen Potentaten Europas, bis hin zu den Herzögen von Sachsen-Gotha-Altenburg: Die gemeinsamen Bande zwischen Brandenburg und Oranien waren enger denn je, ihre gemeinsame Macht größer denn je.



[1] Essay zur Quelle: Bericht über die Verleihung des Hosenbandordens an Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1690); [Edition], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-77496>.

[2] Zuvor hatte von Besser am 14. Mai 1690 lediglich die preußische Erbhuldigung choreographiert, vgl. Peter-Michael Hahn (Hrsg.), Johann von Besser, Schriften, Bd. 3: Ceremonial-Acta, Heidelberg 2009, S. 27.

[3] Genauere Untersuchungen zu diesem Thema scheinen nach dem wohl erstmaligen Aufbringen durch Rita Monaldi / Francesco Sorti, Imprimatur, München 2003 noch auszustehen. Zum allerdings bemerkenswerten Verhältnis Papst Innozenz' XI. zum Protestantismus und zu England vgl. Stefano Villani, Un papa "protestante". Innocenzo XI e l'Inghilterra di Giacomo II Stuart, in: Richard Bösel (u.a.) (Hrsg.), Innocenzo XI Odescalchi. Papa, politico, commitente, Rom 2014, S. 145-165, bes.

[4] Aufbewahrt unter der neuen Signatur „Geheimes Archiv Nr. 3465“, die alte Signatur lautet „Geheimes Archiv C II Nr. 2“. C steht für Auswärtige Angelegenheiten.

[5] Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha, Geheimes Archiv, Nr. 3465. Im Folgenden stammen alle Quellenzitate, sofern nicht anders vermerkt, aus der hier abgedruckten Quelle.

[6] Die chronologische Auflistung der Ordensritter bis Februar 1904 bei William Arthur Shaw, The Knights of England, Bd. 1, London 1906, auf der übrigens in weiten Teilen auch die entsprechende Liste bei Wikipedia basiert, erweist sich für die ältere Ordensgeschichte als überaus nützlich.

[7] Zur Entwicklung der Ordenskleidung vgl. Alan Mansfield, Ceremonial costume. Court, civil and civic costumes from 1660 to present day, London 1980, S. 48-61.

[8] Freilich können wir heute mit einiger Sicherheit sagen, wer am 6. Juni 1690 was gesagt hat. Wir kennen die rituellen lateinischen Sprüche von anderen Verleihungen des Ordens, außerdem erwähnt sie auch der entsprechende Bericht Johann von Bessers (vgl. Peter-Michael Hahn (Hrsg.): Johann von Besser, Schriften, Bd. 4: Ergänzende Texte. Memoriale, Bedencken, Projecte, Heidelberg 2010, S. 250-262, bes. S. 257).

[9] Forschungsbibliothek Gotha: Dauerleihgabe Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha, Oberhofmarschallamt Nr. 681 c 1791 II, fol. 25r.

[10] Eine deutsche Übersetzung der Rede, wenn auch nicht in Gänze von der Hand von Bessers geschrieben, findet sich in den Akten Johann von Bessers bei ders., Ergänzende Texte, S. 262-269. Für das hier vorgetragene Argument nicht zentral, aber doch überaus bemerkenswert ist, dass laut Bessers Bericht die englische Rede tatsächlich nur angefangen, dann aber statt einer Fortführung eine deutsche Übersetzung des Textes überreicht wurde, um „einem so illustren Auditorio in einer fremden Sprache nicht verdrüßlich zu fallen“ (ebd., S. 255).



Literaturhinweise:

  • Ute Daniel, Überlegungen zum höfischen Fest der Barockzeit, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 72 (2000), S. 46-66.
  • Leonhard Horowski, Das Europa der Könige. Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts, Reinbek 2017.
  • Christoph Kampmann (Hrsg.), Bourbon – Habsburg – Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, Köln/Weimar/Wien 2008.
  • Barbara Stollberg-Rilinger, Rituale, Frankfurt am Main 2019.
  • Lucien Bély, La société des princes. XVIe-XVIIIe siècle, o.O. 1997.

Bericht über die Verleihung des Hosenbandordens an Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1690); [Edition][1]

Nachricht

Wie der Churfürst Friederich der III. Zu Brandenburg mit dem Groß-Brittannischen Hosenbands-Orden von König Wilhelmen durch abgeordnete Gesandten investiret worden

[später mit Bleistift:] 1690

1r

Am 6. Juny ist von Königlicher Mayest: von Groß Brittanien Wilhelmi III. Sr: Hoch Fürstlichen Durchlaucht zu Brandenburgk Der Englische Orden von Hosen Bande conferiret worden, folgendes Zu observiren gewesen, Alß.

1. Frühe am 6. Juny auf den großen Neuen Saale, 1. Ein mit Rothen Sammet Bekleideter Trohn und Himmel, darauf ein Roth Sammeter mit Sibernen Frantzen umb und umb Bezierter Stuhl , worüber das Königliche Englische Wappen schön gehangen, und hernach auff der Seite 2. noch ein dergleichen Roth Sammeter Trohn und Himmel, nebst 1. Stuhl ohne Frantzen, darüber das Chur Brandenburgische Wappen gehangen, fertig waren.

2. Sind umb 12. Uhr Mittags 6. schöne mit 6. Pferden Bespannete Kutzschen von Schloßhofen gefahren, denen folgte die Siebende mit 6. Rappen Bespannte Caroße, auff deren ieden Seiten 7. Trabanten, und also zusammen 14. giengen, Worauff der Englische Gesandte und Herold aus den Logiament gehohlet worden;

3. Nach einer Virtel stunde kahmen die Kutzschen zurück, und stiegen aus denen ersten Sechßen, vor den Thor des innersten Schloß Hofes ab, die letzte aber fuhr mit denen Herren Gesandten, in Den innersten Schloß Hoff und Wurde Die Gesandten von

4. Den Herrn Ober Marschal Von Grumbkau aus der Caroße genommen, und Zu Sr. Churfürstlichen Durchlaucht geführet.

5. Bald darauf fingen die Trompeten an Zu Blaßen, und als Die-

6. se zum andern mahle anfingen zu Blaßen, Kahm Sr. Churfürstliche Durchlaucht in schönsten Gefolge, Begleitet, Von den Königlichen Gesandten, Fürsten Von Anhalt, Von Zerbst und Barby Von Köthen, Von den Feld Marschal Dörfflingen, und Vielen andern, auff den Großen Saal.

1v

7. Da sich Bey ersten Eintrit die Churfürstliche Capelle trefflich höhren lies,

8. Und traten Se. Churfürstliche Durchlaucht auff die andere seite Des Saals Verfertigten Trohne (der in der länge Des Saals stehende Trohn mit den Englischn Wapen, Blieb leer) und umb ihn oben her, Der Fürst Von Anhalt, Dörffling, und Der Herr Von Danckelmann, und andere Herren Geheime Räthe.

9. Der Königliche Abgesandten und Herold aber, setzte sich auff 2. an der seiten des Trohns stehende Rothe Sammete Stühle.

10. Alß nun auf gegebenes Zeichen des Herrn Ober Marschalls mit den Marschall-Stabe, die Capell-Music in Moment abschnapte und auffhörte,

11. Traten die Königlichen Abgesandten in Teutzschen Habit und der Königliche Herold in einen Leibfarbenen langen Atlaß Mantel welcher wie Unsere Trauer Mäntel lang war, auff den Trohn, Vor Se. Churfürstliche Durchlaucht und übergaben, nach einer Kurtzen Rede die Leges des Ordens, welches Der Herr Von Danckelman nahm, und Den Geheimen Secret: Ilgen gab, der solche Vor Den Trohn tretend, ablesen muste.

12. Nach diesen trat der Gesandte und Herold abermahl auff den Trohn, und überreichten den Ordens Brieff mit den Siegel, welchen Der Herr Secret: Ilgen abermahl lesen muste,

13. Darauff traten der Gesandte und Herold gantz auff den Trohn, und Zogen Beyde Sr. Churfürstlichen Durchlaucht das Ober Kleid, den Rock aus, und thaten eine Kurtze Rede, und traten ab, und langten unten Von einen Kleinen Tischlein

14. Das Hosenband, traten wieder auff den Trohn, nahmen Sr. Churfürstlichen Durchlaucht lingken Fuß, und legten selbigen

2r

auff einen Niedrigen Rothen sammeten Stuhl, und Bunden das Hosenband umb den Fuß, redeten wieder einige Wort,

15. traten ab, langeten einen Roth Sammeten Rock Durch und Durch weis gefüttert, stiegen wieder auff den Trohn, und Zogen Diesen Ser. Churfürstlichen Durchlaucht an, redeten wieder etliche Wort, stiegen herunter, langeten

16. Ein schön Gülden Schwerdt, traten auffn Trohn, Gürteten es Sr. Churfürstlichen Durchlaucht an den Leib, über den Rock, redeten wieder etliche Wort, traten ab, und langeten Von

17. Den Tischlein Einen schönen Viol-Blauen Sammeten mantel, welcher forn gantz schieff geschnitten, hinten Zu aber, einen langen Schweiff, bis auff die Erde hatte, nauff beyden Achseln waren 2. Güldene Große Wappen, und an 2. Seidenen Leiwe [?] hingen 2. große Trodeln, bis auff die Erde, legten solche über den Rock und Schwerdt, thaten eine Kurtze Rede, traten ab, und langeten einen schö-

18. nen Roth Sammeten Kragen, bunden auch diesen über den Mantel, und redeten wenig Wort, traten wieder ab, lan-

19. geten eine über aus breite und schöne Güldene Kette, traten auff den Trohn, hiengen Sie Sr. Churfürstlichen Durchlaucht über den Rothen Kragen und Blauen Mantel umb den Halß, welche bis auff den Halben Leib herab, und an Demselben ein Groß Gülden Schild, so den Ritte St: georgen mit dem Lindwurm sol praesentiret haben, hieng, redeten etliche Wort, traten ab, langeten

20. Einen schwartzen Sammeten Hut, umb welchen war eine Breite Diamantene Schnur vorne über der Stirne eine große Breite Diamantene Rose, und ein über Die
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maßen schöner Weißer, Dicker, Ellen Hoher Federbusch, auff dessen Wipffel, eine schwartze kleine Feder herfürragete, Dieser Federbusch stund vorne über Der Stirne, in Die Höhe, welcher überaus herrlich und prächtig stund, Sie setzten solche Sr. Churfürstlichen Durchlaucht auff, redten etliche Wort, traten ab, und setzten sich unten wieder auff ihre Beyde Stühle, hinter ihnen stund von Anfang bis zu Ende der Ceremonien Meister, Mons: Beßer, Bald stundn Beyde Gesandten wiederumb auff, traten unten vor den Trohn, gegen Se. Churfürstliche Durchlaucht über, redeten etwas lange, traten wiedr ab, setzten sich nieder, Darauff wurde Zum ersten mah-

22. le, wieder mit Trompeten und Paucken, herrlich gespiehlet,

23. Nach diesen traten die Gesandten wieder auff den Troh, thaten eine Kurtze Rede, traten ab, und setzten sich wieder, hierauff

24. trat der Herr von Fuchs, neben Sr. Churfürstlichen Durchlaucht so auff den Trohn saßen zur rechten Hand, und that eine treffliche Rede gantz laut, daß iederman deutlich verstehen Kundte: Die

25. Contenta waren ohngefehr folgende: Es Erkennen Sr. Churfürstliche Durchlaucht mit hhl. Danck, daß Se. Königliche Mayest. von groß Brittanien Wilhelm der Dritte, Selbigen den Orden des Hosen Bandes conferiren wollen, und ob wohl sonst Se. Churfürstliche Durchlaucht möchte gewüntzschet haben, in diesen Orden zu treten, wegen seiner Fürtrefflichkeit.
Denn man möchte erwegen, 1. das Alter, so stünde Er schon über 300. Jahr, 2. den Stiffter, so wehre es gewesen, der treffliche König Eduardus III. 3. Hoheit derer Jenigen, so diesen Orden Bekommen, weren gewesen, 8. Röm. Keyer, 12. Röm. Könige, 60. Churfürsten,

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ohne die anderen vornehmen Herren, 4. Einem Das 1. Wehre Beschützunge der Gerechtigkeit, und übung der Tapfferkeit, und Tugenden, so daß kein Orden in der Welt, was nachgeben, sondern er wohl allen in gewißen Stücken für Zu Ziehen, deßen requisita wehren, Daß wer in solchen Orden treten solte, 1. iemahls gegen seinen Obern einige Undanckbarkeit Beschuldiget, und 2. einmahl seinen Feinden den Rücken Zugekehret, und für ihnen geflohen, So wehre es doch Sr. Churfürstlichen Durchlaucht noch angenehmer, weil Er der erste, unter Freunden Potentaten wäre, Den von etztregierenden Königlichen Mayest: Von Groß Brittanien, Dieser Orden Beygeleget würde, und Zwar von einem solchen Könige der Sr. Churfürstlichen Durchlaucht mit Geblüthe und naher Verwandnüs Verwand, welches alle die Freude verdoppelt, und wehre nach dencklich

Da diese Orde, Zu ersten Von Den König in Engelland Eduardo tertio wehre Conferiret worden, Dem Dahmahligen Könige in Franckreich, Bey dem sich hatte der ambitio, Regiersucht, und Hochmuth die gantze Welt Zu Bezwingen, angefangen, So würde ietzo dieser Orden conferiret, Von Den Könige Wilhelmo tertio, den Friederico tertio, welche Beyde die Waffen glücklich führen würden wieder den ietzo regierenden König in Franckreich, deßen auffs höchste angewachsene Hochmuth zu Dämpffen.

Und ob wohl weder einmahl Bey diesen Orden im Schwerd

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hatte pflegen überreichet zu werden, So hatte doch Se. Königliche Majestät von G. B. dieses Schwerd Sr. Churfürstlichen Durchlaucht Beygeleget, selbiges wieder Die Feinde Europae zu gebrauchen, hierauff promittiret Er in Nahmen Sr. Churfürstlichen Durchlaucht sih dieses Ordens nicht unwürdig zu machen, sondrn allen diesen Leges heilig zu Beobachten, Dancket denen Herren Gesandten für die übernommene Mühe; Er lies sich auch Sr. Churfürstlichen Durchlaucht die Election daß Königliche Mayest. die Beyde Herren Mylord Jonston Gesandten, und Herolden zu dieser Solennitat erwehlen wollen, und promittiret alle Gnade.

26. Noch trat herfür ein Engelsmann, und That eine Rede in Englischer Sprache.

27. Darauff stunden die Gesandten auf, und wurden nach dem von dem Herrn Ober Marschal Grumbkau, gegebenen Zeichen, mit einen Weißen Tuche alle Canonen und Stücken 3. mahl umb die Stadt losgebrand, und gienge Seine Churfürstliche Durchlaucht unter der Capell-Music, in dero Habit, welches admirabel schön zu sehen, durch die gantze Menge, des Volcks, zwischen denen mit Helleparten stehenden Trabanten zum Saal hienaus, und unter Trompeten und Paucken-Schall, übern Schloß Platz, ins Churfürstliche Zimmer.

28. Nach einer halben Stunde, und zwar umb 8. Uhr nachmittage war Tafel, auff eben diesen großen Saal, und zwar unter den Trohne gehalten, an welchen kein Mensch saß, als Se. Churfürstliche Durchlaucht und dero Beyd Herren Abgesandten, und hatte Sr. Churfürstliche Durchlaucht der Fürst von Anhalt, Bey der Tafel, hinter Sr.

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Churfürstlichen Duchlaucht die Auffwarttung

29. Auff den Schloß Platze stunden 12. Metallene Stücke, ziemlich Groß, daraus wurde Bey allen Gesundheiten

30. Feuer gegeben; Hierauff wurd in der Nacht umb 11. Uhr ein Feuer werg, hinter den Churfürstlichen Lust Gartten angezündet, welches viel Tausend Menschen mit angesehen, und war das gantze Canal, so Voller Schiffe Kähne und Menschen, daß nicht zu Beschreiben, und

31. Wurd praesentiret als ein Wapen ohngefehr auff folgende Arth

[Abbildung eines Wappens, auf einem Hügel stehend, mit einem Einhorn als linken Schildhalter; auf dem Schild ein Kurfürstenhut mit einem bekrönten Löwen darauf. Der Schild trägt die Aufschrift „V WMR“. Links neben dem Schild: „Hier ist ein Löwe zu sehen gewesen.“ Rechts neben dem Schild: „Dieses sol ein Einhorn heißen,“]

Nebst diesen Wapen, so zu erst unten angezündet, und in Augenblick über und über Himmelblau brante, stunden drey

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Crohnen, Von Engel- Schott- und Irrland ohngefehr,

[drei identisch zu denkende Abbildungen, die eines Felsen in hochkanter Trapezform darstellen, worauf jeweils auf einem Stab eine Laubkrone steht. Die mittlere und die rechte Abbildung sind nur als Skizzen in ihren Umrissen ausgeführt.]

So von unten bis oben aus, schöne Blau Branten, in wehrender Zeit treffliche raqueten Kugeln, und Lufft Feier, los gebrand wurden, und alles ohne Schaden abgieng.


[1] Edition der Akte Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha Geheimes Archiv Nr. 3465; Quelle zum Essay: Marian Hefter, Beredtes Schweigen. Symbole, Worte und Riten als Elemente der Kommunikation am europäischen Hof der Frühneuzeit, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-131327>.


Für das Themenportal verfasst von

Marian Hefter

( 2023 )
Zitation
Marian Hefter, Beredtes Schweigen. Symbole, Worte und Riten als Elemente der Kommunikation am europäischen Hof der Frühneuzeit, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-131327>.
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