Auftritt: Löwe, Giraffe, Zebra und zwölf Jäger. Tiere auf Völkerschauen im 19. Jahrhundert

Völkerschauen hatten im ausgehenden 19. Jahrhundert Konjunktur, denn sie brachten die fremde Welt nach Europa. Zwischen den Ausgestellten und dem Publikum bestand stets eine große Distanz und so wurde hier in Auseinandersetzung mit dem kolonialen Anderen in gewisser Weise ausgehandelt, was Europa ausmachte. Überdies wurden mithilfe regelrechter Spektakel rassistische hierarchische Wissensordnungen abgebildet und zugleich eindrücklich bekräftigt. Doch schon bei den ersten Völkerschauen trugen nicht nur Menschen zum umfänglichen Spektakel bei, sondern auch eine weitere, bisher in der Forschung gänzlich unbeachtete, Gruppe: Tiere. Fremde, exotische Tiere waren Teil der Inszenierung, mehr noch: Tiere machten die fremde Welt anschaulich und verstehbar und trugen ihrerseits unmittelbar dazu bei, dass die hier präsentierte Welt beherrschbar erscheinen sollte. Dabei vermittelten die Völkerschauen zum einen ein neu gewonnenes Wissen über fremde Nutztiere sowie über prinzipiell domestizierbare Arten: Tiere erschienen damit als koloniale Ressource. Zum anderen verdeutlichte die Präsentation wilder Tiere auf Völkerschauen aber auch die Beherrschbarkeit der kolonialen Natur. Gerade wilde Tiere faszinierenden die Zuschauer über alle Maßen, sie reicherten die Herrschaft über die fremde, zu kolonisierende Welt mit Abenteuer und Spannung an und machten sie weiter begehrlich. Der Beitrag der Tiere zu Völkerschauen erschöpft sich daher gerade nicht darin, ein zoologisches Wissensobjekt zu sein, sondern betraf auch ihren exotischen Schauwert und ihren Beitrag zur Inszenierung der potentiell anzueignenden kolonialen Welt.

Auftritt: Löwe, Giraffe, Zebra und zwölf Jäger. Tiere auf Völkerschauen im 19. Jahrhundert[1]

Von Annika Dörner

Es war ein kalter, grauer, leicht verregneter Tag im Frühling 1895, als das Dampfschiff „Clan Ross“ im Hafen von London ankerte und die Passagiere aus Somalia nach Wochen auf See endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Wobei – viele der Passagiere spürten den englischen Boden nicht unter ihren Füßen, sondern unter ihren Hufen, Tatzen und Pfoten. Denn von Bord gingen neben zahlreichen Menschen aus Somalia auch 25 Wildpferde, 20 Dromedare, vier seltene somalische Wildesel und einige Löwen, Affen und Geparden. Diese wild gemischte Truppe wurde noch durch weitere Löwen, Elefanten, Zebras und unter anderem Strauße ergänzt, die einige Tage später mit einem zweiten Schiff eintrafen.

So tummelten sich den ganzen Tag an den Docks über 60 Menschen aus Somalia, eine beachtliche Menagerie an wilden Tieren sowie zahlreiche Schaulustige und Journalist/innen. Doch die Tiere und Menschen aus Somalia waren noch nicht am Ende ihrer langen Reise angekommen. Für sie ging es mit dem Zug weiter zum Crystal Palace, dem zu dieser Zeit namhaftesten und renommiertesten Ausstellungsgelände in London, wo sie ein originalgetreues somalisches Dorf bewohnen und zahlende Zuschauer/innen zudem mit täglichen Aufführungen unterhalten sollten. Kurzum, bei den Tieren und Menschen, die hier mit dem Schiff in der kolonialen Metropole London ankamen, handelte es sich um die Teilnehmer/innen einer Völkerschau im großen Stil.

Völkerschauen waren im 19. Jahrhundert – und vereinzelt bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts – in ganz Europa verbreitet.[2] Die Inszenierung und Betrachtungsweise changierte dabei zwischen wissenschaftlicher Begutachtung vermeintlich anderer Menschen-„Rassen“ und Unterhaltung in Form zahlreicher Darbietungen. Hierzu gehörte die Aufführung regelrecht dramatisierter, szenischer Handlungen.[3] Die präsentierten Menschen wurden dabei als die kolonial „Anderen“ inszeniert. In Auseinandersetzung mit diesem kolonial „Anderen“ standen europäische Selbst- und Fremdbilder zur Debatte, schließlich ging es darum, sich abzugrenzen und Unterschiede zu suchen. So wirkten Völkerschauen in den kolonialen Metropolen daran mit, ein hierarchisches, von Machtungleichheit geprägtes Weltbild zu produzieren und sich der eigenen europäischen Überlegenheit rückzuversichern.[4]

Bei der Londoner Völkerschau handelte es sich also um ein europaweit anschlussfähiges Format. Völkerschauen tourten durch ganz Europa und waren fester Bestandteil der Weltausstellungen. Die jeweiligen europäischen Länder mussten dabei selbst keine Kolonien besitzen. Die erste Völkerschau in Deutschland etwa organisierte Carl Hagenbeck 1875 in Hamburg,[5] also zehn Jahre, bevor Deutschland offiziell Kolonialmacht wurde. Überzeugende Arbeiten zur Schweiz zeigen allerdings, dass eine grundlegende Kolonialität der Gesellschaft auch ohne eigenen Kolonialbesitz einen wesentlichen Teil eines europäischen Selbstverständnisses bildete und somit auch hier koloniale Strukturen gesellschaftlich und (alltags-)kulturell tief verankert waren.[6] Auch wenn Somalia erst seit 1887 als britisches Protektorat Teil des Empire war,[7] stand die Völkerschau 1895 also ganz im Zeichen des europäischen kolonialen Projekts.

Doch handelt es sich bei Völkerschauen nicht um rein europäische Veranstaltungen. So ist gut erforscht, wie Europäer/innen auf die menschlichen Völkerschauteilnehmer/innen blickten, wie Europa sich in Auseinandersetzung mit diesen kolonial „Anderen“ in der Metropole konstituierte, aber auch, welche Strategien eingesetzt wurden, um sowohl Glaubwürdigkeit als auch die Unterhaltung des Publikums zu erzielen. Eben die nichteuropäischen Darsteller/innen dieser Völkerschauen waren jedoch wesentlich daran beteiligt; ihre Erfahrungen und Handlungsspielräume gingen durchaus nicht in einer bloßen passiven Position auf. So unterliefen sie etwa koloniale Erwartungen, blickten auf das gaffende europäische Publikum zurück – Kwelle Ndumbe aus Kamerun kaufte sich eigens für diesen Zweck ein Opernglas[8] –, klagten erfolgreich vertraglich zugesicherte Rechte ein und nutzten die Teilnahme an Völkerschauen in Europa für die eigene Stellung in ihren Herkunftsgesellschaften oder auch schlicht für ihren finanziellen Vorteil.[9]

Wie ein erster Blick auf die Passagiere der „Clan Ross“ zeigt, waren es nicht nur Menschen, die auf Völkerschauen zu sehen waren. Vielmehr war ebenfalls eine große Zahl an Tieren an Bord. Ihnen sollte, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, innerhalb der Völkerschauen eine bedeutende Rolle zukommen.[10]

Tiere waren bereits zu Beginn der ersten Völkerschauen des 19. Jahrhunderts ein fester Bestandteil dieses Formats. Mit zunehmender Spektakularisierung kam ihnen eine immer größere Bedeutung zu: So wurden etwa dressierte Elefanten gezeigt oder auch Dromedar-Rennen.[11] Obwohl also die Anwesenheit von Tieren auf Völkerschauen für die Zeitgenoss/innen selbstverständlich war und sie reichlich in den Quellen erwähnt werden, wurden sie bisher von der Forschung weitestgehend ignoriert.

Es lohnt daher, Tiere auf Völkerschauen in den Fokus zu rücken. Dies ist vor allem auch dadurch gut möglich, dass Völkerschauen ein großes Medienecho fanden und dementsprechend eine Vielzahl von Zeitungen und Zeitschriften über sie berichteten. Die Firma Hagenbeck legte eine Sammelmappe für die Somalia-Show 1895 in London an, in der mehr als 275 Artikel abgeheftet wurden. Darunter waren exemplarisch auch zwei Artikel aus der Tageszeitung The Globe. Der Globe richtete sich an ein breites, gemäßigt konservatives Publikum und präsentierte sich selbst als literarische Zeitung des Londoner Bildungsbürgertums.[12] Der Leserschaft entsprechend wird in den Artikeln nicht vulgär auf die Physiognomie der Somalis eingegangen, und auch der rein unterhaltende Ton anderer Zeitungen und Zeitschriften fehlt. Entsprechend der konservativen Haltung der Leserschaft avancierte in der Berichterstattung stattdessen die Geschlechterordnung der Somalis zum Thema. Auch wurden also selbst Völkerschauen, wie auch sonst in der Berichterstattung der konservativen Presse genutzt, um einerseits eine vermeintlich natürliche Geschlechterordnung beispielhaft zu illustrieren und andererseits zugleich bürgerlichen Frauen die Vorzüge ihrer „zivilisierten“ Lebenswelt vor Augen zu führen. So sollte die traditionelle bürgerliche Geschlechterordnung befördert und emanzipatorische Bestrebungen, wie sie sich in der Figur der vom Globe ebenfalls aufgegriffenen „Neuen Frau“ finden, entkräftet werden.[13]

Doch darüber hinaus sind die Artikel des Globe zu befragen, in welche Wissensregime und Vorstellungswelten Tiere auf Völkerschauen eingebunden waren und welche Rolle ihnen dabei zukam. Ein erster offensichtlicher Mehrwert der Tiere war, wie im Globe Artikel vom 27. April 1895 deutlich wird, ihr Schauwert. Schon ohne eine gezielte Inszenierung reichte die pure Anwesenheit der fremden und exotischen Tiere aus, eine Menschenmenge anzuziehen. Über die Publicity waren der mitgereiste Josef Menges, der dem Globe ein Interview gab, und sein Geschäftspartner Carl Hagenbeck sicherlich froh, schließlich war es gute Werbung für die aufwendige Völkerschau. Beide hatten Erfahrung im Geschäft, sowohl von Völkerschauen als auch im Umgang mit Tieren. Josef Menges arbeitete als Tierfänger und -händler schwerpunktmäßig am Horn von Afrika, hatte aber seine lokalen Netzwerke und die internationale Logistik schon vorher genutzt, um neben Giraffen, Löwen und Elefanten für europäische Zoos auch Menschen aus Somalia nach Europa zu transportieren; ein Unterfangen, mit dem er allerdings finanziell scheiterte.[14] Carl Hagenbeck, für dessen global agierendes Tierhandelsunternehmen Menges hauptsächlich arbeitete, hatte da schon mehr Erfolg mit seinen Völkerschauen gehabt. Ja, er konnte sich sogar damit rühmen, das Genre, wenn auch nicht erfunden, so doch massiv ausgebaut und verbreitet zu haben.[15] Für beide Männer war es also nicht ihre erste Völkerschau, für die meisten Somalis schon – nicht jedoch ihre letzte. Der Somali Chief Hirsi Ige, der hier zum ersten Mal dabei war, nahm die folgenden 30 Jahre lang an zahlreichen Völkerschauen für Hagenbeck teil, die ihn etwa zur Eröffnung von Hagenbecks Tierpark in Hamburg oder bis nach Argentinien brachten.[16] Er wurde zudem zu einem wichtigen Mittelsmann im Tierhandelsgeschäft mit Menges und Hagenbeck.[17] Hier wird demnach die agency des Völkerschau-Teilnehmers Hirsi Ige deutlich und auch, dass er seine Teilnahme an dieser und anderer Shows für sich zu nutzen wusste. Hirsi Ige, als somalischer Dorfbewohner und Tierfänger, und Josef Menges, als einer der europäischen Jäger, spielten also fiktionalisierte Versionen ihrer selbst auf der Völkerschau. Inwiefern trifft dies auch auf die größte Gruppe der Beteiligten[18] zu – die Tiere?

Zunächst ist festzuhalten, dass Tiere real und physisch einen essenziellen Teil der Völkerschau ausmachten. Das, was hier präsentiert wurde, waren keine bloßen Repräsentationen oder Bilder von Tieren, sondern leibhaftige Tiere. Diese Tiere machten Geräusche, von ihnen gingen Gerüche aus und je nachdem, wie sie sich verhielten, ging das Verladen vom Schiff auf die Schiene flinker oder umständlicher vonstatten. Die Tiere hatten also Einfluss nicht nur auf die Logistik der Völkerschau. Durch ihr Verhalten, aber auch einfach dadurch, dass diese Tiere aus Somalia nun in London weilten und betrachtet werden konnten, waren sie eine Attraktion – ob an den Docks oder vor allem im Crystal Palace. Dort waren sie nicht nur während der Aufführung zu sehen, sondern verbrachten den Großteil des Tages, wie auch die menschlichen Teilnehmer/innen, im Dorf, so dass das Publikum einen Einblick in den vermeintlichen Alltag in Somalia gewinnen konnte. Dieses Dorf war, da es in der Mitte der Sportarena lag, jederzeit gut einsehbar und ermöglichte eine hervorragende Betrachtung der Tiere.

Entsprechend zeitgenössischer Vorstellungen von Wissensvermittlung wurde hier zoologisches Wissen über das Betrachten – gemäß des Mottos der Chicagoer Weltausstellung 1893 „to see is to know“ – präsentiert.[19] Die Globe-Artikel machten dies etwa am Beispiel der Schafe deutlich, die genau beschrieben wurden, wobei die biologische Besonderheit eines Fettschwanzes und seine Bedeutung für das Überleben in der Wüste betont wurden. Hervorzuheben waren auch die Wildesel mit ihrer markanten zebraähnlichen Musterung an den Beinen, die im Mittelpunkt zeitgenössischer zoologischer Domestizierungsdebatten standen. Die Tiere wurden also auch kolonialen Wissensformationen unterworfen, die sie klassifizierten und kategorisierten und so etwa zu nutzbaren oder seltenen Objekten machten – oder im Fall des Wildesels zu beidem zugleich. Ebenso wie zoologische Gärten kann die Somali-Show somit als eine typische Form der Popularisierung von Wissen im 19. Jahrhundert gelten.[20]

Tiere hatten in der Somali-Show nicht nur eine Funktion als zoologische Wissensobjekte und einen hohen Schauwert, es wurden auch ganz bestimmte Bedeutungen dieser Tiere illustriert. Die verschiedenen kleinen Szenen zeigten sie zum einen als Nutztiere, etwa, wenn sich die Männer zu Beginn der Handlung um die Pferde, Dromedare und Strauße kümmerten. Schon der erste Artikel des Globe über die Ankunft des Schiffes legte großen Wert auf die Beschreibung der Schafe und verschiedenen Esel. Zum anderen wurden die Tiere in der Handlung auch als Handelsobjekte ein- und vorgeführt, zunächst in den Szenen in der Zeriba, der Tiersammelstation, und schließlich als Jagdbeute in der Karawane. Somalia erschien so als ein Land mit einem großen Reichtum an domestizierten – Dromedaren, Pferden, Schafen und Ziegen – und domestizierbaren Nutztieren, wie dem Wildesel und seinen Kreuzungen, die im Somali-Dorf zahlreich und vielfältig vertreten waren.

Es wurde bei den Besucher/innen also nicht nur das Bild erzeugt, dass in Somalia kolonial nützliche und begehrliche Tiere lebten und verfügbar waren; im Crystal Palace wurde auch eindrucksvoll das Wissen um den Umgang mit diesen Tieren, ihre Pflege, Aufzucht und Haltung in Szene gesetzt. Die Somalis erschienen so als in vielfältiger Hinsicht kenntnisreich. Sie verstanden es, mit den eigenen Tieren sorgsam umzugehen und passten sich an veränderte Gegebenheiten an, ob das nun an den Docks unmittelbar nach ihrer Ankunft in England oder die durch den Auftritt der europäischen Jäger neue Situation der Show war. Da Völkerschauen ökonomische Veranstaltungen waren, die ihrem zahlenden Publikum etwas bieten mussten, wurde dieses Wissen der Somalis um ihre Tiere unterhaltsam und spannend in der Handlung inszeniert. Zoologisches und praktisches Tier-Wissen wurden so zum Spektakel. Durch die Inszenierung sowohl von nützlichen Tieren als auch von Menschen, die über das Wissen und die Kenntnisse verfügten, mit diesen Tieren umgehen zu können, illustrierte die Völkerschau Somalia als Ort, der gute Voraussetzungen für Kolonialherrschaft bot. Menschen und Tiere wurden so als koloniale Ressource auf eindrückliche Weise präsentiert.

Auch in der restlichen Handlung des inszenierten Dramas kam Tieren eine bedeutende Rolle zu. Diese ging nicht im reinen Schauwert exotischer Tiere auf, und außerdem standen sie auch nicht im Hintergrund; vielmehr waren Tiere für die Handlung zentral und trugen aktiv zum Gelingen der Show bei. Tiere wurden so nicht nur in die imaginierte Welt auf der Bühne, sondern auch in die Vorstellungswelten im Kopf der Besucher/innen integriert. Besonders deutlich wird dies am Höhepunkt der Völkerschau – der großen Tierkarawane – die hier abschließend analysiert wird.

Zum Finale der Show kamen die europäischen Jäger mit den Somalis und einer Kolonne aus Elefanten, Zebras und anderen großen Tieren, die sie auf der „Jagd-Expedition“ gefangen hatten, wieder hinter den Kulissen hervor, zurück auf den Schauplatz des Dorfes. In dieser Szene wurden die Zähmung und Dressur wilder Tiere eindrucksvoll illustriert. Ein solches Beherrschen wilder Tiere verweist dabei sinnbildlich auf die Unterwerfung der Natur und somit des fernen Landes, aus dem diese Tiere stammten. Wie die vorher vorgeführten Nutztiere in ihrer Funktion als koloniale Ressource eine beherrschbare Welt außerhalb Europas belegten, so stellten die exotischen, gezähmten und dressierten Tiere in der Karawane einen anderen Aspekt eben dieser Herrschaft über Welt dar. Zudem bot die Karawane dem Publikum ein fulminantes Spektakel und befriedigte Sehgewohnheiten der Zuschauer/innen, die diese aus anderen Kontexten gewohnt waren, in denen exotische Tiere spektakulär präsentiert wurden – nämlich dem Zirkus.[21] Hagenbeck und seine Dompteur/innen verfügten über große Dressurerfahrungen und konnten außerordentliche Erfolge auf diesem Gebiet verzeichnen.[22] Dieses Wissen im Umgang mit Tieren wurde gezeigt und effektvoll genutzt, um das Publikum zu begeistern. Zugleich reicherte die Begeisterung für eine solche Art Tiere vorzuführen, die Fantasien und Vorstellungen von den fremden Weltgegenden, die hier präsentiert wurden, an.

Die Inszenierung der Karawane und die mit ihr verbundenen Fantasien lebten allerdings nicht nur von dem, was gezeigt wurde, sondern besonders auch von dem, was nicht gezeigt und verschwiegen wurde. In diesem Fall war es die Szene, die kurz vor der Schluss-Karawane stattfand – oder eben eigentlich nicht. Denn die für den Höhepunkt der Show so wichtige Jagdszene musste der Imagination des Publikums überlassen werden, da die Jagd der Show nur hinter den Kulissen stattfand, und das im tatsächlichen Sinne. Die Jäger verließen die Bühne, um aus den Kulissen mit der Tier-Karawane wieder hervorzukommen. Dadurch wurde die gewalthafte und verlustreiche Realität von Jagd und Fang der Tiere verschwiegen und verharmlost. Tatsächlich war die Jagd afrikanischer Tiere mit großen Gefahren sowohl für die jagenden Menschen als auch für die bejagten Tiere verbunden.[23]

Während die Gefahren und Beschwerlichkeiten also ausgeblendet wurden, wurden die exotischen Tiere und ihr Reiz umso sichtbarer. Die Karawane veranschaulichte deutlich, dass Somalia ein Ort war, an dem all diese faszinierenden Tiere, von Löwen über Elefanten bis hin zu Zebras und Geparden, in Massen vorkamen. Ja, dass man sie quasi nur von dort abzuholen und nach Europa in die Zoos, Tiergärten und Zirkusse zu bringen bräuchte. Diesen Eindruck nutze Hagenbeck gekonnt zur Werbung für sein Tierhandelsgeschäft, wie zahlreichen zeitgenössischen Zeitungsberichten zu entnehmen ist. Doch die große Masse an so beeindruckenden und gefährlichen Tieren war nicht nur für den Tierhandel und seine Kunden, die lebende Tiere präsentieren wollten, interessant. Die Karawane belegte auch, dass in Somalia mit Elefanten, Löwen und Leoparden drei Arten der begehrtesten zu bejagenden Tiere existierten. Somalia erschien damit als Tierparadies nicht nur für Zoos und ihre Zulieferer, sondern in besonderer Weise auch für Großwild- und Trophäenjäger. Auch in dieser Hinsicht waren Tiere damit sowohl lebend als auch tot eine wichtige Ressource, die hier eindrucksvoll präsentiert wurde.

Nicht nur für die Karawane aus erfolgreich – in der Show – problemlos gefangenen Tieren, sondern auch schon für das erfolgreiche Abwehren des Banditenüberfalls war vor allem eine Gruppe von zentraler Bedeutung: die europäischen Jäger. Sie fungierten in der Show als Identifikationsfiguren. Dabei war die Figur des Großwildjägers aufgeladen mit Vorstellungen von Abenteuer, Männlichkeit und einer kolonialen frontier.[24] Bekannte Großwildjäger veröffentlichten ihre Jagderzählungen als spannende Geschichten, wie etwa Hans Schomburgk und Carl Georg Schillings in Deutschland oder Roualeyn Gordon Cumming in Großbritannien. Dadurch, dass die Jagd auf exotische und durchaus gefährliche Tiere ein Teil der Show war, wurden die präsentierten Vorstellungen von Welt zusätzlich mit dem Potenzial zeitgenössischer Abenteuererzählungen angereichert, wodurch sie noch spannender und aufregender wurden.[25] Diese emotionale Ansprache des Publikums weckte so zudem Begehrlichkeiten nach diesem Teil der Welt. Während also die gezeigten Nutztiere interessant und die Kenntnisse der Somalis im Umgang mit ihren Tieren beeindruckend waren und zeigten, dass Bedingungen und Ressourcen für koloniale Herrschaft gegeben waren, so wirkten die gezähmten wilden, exotischen Tiere mit ihren Assoziationen von Großwildjagd mehr dahin, dass man den Verlockungen von Abenteuer folgen und diesen entfernten Flecken Erde nicht nur in der präsentierten Fantasie der Völkerschau beherrschen wollte.

Diese Fantasie hing gleichwohl entscheidend von der in der Show eindrucksvoll präsentierten Mitwirkung der Tiere ab. Nur, wenn sie diese ihre Rolle übernahmen, gelang die Inszenierung. Die Tiere konnten die Aufführung schließlich auch stören oder sogar verunmöglichen. Der Erfolg der Vorstellung hing somit von der Kooperation zwischen menschlichen und tierlichen[26] Darsteller/innen ab. Denn da die Auftritte der Tiere von ihnen Geschick, Können, Geduld, Mühe und Übung verlangten, und sie also zentral an der Handlung mitwirkten, können die Tiere durchaus als Darsteller betrachtet werden.[27] Dies betont darüber hinaus, dass die vorgeführten Interspezies-Interaktionen nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Tiere Arbeit waren.[28]

Diese Interaktionen zwischen Menschen und Tieren verliefen allerdings nicht immer konfliktlos. Dass einige Tiere sich gegen die ihnen entgegengebrachte Behandlung und ihre Umstände wehrten, wird beispielsweise in den vom Globe beschriebenen Szenen an den Docks deutlich. Die somalischen Pferde traten aus und bäumten sich auf, die Somali mussten die Pferde zerren, ziehen und antreiben, um sie in die Transportboxen zu bekommen. Andere Tiere wie ein junger Löwe und einige Hyänen äußerten ihr Unbehagen auf andere Weise, waren in ihren Kisten schwer zu bändigen, bissig und knurrten. Wieder andere Tiere hingegen, wie die Dromedare, ließen sich ohne Probleme auf den Zug verladen.

Die Tiere taten hier unzweifelhaft etwas und dieses Verhalten hatte Auswirkungen auf die Handlungen der Menschen. Ein praxeologischer Zugriff[29] kann den Blick auf die Körper der Tiere lenken, die sich aufbäumten, zerrten und austraten, so dass sich hier von einer embodied agency[30] der Tiere sprechen lässt, denen somit eine Art Handlungsträgerschaft[31] zukommt. Dies soll nicht universalisierend verstanden werden. Vielmehr betonen geschichtswissenschaftliche Arbeiten zu tierlicher agency mit Nachdruck die Bedeutung der Empirie, dass eben einzelne Tiere in einer spezifischen historischen Situation und einem konkreten raumzeitlichen Setting zu untersuchen sind.[32] Die Handlungsmöglichkeiten eines Dromedars waren andere als die eines Wurms. Und beides war keineswegs deckungsgleich oder identisch mit der agency der beteiligten Somalis, die absichtsvoll und intentional handelten und die, wie etwa Hirsi Ige, es zwar nicht voraussehen, wohl aber darauf spekulieren konnten, dass sich aus der Teilnahme an der Völkerschau auch künftig mögliche profitable Geschäfte ergeben könnten.

In den über 275 Berichten über die Aufführungen der eigentlichen Völkerschau finden sich keine Erwähnungen von unkooperativen tierlichen Darstellern. Die Dromedare machten beim Wettrennen mit, die Schafe, Ziegen und Strauße ließen sich als Brautpfand geben, die Dromedare rannten – mit einem Reiter auf dem Rücken – um die Wette und die Elefanten und Zebras bildeten mit den anderen Tieren und Menschen die große Karawane. Die Tiere übernahmen also die von ihnen erwarteten Rollen. Wie Peta Tait in ihrer grundlegenden Studie zu Zirkus- und Menagerietieren argumentiert, kann analog auch hier überzeugend von animal actors[33] gesprochen werden, da sie ihre Auftritte geprobt hatten und vor einem Publikum aufführten. Dabei bestand stets die Möglichkeit, dass ein Tier doch etwas anderes tat, als was von ihm erwartet wurde.[34]

Abschließend ist festzuhalten, dass Tiere eng in die an Völkerschauen deutlich werdenden Wissensregime und Vorstellungswelten eingebunden waren, wobei ihr eigener tierlicher Beitrag wesentlich war. Neben ihrem Schauwert wurden die Tiere als zoologische Wissensobjekte und koloniale Ressourcen präsentiert, zudem weckten sie Assoziationen zu populären Abenteuern. Alles in allem hing die Völkerschau nicht zuletzt auch von konkreten, individuellen Tieren ab, und von ihrer Mitwirkung. Schon allein durch ihre körperliche Anwesenheit, beeinflussten sie die Logistik, und zwar nicht nur die Größe der Boxen, die transportiert werden mussten, sondern auch wie schnell das Verladen vom Schiff auf die Schiene vonstattenging.

Vor allem aber leisteten die Dromedare, Schafe, Löwen und Elefanten einen wesentlichen Beitrag zur Handlung, schließlich ermöglichte erst ihr Zusammenwirken mit den menschlichen Darsteller/innen die inszenierte Handlung. Damit wurden neue koloniale Möglichkeiten greifbar, wobei die präsentierte Domestizierung und Zähmung über die konkreten Tiere hinaus auf das europäische koloniale Projekt insgesamt verwiesen. Ebenso wie Josef Menges und Hirsi Ige spielten – so ließe sich schlussfolgern – auch die Tiere fiktionalisierte Versionen ihrer selbst. So hatten nicht nur die europäischen und somalischen Jäger ihren Auftritt, sondern eben auch Löwen, Giraffen und Zebras.



[1] Essay zur Quelle: Zeitungsartikel aus der Zeitung The Globe zum Thema Völkerschau (April / May 1895); [Transkript], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-77560>.

[2] Grundlegend Hilke Thode-Arora, Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen, Frankfurt am Main 1989; und weitere Artikel der Autorin; vgl. zu Völkerschauen außerdem Anne Dreesbach, Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870-1940, München 2003; Sierra A. Bruckner, Spectacles of (Human) Nature. Commercial Ethnography between Leisure, Learning and Schaulust, in: Glenn Penny / Matti Bunzl (Hrsg.), Worldly Provincialism. German Anthropology in the Age of Empire, Ann Arbor 2006, S. 127–155.

[3] Eric Ames, Carl Hagenbeck’s Empire of Entertainments, Seattle 2008, bes. Chapter Three: Hagenbeck’s Turn to Fiction, S. 103–140. Andrew Zimmerman, Science and Schaulust in the Berlin Museum of Ethnology, in: Constantin Goschler (Hrsg.), Wissenschaft und Öffentlichkeit in Berlin, 1870–1930, Stuttgart 2000, S. 65–88.

[4] Raymond Corbey, Ethnographic Showcases, 1870–1930, in: Cultural Anthropology 8 (1993), S. 338–369.

[5] Hilke Thode-Arora, Hagenbeck’s European Tours. The Development of the Human Zoo, in: Pascal Blanchard / Nicolas Bancel (Hrsg.), Human Zoos. Science and Spectacle in the Age of Colonial Empires, Liverpool 2008, S. 165–173, hier S. 165.

[6] Patricia Purtschert / Barbara Lüthi (Hrsg.), Postkoloniale Schweiz. Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, Bielefeld 2013; Patricia Purtschert, Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert. Eine Geschichte der weißen Schweiz, Bielefeld 2019; Bernhard Schär, Tropenliebe. Schweizer Naturforscher und niederländischer Imperialismus in Südostasien um 1900, Frankfurt am Main 2015.

[7] Wolbert Smidt, Art. „British Colonialism in the Horn of Africa“, in: Siegbert Uhlig (Hrsg.), Encyclopedia Aethiopica 4 (2010), Sp. 1027 – 1033, bes. 1028.

[8] Seyda Kurt, Koloniale Völkerschauen. „Es war und ist der rassistische Blick auf nicht-weiße Menschen“, in: ze.tt, URL: https://ze.tt/koloniale-voelkerschauen-es-war-und-ist-der-rassistische-blick-auf-nicht-weisse-menschen/ (14.12.2020).

[9] Hilke Thode-Arora, „Around the World for Fifty Pence“. The Phenomenon of the Ethnic Shows, in: Hilke Thode-Arora / Peter Hempenstall (Hrsg.), From Samoa with Love, München 2014, S. 79–92 hier S. 88f. und Hilke Thode-Arora, A Diplomatic Visit? Tamasese in Germany and the Samoa Show of 1910-11, in: Hilke Thode-Arora / Peter Hempenstall (Hrsg.), From Samoa with Love, München 2014, S. 139–186.

[10] Der vorliegende Essay folgt in dieser Hinsicht, den Überlegungen Mieke Roschers, die in einem neueren Beitrag zur Geschichte zoologischer Gärten betont, dass und in welchem Umfang die „Interaktion […] vor allem mit Tieren, die dabei keinesfalls nur Staffage waren, sondern zentral für die performative Umsetzung der Idee von Kolonie standen“ zentraler Bestandteil der auf Völkerschauen präsentierten Idee eines immer schon zum Teil imaginären Kolonialreiches waren. Mieke Roscher, Zoopolis. Eine politische Geschichte zoologischer Gärten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Der Zoo, 9 (2021), URL: https://www.bpb.de/apuz/zoo-2021/327646/eine-politische-geschichte-zoologischer-gaerten?rl=0.7085662410669267 (10.03.2021).

[11] Eric Ames, Carl Hagenbeck’s Empire of Entertainments, Seattle 2008, bes. Chapter Three. Hagenbeck‘s Turn to Fiction, S. 103–140; und Thode-Arora, Für fünfzig Pfennig um die Welt, bes. S. 104–114.

[12] Deering, Dorothy, The London "Globe" of the 1840s and 1850s, in: Victorian Periodicals Newsletter, 4 (1971), S. 28–29.

[13] Purtschert, Kolonialität und Geschlecht, hier S. 114-121.

[14] Monika Jung, Josef Menges. Naturforscher, Ethnologe, Zoologe und Tierhändler, Limburg an der Lahn 2017, hier S. 138 – 158.

[15] Thode-Arora, Für fünfzig Pfennig um die Welt.

[16] Ames, Empire of Entertainment, hier S. 47f.

[17] Thode-Arora, Around the World for Fifty Pence, hier S. 88.

[18] Da es stark anthropomorphisierend wäre, menschliche Konzepte von Genderidentitäten auf Tiere anzuwenden, wird hier bewusst auf die sprachliche Inklusion der Geschlechter der Tiere verzichtet. Vgl. dazu Juliane Schiel / Isabelle Schuerch / Aline Steinbrecher, Von Sklaven, Pferden und Hunden. Trialog über den Nutzen aktueller Agency-Debatten für die Sozialgeschichte, in: Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 32 (2017), S. 17–48.

[19] Nils Müller-Scheessel, To See is to Know. Materielle Kultur als Garant von Authentizität auf Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, in: Stefanie Samida (Hrsg.), Inszenierte Wissenschaft. Zur Popularisierung von Wissen im 19. Jahrhundert, Bielefeld 2014, S. 157–176.

[20] Solche Versuche, naturkundliches Wissen auch und gezielt unter Laien zu verbreiten, sind in dieser Zeit zahlreich zu beobachten. Dennoch hat die Forschung die Geschichte und Bedeutung von Formaten wie dem Kuriositäten-Kabinett, dem Panoptikum und anderen Schaustellungen wie Völkerschauen bisher wenig beachtet. Vgl. John Rickards Betts, P. T. Barnum and the Popularization of Natural History, in: Journal of the History of Ideas 20 (1959), S. 353–368.

[21] Peta Tait, Fighting Nature. Travelling Menageries, Animal Acts and war Shows, Sydney 2016, hier S. 180.

[22] Nigel Rothfels, Savages and Beasts. The Birth of the Modern Zoo, Baltimore 2002, hier S. 8f.

[23] Nigel Rothfels, Catching Animals, in: Mary J. Henninger-Voss (Hrsg.), Animals in Human Histories. The Mirror of Nature and Culture, Rochester 2009, S. 182–228, hier S. 190-196.

[24] Vgl. Peta Tait, Fighting Nature, besonders das Kapitel 3 “Imperial Hunting Show Legends”, S. 67–102.

[25] Vgl. auch Tate, Fighting Nature, bes. S. 67–102.

[26] In den deutschsprachigen Human-Animal-Studies hat es sich durchgesetzt, in Analogie zum Begriff „menschlich“ das Adjektiv „tierlich“ statt dem pejorativ konnotierten „tierisch“ zu verwenden. Vgl. Gesine Krüger / Aline Steinbrecher / Clemens Wischermann, Animate History. Zugänge und Konzepte einer Geschichte zwischen Menschen und Tieren, in dies. (Hrsg.), Konturen einer Animate History, Stuttgart 2014, S. 8–33, bes. S. 11–12 und Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies, Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse und Human-Animal Studies, in: dies. (Hrsg.), Human-Animal Studies. Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen, Bielefeld 2011, S. 7–42, hier S. 33.

[27] Zu einer ausführlicheren Diskussion zur agency von Tieren siehe weiter unten. Von Tieren als Darstellern etwa in antiken Spektakeln oder im Ökotourismus zu sprechen, ist in den Human-Animal-Studies weitverbreitete Praxis. Siehe dazu exemplarisch die Beiträge in Jessica Ullrich / Aline Steinbrecher (Hrsg.), Tiere und Unterhaltung, Berlin 2016. Solche Fragen können dabei auch im Sinne der Critical Animal Studies Fragen von Tierrechten berühren, vgl. etwa Jason Hribal, Kasatka, the Sea World Orca, in: CounterPunch, URL: https://www.counterpunch.org/2006/12/14/kasatka-the-sea-world-orca/ (14.12.2020).

[28] Wiebke Reinert, Applaus der Robbe. Arbeit und Vergnügen im Zoo, 1850-1970, Bielefeld 2020, hier S. 15.

[29] Vgl. Krüger / Steinbrecher /Wischermann, Animate History, bes. S. 26 –33; und für Einblicke in drei sehr gelungene Fallstudien und eine prägnante theoretische Diskussion vgl. Schiel / Schuerch / Steinbrecher, Von Sklaven, Pferden und Hunden.

[30] Vgl. einführend zum Konzept der embodied agency Krüger / Steinbrecher /Wischermann, Animate History, bes. S. 31

[31] Auf dieses Konzept gehen Schiel, Schuerch und Steinbrecher genauer ein, siehe Schiel / Schuerch / Steinbrecher, Von Sklaven, Pferden und Hunden, bes. S. 21. Vgl. dazu auch Tilo Raufer, Handlungsträgerschaft und Identität in der postsozialen Gesellschaft, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Frankfurt a. M. 2008, S. 3123–3134.

[32] Schiel / Schuerch / Steinbrecher, Von Sklaven, Pferden und Hunden, bes. S. 23; David Gary Shaw, The Torturer’s Horse. Agency and Animals in History, in: History and Theory 52 (2013), S. 146–167.

[33] Tait, Fighting Nature, bes. S. ix.

[34] Aus diesem Grund werden beispielsweise auf der Jungle Cruise in Disneys Themenparks statt echten Krokodilen sogenannte Animatronics in Krokodilgestalt eingesetzt. Tiere, die nicht das von ihnen erwartete Verhalten zeigen, könnten das Vergnügen der Besucher/innen schmälern. Vgl. Jan-Erik Steinkrüger, Walt Disney und die wilden Tiere. Tiere in Disneys Themenparks, in: Jessica Ullrich / Aline Steinbrecher (Hrsg.), Tiere und Unterhaltung, Berlin 2016, S. 53–60, hier S. 56–58.



  • Eric Ames, Carl Hagenbeck’s Empire of Entertainments, Seattle 2008, bes. Chapter Three: Hagenbeck’s Turn to Fiction, S. 103–140.
  • Mieke Roscher, Zoopolis. Eine politische Geschichte zoologischer Gärten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Der Zoo, 9 (2021), URL: https://www.bpb.de/apuz/zoo-2021/327646/eine-politische-geschichte-zoologischer-gaerten?rl=0.7085662410669267 (10.03.2021).
  • Peta Tait, Fighting Nature. Travelling Menageries, Animal Acts and war Shows, Sydney 2016.
  • Hilke Thode-Arora, „Around the World for Fifty Pence“. The Phenomenon of the Ethnic Shows, in: Hilke Thode-Arora / Peter Hempenstall (Hrsg.), From Samoa with Love, München 2014, S. 79–92.
  • Jessica Ullrich / Aline Steinbrecher (Hrsg.), Tiere und Unterhaltung, Berlin 2016.

Zeitungsartikel aus der Zeitung The Globe zum Thema Völkerschau (April / May 1895); [Transkript][1]

Somalis in England. Strange Scene at Tilbury Docks, in: The Globe (Saturday, April 27th 1895)

Yesterday a strange scene was to be witnessed at Tilbury Docks during a large part of the day. There had arrived in the Docks overnight, in the Clan Ross, the Somali troupe, consisting of upwards of sixty men, women, and children who are to people the East African village which will be one of the features of the African Exhibition during the summer at the Crystal Palace. For the first time these adventurous natives were to set foot on civilised shores, and for the first time natives of Somaliland were to be seen here. In every sense they came bag and baggage. In his native state the Somali native has very little personal impedimenta. A very scanty amount of rough white linen, a gaily-coloured loose flowing robe, which he wears with a sort of barbaric grace, a long stick, a piece of peculiar twig which is at once a dental medicament and a tooth brush, some dye for his hair, and a mat to sleep upon form: the whole of his portable property. But as all this would present the curious public but few elements of the picturesque, it was decided also to import his native surroundings even to the extent of the wild beasts which prowl around his rough and rude tent, the chattering monkeys, that roam the forests, the wild horses which he tames, the dromedaries with which he races, and a host of other animals. It was all this heterogenous assemblage which created so strange a scene in the docks yesterday. The Somalis, who soon made themselves quite at home in the midst of their strange surroundings, were themselves landing the horses, with whose quick and queer tempers they were well acquainted. There were twenty-five of these animals, and while they gladly left the steamer where they had been tied up for weeks, they looked upon a railway horse box with the greatest distrust, and getting them in was a source of great excitement. The Somali men, although it was all quite new to them, took in the situation at a glance, and the way in which they tugged and pulled and goaded the kicking and rearing animals until at last they were penned up in the boxes, was full of amusement for the onlookers.

[…]

The horses all being in the train, a long string of dromedaries, 20 in number, were brought from the ship. Fine, strong animals they were, but in contradistinction to the horses, quite quiet and lamblike, gazing with a placid stare that might indicate either contentment or stupefaction. They gave no trouble at all. Nor did the four wild donkeys, which, though a trifle rough-coated, were quite attractive animals, two of them being pure bred wild asses, distinguishable by zebra-like markings on body and legs. The other two were cross bred, and very little marked. Then there were the wild sheep to gather together and separate from the goats. Of these there were sixty in all, and though they had lived in their native country in a wild state, a month at sea had, as a sailor put it, “taken all the nonsense out of them.” They were browsing about, feeding on the straw and other edibles they found in the docks, all being untethered and allowed the fullest liberty. The sheep are specially curious in consequence of their long drooping dog-like ears, perfectly black heads, with sharp defined marks round the neck, and white bodies and fat tails, on the fat of which they can live for six weeks in a desert country, as the dromedary does on his hump.

Meanwhile there had been transhipped packing cases large and small, from which strange noises and strange odours emanated. There were forty of these in all, containing lions, monkeys, hunting cheetahs, jackals, wild dogs, monkeys, baboons, gazelles, and antelopes. A second ship is to arrive later with 20 lions, 11 elephants, four zebras, 19 ostriches, six leopards, four pythons, more monkeys, and other small animals, so that there will be quite a menagerie in connection with the village. Owing to the exigencies of packing, only a glimpse could be caught of some of the animals, but enough was seen to show that they were all very young. And that being new to captivity, they were in a very wild state. The lion promises to grow into a very fine animal, and was in a specially snappish mood. The hyenas and cheetahs also snarled at everyone, and made frantic efforts to get at a fox-terrier which stood for some time gazing unconcernedly at them.

I charge of the party was Herr Joseph Menges, the agent of Herr Hagenbeck, who undertook to form the show. Herr Menges, who has been almost constantly in Somaliland for some twenty years, had accompanied the natives from Berbera, where they joined the vessel. Questioned by our representative as to the personal character of the natives, he spoke of their great intelligence and adaptability to civilisation. The Somali tongue is only a spoken language, everything official being written in Arabic or English. None of the present party can speak English, but it is expected that they will soon pick it up, as they are quick at learning languages. At Aden, where many are employed as cooks, boatmen, servants, policemen, and coachmen, it is not uncommon to find Somalis who speak several languages, English, French, and Spanish being the European languages they learn. They are also very clean in their habits, and plain in their diet. During the voyage they were fed on rice, crushed dates, and captain’s biscuits. The last mentioned they ate with relish, and with their sharp perfect teeth seemed to take a special delight in crunching the biscuits. No inducement could prevail upon them to live in the cabins. Whether the weather was foul or fair they camped on deck, and owing to the cold were supplied with rugs. They speedily showed that with them the woman is of quite secondary importance. The “new woman” has not arisen yet in Somaliland, and the old one is content to wait upon her lord and master. The sailors taking pity on the women, who were, like the men, exposed to the weather on deck, rigged up coverings for them. But the men soon turned the women out, and enjoyed the shelter while the women camped out in the open. No attempt has been made to accustom them to Western ideas, because the point of the show it is to be a Somali village just as it exists in their native land. Judging from what could be seen yesterday, the show will be of an unusually interesting character.

The Somalis at the Crystal Palace, in: The Globe (Saturday, May 18th 1895)

The Somalis, of whose arrival in this country we gave a long account a few weeks ago, have now settled down in their quarters at the Crystal Palace, and to-day the first public performances are being given in connection with the South African Exhibition which is to be the feature of the summer programme. The large sports arena has been transformed into a Somali village, to which a background of the canvas mountains hiding the switchback railway lends an air of realism. Here a picturesque display is made. The tents are erected and arranged exactly as in Somaliland; and a little drama has been arranged to illustrate the daily life of the Somali people. Of this a private view was given yesterday. First, there is seen the peaceful village of reed mat huts, and the villagers following their usual daily occupations, the women preparing food, and the men looking after the dromedaries, tending the horses, and keeping the ostriches within bounds. A fine group of the last-mentioned roam around the precincts of the village with stately head. Presently shots are being heard, and sown swoop upon the village a band of brigands, who attempt to steal the dromedaries and to secure the animals. The villager, both men and women, defend their homesteads, and are aided by a small band of European hunters, who arrive on the scene, and drive the brigands away. Some of the brigands are detained as hostages, and have to be ransomed by presents of sheep, goats, and ostriches; the brigands receive in return one of the maidens in marriage as a guarantee of peace. The usual festivities follow: Dances of love and war, throwing the spear, shooting with the bow and arrow, dromedary races, and horse races, all of which are exceedingly entertaining. Then the European hunters arrange a zareba in the village to buy animals, illustrating how young animals, birds, and reptiles are nursed, trained, and bartered. Most of the hunters leave the zareba for the hunting grounds. For a time all is peaceful and quiet, and some of the tents ae struck and loaded on the camels. Next comes the return of the hunters’ caravan, with elephants, zebras, and all large animals obtained during the hunting expedition, this forming a great caravan (kafila), which is by far the finest scene in the whole display, all the natives and all the animals taking part. After parading the village the caravan finally disappears behind the mountains. The escort on horses and dromedaries return, and conclude the display with shooting, racing, &c. It was a cold day, and the natives seemed to feel the piercing wind very much, but they entered into the scene with zest. At first they were amazed at the applause of the audience, all of them standing still and gazing in wonder towards the well filled gallery, but Mr. Menges, who acted the part of one of the British hunters, and who brought the show over, explained what the to them strange sounds meant; expressions of wonder gave place to signs of pleasure, and the sports went on.


[1] Quelle zu dem Essay: Annika Dörner, Auftritt: Löwe, Giraffe, Zebra und zwölf Jäger. Tiere auf Völkerschauen im 19. Jahrhundert, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-131481>.


Für das Themenportal verfasst von

Annika Dörner

( 2023 )
Zitation
Annika Dörner, Auftritt: Löwe, Giraffe, Zebra und zwölf Jäger. Tiere auf Völkerschauen im 19. Jahrhundert, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-131481>.
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