Sündenböcke des Ersten Weltkriegs: Das Verbot der ungarischen Freimaurerlogen 1920

In Österreich-Ungarn war die Freimaurerei ein mächtiges Elitenetzwerk mit Sitz in Budapest. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet sie in allen Nachfolgestaaten der Mittelmächte ins Kreuzfeuer der Kritik. Während jedoch in den meisten Nachfolgestaaten der Mittelmächte die Freimaurerei geduldet wurde und sogar an Zulauf gewann, wurde sie einzig in Ungarn verboten. Dort mussten die Freimaurer im Zuge der Kriegsniederlage und des erheblichen Territorialverlusts als Sündenböcke herhalten: 1920 erließ Ungarns konservative Regierung ein Dekret zur Auflösung aller Freimaurerlogen. Der vorliegende Essay analysiert die Argumente des Verbotsdekrets 1550/1920 sowie die Feindbilder, die dem Verbot zugrunde lagen und beleuchtet die spezifischen Gründe für dieses Vorgehen in Ungarn. Er zeigt, wie die Stereotypen des Dualismus und die Feindbilder der Nachkriegszeit verschmolzen, und das Verschwörungsnarrativ des kommunistisch-liberalen Freimaurer-Juden entstand.

Sündenböcke des Ersten Weltkriegs: Das Verbot der ungarischen Freimaurerlogen 1920[1]

Von Zsófia Turóczy

Nach dem Ersten Weltkrieg suchten die Verliererstaaten nach Sündenböcken für ihre Niederlage. Politische Gruppierungen und ethno-religiöse Gemeinschaften, die als kosmopolitisch wahrgenommen wurden und internationale Kontakte pflegten, galten in den nationalistisch aufgeheizten Nachkriegsgesellschaften als besonders verdächtig.[2] Verschwörungsideologische Schriften, die in den 1920er-Jahren in Europa in größerer Zahl produziert wurden, konnten massenwirksam den Hass gegen solche Gruppen schüren.[3] Die antisemitische Verschwörungsschrift „Protokolle der Weisen von Zion“ zum Beispiel wurde zu einem Publikationserfolg in Deutschland und allein im Erscheinungsjahr 1920 sechsmal nachgedruckt.[4] Ein anderes Werk, „Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik“ von Friedrich Wichtl, wurde von den Nationalsozialisten rege konsumiert und von ungarischen Konservativen als Grundlage für weitere Propagandaschriften verwendet.[5] Darin behauptete der Autor, eine jüdisch-kapitalistische Weltherrschaft der Freimaurer aufgedeckt zu haben.

Warum gelangte die Freimaurerei in den Nachfolgerstaaten der zentralen Mächte ins Kreuzfeuer der Kritik? Die Freimaurerei als arkane und elitäre Gesellschaft[6] konnte leicht mythisiert oder dämonisiert werden:[7] Personen, die kein Mitglied waren, war der Zutritt zu den Logen verwehrt, die Freimaurer wiederum waren zur Verschwiegenheit verpflichtet.[8] Damit blieb ein Teil ihrer Aktivitäten im Prinzip schwer fassbar und bot sich für Spekulationen an. Die Freimaurerlogen in Österreich-Ungarn wurden nach dem österreich-ungarischen Ausgleich (1867) zum Hort einer multinationalen politischen Elite, die die Zukunft des Reichs in der neuen Staatsform sah und sich daher loyal zur Habsburgerdynastie verhielt.[9] Während die Freimaurerei in Deutschland, Österreich und Bulgarien nach dem Ersten Weltkrieg einen Aufschwung erlebte oder – wie in der neu gegründeten Republik Türkei – trotz wachsendem Druck weiterexistieren konnte,[10] wurde sie in Ungarn im Unterschied zu allen anderen Nachfolgestaaten der Mittelmächte verboten.

Der vorliegende Essay soll der Frage nachgehen, wie diese Entwicklung in Ungarn zu erklären ist. Dafür analysiert er die Argumente und Feindbilder des Dekrets 1550/1920, mit dem das Innenministerium die Freimaurerei verbot. Um die Forschungsfrage zu beantworten, setzt sich der Essay mit der Rolle der ungarischen Freimaurerei in gesellschaftlichen und historischen Prozessen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinander.

Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg

Zwischen Oktober 1918 und Mai 1920 erlebte Ungarn mehrere politische Umbrüche und Umwälzungen.[11] Im Zuge der sich abzeichnenden politisch-territorialen Umstrukturierung der Doppelmonarchie gründeten die oppositionellen Parteien Ungarns Ende Oktober 1918 in Konkurrenz zum offiziell noch amtierenden „Adelsparlament“ einen Nationalrat, der auf Druck der vorangehenden Asternrevolution (28.-31. Oktober 1918)[12] von Karl IV. bestätigt wurde. Die neu gewählte bürgerliche Regierung kündigte den Ausgleich von 1867 auf und begann mit dem demokratischen Umbau des Landes. Allerdings verengte sich der Handlungsspielraum der Regierung von Graf Mihály Károlyi schnell, was vor allem an der sehr angespannten wirtschaftlichen und sozialen Situation sowie an der Krise der territorialen Integrität des Landes lag. Damit war lange vor der Pariser Friedenskonferenz und dem Vertrag von Trianon 1920 die Stimmung in Ungarn verbittert.[13] Die Károlyi-Regierung brach unter diesem nationalen und internationalen Druck rasch zusammen.[14] Im März 1919 übernahmen die Kommunisten unter der Führung von Béla Kun die Regierungsgeschäfte. Das erste Verbot der Freimaurerei erfolgte während der 133 Tage andauernden kommunistischen Herrschaft. Am Abend des 21. März 1919, dem Tag, an dem die kommunistische Räterepublik ausgerufen wurde, nahm die Budapester Loge Comenius bei einer feierlichen Versammlung noch neue Mitglieder auf. Am darauffolgenden Tag erklärte der Rat der Volkskommissare die Freimaurerei für aufgelöst. Als am 30. Juli 1919 die Rumänen die östliche Verteidigungslinie durchbrachen und auch Budapest besetzten, brach die Räterepublik zusammen. Nach den Monaten der kommunistischen Diktatur verhinderte die rumänische Besatzung Ungarns die freimaurerischen Aktivitäten.[15]

Nach ersten Säuberungsaktionen rechtsextremistischer Freischärler[16] marschierte Admiral Miklós Horthy am 16. November 1919 als Anführer der gegenrevolutionären Truppen in Budapest ein, und am 1. März 1920 wurde er von der Ungarischen Nationalversammlung zum Reichsverweser des königlosen Königreichs Ungarn gewählt. Auf die terroristischen Handlungen der Räterepublik folgten Vergeltungsaktionen der Gegenrevolutionäre,[17] die von zunehmendem Nationalismus und Antisemitismus im Vorfeld der Pariser Friedensverhandlungen begleitet wurden.

Das Dekret 1550/1920 und die Vorwürfe gegen die Freimaurer

Weder Béla Kun noch die Führer der Sozialdemokraten, die die Räterepublik unterstützen, gehörten zur Freimaurerei. Trotzdem wurde die Organisation kurz nach dem Amtsantritt von Horthy als Reichsverweser von Innenminister Mihály Dömötör[18] mit dem Dekret 1550/1920 am 18. Mai 1920 verboten.[19] Dieses Dekret wurde in Buchform unter der Autorschaft des Innenministers als Einleitung zu den bis dahin geheimen Mitgliederlisten der ungarischen Logen veröffentlicht.[20] Kurz danach, am 24. Mai, wurde die Organisation auch physisch mit Gewalt von rechtsextremistischen Offizieren aufgelöst.[21] Einige Dokumente konnten die Freimaurer vor der Räumung in Sicherheit bringen,[22] aber der Großteil der Archivbestände wurde vom Prónay-Kommando, einer Horthy-nahen paramilitärischen Einheit, die für ihre Beteiligung an politisch motivierten Gewalttaten bekannt war, beschlagnahmt.[23] Sie bildeten die Grundlage für die im Dekret 1550/1920 verordnete Auflösung aller Freimaurerlogen und weitere politisch motivierte Verleumdungsschriften.

Das Verbotsdekret beinhaltete mehrere politisch motivierte Vorwürfe gegen die Freimaurer; vor allem wurde ihnen vorgeworfen, politisch aktiv geworden zu sein und damit gegen ihr eigenes Statut verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf bezog sich auf die „Konstitution“ der Symbolischen Großloge von Ungarn[24] (im Folgenden: SGvU), in der der Zweck und die Grundprinzipien der freimaurerischen Tätigkeit niedergelegt waren. Demnach bestanden die ideologischen Grundpfeiler der österreichisch-ungarischen Freimaurerei in der Tradition der ersten spekulativen Logen in England aus Philosophie, Philanthropie und Fortschritt. Tagespolitik und Religion waren hingegen aus den Doktrinen der Logen verbannt.[25] Nichtdestotrotz hatte die entstehende unabhängige ungarische Freimaurerei nach 1867 eine geistige Verwandtschaft mit den aktionistischen sogenannten lateinischen Logen, zu denen unter anderem die französische, spanische, portugiesische und griechische Freimaurerei gehörten.[26] Im Unterschied zu den angelsächsischen waren die lateinischen Logen bedeutend politischer und nahmen eine kämpferische Attitüde im Namen des Antiklerikalismus und des sozialen sowie demokratischen Fortschritts ein. Mit diesem Selbstverständnis ist es zu erklären, warum sich die Freimaurer in Ungarn für praktische Lösungen gesellschaftlicher Probleme engagierten. Das Gründungsstatut definierte nicht näher, was unter Tagespolitik zu verstehen sei. Inwieweit die Freimaurerlogen mit ihrer aktiven Teilnahme an der Umformung der Gesellschaft gehen durften und wo die rote Linie zwischen gesellschaftspolitischen und tagespolitischen Fragen verlief, war deshalb eine Frage der Auslegung. So förderten die ungarischen Logen im Namen des „Fortschritts“ liberale, demokratische, sogar sozialdemokratische gesellschaftspolitische Projekte wie das allgemeine Wahlrecht oder den Säkularismus.[27]

Um den Stellenwert der Freimaurerei in der Doppelmonarchie sowie in Südosteuropa insgesamt in ihrer Komplexität erfassen zu können, ist es wichtig, zu sehen, dass die SGvU eine besondere und privilegierte Position in Österreich-Ungarn innehatte, da die Freimaurerei zu jener Zeit nur in der ungarischen Reichshälfte erlaubt war. In den anderen Teilen der Doppelmonarchie war sie hingegen verboten.[28] Allerdings ermöglichte die ungarische Großloge Intellektuellen aus Cisleithanien, unter ihrer Schirmherrschaft eigene Logen zu gründen. Dadurch wurde Budapest zum Zentrum der Freimaurerei der Doppelmonarchie und bot ungarischen, österreichischen, kroatischen und serbischen Freimaurern inoffizielle Kanäle des Austausches und Ideentransfers. Die ungarischen Freimaurerlogen genossen dabei auf der Basis von Ideen des Liberalismus, des Säkularismus und des Fortschritts die Unterstützung der Regierungspartei und konnten so transnational und unabhängig von Wien agieren und bestimmte wirtschafts- und kulturpolitische Projekte vorantreiben. Die osmanisch-ungarische (und nicht österreichisch-ungarische) politische Annäherung ab 1908 erfolgte in diesem Kontext.[29]

Einer der Vorwürfe des Dekrets richtete sich gegen die Rolle der Freimaurerei im Ersten Weltkrieg. Es warf den Freimaurern vor, zum Kriegsausbruch und zur Niederlage beigetragen zu haben, indem sie eine unpatriotische Haltung eingenommen hätten. Unabhängig von den offensichtlichen politischen Motiven gestaltete sich die Haltung der Freimaurerei im Allgemeinen und der ungarischen im Speziellen während des Ersten Weltkriegs tatsächlich problematisch, jedoch aus ganz anderen Gründen. Seit der Internationalisierung der Freimaurerei Mitte des 19. Jahrhunderts waren einige ihrer erklärten Ziele die Förderung der internationalen Zusammenarbeit, die Völkerverständigung und Friedenserhaltung.[30] Daran schloss sich auch die ungarische Freimaurerei an, die sich seit 1903 in der internationalen Vernetzung engagierte. Das Ideal der Internationalität stand jedoch im Konflikt mit der Unterstützung der nationalen Gesellschaft sowie mit den Pflichten gegenüber dem eigenen Vaterland. In politischen Krisenzeiten, wie während des Ersten Weltkriegs, verschärfte sich dieser Widerspruch. Auf der einen Seite stand das Universalitätsprinzip der Freimaurerlogen, auf der anderen standen die nationalen Bestrebungen und die Verpflichtung des einzelnen Logenmitglieds gegenüber seinem Vaterland. Die Freimaurer konnten sich der Logik des Krieges und der Wehrpflicht nicht entziehen. Die Großlogen der Staaten der Mittelmächte und der Entente, von ihrer pazifistischen Linie abweichend, brachen ihre Beziehungen zueinander weitgehend ab und bezogen klar Position gegen feindliche Staaten und deren Freimaurereien. Auch die ungarische Freimaurerei fügte sich der Kriegslogik und ließ sich von der nationalistischen Kriegsrhetorik beeinflussen: Der „Orient“, die offizielle Zeitschrift der österreichisch-ungarischen Freimaurerei, sprach im Zuge der Kriegserklärung Österreich-Ungarns gegenüber Serbien von einem „Krieg für die Erhaltung der Kultur“.[31] Die SGvU beteiligte sich an patriotischen Bemühungen: Sie wandelte das Großlogen-Gebäude in ein Krankenhaus um und rief ihre Mitglieder zum Kauf von Kriegsanleihen auf.[32] Entgegen den Behauptungen des Dekrets kann der ungarischen Freimaurerei keinesfalls „Defätismus“ oder „Destruktion“ während des Krieges vorgeworfen werden. Im Gegenteil, es gelang ihr nicht, ihre pazifistische Haltung während des Konflikts zu bewahren.

Das Argument, das die Schuld am Trianon-Vertrag den Freimaurern zuschrieb, wurde zuerst im Dekret explizit gemacht und verbreitete sich danach rasch in der ungarischen Öffentlichkeit. Diese Beschuldigung traf die ungarische Freimaurerei besonders hart, da sie in den letzten Kriegsjahren zu ihrer pazifistischen Haltung zurückgefunden und versucht hatte, die Freimaurereien der Mittelmächte sowie der neutralen Staaten für eine gemeinsame Friedensinitiative zu gewinnen. Dadurch hoffte sie, indirekt Einfluss auf die anstehenden politischen Entscheidungen bei den Friedensverhandlungen nehmen.[33] Als Ende 1918 die Friedenspläne der Entente bekannt wurden, schickte die SGvU Telegramme an die freimaurerischen Großlogen der Welt und entsandte Vertreter zu den neutralen schweizerischen und niederländischen Großlogen. Ihr Ziel war es, die europäischen Freimaurer über die neue, demokratische Regierung Ungarns zu informieren und sie dazu zu bewegen, die demokratische Wende zu unterstützen und die Aufteilung Ungarns zu verhindern.[34] Diese Bemühungen fanden allerdings – im Gegensatz zu den Aktivitäten der serbischen und rumänischen freimaurerischen Intelligenz, die während des Kriegs exzellente Verbindungen zu den französischen Freimaurern aufbauen konnte[35] – in der aufgeheizten Stimmung des nationalen Transformationsprozesses wenig Gehör.[36]

Das rechte politische Spektrum Ungarns sah in den Aktivitäten des Großorients von Frankreichs eine Bestätigung ihrer Verdächtigungen gegen die Freimaurerei. Der Großorient, die größte Dachorganisation der französischen Freimaurer, mobilisierte die Entente und die neutralen Staaten während des Krieges und bezog klare Stellung gegen die Fortdauer der Vielvölkerstaaten. Einer der konservativen Denker, István Somogyi, behauptete in seinem Werk „Das wahre Gesicht der Freimaurerei“ [A szabadkőmívesség igazi arca], dass der Beschluss der 1917 abgehaltenen Freimaurerkonferenz in Paris Wort für Wort mit dem „Diktat“ von Trianon übereinstimme.[37] Der Historiker Balázs Ablonczy hat jedoch in seiner Monographie über die Trianon-Legenden nachgewiesen, dass auf dieser Konferenz zwar über ähnliche Fragen diskutiert wurde, es aber eher um Wünsche und Tendenzen als um konkrete Handlungsvorschläge ging.[38] Es ist allerdings wahr, dass prominente Politiker der Kleinen Entente von freimaurerischen Kanälen Gebrauch machten, um auf die Entscheidungen einzuwirken, und dass die französischen Logen die Auflösung der Doppelmonarchie befürworteten.[39]

Die politische Parteinahme und die Aktivitäten der Freimaurer wurden im Dekret ideologisch aufgeladen und als „bewusste Zerstörung der Nation“[40] interpretiert. Der Innenminister sprach von angeblich „allgemein bekannten“ Absichten der Freimaurer und unterstellte ihnen, sie hätten die Revolution absichtlich ausgelöst und den Bolschewismus verbreitet.[41] Diese Vorwürfe rekurrierten auf die (vermeintliche) Beteiligung der Freimaurer an der Károlyi-Regierung und der Räterepublik sowie am bolschewistischen Terror. Aus diesen innenpolitischen Ereignissen der letzten Jahre wurde die „Tragödie“ von Trianon konstruiert, ungeachtet der restriktiven Minderheitenpolitik des dualistischen Ungarns, der Emanzipationsprozesse der nicht staatsbildenden Nationen der Monarchie sowie des Ersten Weltkriegs selbst.

Die personellen und ideologischen Überlappungen zwischen den Lagern der bürgerlichen Radikalen und Sozialdemokraten sowie den Freimaurern können nicht geleugnet werden. Diese Gemeinsamkeiten gingen auf eine Radikalisierung und einen Linksruck der ungarischen Freimaurerei in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zurück. Im Hintergrund dieses Prozesses stand der Eintritt des Soziologen und Parteigründers der Bürgerlichen Radikalen, Oszkár Jászi, und seines Kreises in die Freimaurerei. Sie propagierten soziale Gerechtigkeit, Abschaffung ererbter Privilegien, Säkularismus, ein unabhängiges, bürgerliches Ungarn und eine politisch aktivere Freimaurerei, was in der neuen Freimaurergeneration der SGvU auf große Zustimmung, in der ersten Generation, die enge Verbindung zur Regierungspartei hatte, hingegen auf Ablehnung stieß. Die Freimaurer des radikalen Flügels erkannten in den politischen Zielen der Asternrevolution (1918) und der daraus hervorgegangenen bürgerlichen Regierung ihre Prinzipien wieder, was dazu führte, dass einige Freimaurer eine führende Rolle in diesen Prozessen übernahmen. Obwohl es unter den führenden Freimaurern auch kritische Stimmen gab, stellte sich die SGvU offen auf die Seite der bürgerlichen Regierung[42] und begrüßte die demokratische Umstrukturierung des Landes.[43] Freimaurer, die zuvor in der bürgerlichen Revolution oder Nationalversammlung wichtige politische Funktion bekleidet hatten, bekamen auch im neuen Generalstab Plätze.[44] In diesem Sinne war der Vorwurf des Dekrets berechtigt, dass sich die Freimaurerei als Institution in die Politik aktiv einmischte und sie sich damit über ihre eigenen Regeln hinwegsetzte.

Die Freimaurer gerieten auch wegen des wachsenden Antisemitismus ins Fadenkreuz der Konservativen. In Ungarn, wie auch in Deutschland und Österreich, „bildete das aus Antisemitismus und Antibolschewismus gebildete Feindbild einen wichtigen Bestandteil der gegenrevolutionären Gewalt“, wie Jörn Leonhard bemerkt.[45] Dabei wurden Freimaurer automatisch mit Juden identifiziert. Einer der richtungsgebenden Ideologen der Horthy-Ära, der Jesuit Béla Bangha, schrieb etwa von einer „jüdisch gewordenen Freimaurerei“, als er die Gründe der Niederlage aus seiner eigenen Sicht erklärte.[46] Die Gleichsetzung von Juden und Freimaurern war eine allgemeine Tendenz in den Verschwörungsnarrativen der Nachkriegsgesellschaften.[47] Auch wenn das Dekret die Freimaurerei und die jüdische Bevölkerung nicht explizit miteinander verband, muss aufgrund der antisemitischen Haltung der Offiziere, Politiker:innen sowie Intellektuellen davon ausgegangen werden, dass die implizite Gleichsetzung der Freimaurer mit den Juden eine große Rolle beim Verbot spielte.

Die Geschichte der (österreichisch-)ungarischen Freimaurerei und die Emanzipation wie Assimilation der österreich-ungarischen Juden waren in der Tat eng miteinander verzahnt. Die Eröffnung der ersten Freimaurerlogen fiel zeitlich mit der Aufforderung des ungarischen Staates zur Assimilation der nicht magyarischen Teile seiner Bevölkerung zusammen. In den 1870er- und 1880er-Jahren waren noch der Landadel und die Gentry (verarmte und landlose Angehörige des Adels) in den Logen in der Mehrzahl, im Zuge des Assimilierungsprozesses ab den 1890ern erlangten jedoch jüdischstämmige Groß- und Kleinbürger sowie Barone die Majorität.[48] Diese Tendenz ist besonders für die Budapester Logen augenfällig. Sie ist damit zu erklären, dass Budapest um 1900 23 Prozent jüdische Einwohner hatte und damit nach Warschau die zweitgrößte jüdische Stadt in Europa war.[49] Obwohl es keine Daten dafür gibt, wie viele Freimaurer jüdischstämmig waren, ihre Biographien, die Masse an jüdischen Namen unter den Mitgliedern sowie die sehr hohe Zahl der dokumentierten (freiwilligen) Namensänderungen lassen keinen Zweifel an ihrer starken Präsenz in der Freimaurerei.[50]

Die Freimaurerlogen wurden selbst Katalysatoren der Magyarisierung und der Verschmelzung der traditionellen adeligen Elite mit der neuen, aufstrebenden und zur Assimilation bereiten Elite des Königreichs Ungarn. Dafür waren das Inklusionsprinzip und die Brüderlichkeit wichtige Instrumente. In den Logen wurden die Strukturkriterien der Gesellschaft aufgehoben: Ethno-konfessionelle und gesellschaftliche Unterschiede spielten weder bei der Aufnahme neuer Mitglieder noch bei den Interaktionen innerhalb der Loge eine Rolle. Ganz im Gegenteil, die Vermischung unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten war ein ausdrücklicher Wunsch der SGvU.[51] Mit ihrer Mitgliedschaft machten sich diejüdischstämmigen Ungarn die ideellen Ressourcen, das Netzwerk und die Inklusivität der Logen zunutze.[52] Somit trug die Freimaurerei dazu bei, dass eine sehr große Anzahl Juden „had very successfully modernized by collaborating with the Magyar nobility“.[53] Diese jüdischstämmigen Freimaurer gehörten nach meiner eigenen Forschung[54] größtenteils der aufstrebenden mittleren und oberen Mittelklasse an: Sie arbeiteten als Unternehmer, Großhändler, Verleger, Juristen und Bankiers und waren die größten Gewinner der liberal-nationalen Staatsideologie des dualistischen Ungarns sowie der Industrialisierung und zunehmenden Globalisierung des österreich-ungarischen Marktes. Daher war die jüdische Bevölkerung mit den Begriffen des Liberalismus und Kapitalismus bereits vor dem Ersten Weltkrieg eng verzahnt.[55]

Die konservative und rechtsradikale Intelligenz machte die antisemitischen Ideen – im Unterschied zur toleranten öffentlichen Meinung des Dualismus – salonfähig.[56] Da einige prominente Mitglieder des Revolutionären Regierungsrates der Räterepublik wie Béla Kun, György Lukács oder Zsigmond Kunfi (Volkskommissare für Unterrichtswesen) jüdischer Abstammung waren, wurden alle Juden im Nachkriegsungarn unter Generalverdacht gestellt, Kommunisten und somit – in konservativer Lesart – Verräter zu sein. Der Historiker Krisztián Ungváry hat herausgearbeitet, dass sich hinter dem Mythos des jüdischen Bolschewismus reale, jedoch verklärte Erfahrungen verbargen, wobei sich die Juden in einer paradoxen Projizierung wiederfanden: Die Kommunisten, ob jüdischstämmig oder nicht, strebten nach der Verstaatlichung des Eigentums der Aristokratie, der Kirchen, aber auch der Großfabrikanten und Bankiers – eben der Sphären, in denen die Juden überrepräsentiert waren. Viele Juden waren damit von der Neuverteilung betroffen. Diese Paradoxie verhinderte nicht die Herausbildung des Feindbildes des Judenkommunisten. Trotz mehrmaliger Erklärungsversuche seitens der Leiter der ungarisch-jüdischen Gemeinde, dass die Mehrheit der ungarischen Juden weder Komplizen von Béla Kun noch Sympathisanten der Kommunisten waren, entwickelte sich eine antijüdische Hysterie. Dieser Hass wurde durch Horthys Offiziere, die dem extrem rechten politischen Spektrum zuzuordnen waren, durch antisemitische Ideologen und nicht zuletzt durch Horthy selbst[57] geschürt. Pál Prónay etwa führte als Befehlshaber der Nationalarmee regelrecht Kampagne für die Bekämpfung des jüdischen und liberalen „Budapester Geistes“[58] und sah in den Ereignissen nach dem November 1918 ein einziges Judenkomplott.[59]

Im öffentlichen Diskurs der 1920er- und 1930er-Jahre wurden die personellen und ideologischen Überlappungen zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und Freimaurerei verschwörungsideologisch aufgeladen, etwa von József Palatinus in seinem zweibändigen Werk „Sünden der Freimaurerei“ [A szabadkőművesség bűnei][60]. Palatinus verfasste seine ideologisch motivierte „Enthüllungsschrift“ auf der Basis der konfiszierten Archivbestände der ungarischen Großloge. Darin versuchte er im Grunde, die Behauptungen des Verbotsdekrets zu belegen. Er ging von einer koordinierten Zusammenarbeit der Freimaurerei mit der Károlyi-Regierung und der Räterepublik aus und deutete die politische Tätigkeit einzelner Freimaurer als Unterwanderung der staatlichen Institutionen und politische Destruktion des Staates.[61] Fakt ist hingegen, dass es weder vor noch während des Ersten Weltkriegs zu einer systematischen Zusammenarbeit zwischen linken politischen Strukturen und der Freimaurerei gekommen war. Die Sozialdemokratische Partei Ungarns verbot ihren Mitgliedern sogar die Zugehörigkeit zum Bund noch während des Ersten Weltkriegs, was 1917 zu Massenaustritten aus den Logen führte.[62] Darüber hinaus stand die Räterepublik der Freimaurerei genauso feindlich gegenüber wie die späteren konservativen Regierungen. Die politische Nähe zu den Sozialdemokraten, eine antikriegerische Haltung in den letzten Jahren des Ersten Weltkrieges, die Unterstützung der Asternrevolution und die Beteiligung an der demokratischen linksliberalen Károlyi-Regierung boten allerdings genug Anlass für die Amalgamierung der Freimaurer mit den „Kommunisten“.[63] Ein deutlicher Unterschied zwischen Palatinus‘ Werk und dem Dekret ist die explizite antisemitische Haltung seines Verfassers. Palatinus hob auf fast jeder Seite die jüdische Herkunft der Freimaurer im negativen Sinne hervor.[64] Somit verschmolzen die Stereotypen des Dualismus und die Feindbilder der Nachkriegszeit, und es entstand das Feindbild des kommunistisch-liberalen Freimaurer-Juden.[65]

Ausblick

Innerhalb der neuen Staatsgrenzen mussten die ungarischen Freimauer ihre rituelle Arbeit und die institutionalisierten Beziehungen zu Logen anderer Nationen – zumindest offiziell – einstellen. Sie mussten außerdem zusehen, dass eine rechtsextremistisch-spirituelle Geheimorganisation – Etelközi Szövetség [Etelközi Verband] – und der Offiziersverband – Magyar Országos Véderő Egyesület [Ungarische Landesverteidigungsarmee] – ihr Großlogengebäude in Besitz nahmen und Mitgliedsaufnahmen mit freimaurerischen Gegenständen vollzogen.[66] Ironischerweise durften manche Logen gerade im Zuge der Abtretung der Gebiete, wenn auch unter neuer Herrschaft, weiterexistieren, während die Logen in Ungarn ihre Tore schließen mussten. In Rumänien etwa schlossen sich die ungarischen Logen zur Rumänischen Symbolischen Großloge zusammen und arbeiteten weiterhin in ungarischer Sprache.[67] Ab 1920 ermöglichten auch die österreichischen und die (tschecho-)slowakischen Freimaurereien den ungarischen Logen die Arbeit. Ungarische Freimaurer in Wien gründeten eine ungarische Loge namens In labore virtus, und am Sitz der österreichischen Großlogen in Wien wurde ein ungarisches Freimauermuseum eröffnet.[68] Die ungarische Freimaurerei blieb trotz des Verbots ein intellektuelles Netzwerk während der Zwischenkriegszeit, das unter der Leitung des inoffiziellen Großmeisters, des Sprachwissenschaftlers József Balassa, auch in der ungarischen Illegalität karitativ tätig werden und seine internationalen Kontakte pflegen konnte.[69]



[1] Essay zur Quelle: Dekret des ungarischen Innenministers über das Verbot der Freimaurerei (Budapest 1920); [Transkript und Übersetzung], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-81652>.

[2] Vgl. Julia Schäder, „Der wahre Jacob“ und „Kikeriki“. Jüdische und proletarische Körper in satirischen Zeitschriften der zwanziger Jahre, in: Michael Cowan / Kai Marcel Sicks (Hrsg.), Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918 bis 1933, Bielefeld 2005, S. 322–338; Pascal Girard, Conspiracy Theories in Europe During the Twenthieth Century, in: Michael Butter / Peter Knight (Hrsg.) Routledge Handbook of Conspiracy Theories, London/New York 2020 S. 569–581.

[3] Zur Rolle der Medien vgl. Michael Butter / Ute Caumanns / Bernd-Stefan Grewe / Johannes Großmann / Johannes Kuber, Verschwörungsdenken in Geschichte und Gegenwart. Zur Einführung, in: Von Hinterzimmern und geheimen Machenschaften, Beiträge aus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart 2020, Bd. 3, S. 5–24.

[4] Allerdings wurde sie in den USA, Großbritannien und Frankreich ebenso populär; vgl. Michael Hagemeister, The Perennial Conspiracy Theory. Reflections on the history of the Protocols of the elders of Zion, New York 2022, S. 10.

[5] Helmut Reinalter, Die Freimaurer, München 2000, S. 121; Balázs Ablonczy, Száz év múlva lejár? Újabb Trianon-legendák [Läuft es in hundert Jahren ab? Neuere Trianon-Legenden], Budapest 2022, S. 24f.

[6] Vgl. die verschiedenen Einführungen und Erklärungsversuche: Giuliano di Bernardo, Die Freimaurer und ihr Menschenbild. Über die Philosophie der Freimaurer, Wien 2012; Alexander Giese, Die Freimaurer. Eine Einführung, Wien 1997; Reinalter, Die Freimaurer, S. 7.

[7] Man könnte über Wichtls „Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik“ hinaus viele andere Beispiele nennen. Eines der berühmtesten Bücher im deutschsprachigen Raum war Erich von Ludendorffs 1927 erschienenes Werk „Vernichtung der Freimaurer durch Enthüllung ihrer Geheimnisse“. Vgl. dazu Matthias Pöhlmann, Die Freimaurer: Mythos und Geschichte. Die Deutsche Freimaurer im 20. Jahrhundert, Kindle Ausgabe, 2019.

[8] Zum Zusammenhang von Verschwiegenheit und Politik vgl. Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt am Main 1976, S. 68–74.

[9] Zsuzsanna Ágnes Berényi, Budapest és a szabadkőművesség [Budapest und die Freimaurerei], Budapest 2005, S. 64; Zsuzsa L. Nagy, Szabadkőművesek [Freimaurerei], Budapest 1988 S. 55.

[10] Im November 1918 trennten sich die von österreichischen Staatsbürgern gegründeten Logen von der Symbolischen Großloge von Ungarn und eröffneten im Zuge der demokratischen Umstrukturierung der neugegründeten Republik Österreich eigene Logen; vgl. Helmut Reinalter, Verbot, Verfolgung und Neubeginn. Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck/Wien 2021; zur deutschen Freimaurerei vgl. Hans-Hermann Höhmann, Europas verlorener Friede und die deutsche Freimaurerei. Anmerkungen zur Geschichte und Aspekte masonischer Erinnerungskultur, in: Quatuor Coronati (2007), H. 44, S. 19–43; zu Bulgarien vgl. Ivan Guntschev, Freimaurerei in Bulgarien. Die Entwicklung der bulgarischen Zivilgesellschaft, in: Alfred Nimmerrichter (Hrsg.), Von Weltreisenden, Adeligen und überraschenden Funden im Archiv. Forschungsbeitrage aus den Jahren 2008–2009, Wien 2009 (Quatuor-Coronati-Berichte), S. 151–163, hier S. 155; zur Freimaurerei in der Türkei vgl. Remzi Sanver, Masonluk. „Işığı arayanların hikayesi“ [Freimaurerei. „Die Geschichte derer, die das Licht suchen“], Ankara, 2014, S. 84; Emanuela Locci, Atatürk e la Massoneria, in: Eurasia 2 (2013), S. 113–121, hier S. 115f.

[11] Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora, Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2014, S. 901f., ders., Der überforderte Frieden: Versailles und die Welt 1918–1923, München 2018, S. 179–216.

[12] Die Asternrevolution [Őszirózsás forradalom] fand vom 28. bis 31. Oktober 1918 statt und mündete in der Verkündung der Ungarischen Volkrepublik. Mit Fokus auf die alte politische Elite vgl. Ferenc Pölöskei, Tisza István és kora [István Tirsza und seine Zeit], Budapest 2014, S. 229–232; für detailliertere Abhandlungen vgl. László Merényi, Az őszirózsás forradalom [Die Asternrevolution], Budapest 1983; Pál Hatos, Az elátkozott köztársaság: az 1918-as összeomlás és forradalom története [Verfluchte Republik: die Geschichte des Zusammenbruchs und der Asternrevolution 1918], Budapest 2018.

[13] Leonhard, Der überforderte Frieden, S. 474.

[14] Der nationale und internationale Druck wurde durch die unsichere rechtliche Ordnung und den unsicheren Grenzverlauf Ungarns, die Menschen aus Siebenbürgen und Oberungarn, die vor den rumänischen Truppen geflüchtet waren, sowie die immer schlechter werdende Versorgungslage verursacht; vgl. Leonhard, Der erzwungene Frieden, S. 213, S. 469–476.

[15] Eugen Lennhoff / Dieter A. Binder / Oskar Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, München 2000, S. 860.

[16] Zsuzsa L. Nagy, Szabadkőművesség a XX. században [Freimaurerei im 20. Jahrhundert], Budapest 1977, S. 40.

[17] Leonhard, Der überforderte Frieden, S. 621.

[18] Mihály Dömötör (1875–1962) war Anwalt und konservativer Politiker. Der Posten des Innenmisters in der Simonyi-Semadan-Regierung kennzeichnete den Höhepunkt seiner politischen Karriere, und er ist bis heute für dieses Verbot bekannt. Bei den Parlamentswahlen 1922 erhielt er keinen Sitz im Parlament und zog sich von der Politik zurück; vgl. Mihály Dömötör, in: Ágnes Kenyeres (Hrsg.), Magyar Èletrajzi Lexikon, URL: <https://mek.oszk.hu/00300/00355/html/ABC03014/03514.htm> (abgerufen am 1.8.2024).

[19] Nagy, Szabadkőművesek, S. 68–72.

[20] Zoltán Sumonyi, Az újrafelfedezett titok [Das wiederentdeckte Geheimnis], Budapest 1998, S. 143f.

[21] Lennhoff / Binder / Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, S. 860.

[22] Nagy, Szabadkőművesség a XX. században, S. 43.

[23] Pál Prónay, A határban a Halál kaszál. Fejezetek Prónay Pál feljegyzéseiből [An der Grenze erntet der Tod. Auszüge aus den Notizen von Pál Prónay], Budapest 1963, S. 189f.

[24] Dachorganisation der österreich-ungarischen Freimaurerei von 1886 bis 1920.

[25] „A szabadkőművesség filozofikus, filanatropikus és progresszív intézmény. Célja a közerkölcsiség, művelődés és felebaráti szeretet terjesztése és a jótékonyság gyakorlása. A szabadkőművesség kizár köréből minden politikai és vallási kérdést, és tagjait a hazai törvények tiszteletben tartására kötelezi.“ [Die Freimaurerei ist eine philosophische, philanthropische und fortschrittliche Institution. Ihr Ziel ist die Verbreitung der öffentlichen Moral, Bildung und Nächstenliebe und die Praxis der Wohltätigkeit.] Nagy, Szabadkőművesek, S. 51f.

[26] Fulvio Conti, From Brotherhood to Rivalry. The Grand Orient of Italy and the Balkan and Danubian Europe Freemasonries, in: Narodne muzej Slovenije (Hrsg.), The Secret of the Lodge, Ljubljiana 2018 S. 74–94, hier S. 77.

[27] Nagy, Szabadkőművesek, S. 55.

[28] Dieses kaiserliche Verbot von 1795 ging auf die ideologische Nähe und personelle Verflechtungen zwischen den Jakobinern und Freimauern zurück, wobei sie keineswegs gleichgesetzt werden können; vgl. Helmut Reinalter, Freimaurerei und Demokratie im 18. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften. Zur politischen Funktion und Sozialstruktur der Freimaurerlogen im 18. Jahrhundert, München 1989, S. 41–62.

[29] Zsófia Turóczy, The Hungarian Freemasons as „Builders of the Habsburg Empire“ in South Eastern Europe, in: Hungarian Historical Review, 11 (2022) 2, S. 329–358.

[30] Joachim Berger, Europäische Freimaurereien (1850–1935): Netzwerke und transnationale Bewegungen, URL: <http://www.ieg-ego.eu/bergerj-2010-de> URN: (abgerufen 24.6.2028); ders., Mit Gott, für Vaterland und Menschheit? Eine europäische Geschichte des freimaurerischen Internationalismus (1845–1935), Göttingen 2020, S. 77–281.

[31] Unsre Helden, in: Orient, Oktober 1914, S. 2.

[32] Außerordentliche Sitzungen des Bundesrates am 30. Juli 1914, am 28. August 1914 und am 28. September 1914. Orient, Oktober 1914, S. 3–5; hier S. 3; Árpád Bókai, Nagygyűléstől nagygyűlésig [Von Großversammung zu Großversammlung], Kelet 1916, S. 134.

[33] Zsuzsanna Ágnes Berényi, A szabadkőművesség kézikönyve [Handbuch der Freimaurerei], Budapest 2001, S. 157.

[34] Zsuzsanna Ágnes Berényi, A magyar szabadkőművesség béke-kísérletei [Die Friedensbemühungen der ungarischen Freimaurerei], in: László Márton (Hrsg.), Trianon és a szabadkőművesség. Dokumentumok, tanulmányok [Trianon und die Freimaurerei. Dokumente, Studien], Budapest 2002 (Szabadkőműves füzetek), S. 19–58. hier S. 50.

[35] Ablonczy, Száz év múlva lejár?, S. 16–31; Slobodan G. Marković, The Grand Lodge of Yugoslavia between France and Britain (1919–1940), in: Balcanica (Beogr), 50 (2019), S. 261–297.

[36] Berényi, A magyar szabadkőművesség. béke-kísérletei.

[37] Benedek Szabolcs, Szabadkőműves bűnbakok [Freimaurerische Sündenböcke], in: Könyvterasz, 19.3.2021, URL: <https://konyvterasz.hu/szabadkomuves-bunbakok/> (abgerufen am 1.8.2024).

[38] Ablonczy, Száz év múlva lejár? S. 16–31.

[39] Ebd., zu den rumänischen Freimaurernetzwerken während des Krieges vgl. S. 52–61.; zur Entstehungsgeschichte der Großloge Jugoslavija und ihren Kontakten zum Französischen Großorient vgl. Marković, The Grand Lodge of Yugoslavia; zur Interpretation der Verflechtungen von Edvard Beneš’ politischer und freimaurerischer Tätigkeit vgl. Jana Čechurová, Tschechische Freimaurer im 20. Jahrhundert, Leipzig 2020, S. 420–436.

[40] „nemzetromboló aknamunka“ [zerstörerische Tätigkeit gegen die Nation]. A magyar királyi belügyminiszter 1920. május 18-ai 1550/res. számú rendelete a szabadkőművesség betiltásáról, [1550/1920 Dekret am 18. Mai des ungarischen königlichen Innenministers über das Verbot der Freimaurerei], in: A Magyar Szimbolikus Nagypáholy védelme alatt dolgozó szabadkőműves páholyok tagjainak névsora [Die Namensliste der Mitglieder der unter der Zuständigkeit der Symbolischen Großloge von Ungarn arbeitenden Freimaurerlogen], Budapest 1920, S. 3f.

[41] Ebd.

[42] Diese Meinung vertritt auch Zsuzsanna Ágnes Berényi, A Magyar szabadkőművesség és a köztársasági eszme, in: Politikatörténeti Intézet, URL: <http://www.polhist.hu/regi/koztars/index.php?fkod=11&fsz=2&fid=18> (abgerufen am 21.11. 2020).

[43] Pál Hatos, Az elátkozott köztársaság: az 1918-as összeomlás és forradalom története S.153.

[44] Wie István Apáthy, István Friedrich, Lajos Bíró, Oszkár Jászi, Ignác Pfeifer oder Béla Fábián Nagy, Nagy, Szabadkőművesség a XX. században, S. 32.

[45] Leonhard, Der überforderte Frieden, S. 619.

[46] Ablonczy, Száz év múlva lejár? S. 25f.

[47] Reinalter, Die Freimaurer, S. 122f.

[48] Nagy, Szabadkőművesek, S. 45.

[49] Mary Gluck, A láthatatlan zsidó Budapest [Das unsichtbare jüdische Budapest], Budapest 2017, S. 9.

[50] Heléna Tóth, From Content to Ritual: Name-Giving Practices and Political Loyalty in Hungary (1880–1989), in: Jana Osterkamp / Martin Schulze Wessel (Hrsg.), Exploring loyalty, Göttingen / Bristol 2017 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum), S. 179–202, hier S. 182; Viktor Karády / István Kozma, Név és nemzet. Családnév-változtatás, névpolitika és nemzetiségi erőviszonyok Magyarországon a feudalizmustól a kommunizmusig [Name und Nation. Familiennamensänderungen, Namenspolitik und Nationalitätenmachtverhältnisse in Ungarn vom Feudalismus bis zum Kommunismus], Budapest 2002. Zum Zusammenhang von Personennamen bzw. Namensänderungen und Ethnie vgl. János N. Fodor, Szempontok és módszerek a személynév és etnikum összefüggésének vizsgálatához [Überlegungen und Methoden zur Untersuchung der Beziehung zwischen Personennamen und ethnischer Zugehörigkeit], in: Névtani Értesítő 40 (2018), S. 29–52.

[51] „[…] oda kell törekednünk, hogy társadalom minden rétegéből igyekezzünk az alkalmas anyagot kiválasztva, ügyünknek megnyerni.“ [Wir sollen danach streben, den geeigneten Stoff aus jeder Schicht der Gesellschaft auszuwählen und für unsere Sache zu gewinnen]. Marcel Neuschloss auf der Jahresgroßversammlung. Kelet, April 1897, S. 76–79, hier S. 77.

[52] Nagy, Szabadkőművesek, S. 45.

[53] William Ogden McCagg, , A history of Habsburg Jews: 1670–1918, Bloomington u.a., 1992. S. 195.

[54] Zsófia Turóczy, „Zum Siege unserer menschenfreundlichen Prinzipien – ungarische Freimaurernetzwerke im „Orient“ 1886–1920, unveröffentlichte Dissertation, Universität Leipzig, 2023.

[55] Viktor Karády, Elitenbildung im multiethnischen und multikonfessionalen Nationalstaat: Ungarn in der Doppelmonarchie 1867–1918, in: Karsten Holste / Dietlind Hüchtker / Michael G. Müller (Hrsg.), Aufsteigen und Obenbleiben in europäischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts. Akteure – Arenen – Aushandlungsprozesse, Berlin 2009, S. 63–82.

[56] Ignác Romsics, Trianon okai. A szembenézés narratívái a magyar történeti gondolkodásban [Die Ursachen von Trianon. Narrative der Konfrontation im ungarischen Geschichtsdenken], in: Haditörténeti Közlemények 127 (2014), S. 363-697, hier S. 664–667; Nagy, Szabadkőművesek, S. 68–71.

[57] Sakmyster, Admirális fehér lovon. Horthy Miklós, 1918-1944 [Admiral auf weißem Pferd. Miklós Horthy, 1918-1944], Budapest, 2001, S. 21, S. 25, S. 30, S. 82.

[58] Ebd., S. 31.

[59] Ebd., S. 21, S. 25, S. 30.

[60] József Palatinus, A magyarországi szabadkőművesek mozgalma és külföldi kapcsolatai 1920-tól 1937-ig [Die Bewegung und ausländische Beziehungen der ungarischen Freimaurer von 1920 bis 1937], Budapest 1938.

[61] Ebd.

[62] Lennhoff / Binder / Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, S. 861.

[63] Nagy, Szabadkőművesek, S. 67–69.

[64] Palatinus, A magyarországi szabadkőművesek mozgalma, z. B. S. 4–6.

[65] Krisztián Ungváry, A Horth-rendszer mérlege. Diszkrimináció, szociálpolitika és antiszemitizmus Magyarországon 1919–1944 [Die Bilanz des Horth-Systems. Diskriminierung, Sozialpolitik und Antisemitismus in Ungarn 1919–1944], Budapest 2012, S. 38.

[66] Nagy, Szabadkőművesség a XX. században, S. 42f; dies., Szabadkőművesek, S. 68f.

[67] Die Große Nationalloge von Rumänien (Marea Lojă Naţională a României, verbunden mit der Nationalen Großloge von Frankreich) war die wichtigste; die Amerikanische Großloge in Rumänien (Marea Lojă Americană din România) wurde mit amerikanischer Hilfe gegründet; Großorient von Rumänien (Marele Orient al României) wurde unterstützt vom Großorient Frankreich, vgl. Árpád Kupán, Az erdélyi magyar szabadkőművesség története a két világháború közötti időktől napjainkig [Die Geschichte der ungarischen Freimaurerei in Siebenbürgen von der Zwischenkriegszeit bis heute], Ort und Jahr fehlen; ders., Szabadkőművesek Nagyváradon [Freimaurer in Nagyvárad], Oradea 2004, S. 189–191.

[68] Nagy, Szabadkőművesek, S. 74f.; László Vári, Magyar szabadkőművesség külföldön [Ungarische Freimaurer im Ausland], in: László Márton (Hrsg.), Szabadkőművesség titkok nélkül [Freimaurerei ohne Geheimnisse], Budapest 2018, S. 104f.

[69] Die Association Masonnique Internationale (AMI), die internationale freimaurerische Vereinigung von symbolischen Großlogen nach dem Ersten Weltkrieg, lud die ungarischen Freimaurer trotz des Verbots zu den Versammlungen ein und unterstützte die Bemühungen der ungarischen Freimaurer, das Verbot aufzuheben. Der Großmeister der Grande Loge de France kam etwa 1924 nach Budapest, um mit dem inoffiziellen Großmeister Balassa zu verhandeln, und er rief auf dem Konvent der AMI im September zur Unterstützung der Wiedereröffnung der Logen in Ungarn auf. Balassa war auf dem Konvent ebenso dabei wie auf dem Kongress der AMI in Belgrad mit einer ungarischen Delegation. In Ungarn engagierten sich die Freimaurer in Rotaryklubs und in den Vorständen von Bildungs- und sozialen Institutionen, vgl. Nagy, Szabadkőművesek, S. 68–75; Zoltán Sumogyi, Újrafelfedett titok. A magyarországi szabadkőművesekről [Das wiederentdeckte Geheimnis. Über die ungarischen Freimaurer], Budapest, 1998, S. 147–150. Der ungarische Geheimdienst dokumentierte die philanthropische Tätigkeit der ungarischen Freimaurer, ihre Versammlungen, ihre ausländischen Kontakte sowie die ungarischen Logen im Ausland während der Zwischenkriegszeit. Dazu hat Berényi wichtige Quellen publiziert, vgl. Zsuzsanna Ágnes Berényi, Iratok a magyarországiszabadkőművesség történetéhez 1918–1950 [Dokumente zur Geschichte der ungarischen Freimaurerei 1918–1950], Budapest 2001.



  • Bogdan, Henrik / Snoek, Jan A. M. (Hrsg.): Handbook of Freemasonry, Leiden u.a. 2014.
  • Böhl, Franziska: Freimaurerei und Diktatur, Leipzig 2018.
  • Marković, Slobodan G., Freemasonry in Southeast Europe, From the 19th to the 21st centuries, Belgrad 2020.
  • Reinalter, Helmut (Hrsg.) Handbuch der Verschwörungstheorien, Leipzig 2018.
  • Romsics, Ignác, Der Friedensvertrag von Trianon, Herne 2005.

Q_Turóczy_Freimaurerei

Dekret des ungarischen Innenministers über das Verbot der Freimaurerei (Budapest 1920); [Transkript und Übersetzung][1]

A magyar királyi belügyminiszter 1920. május 18-ai 1550/res. számú rendelete a szabadkőművesség betiltásáról, In: A Magyar Szimbolikus Nagypáholy védelme alatt dolgozó szabadkőműves páholyok tagjainak névsora, Budapest 1920, S-3-4.

„A szabadkőműves egyesületek (páholyok stb.) kivétel nélkül humanisztikus vagy társadalmi célok megvalósitására alakultak meg. A közelmult sajnálatos eseményiből azt tapasztaltam, hogy alapszabályaikban kitűzött, kormányhatóságilag is sanktionált céljaik és feladatuk megvalósítsa helyett, a politikai élet irányitására és a tényleges hatalomnak kezükhöz ragadására terelték át egyleti tevékenységüket.

A szabadkőművességnek a háboru felidézéséban, a háboru folyamán, majd pedig annak szerencsétlen orszgunkat balsikerrel sujtott befejeztével a defetizmus és az általános destrukció felkeltésében és állandó élesztegésében, a forradalomnak és a bolsevizmus felidézésében való tudatos aknamunkája köztudomású tény. A magyar társadalomnak, a sajtónak, az egyes törvényhatóságoknak a szabadkőmáves páholyok elleni egyöntetű állásfoglalásának kitérnem lehetetlen és megelőzésül annak, hogy a hazáját, vallását, nemzetiségét megtagadott és titokban még most is conspiráló szabadkőművesség, ezen átkos nemzetromboló aknamunkáját tovább is folytassa - az egyesületek feletti törvényadta jogomnl fogva, Magyarorszg egész területén létező mindennéven nevezendő szabadkőműves egyesületet (páholyt, intézményt stb.) ezennel véglegesen feloszlatom, tekintet nélkül arra, hogy az illető alakulat kormányhatóságilag láttamozott alapszabályokkal bir-e, jelenleg működik-e, vagy sem.“

Bp. 1920, május hó 18-án

Übersetzung[2]:

1550/1920 Dekret am 18. Mai des ungarischen königlichen Innenministers über das Verbot der Freimaurerei, in: „Die Namensliste der Mitglieder aller Freimaurerlogen, die unter der Zuständigkeit der Symbolischen Großloge von Ungarn arbeiten“, Budapest 1920, S. 3-4.

Die Freimaurervereine (Logen usw.) wurden ausnahmslos zur Verwirklichung humanistischer oder gesellschaftlicher Ziele gegründet. Aus den bedauerlichen Ereignissen der jüngsten Vergangenheit habe ich jedoch erfahren, dass diese Vereine ihre Aktivitäten von den in ihren Statuten festgelegten und staatlich sanktionierten Zielen abgewandt haben. Stattdessen strebten sie nach Macht und Einflussnahme im politischen Leben.

Die bewussten Machenschaften der Freimauerei zur Heraufbeschwörung des Krieges, ihre Rolle bei der Förderung und Aktivierung des Defätismus und der allgemeinen Destruktion während des Krieges sowie nach dessen für unser unglückliches Land katastrophalem Ende sind wohlbekannt. Ebenso bekannt ist ihre Rolle bei der Auslösung der Revolution und der Verbreitung des Bolschewismus. Es ist unmöglich, die einhellige Ablehnung der ungarischen Gesellschaft, der Presse und der lokalen Behörden gegenüber den Freimaurerlogen zu ignorieren, die ihr Heimatland, ihre Religion und Nation verraten haben und insgeheim immer noch dagegen konspirieren. Um ihre weitere zerstörerische Tätigkeit gegen die Nation zu verhindern, löse ich alle auf dem ganzen Gebiet von Ungarn existierenden freimaurerischen Vereine (Loge, Institution usw.) auf, ungeachtet dessen, ob diese Organisationen ihre Satzung einer Regierungsbehörde vorlegt haben oder derzeit aktiv sind.


[1] Quelle zum Essay: Zsófia Turóczy, Sündenböcke des Ersten Weltkriegs: Das Verbot der ungarischen Freimaurerlogen 1920, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, URL: <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-134406>.

[2] Übersetzt von der Autorin.


Für das Themenportal verfasst von

Zsófia Turóczy

( 2025 )
Zitation
Zsófia Turóczy, Sündenböcke des Ersten Weltkriegs: Das Verbot der ungarischen Freimaurerlogen 1920, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2025, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-134406>.
Navigation