Von Verbündeten und Antagonisten: Italien im Zentrum des europäischen Geheimdienstkriegs, 1945-1954

Dass die italienische Halbinsel und insbesondere ihre Hauptstadt nach 1945 schnell von zahlreichen westlichen Nachrichtendiensten ins Visier genommen wurden, überrascht angesichts der Präsenz des Vatikans, der allgemein geographisch-strategisch günstigen Lage des Landes und des Rückhalts, den die Kommunistische Partei Italiens genoss, keineswegs, und die internationale Forschung hat dies bereits mehrfach und auf überzeugende Art und Weise hervorgehoben. Einem wichtigen Aspekt wurde dabei jedoch selten Aufmerksamkeit geschenkt: dem Geheimdienstkrieg zwischen den untereinander konkurrierenden Nachrichtendiensten Westeuropas, die, jeweils unterstützt durch verschiedene, ebenfalls rivalisierende US-amerikanische Dienste, nach Kriegsende auf italienischem Boden aufeinanderprallten. Italien wurde somit zum Schauplatz nachrichtendienstlicher Konkurrenzkämpfe diverser Nationen, deren komplexe Verflechtungen in diesem Essay in ihren Grundzügen aufgezeigt werden sollen.
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Antagonismus unter Verbündeten: Nachkriegsitalien als Schauplatz des west-westlichen Geheimdienstkriegs[1]

Von Sarah Lias Ceide

In den letzten Jahrzehnten konnten im Feld der internationalen Geheimdienstforschung enorme Fortschritte verzeichnet werden, und dabei rückten auch in Deutschland die Auseinandersetzungen zwischen feindlichen Nachrichtendiensten verschiedener Nationen zusehends in den Vordergrund.[2] Im Kontext des Kalten Krieges und des Wetteiferns zwischen östlicher und westlicher Intelligence ist dabei jedoch ein wichtiger Aspekt oft am Rande des Forschungsinteresses geblieben: die Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Nachrichtendiensten desselben Staates.[3] In der Tat war nach 1945 nicht nur das Verhältnis westlicher Dienste gegenüber ihren kommunistischen Gegenspielern, sondern auch das zu ihren inländischen Kooperationspartnern von tiefgreifenden Spannungen und Misstrauen gezeichnet. Dies artete nicht selten in erbitterte Konkurrenzkämpfe zwischen Nachrichtendiensten derselben Nation aus, wobei Überschneidungen der jeweiligen Aufgabenbereiche und machtpolitische Aspekte meist die Ursachen solcher Auseinandersetzungen darstellten. Dieser „Geheimdienstkrieg unter Freunden“, der im Mittelpunkt dieses Beitrags steht, wurde teils im Inland, teils aber auch im Ausland ausgetragen, und zu Beginn des Kalten Krieges war Italien einer der zentralen Schauplätze, auf denen diese wetteifernden Dienste aufeinanderprallten.

Auf Grund einer Mischung aus starker faschistischer Kontinuität innerhalb der neu erschaffenen demokratischen Institutionen und dem bedrohlich starken Rückhalt der Kommunistischen Partei (KPI), sah sich die 1946 ausgerufene italienische Republik schnell mit gravierenden innenpolitischen Spannungen konfrontiert, die vor dem Hintergrund der wachsenden Ost-West-Bipolarität stetig wuchsen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit der westlichen Verbündeten und ihrer Nachrichtendienste auf sich zogen. Doch war dieses Interesse nicht immer konfliktfrei, und in ihrem Eifer, Nachkriegsitalien vor sowjetischem Einfluss zu bewahren, gerieten die verschiedenen Komponenten der westlichen Intelligence, allen voran die der USA, oft aneinander. Am italienischen Fallbeispiel lassen sich so viele jener komplexen Elemente, die die antikommunistische Intelligence zu Beginn des Kalten Krieges auszeichneten, aus einer innovativen Perspektive beleuchten, die nationale und transnationale zwischendienstliche Konflikte in den Fokus rückt. Zu den Begleiterscheinungen dieser west-westlichen Konflikte auf italienischem Boden zählte nicht nur die Ausspähung befreundeter Dienste oder die Herausbildung transnationaler Intelligence-Bündnisse gegen die eigenen inländischen Partner. Auch die allgemeine, durch den Beginn des Kalten Krieges hervorgerufene Verschiebung des internationalen Freund-Feind-Schemas trat hier besonders in Erscheinung, was vor allem die Anwerbung von politisch belastetem Personal der ehemaligen Achsenmächte deutlich beweist. Um diese Entwicklungen rekonstruieren zu können, werden im Folgenden zunächst das konfliktreiche Verhältnis zwischen den US-amerikanischen Nachrichtendiensten CIC und CIA, deren Bündnisse in Nachkriegsitalien sowie das von ersterem dort aufgebaute Spionagenetzwerk Project Los Angeles analysiert. Eng damit verbunden ist der Fall des „deutschen Geheimdienstkriegs“, der zu Beginn der Fünfzigerjahre zwischen der Organisation Gehlen und ihrem Rivalen, dem Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst, auf italienischem Boden ausgefochten wurde. Abschließend wird der Beitrag den Konkurrenzkampf zwischen den italienischen Nachkriegsgeheimdiensten UAR und SIFAR ins Licht rücken, der zur Herausbildung von langlebigen, internationalen Intelligence-Bündnissen führte und dessen Rekonstruktion es erlaubt, die Fäden sowohl des amerikanischen als auch des deutschen Falles wieder aufzunehmen und dadurch die Verflechtungen der drei nationalen Kontexte hervorzuheben.

Amerikanische und italienische Rivalitäten

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen die Vereinigten Staaten in Italien einem Dilemma gegenüber. Einerseits war die italienische Republik auf Grund der Präsenz der KPI eines der Sorgenkinder des Kalten Krieges in Europa, Heimat einer internen Bedrohung also, die es zu bekämpfen und zu beheben galt. Andererseits war die italienische Republik, im Gegensatz zum besiegten und besetzten Deutschland, ein souveräner Staat, dessen politische Elite direkte und radikale US-amerikanische Eingriffe in interne Angelegenheiten wohl kaum geduldet hätte. Aus diesem Grund lassen sich die amerikanischen antikommunistischen Aktivitäten in Nachkriegsitalien unter dem Schirmbegriff Psychological Warfare zusammenfassen, eine Strategie, die ab den frühen Fünfzigerjahren konkretisiert und gezielt umgesetzt wurde. Nachrichtendienste spielten hier eine herausragende Rolle.[4] Dennoch war die amerikanische Intelligence auf italienischem Boden bereits früher in diesem Sinne tätig gewesen, anfangs hauptsächlich durch den Einsatz verschiedener Militärgeheimdienste, darunter auch das 1942 gegründete Counter Intelligence Corps (CIC) der US Army.[5] Bis 1946 waren dessen Aktivitäten in Europa beinahe ausschließlich im Bereich der Verfolgung und Erfassung von Kriegsverbrechern zu verordnen. Am Beispiel des CIC lässt sich sowohl die Neuorientierung der amerikanischen Intelligence unter der Präsidentschaft Harry Trumans als auch die damit eng verflochtene Verschiebung des globalen Freund-Feind-Schemas, die in den darauffolgenden Jahren ausschlaggebend für das allgemeine Vorgehen westlicher Geheimdienste im Ausland werden sollte, bereits früh nachweisen.

Im Jahr 1947 gründete der junge Offizier Joseph Luongo, Leiter der Abteilung Special Connections des CIC im österreichischen Gmunden, ein weitläufiges Spionagenetzwerk in Italien, das Project Los Angeles. Aus der abgebildeten Quelle, einem mutmaßlich 1949 verfassten CIC-Dokument zu Aufbau und Struktur des Netzwerks, wird ersichtlich, dass der Fokus auf der Hauptstadt Rom sowie auf dem nachrichtendienstlich hochrelevanten Grenzgebiet Südtirol lag.[6] Wichtig für die Ziele des CIC war darüber hinaus die südliche Hafenstadt Bari, auf Grund ihrer Nähe zu Jugoslawien und Albanien. Eng mit diesen geostrategischen Ausgangspunkten verknüpft war auch die Mission, die dem unter Luongos Leitung stehenden Netzwerk erteilt worden war und aus der die Neuausrichtung der amerikanischen Nachrichtendienste klar hervorgeht. Dazu zählten die Erfassung von Informationen über „personalities and activities of the Italian Communist Party”, die Aufstellung von „Ci [counter intelligence] target lists of the more dangerous Italian Communist elements” sowie eine Studie zu allen Partisanengruppierungen.[7]

Dass Luongos Projekt als eine Art Vorbote jener aggressiven antikommunistischen Intelligence-Strategie der USA gelten kann, die sich eine Verteidigung Italiens gegen den Kommunismus „by all feasible means“ aufs Banner schrieb,[8] beweist aber auch ein weiteres bezeichnendes Element: die Anwerbung von ehemaligen Funktionären und Kollaborateuren der Achsenmächte.[9] Auch dies ist der abgebildeten Quelle zu entnehmen, die die Hierarchie und Koordination zwischen den verschiedenen, am Project Los Angeles beteiligten Akteuren – hier sorgfältig verborgen hinter ihren Tarnziffern – offenbart. Als Control Agent stützte sich Luongo bereits ab Dezember 1947 vor allem auf Operator 10/6369, seinen Hauptinformanten, den deutschen Kriegsverbrecher und ehemaligen SD-Offizier Karl Hass. Hass, einer der Hauptverantwortlichen des 1944 verübten Massakers der Ardeatinischen Höhlen bei Rom,[10] wurde so zum „zweiten Mann“ des CIC-Netzwerks, in dessen Auftrag er Informanten sowohl innerhalb der neofaschistischen Kreise als auch in der Umgebung des Vatikans und des italienischen Außenministeriums anwarb, die wiederum in Rom, Bari, Mailand und Bozen gut vernetzt waren.[11] Damit begnügte sich Luongo jedoch nicht. In der Tat drangen die Augen und Ohren des Project Los Angeles auch bis in die höchsten Ebenen der italienischen Staatssicherheit vor, dank der Zusammenarbeit des CIC mit Gesualdo Barletta (Operator 10/6339), dem neuen Direktor des Inlandsnachrichtendienstes Ufficio Affari Riservati (UAR)[12] und seinem treuen Mitarbeiter Ulderico Caputo (Operator 10/5559), verantwortlich für die UAR-Operationen in Bozen, Trient und Verona. Sowohl Barletta als auch Caputo waren während des Krieges für die faschistische Geheimpolizei OVRA tätig gewesen,[13] und 1948 stellten sie sich Luongo und seinem Netzwerk mit großer Bereitschaft als Informanten zur Verfügung.[14] Innerhalb der geopolitisch-strategischen Interessen der USA und einiger Komponenten der jungen italienischen Republik lassen sich also im nachrichtendienstlichen Bereich der späten Vierzigerjahre bedeutende Überschneidungspunkte ausmachen. Dies mündete, wie im Fall Barlettas und des Project Los Angeles, nicht selten sogar in eine inoffizielle Zusammenarbeit. Laut Angaben des US-amerikanischen Militärgeheimdienstes hatte Barletta sogar angeboten, „to submit to the CIC Control Agent of Los Angeles all pertinent information concerning the activities of the Italian Communist Party both at home and abroad”.[15] Als Karl Hass wenig später parallel auch in die Dienste des UAR trat, konnte die Liaison Barletta-Luongo als vollständig gelten.[16]

Doch der CIC blieb in seiner Bestrebung, diese Verzahnung amerikanisch-italienischer Interessen zu stärken und dadurch die Bedrohung Italiens durch die UdSSR abzuwenden, nicht lange allein. Die Neustrukturierung Trumans der amerikanischen Geheimdienste im Zuge des National Security Act von 1947 führte unter anderem zur Gründung der Central Intelligence Agency (CIA), dem neuen Auslandsnachrichtendienst der USA, dessen Blick schnell auf die italienische Halbinsel fiel. Hier wie auch in anderen Ländern führten Überschneidungen zwischen den Aufgabenbereichen der CIA und des CIC bald zu Konflikten. Diesbezüglich hat der Historiker der CIA Kevin Ruffner hervorgehoben, dass „even into the 1950s, CIA and CIC were still trying to reconcile their intelligence missions overseas in order to avoid duplication and to coordinate the recruitment of assets”. Allein dank des NATO-Beitritts der Bundesrepublik und der Demobilisierung der amerikanischen Truppen in Österreich zwischen 1955 und 1956 erfolgte schließlich eine Abschwächung dieses Spannungsverhältnisses.[17]

Im Italien der späten Vierzigerjahre war die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Vereinigten Staaten jedoch noch von einem generellen Kommunikations- und Koordinationsmanko gekennzeichnet. Daraus resultierte „a lack of supervision and the operative autonomy of the different groups“.[18] Hierbei trat das Konkurrenzverhältnis zwischen CIA und CIC klar zu Tage, das sich auch in der Wahl ihrer jeweiligen Kooperationspartner vor Ort widerspiegelte. Während sich der US-amerikanische Militärgeheimdienst, wie gesehen, schnell dem an das italienische Innenministerium angebundenen UAR annäherte, zeichnete sich seitens der jüngst entstandenen CIA eine Annäherung an den Antagonisten des letzteren, den Militärnachrichtendienst Servizio Informazioni Forze Armate (SIFAR), ab, der dem Verteidigungsministerium unterstand.[19] Der SIFAR war, wie das UAR, in den turbulenten Jahren 1948/49 entstanden und wies eine starke Kontinuität mit seiner faschistischen Vorgängerorganisation, dem Servizio Informazioni Militare (SIM), auf. Auch das Verhältnis der beiden italienischen Dienste zueinander war, wie im Falle ihrer US-amerikanischen Verbündeten, von tiefgreifenden Konflikten und Spannungen gekennzeichnet, die ebenfalls auf die Aufgabenverteilung und Koordinierung der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten – in diesem Fall im Inland – zurückzuführen waren. Während sich eine Kooperation zwischen dem UAR Barlettas und dem CIC schon früh im Rahmen des Project Los Angeles abzuzeichnen begann, trug die enge Zusammenarbeit zwischen SIFAR und CIA alsbald ihre ersten Früchte und mündete unter anderem in der Gründung der berüchtigten italienischen Stay-behind-Organisation Gladio.[20]

Für die CIA brachten der Aufbau der Partnerschaft mit dem SIFAR und die daraus gestärkte eigene Präsenz in Italien verschiedene Vorteile mit sich, darunter auch die Möglichkeit, die Aktivitäten ihres Antagonisten CIC vor Ort besser im Blick zu behalten. Der neu entstandene amerikanische Auslandsnachrichtendienst war in der Tat bestens über Luongos Project Los Angeles informiert, und 1952 bezeichnete er die Zusammenarbeit zwischen dem jungen CIC-Offizier und seinem Informanten Hass als „nutzlose und kontraproduktive Liaison“.[21] Auch der SIFAR war über das Unternehmen des CIC unterrichtet und zeigte sich besonders interessiert an Hass’ und Luongos Kontakten mit dem eigenen Konkurrenten, dem UAR. 1952 übernahm der ehemalige Widerstandskämpfer Ettore Musco die Leitung des italienischen Militärgeheimdienstes, in einem Moment, in dem sich dieses Interesse zusehends verstärkte. In der Zwischenzeit waren nämlich zwei neue Elemente in dem bereits hochkomplexen Zusammenspiel zwischen nationaler und internationaler Intelligence in Italien aufgetaucht, die die internen US-amerikanischen und italienischen Rivalitäten zusätzlich verstärkten. Es handelte sich um die westdeutschen Nachrichtendienste Organisation Gehlen (Org) und Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst (FWHD), deren Wetteifern auf italienischem Boden sowohl die Zusammenarbeit zwischen dem CIC und dem UAR als auch die zwischen der CIA und dem SIFAR direkt betreffen sollte und noch deutlicher bewies, dass nachrichtendienstliche Konflikte im Kalten Krieg keinesfalls allein im Rahmen des Ost-West-Verhältnisses zu verorten waren.

Ein deutscher Machtkampf in Italien

1946 dank der Zusammenarbeit zwischen dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) Reinhard Gehlen[22] und der nachrichtendienstlichen Division der US Army, dem G-2 USFET (United States Forces European Theater), gegründet, stieg die Organisation Gehlen schnell zu Westdeutschlands wichtigstem Nachrichtendienst auf.[23] Der deutsche Besatzungsstatus sowie die allgemeinen Kontrollbefugnisse der Alliierten über die nationale Staatssicherheit zwangen Gehlens Dienst anfangs dazu, sowohl im In- als auch im Ausland in einer Art Grauzone zu agieren, sprich ausschließlich unter der Führung der US-amerikanischen Intelligence. Die offizielle Übernahme der Org in den Bundesdienst erfolgte schließlich 1956 mit der Gründung des bis heute bestehenden Bundesnachrichtendienstes (BND). Für diesen rasanten Aufstieg war im Sommer 1949 die Übernahme des Dienstes durch die junge CIA ausschlaggebend gewesen, die die US Army in ihrer leitenden Funktion der Org ablöste. Anders als im Falle Italiens, dessen Nachkriegsnachrichtendienste von Beginn an einem souveränen Staat und dessen Ministerien unterstanden, entstand Gehlens Dienst 1946 in einem nationalen Klima, das mit Blick auf die zukünftigen staatlichen Sicherheitsbehörden zwischen Ungewissheit und Aufbruchsstimmung schwankte. Zu Beginn der Fünfzigerjahre eröffnete schließlich die fortschreitende Transformation der Bundesrepublik vom Feind zum Verbündeten der USA, beschleunigt durch den Ausbruch des Koreakrieges, Gehlen und seinen nachrichtendienstlichen Gegenspielern bis dahin ungeahnte Möglichkeiten. Mit der Entstehung des Inlandsnachrichtendienstes Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)[24] im Jahr 1950 galt es nun, die Lücke eines zukünftigen Auslandsnachrichtendienstes für Westdeutschland zu füllen, und Gehlen war nicht der Einzige, der diese Gelegenheit beim Schopf zu packen versuchte. Um die Übernahme in den Bundesdienst bemühte sich auch der (inoffiziell) an das Bundeskanzleramt angebundene Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst, der ab 1950 unter der Leitung des ehemaligen Abwehroffiziers Friedrich Wilhelm Heinz sowohl auf deutschem Boden als auch im Ausland aktiv war.[25] Die Mitarbeiter des FWHD und ihr Leiter, der exzellente Verbindungen zur US Army vorweisen konnte, waren sich schon früh bewusst, dass ein gutes Verhältnis zu Gehlen und seinem seit 1949 an die CIA gebundenen Dienst wohl kaum möglich sein würde.[26] Und obgleich Heinz sich vornahm, „Überschneidungen“ mit der Org kategorisch zu vermeiden,[27] sollten die beiden deutschen Dienste bald auf eklatante Art und Weise aufeinanderprallen, nicht nur in der Heimat, sondern auch im Ausland.

Bereits 1950 und 1951 hatte sich der FWHD intensiv mit dem Aufbau nachrichtendienstlicher Netzwerke in Südeuropa befasst, wobei Italien eine zentrale Rolle zukam. Besonders interessiert war Heinz an einer Zusammenarbeit mit den italienischen Nachrichtendiensten UAR und SIFAR. Dieses Ziel hoffte er zu erreichen, indem er einen Mann anwarb, der ihm als Verbindungsglied zwischen den drei Diensten besonders geeignet schien: Karl Hass. Diese Wahl sollte dem deutschen Nachrichtendienstoffizier allerdings bald zum Verhängnis werden. Denn die CIA und die Organisation Gehlen, die bereits 1946 eine eigene Außenstelle in Rom gegründet hatte,[28] witterten eine Chance, Heinz’ Verwendung des deutschen Kriegsverbrechers zu ihren eigenen Gunsten zu nutzen. „A well documented case of Capote’s [FWHD] use of unacceptable ex-Rsha [Reichssicherheitshauptamt] types”, notierte die CIA im Februar 1952, „could very well give us sufficient leverage to resolve any Zipper [Org]-Capote differences which might arise in the future, to our advantage”.[29] Paradoxerweise stellte die Person Hass᾽ also in seiner Funktion als Informant und Verbindungsmann einen jener strukturellen Überschneidungspunkte zwischen den sechs westlichen Spionagenetzwerken dar, der letztlich zum Anknüpfungspunkt für die Austragung des „Geheimdienstkriegs unter Freunden“ werden sollte.

In der Tat waren Gehlen und die CIA nicht die Einzigen, die vorhatten, Heinz’ Unternehmen in Italien zur Lösung interner Interessenskonflikte zu nutzen. Auch ihrem italienischen Verbündeten, dem SIFAR, kam die heikle Verbindung zwischen Hass und dem FWHD nur gelegen. Musco wusste nämlich nicht nur bestens über die Tätigkeit des ehemaligen SS-Offiziers für Project Los Angeles Bescheid, sondern hatte nun auch erfahren, dass Hass, ein Mann, der „gegen Bezahlung bereit sei, für jedes Land zu arbeiten“,[30] als Informant für seinen Konkurrenten Barletta beim UAR aktiv war. Vor diesem Hintergrund hatte der SIFAR bereits im Mai 1952 die sogenannte Operation Candido gestartet, eine gegen Hass – und implizit gegen den CIC und den UAR – gerichtete Beschattungs- und Bespitzelungsoperation, in die die CIA eingeweiht war.[31] Somit ist auch die Entscheidung Muscos, ab Juni desselben Jahres einer Zusammenarbeit des SIFAR mit Heinz’ Dienst durch Hass zuzustimmen, als Teil der Operation Candido anzusehen.[32] In den darauffolgenden Monaten beobachtete der italienische Militärgeheimdienst den deutschen Kriegsverbrecher durchgehend, und Muscos Anstrengungen wurden schon bald belohnt. Laut dem Informanten des SIFAR hatte Hass bereits während seiner ersten Reise von Deutschland nach Italien, die die Überbringung von geheimen Dokumenten des FWHD an den SIFAR zum Ziel hatte, den ihm anvertrauten Umschlag geöffnet und den Inhalt gelesen.[33] Wenig später bat er denselben Informanten, ihm zu helfen, einige Dokumente abzufotografieren, da er vorhabe, sie später zu verkaufen.[34] Als Hass im darauffolgenden Monat ohne Erfolg versuchte, diese Kopien zuerst an den israelischen Geheimdienst Mossad und schließlich an den sowjetischen KGB zu verkaufen,[35] hatten SIFAR, CIA und Organisation Gehlen ihr Ziel erreicht. Nun hatten sie die Beweise für die Verwendung eines „inakzeptablen RSHA-Typus“ und noch dazu Verräters seitens Heinz, des CIC und des UAR. Doch der Leiter des FWHD sollte das Ende der Operation Candido nicht miterleben. Bereits im Herbst 1953 war er den gegen ihn gerichteten Intrigen Gehlens und seines mächtigsten Verbündeten in Bonn, Hans Globke, zum Opfer gefallen, die ihn und mehrere seiner Mitarbeiter unter anderem der Zusammenarbeit mit den sowjetischen Nachrichtendiensten beschuldigten.[36] Heinz wurde zum ersten Oktober 1953 beurlaubt und bald danach seines Dienstes enthoben.[37]

Die Operation Candido wurde dennoch fortgeführt. Bevor sie ihren Höhepunkt erreichen konnte, mussten sich die CIA und die Organisation Gehlen jedoch mit der recht peinlichen Erkenntnis auseinandersetzen, dass „einige Personen, die MA [Mitarbeiter] des Heinz-Dienstes sind oder waren, MA der Org. sind oder waren“.[38] Besonders unangenehm muss Gehlen dabei der Umstand gewesen sein, dass Hass selbst für einen gewissen Zeitraum Informant der Org-Außenstelle in Rom gewesen war.[39] Die Schlussfolgerung des gehlenschen Dienstes überrascht vor diesem Hintergrund nicht: „Es wird notwendig sein, die Verbindungen, die aus dem Kreise der MA des Heinz-Dienstes zu Angehörigen der Org. bestehen oder bestanden haben, zu überprüfen und dafür zu sorgen, daß diese Kontakte unterbunden werden.“[40] Sogar in den Zentralen des CIC und des UAR führte die Nachricht von Hass’ Kontaktaufnahme mit der feindlichen Intelligence zunächst zu Versuchen einer radikalen Distanzierung ihm gegenüber. Das CIC gab der CIA gegenüber an, nicht mehr in Kontakt mit dem deutschen Kriegsverbrecher zu stehen, und das UAR stimmte sogar Muscos Vorschlag einer zeitnahen Ausweisung Hass’ aus Italien zu.[41] Am 24. September 1954 veranlasste der SIFAR die Verhaftung des Mehrfachagenten und ehemaligen SS-Offiziers und beschuldigte ihn des „illegalen Besitzes von Waffen und Dokumenten, die der Geheimhaltung unterliegen“.[42] Damit war die Operation Candido nach rund zwei Jahren zeitintensiver und aufwendiger Ermittlungen beendet.

Obgleich die Ausweisung Hass’ aus dem italienischen Staatsgebiet aufgrund diverser energischer Eingriffe des UAR zu seinen Gunsten letztlich nie vollzogen werden konnte,[43] führten die intensiven Ermittlungen des SIFAR dennoch zu erfreulichen Resultaten für Musco, Gehlen und die CIA. Einerseits stärkte die indirekte Zusammenarbeit im Rahmen der Operation die bereits bestehenden Beziehungen zwischen Org und SIFAR; im Dezember 1954 wurde die Kooperation zwischen den beiden Diensten von Adenauer bewilligt und damit offiziell.[44] Andererseits hatte die Operation Candido in bedeutendem Maße zur Erlangung neuer Erkenntnisse seitens der Organisation Gehlen und der CIA zu den Netzwerken des FWHD in Italien beigetragen, die durch die Hass-Affäre von 1954 deutlich geschwächt und angreifbar wurden. Inwieweit die Operation und die damit einhergehenden Ermittlungen gegen den FWHD tatsächlich zur Entlassung Heinz’ Ende 1953 beitrugen und den darauffolgenden Bedeutungsverlust des einst unter seiner Leitung stehenden Dienstes beschleunigten, bedarf allerdings weiterer Erforschung.[45] Fest steht dennoch, dass die Ereignisse der Jahre 1952–1954 Gehlens Position in Deutschland zusätzlich stärkten und ihn seinem höchsten Ziel, der Übernahme in den Bundesdienst, näherbrachten, einem Ziel, das er schließlich 1956 mit der Umwandlung der Organisation Gehlen in den BND, den neuen Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik, erreichte. Gleichzeitig hatten aber auch der SIFAR und die CIA gegenüber ihren jeweiligen Antagonisten gepunktet, denn mit Hass’ Festnahme hatten sowohl der UAR als auch die CIC-Division unter Luongos Leitung – wenn auch nur vorübergehend – einen ihrer wichtigsten Informanten verloren.

Fazit

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Geheimdienstforschung zu einer progressiven Entmythisierung der Nachrichtendienste und ihrer Tätigkeiten beigetragen. In einem gewissen Sinne ist die Welt der Intelligence somit zusehends vermenschlicht und von der abstrakten Dimension der reinen Institutionalität abgekoppelt worden. Das hier behandelte Thema des Konkurrenzverhältnisses zwischen westlichen Geheimdiensten einer oder mehrerer Nationen bestätigt diesen Eindruck und verstärkt ihn womöglich sogar noch.

Die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten der sechs hier behandelten Dienste auf ideologisch-strategischer Ebene – sie alle verfolgten mit der Eindämmung und Bekämpfung des sowjetischen Einflusses prinzipiell dasselbe Ziel – stellten zugleich auf interessenspolitisch-individueller Ebene den Auslöser für die oben beschriebenen zwischendienstlichen Konflikte und Antagonismen dar. So kann das Project Los Angeles des CIC als eine Art Prototyp weiterer Netzwerke gesehen werden, die in Italien ab den späten Vierzigerjahren von anderen westlichen Nachrichtendiensten aufgebaut wurden und teilweise sogar auf dieselben Informanten zurückgriffen, wie der Fall Hass und seine direkte oder indirekte Verwendung durch alle hier behandelten Dienste beweist. Diese logistisch-strukturellen Überschneidungen machten eine klare Abgrenzung der Tätigkeitsfelder zweier Geheimdienste derselben Nation und deren effiziente Zusammenarbeit beinahe unmöglich; gleichzeitig luden sie aber auch umso mehr zur Beschattung und Bespitzelung des jeweiligen Konkurrenten ein. Gepaart mit den machtpolitischen Zielen, die die Leiter dieser Nachrichtendienste verfolgten, bildete sich so eine paradoxe Situation heraus, in der das Wetteifern mit den eigenen, inländischen Partnerinstitutionen drohte, die eigentlichen Aufgaben der verschiedenen Geheimdienste – die Spionage und Gegenspionage gegenüber internen und externen Feinden – zumindest temporär zu überschatten. In diesem Zusammenhang scheint es auch nicht verfehlt, von einer oft fraglichen Verwaltung von Mitteln und Ressourcen seitens der westlichen Intelligence zu sprechen, denn die Konkurrenzkämpfe zwischen westlichen Diensten nahmen ohne Zweifel viel Zeit und Geld in Anspruch, die anderweitig und wirksamer hätten eingesetzt werden können. Dieser Aspekt bedürfte der weiteren Erforschung. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass auch weitere fragwürdige Praktiken der Nachkriegs-Intelligence, insbesondere der Rückgriff auf politisch belastetes Personal sowohl im Bereich der Informanten als auch der festangestellten Mitarbeiter, durch die internen Feindseligkeiten zwischen Partnerdiensten einen zusätzlichen Anschub erlebten. Die Überzeugung, zur Sicherung der eigenen machtpolitischen Interessen mit dem jeweiligen Konkurrenten Schritt halten zu müssen, der auf ehemalige Achsenfunktionäre und Kriegsverbrecher zurückgriff, führte so zu einer wachsenden Kompromissbereitschaft mit Blick auf die Anwerbung politisch belasteter Mitarbeiter; daraus resultierte eine fortschreitende Konvergenz der modi operandi der konkurrierenden Dienste in diesem Bereich, ein Nährboden für faschistische und NS-Kontinuitätskarrieren.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass diese komplexen Verflechtungen politisch-institutioneller, ideologischer und strategischer Natur größere Aufmerksamkeit seitens der internationalen Forschungsgemeinschaft verdienen, als ihnen bisher zu Teil geworden ist. Eine verstärkte Erforschung der west-westlichen nachrichtendienstlichen Antagonismen verspricht, die Geheimdienstforschung von ihrem oftmals dichotomischen Rahmen der Ost-West-Auseinandersetzungen loszulösen, die Schlüsselelemente der antikommunistischen Intelligence-Methodik neu zu kontextualisieren und die Divergenz zwischen individuellem und institutionellem Handeln vermehrt aufzeigen zu können.



[1] Essay zur Quelle: Geheimdienst Dokument des CIC, Structure and Mission of Project Los Angeles (wahrscheinlich 1949); [Scan], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-78852>.

[2] Vgl. beispielsweise Armin Wagner / Matthias Uhl, BND contra Sowjetarmee: Westdeutsche Militärspionage in der DDR, Berlin 2006.

[3] Zum Thema westdeutscher Geheimdienstbeziehungen bzw. -konflikte vgl. unter anderem Susanne Meinl, David gegen Goliath: Der Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst und die Organisation Gehlen, in: Magnus Pahl / Gorch Pieken / Matthias Rogg (Hrsg.), Achtung Spione! Geheimdienste in Deutschland von 1945 bis 1956, Dresden 2016, S. 95-114; Erich Schmidt-Eenboom / Christoph Franceschini / Thomas Wegener Friis, Spionage unter Freunden. Partnerdienstbeziehungen und Westaufklärung der Organisation Gehlen und des BND, Berlin 2017; Wolfgang Krieger, Die Beziehungen des BND zu den westlichen Geheimdiensten 1946-1968, Reihe der UHK, Berlin 2021.

[4] Mario Del Pero, The United States and “Psychological Warfare” in Italy, 1948-1955, in: The Journal of American History 87/4 (2001), S. 1304-1334. Die US-amerikanische „psychologische Kriegsführung“ führte nach 1945 in verschiedenen Staaten wiederholt zu „inoffiziellen“ Eingriffen mittels oftmals „unorthodoxer“ Methoden und wurde ab 1951 durch das behördenübergreifende Psychological Strategy Board (PSB) koordiniert.

[5] Entstanden vor dem Hintergrund des Kriegseintritts der Vereinigten Staaten, war das CIC ab 1942 sowohl im In- als auch im Ausland im Bereich der Spionageabwehr tätig und setzte seine Tätigkeit nach Kriegsende beinahe nahtlos im Rahmen vielfältiger antikommunistischer Operationen fort.

[6] Vgl. Christoph Franceschini, Geheimdienste, Agenten, Spione: Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte, Bozen 2020.

[7] CIA Freedom of Information Act (CIA FOIA), Nazi War Crimes Disclosure Act (NWCDA), Army CIC Nets in Eastern Europe_0001, Net Project Los Angeles, wahrscheinlich 1949.

[8] Thomas Boghardt, By all feasible means, in: Sources and Methods, The Wilson Center, 1.5.2017, URL: <https://www.wilsoncenter.org/blog-post/all-feasible-means> (aufgerufen am 3.1.2024).

[9] Vgl. unter anderem Richard Breitman / Norman J.W. Goda / Timothy Naftali / Robert Wolfe, U.S. Intelligence and the Nazis, Cambridge 2005; Martin Cüppers, Walther Rauff – in deutschen Diensten. Vom Naziverbrecher zum BND-Spion, Darmstadt 2013; Richard Rashke, Useful Enemies: America’s Open-Door Policy for Nazi War Criminals, New York 2015; Martin Haidinger, Wilhelm Höttl. Spion für Hitler und die USA, Wien 2019; Georg Sälter, NS-Kontinuitäten im BND. Rekrutierung, Diskurse, Vernetzungen, Reihe der UHK, Berlin 2022.

[10] Karl Theodor Hass kam am 5. Oktober 1912 in Kiel in einer gutbürgerlichen Familie zur Welt. Nach dem Eintritt in die SS 1933 folgte eine rasche Karriere innerhalb des SD, und 1943 wurde Hass SD-Attaché an der deutschen Botschaft im besetzten Rom. Nach dem Partisanenattentat von Via Rasella, bei dem 33 deutsche Polizisten in der italienischen Hauptstadt ums Leben kamen, befahl Herbert Kappler, Kommandeur des SD und der Sicherheitspolizei (SiPo) in Rom, die Hinrichtung 335 italienischer Zivilisten und Soldaten bei den Ardeatinischen Höhlen. Hass war während der gesamten Dauer des Massakers anwesend und erschoss eigenhändig mindestens zwei Opfer. Zu Hass’ Biographie und seinen geheimdienstlichen Aktivitäten nach dem Krieg vgl. Franceschini, Geheimdienste, Agenten, Spione sowie Sarah Lias Ceide, Vecchi nemici e nuovi alleati. Karl Hass al centro della „guerra di spie“ in Italia, 1946-1954, in: Passato e Presente 116 (2022), S. 74-91.

[11] CIA FOIA, NWCDA, Army CIC Nets in Eastern Europe_0001, Net Project Los Angeles, wahrscheinlich 1949. Zu Hass’ Informanten zählten unter anderem Pino Romualdi, ehemals hochrangiges Parteimitglied der Republik von Salò, „spiritueller Leader“ der neofaschistischen Untergrundorganisation Fasci d’Azione Rivoluzionaria und später einer der Gründer des Movimento Sociale Italiano, sowie der österreichische Bischof Alois Hudal, Rektor des Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima in Rom, seit Kriegsende Fluchthelfer zahlreicher Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher entlang der sogenannten Rattenlinien.

[12] Zu Entstehung und Tätigkeiten des UAR vgl. Giacomo Pacini, Il cuore occulto del potere. Storia dell’Ufficio Affari Riservati del Viminale (1919-1984), Roma 2010.

[13] Die Opera Vigilanza Repressione Antifascismo hatte während des faschistischen Regimes die Überwachung und Verfolgung antifaschistischer Organisationen und ihrer Mitglieder zum Ziel. Für eine Rekonstruktion der Geschichte der OVRA vgl. Mimmo Franzinelli, I tentacoli dell’Ovra. Agenti, collaboratori e vittime della polizia fascista, Torino 1999. Für weitere Details zu Barletta und seiner Karriere vgl. Davide Conti, Gli uomini di Mussolini. Prefetti, questori e criminali di guerra dal fascismo alla Repubblica, Torino 2017.

[14] Das CIC gab hierzu an, dass „Barletta’s intimate hatred of Communism and things Communist and his keen desire to truncate Communism in Italy has induced him to collaborate with an American intelligence agency”, CIA FOIA, NWCDA, Army CIC Nets in Eastern Europe_0001, Net Project Los Angeles, wahrscheinlich 1949.

[15] Ebd.

[16] Das Verhältnis zwischen dem UAR und dem CIC war jedoch alles andere als spannungsfrei. Gegenüber seinem Informanten Hass zeigte sich Barlettas rechte Hand Caputo Mitte der Fünfzigerjahre zutiefst besorgt über Luongos Aktivität in Italien und bat den ehemaligen SS-Offizier um dahingehende Informationen über seinen amerikanischen Arbeitgeber. Dieser Bitte kam Hass ohne Zögern nach; vgl. Archivio Centrale dello Stato (ACS), Raccolte Speciali, Direttiva Renzi 2014, Ministero dell’Interno, allegati al procedimento penale n. 91/97 della Procura della Repubblica di Brescia, Nota Urgente, Oggetto: Caputo/H.[ass], 24.2.1954.

[17] Kevin C. Ruffner, CIC Records: A Valuable Tool for Researchers, in: American Intelligence Journal 20/1 (2000), S. 83-87, hier S. 85. Die Spannungen im Verhältnis zur CIA waren jedoch nicht die ersten, mit denen der CIC zu kämpfen hatte; bereits während des Krieges in Europa hatte er sich geringer Beliebtheit unter den anderen Heereskomponenten erfreuen können; vgl. Thomas Boghardt, Covert Legions. U.S. Army Intelligence in Germany, 1944-1949, U.S. Army Center of Military History, Washington DC 2022, S. 35f.

[18] Del Pero, The United States, S. 1310.

[19] Bisher ist noch keine detaillierte Studie zum SIFAR erschienen. Für eine partielle Rekonstruktion, besonders mit Blick auf die sogenannte „Strategie der Spannung“ in Italien, vgl. unter anderem Giuseppe De Lutiis, Storia dei servizi segreti in Italia, Roma 1984; Tobias Hof, Staat und Terrorismus in Italien 1969-1982, Berlin 2011.

[20] Hierbei handelte es sich um eine zwischen 1949 und 1950 unter anderem aus neofaschistischen Kreisen rekrutierte und mit Hilfe der CIA ausgebildete und bewaffnete Einheit, die im Falle einer kommunistischen Invasion Italiens durch Sabotage- und Spionageoperationen zurückbleiben und zum Einsatz kommen sollte. Später wurde sie Teil der NATO-Streitkräfte. Gladio war somit nur eine von dutzenden, unter alliierter Leitung stehenden Stay-behind-Gruppierungen, die zu Beginn des Kalten Krieges in Europa gegründet wurden, obgleich sie dank der spektakulären Umstände, die in den Achtzigerjahren zu ihrer Entdeckung führten, weiterhin als die bekannteste gelten kann; vgl. Leopoldo Nuti, The Italian ‘Stay-Behind’ network – The origins of operation ‘Gladio’, in: Journal of Strategic Studies 20/6 (2007), S. 955-980; Giacomo Pacini, Le altre Gladio. La lotta segreta anticomunista in Italia, 1943-1991, Torino 2014.

[21] FOIA CIA, NWCDA, Hass, Karl, Classified Message, 9.7.1952.

[22] Zur Person und Karriere Gehlen vgl. Rolf-Dieter Müller, Reinhard Gehlen. Geheimdienstchef im Hintergrund der Bonner Republik. Die Biografie, Reihe der UHK, Berlin 2017.

[23] Die Geschichte der Organisation Gehlen und des BND ist mittlerweile beinahe lückenlos erforscht, dank der 2011 gegründeten Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (UHK). Für eine komplette Liste der Studien der UHK vgl. URL: <http://www.uhk-bnd.de/?page_id=340> (aufgerufen am 3.1.2024).

[24] Vgl. Constantin Goschler / Michael Wala, „Keine neue Gestapo“: das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit, Reinbek 2015.

[25] Zur Person Heinz’ und der Entstehung des FWHD vgl. Susanne Meinl / Dieter Krüger, Der Politische Weg von Friedrich Wilhelm Heinz. Vom Freikorpskämpfer zum Leiter des Nachrichtendienstes im Bundeskanzleramt, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42/1 (1994), S. 39-69.

[26] Zum Konkurrenzkampf zwischen FWHD und Organisation Gehlen vgl. Meinl, David gegen Goliath.

[27] Meinl, Krüger, Der Politische Weg, S. 58.

[28] Die Außenstelle Rom der Organisation Gehlen wurde zwischen 1946 und 1969 von Reinhard Gehlens älterem Bruder, dem ehemaligen Kernphysiker Johannes Gehlen, geleitet. Die Aufgaben der Rom-Gruppe betrafen anfangs hauptsächlich die Infiltration des Souveränen Malteser-Ritterordens und Aufklärung im Bereich der KPI und der römischen Zirkel ehemaliger SS-Angehöriger; vgl. Schmidt-Eenboom / Franceschini / Wegener Friis, Spionage, S. 52ff.; Sarah Lias Ceide, Scontri tra spie agli inzi della guerra fredda: l’Organisation Gehlen in Italia, 1946-1956, Napoli 2023.

[29] FOIA CIA, NWCDA, Hass, Karl, Wilhelm Hoettl’s approach to Gruesome 201 [Hass], 18.2.1952.

[30] ACS, Raccolte Speciali, Direttiva Renzi 2014, Ministero dell’Interno, allegati al procedimento penale n. 91/97 della Procura della Repubblica di Brescia, Attività informativa di Karl Hass, 4.9.1954.

[31] Ebd.

[32] Zum Beginn der Zusammenarbeit zwischen dem FWHD, dem UAR und dem SIFAR vgl. unter anderem CIA FOIA, NWCDA, Hass, Karl, Secret/Security Information, Dispatch No. OIRA – 1218, 29.7.1953.

[33] Ebd., Activity of the German Intelligence Service in Italy, 28.10.1953.

[34] Ebd.

[35] Ebd. Plan Lablaze Progress Report, 12.1.1954.

[36] Vgl. Meinl, David gegen Goliath.

[37] Meinl, Krüger, Der politische Werdegang, S. 62f.

[38] BND-Archiv, Signatur 101847_OT, Betr.: MA und ehem. MA des Heinz-Oster-ND, 24.3.1954.

[39] Ebd., Signatur 220815, Johannes Gehlen, Tätigkeit in Rom, 1949.

[40] Ebd., Signatur 101847_OT, Betr.: MA und ehem. MA des Heinz-Oster-ND, 24.3.1954.

[41] ACS, Raccolte Speciali, Direttiva Renzi 2014, MI, allegati al procedimento penale 91/97, Appunto Hass, Karl, 25.9.1954.

[42] Ebd., Processo verbale di interrogatorio di Hass, Karl, Compagnia interna dei Carabinieri di S. Lorenzo in Lucina, 25.9.1954.

[43] Barlettas Entscheidung, seine schützende Hand über Hass zu halten, führte zu sechs Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnis des deutschen Kriegsverbrechers, der Italien letztlich bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen sollte. Erst 1997 wurde er vom italienischen Militärgerichtshof für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen und zu knapp zehn Jahren Haft verurteilt; vgl. Procedimento penale a carico di Hass, Karl e Priebke, Erich, Sentenza del Tribunale militare di Roma, 22.7.1997, URL: (aufgerufen am 3.1.2024).

[44] Schmidt-Eenboom / Franceschini / Wegener Friis, Spionage, S. 61.

[45] Der FWHD setzte seine Tätigkeit nach Heinz’ Ausscheiden unter dem Decknamen „Archiv für Zeitgeschehen“ fort und wurde 1956 definitiv aufgelöst, wobei ein Teil des Personals in den neu entstandenen Militärischen Abschirmdienst (MAD) eingegliedert wurde.



Literaturhinweise

  • Richard Breitman u.a. (Hrsg.), U.S. Intelligence and the Nazis, Washington 2004.
  • Thomas Großbölting / Sabine Kittel (Hrsg.), Welche „Wirklichkeit“ und wessen „Wahrheit“? Das Geheimdienstarchiv als Quelle und Medium der Wissensproduktion, Göttingen 2019.
  • Susanne Meinl, David gegen Goliath: Der Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst und die Organisation Gehlen, in: Magnus Pahl / Gorch Pieken / Matthias Rogg (Hrsg.), Achtung Spione! Geheimdienste in Deutschland von 1945 bis 1956, Dresden 2016, S. 95-114.
  • Giacomo Pacini, Il cuore occulto del potere. Storia dell’Ufficio Affari Riservati del Viminale, 1919-1984, Roma 2010.
  • Erich Schmidt-Eenboom / Christoph Franceschini / Thomas Wegener Friis, Spionage unter Freunden. Partnerdienstbeziehungen und Westaufklärung der Organisation Gehlen und des BND, Berlin 2017.

Q_Lias Ceide_Geheimdienstdokument

Geheimdienstdokument des CIC, Structure and mission of Project Los Angeles (ohne Datum, ca. 1949); [SCAN][1]

Structure and Mission of Project Los Angeles


[1] Quelle zum Essay: Lars Döpking, Fiskalische Europäisierung. Von der Steuermarke über den Kassenzettel in den europäischen Steuerstaat, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-136356>.


Für das Themenportal verfasst von

Sarah Lias Ceide

( 2024 )
Zitation
Sarah Lias Ceide, Von Verbündeten und Antagonisten: Italien im Zentrum des europäischen Geheimdienstkriegs, 1945-1954, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-137124>.
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