Die Funktionalisierung des Monarchen im 19. Jahrhundert im europäischen Vergleich
Von Martin Kirsch
Innerhalb der Machtstrukturen des Staates im 19. Jahrhundert nimmt die Beziehung zwischen Monarch, Regierung und Parlament eine zentrale Stellung ein. Der Vergleich dieses zumeist dualistisch strukturierten Verhältnisses in den Ländern Europas zeigt überwiegend europäische Gemeinsamkeiten und nicht nationale Unterschiede, so dass für diesen Bereich der Verfassung weder von einem „deutschen Sonderweg“ noch von einer „exception française“ gesprochen werden kann. Der europäische Verfassungstyp des „monarchischen Konstitutionalismus“ setzte sich innerhalb der allermeisten Verfassungsstaaten durch. Erklären lässt sich dies unter anderem mit der „Funktionalisierung“ des Monarchen während der dynamischen Verfassungsentwicklung im langen 19. Jahrhundert zwischen 1789 und 1918/22. Nach Klärung der Begriffe „Monarch“ und „monarchischem Konstitutionalismus“ und seiner drei Erscheinungsformen steht im zweiten Abschnitt die Funktionalisierung des Monarchen hinsichtlich seiner faktischen Rolle im Verfassungssystem im Vordergrund: Der Monarch besaß eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit, politische und gesellschaftliche Funktionen zu übernehmen und sicherte sich damit seinen Herrschaftsanspruch trotz gesellschaftlich-politischen Wandels. Hinsichtlich seiner innenpolitischen Rolle lassen sich drei grobe Unterscheidungen treffen: a) die nationale Integrationsfunktion, b) die Rolle des politischen „Vermittlers“ und c) die (teilweise desintegrierend wirkende) Aufgabe eines „Bollwerks“. Abschließend folgt ein knapper Ausblick zum Legitimitätswandel des Monarchen im Konstitutionalismus.
Au sein des structures de pouvoir du 19ème siècle, une position centrale revient aux relations entre le monarque, le gouvernement, et le Parlement. Une comparaison de ces relations, généralement dualistes, dans les pays européens révèle plus de points communs que de différences nationales. Ainsi, pour cette partie de la Constitution, on ne peut parler ni d’un « Sonderweg allemand » nie d’une « exception française ». Dans la plupart des États constitutionnels, le « constitutionnalisme monarchique » s’est imposé comme étant l’archétype du modèle constitutionnel européen. Ceci s’explique entre autres par la « fonctionnalisation » du monarque au cours de l’histoire constitutionnelle du long 19ème siècle entre 1789 et 1918/22. Après avoir défini les concepts de « monarque » et de « constitutionnalisme monarchique » ainsi que les trois formes différentes qu’il présente, l’auteur analyse dans la deuxième partie de sa contribution la fonctionnalisation du monarque et son rôle de fait au sein du système constitutionnel : le monarque disposait d’une capacité d’adaptation étonnante lui permettant de prendre en charge de nouvelles fonctions politiques et sociales, ce qui lui assurait un pouvoir et une légitimité toujours renouvelés. Quant à son rôle intérieur, trois grandes distinctions peuvent être établies entre a) sa fonction d’intégration nationale, b) son rôle de « médiateur » politique, et c) sa fonction de « rempart » (faisant parfois l’effet d’une force de désintégration). Pour finir, l’auteur montre comment la légitimation du monarque évolue dans le constitutionnalisme.
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Der monarchische Konstitutionalismus als Verfassungstyp
Damit der Vergleich nachvollziehbar bleibt, ist es unumgänglich, im Vorfeld die benutzten Maßstäbe offen zu legen. Dementsprechend müssen am Anfang einige Definitionen vorgestellt werden. Was soll im Folgenden unter „Monarchie“ verstanden werden? Der übliche, nämlich allein die dynastische Herrschaft eines Königs erfassende Begriffsinhalt des Wortes soll hier durch einen Kunstgriff erweitert werden, so dass dieser im Sinne seiner griechischen Ursprungsbedeutung generell die Herrschaft eines Einzelnen beschreibt. Diese Erweiterung ist deshalb sinnvoll, weil insbesondere im Frankreich des 19. Jahrhunderts neben Königen und Kaisern auch republikanische Konsuln und Präsidenten eine durch die jeweilige Verfassung beschränkte Herrschaft ausübten und insoweit für die republikanischen Phasen einerseits schwerlich von einer Monarchie im Sinne einer auf dem dynastischen Prinzip beruhenden Herrschaft gesprochen werden kann, andererseits diese Phasen auch kein typisches Präsidialsystem aufwiesen. Da sich aber in Frankreich zwischen 1789 und 1877 anders als in England seit 1835/41 nicht ein parlamentarischer Konstitutionalismus durchsetzte, sondern, abgesehen von kurzfristigen Ausnahmen, ein
einzelner Herrscher, gleich ob in einer Monarchie oder in einer Republik, eine wichtige Rolle im Verfassungssystem einnahm, lässt sich für die französische Verfassungsentwicklung die These aufstellen, dass auch hier die Entwicklung des beginnenden Verfassungsstaates zumeist in der Form eines (in diesem erweiterten Sinne gedachten)
monarchischen Konstitutionalismus verlief.
Dieses Untersuchungskriterium, ob eine Monarchie – also verstanden als die Herrschaft eines Einzelnen – vorliegt, dient erstens der Auffindung monarchischer Verfassungsstrukturen in republikanischen Systemen und damit unter anderem der Abgrenzung zu kollegial verfassten Strukturen, wie sie in Frankreich in der Verfassung von 1795, aber auch in der Schweiz während des gesamten 19. Jahrhunderts oder in den Konstitutionen der Niederlande von 1798 und 1801 zu finden waren (die damit die alteuropäische republikanische Tradition fortsetzten, vornehmlich aus föderalen Gründen eine gegenseitige Kontrolle innerhalb der Mitglieder der Exekutive verfassungsrechtlich abzusichern). Das Merkmal Monarchie dient zweitens der Unterscheidung vom Präsidialsystem, das in Frankreich zum Beispiel die Konstitution von 1848 verwirklichte. Im Gegensatz zur Präsidialrepublik zeichnet sich die Monarchie im erweiterten Sinne durch die fehlende Auswahlmöglichkeit beim Regierungsantritt (zum Beispiel Staatsstreich) sowie die faktische Nicht-Absetzbarkeit des Herrschers aus (keine zeitlich beschränkte Amtsdauer), ohne dass der Monarch aber auf jeden Fall einen dynastischen Anspruch auf das Amt geltend machen kann.[1] Es gibt zwar einige funktionale Ähnlichkeiten zur Präsidialrepublik, aber die „Überwindung“ der zuvor benannten grundlegenden Differenzen durch die Einführung des auf einer höheren abstrakten Ebene liegenden Begriffes „Staatsoberhaupt“, womit die Unterscheidung zwischen Monarch und Präsident einer Republik sekundär würde, wird der realhistorischen Situationen im 19. Jahrhunderts nicht gerecht.[2]
Gegen eine derartige Ausdehnung des Monarchiebegriffs kann geltend gemacht werden, dass das alteuropäische traditionale Legitimitätsmuster des Erbprinzips für die Verfassungswirklichkeit im 19. Jahrhundert noch von so grundlegender Bedeutung blieb, dass es als das allein entscheidende konstitutive Merkmal einer monarchischen Herrschaft für die Begriffsfassung zugrunde gelegt werden muss. Hinter diesem inhaltlichen Einwand verbirgt sich das methodische Problem, inwieweit sich die unterschiedlichen alten und „neuen“ Formen der Monarchie in der historischen Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts immerhin so stark ähnelten, dass es sinnvoll erscheint, sie unter einem gemeinsamen Analysebegriff zu subsumieren. Dass es meines Erachtens sinnvoll ist, mit einem derartig weiten Begriff zu arbeiten, soll anhand folgender Untersuchung gezeigt werden.
Zwei weitere zur Beurteilung nicht nur des Monarchen, sondern auch des Verfassungssystems im 19. und 20. Jahrhundert grundlegende analytische Schlüsselbegriffe sind Konstitutionalismus und Parlamentarismus. Es soll deshalb noch kurz dargelegt werden, was an dieser Stelle unter diesen beiden Termini verstanden werden soll. Der hier zugrunde gelegte weite Begriff des Konstitutionalismus bezeichnet die Machteinschränkung der politisch Herrschenden im Staat durch (geschriebenes) Verfassungsrecht. Er knüpft an den englischen, französischen oder auch italienischen Sprachgebrauch an und geht damit über die sprachliche Engfassung innerhalb der deutschen verfassungshistorischen Forschung, die ganz überwiegend nur das konstitutionelle Königtum des 19. Jahrhunderts als Konstitutionalismus bezeichnet, hinaus. In Weiterentwicklung von Überlegungen Karl Loewensteins[3] kann der Konstitutionalismus im 19. Jahrhundert im Hinblick auf die Regierungsform in eine monarchische, eine parlamentarische (zum Beispiel Großbritannien ab 1835/41), eine präsidiale (zum Beispiel Frankreich 1848) und eine direktoriale Variante (Frankreich 1795, Schweiz 1848) unterschieden werden. Innerhalb des monarchischen Typs des Konstitutionalismus lassen sich hinsichtlich der Verfassung und deren Umsetzung vier Erscheinungsformen unterscheiden: der Verfassungsstaat.
- mit machtpolitischem Übergewicht des Monarchen (Frankreich 1814, Preußen 1850)
- mit faktischer Dominanz des Parlaments (Frankreich 1791 und 1830, Belgien 1831, Sardinien-Piemont ab 1852
- mit bonapartistischer Prägung (Frankreich 1799 und 1852)
- mit ständischer Prägung (Polen 1791, Schweden 1809)
Ist es überhaupt sinnvoll, unter dem Begriff des Konstitutionalismus diese vier Erscheinungsformen gemeinsam behandeln zu wollen? Ein derartiger Einwand wird sich insbesondere auf die Herrschaft Napoleons I. und Napoleons III. beziehen, werden die beiden Regime doch sowohl in der französischen als auch in der deutschen Historiographie häufig als Diktaturen oder zumindest als „autokratische Regime“ bezeichnet.[4] Das entscheidende Kriterium, welches gegen eine Einordnung des Bonapartismus als Diktatur oder Autokratie spräche, wäre die faktische Einschränkung der Machtausübung Napoleon Bonapartes und seines Neffen mit Hilfe einer Konstitution. Nun ist sicherlich kaum zu bestreiten, dass beide Bonapartes 1799 bzw. 1852 eine Konstitution erließen, aber beschränkte die Verfassung tatsächlich die Herrschaft Napoleons I. bzw. III.?
Blicken wir auf die normative Struktur der Konstitutionen von 1799 und 1852, so regelten sie das Gesetzgebungsverfahren in der Weise, dass die alleinige Gesetzesinitiative beim Monarchen in Zusammenarbeit mit dem Staatsrat lag, jedoch alle Gesetze und das Budget der Zustimmung des Parlaments bedurften. Insofern war für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Gesetzes – genauso wie bei beiden anderen Erscheinungsformen des monarchischen Konstitutionalismus – eine gemeinschaftliche Ausübung der Legislativgewalt durch Parlament und Regierung in dualistischer Weise nötig. Galt dies nun auch für die Verfassungswirklichkeit? Es ist nicht zu übersehen, dass die napoleonischen Herrscher alles daran setzten, die parlamentarische Arbeit der Gesetzgebung ihrer politischen Brisanz zu berauben, indem der an sich politisch hochsensible Gesetzgebungsprozess gleichsam auf ein behördenartiges, technisches Verfahren reduziert wurde. Dies gelang aber nur zu Teilen, denn wenn auch die parlamentarische Debatte nicht mehr das große Forum der politischen Auseinandersetzung war, so verzichteten die Abgeordneten nicht auf ihre Macht der Mitgestaltung. Stattdessen verlagerte sich der Einfluss der Kammer im Rahmen der Ausschuss- und Anhörungsarbeit in das Vorfeld der offiziellen Einbringung des Gesetzes. Insofern darf auch in der Verfassungswirklichkeit der nicht unerhebliche Einfluss der Parlamente auf die inhaltliche Gestaltung der Gesetze nicht unterschätzt werden – nur war diese Mitbestimmung nicht mehr an einem etwaigen Scheitern von Gesetzesinitiativen der Regierung zu messen, denn wegen dieses „Vorverfahrens“ scheiterten die Regierungsvorlagen seltener. Jedoch kam es trotz dieser politischen Praxis immer wieder zu ablehnenden Voten der Kammern.[5] Ohne die Zusammenarbeit mit dem Parlament konnte also kein Gesetz zustande kommen, insofern waren auch das Konsulat Napoleon Bonapartes und das Zweite Kaiserreich konstitutionelle Monarchien. Einschränkend muss für die Herrschaft Napoleon Bonapartes sicherlich betont werden, dass dies ohne Einschränkungen nur für die Zeit von 1799 bis 1804 gesagt werden kann, denn bis 1810 schloss sich eine Übergangsphase an, in der teils die Rechte des Parlaments respektiert wurden, teils aber auch mit Hilfe des Senats an ihm vorbei agiert wurde, während in den letzten vier Jahren bis 1814 Napoleon I. ohne Zweifel eine autokratische Herrschaft ausübte.[6] Von monarchischem Konstitutionalismus wird deshalb im Folgenden so lange gesprochen, wie ein rechtlicher und machtpolitischer Dualismus zwischen Monarch und Parlament zumindest im Bereich der Legislative oder Exekutive noch besteht, während im Parlamentarismus – hier als parlamentarische Form des Konstitutionalismus bezeichnet – allein der Mehrheitswillen der Volksvertretung über Wohl und Wehe von Exekutive und Legislative entscheidet, ohne dass der Monarch noch über einen größeren politischen Einfluss verfügt.[7] Ein Überblick, der einen großen Teil der Konstitutionen im 19. Jahrhundert einbezieht, zeigt, dass der monarchische Konstitutionalismus der dominante Verfassungstyp des 19. Jahrhunderts war und nicht nur, wie Guy Antonetti meint, derjenige der Zeit bis 1848.[8] Die Verfassung der konstitutionellen Monarchie bot eine Antwort auf die in den verschiedenen Ländern Europas auftretenden Fragen wie die Finanzschwierigkeiten des absolutistischen Staates, die nationale Unabhängigkeit, die Strukturierung eines neuen oder um neue Gebiete erweiterten Staatswesens oder die Einbeziehung der Bevölkerung in den politischen Willensbildungsprozess.
Die Funktionalisierung des Monarchen
Dieser Befund eines dominierenden Verfassungstyps ist aber gerade angesichts der französischen Paradoxie eines beinahe 90 Jahre währenden, sich aber fortlaufend wandelnden monarchischen Konstitutionalismus (insgesamt 13 Verfassungstexte) noch näher erklärungsbedürftig: Es gilt hierbei die Gleichzeitigkeit zweier sich dem Anschein nach widersprechender Phänomene zu erklären, denn obgleich die einzelnen Erscheinungsformen der konstitutionellen Monarchie relativ schnell scheiterten, blieb doch das System der monarchischen Variante des Konstitutionalismus an sich erhalten.
Lassen wir kurz die in der Forschung angeführten Gründe für das häufige Scheitern einzelner Verfassungsregime Revue passieren und versuchen, sie zugleich in den europäischen Kontext zu stellen: Pierre Rosanvallon sieht in der strikten Trennung des politischen Denkens in ein Lager der (republikanischen) Revolution und in eines der (monarchischen) Konterrevolution, die ein für die dualistisch aufgebaute konstitutionelle Monarchie notwendiges juste milieu-Denken verhinderte, den Hauptgrund für die Unmöglichkeit eines dauerhaften konstitutionellen Königtums (1791, 1814, 1830). Seine These, dass dies eine singularité française sei[9], ist aber im europäischen Vergleich nicht haltbar. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf die beständigen Um- und Rückschwünge der spanischen Verfassungsgeschichte seit 1808/12 verwiesen, denn nach dem Wiener Kongress und in den 1820er Jahren schwankte das Land zwischen liberaler Verfassung und absolutistischer Reaktion, seit dem Estatuto real von 1834 wechselten sich liberale und konservative Konstitutionen ab, und erst nach dem Experiment einer Republik gelangte dieser Teil der iberischen Halbinsel zu Beginn der 1870er Jahre in zunehmend stabileres Fahrwasser. Ähnliche Unruhe zeichnete seit 1848 auch die österreichische Verfassungsgeschichte mit ihren diversen Konstitutionenvorgaben, -rücknahmen und zwischenzeitlichen Aussetzungen und intensivem Gebrauch des Notverordnungsrechts aus. Das mehrfache Scheitern einer konstitutionellen Monarchie war also keineswegs ein „französischer Sonderfall“.
Maurice Agulhon verweist für die Entwicklung in Frankreich neben der von Rosanvallon beschriebenen tiefen Spaltung der französischen Nation auf den fehlenden Willen dreier Monarchen, auch wirklich als konstitutioneller Monarch zu regieren (Louis XVI., Charles X., Napoleon I.). Von den drei „willigen“ Königen habe Louis XVIII. am Ende seines Lebens nicht mehr genügend Tatkraft besessen, um ein stabiles juste milieu zu begründen, und Louis-Philippe mit Guizot, aber auch Napoleon III. hätten statt der politischen Mitte die konservative Seite bevorzugt.[10] Zumindest für Napoleon III. ist diese Beurteilung sehr zweifelhaft, da er ja gerade eine Liberalisierung des Empires einleitete, die 1870 zu einer neuen Verfassung führte. Auch in dieser Hinsicht standen die französischen Könige aber nicht allein, denn auch etwa Ferdinand VII. von Spanien weigerte sich 1814 und 1823, als konstitutioneller Herrscher zu agieren, während Friedrich Wilhelm IV. zwar bereit war, eine derartige Rolle für Preußen, keinesfalls aber für das gesamte Deutschland der Paulskirche zu akzeptieren. Es gab aber noch weitere gewichtige Gründe für den Verfassungswandel (nicht nur) in Frankreich: etwa die fehlende Reformbereitschaft für eine Wahlrechtserweiterung, die 1830 und 1848 in Verbindung mit einer sozioökonomischen Krisenlage zum revolutionären Regimewechsel führte, oder aber auch die Kriegsniederlagen von 1814/15 und 1870. Welches waren nun die Gründe für das Fortbestehen eines monarchischen Konstitutionalismus über die vielen Regimewechsel hinweg? Hierbei interessiert uns in diesem Zusammenhang, was der monarchischen Struktur in Frankreich, aber auch in anderen europäischen Staaten zum Überleben verhalf.
Ein grundlegendes Argument für die Monarchie war per se der Verweis auf den traditionalen Herrschaftsanspruch – also die Beibehaltung des Königtums 1789 und 1830, die Restauration einer alten bzw. neuen Dynastie (1814, 1852) oder der Wunsch nach einer Restauration (1871). Aber bereits lange vor der Französischen Revolution hatten die einsetzende Säkularisierung und die zunehmende Bürokratisierung den aufgrund von Heiligkeit und Abstammung berufenen König allmählich zu einem schlichten, aber mächtigen Staatsorgan verwandelt. Jedoch kam es mit der Einführung einer geschriebenen Verfassung zu einer zusätzlichen rechtlichen Abstraktion des Monarchen zu einem Verfassungsorgan. Diese „Funktionalisierung“ des Königtums[11] aufgrund seiner Verrechtlichung ermöglichte in Frankreich, aber auch in den anderen europäischen Staaten die Anpassung des monarchisch geprägten Verfassungsstaates an die sich aufgrund der Revolutionen und sozioökonomischen Entwicklungen beständig wandelnden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und Kräftekoalitionen. Johannes Paulmann hat in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Gestaltung der Außenpolitik von einer „symbolischen Entlastung der Monarchen“ aufgrund der Konstitutionalisierung und Bürokratisierung gesprochen, da im Unterschied zur frühen Neuzeit nicht mehr allein die Dynastie den Staatsverband zusammenhielt.[12] Innerhalb des eingeschränkteren Handlungsspielraums konnte er sich damit also flexibler anpassen.
Der Monarch wurde aufgrund dieser neuen möglichen Anpassungsfähigkeit für bestimmte politische und gesellschaftliche Funktionen gleichsam „notwendig“. Diese Funktionen des Monarchen im Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts konnten vielfältiger Natur sein, wobei sich hinsichtlich seiner innenpolitischen Rolle mindestens drei grobe Unterscheidungen treffen lassen:
die nationale Integrationsfunktion
die Rolle des politischen „Vermittlers“
die (teilweise desintegrierend wirkende) Aufgabe eines „Bollwerks“.
Dem König stand dabei seine Aufgabe in den meisten Fällen aufgrund eines traditionalen Anspruchs zu.[13] Er übernahm im (nationalen) Staat eine Integrationsfunktion, indem er zwischen den politisch und religiös gespaltenen gesellschaftlichen Gruppen vermittelte und gleichsam über den „Parteien“ stand (Napoleon I., Ludwig XVIII.). Im Zeitalter der Nationalstaaten verkörperte das monarchische Staatsoberhaupt deswegen auch häufig die nationale Einheit und Unabhängigkeit (Napoleon I. und III., belgische, britische und italienische Könige, deutscher Kaiser, österreichischer Kaiser als „multinationale“ Klammer).[14] Diese symbolische Aufgabe war an sich nichts Neues, sondern konnte auf eine lange Tradition der Vorstellung vom „guten Herrscher“ zurückblicken, ohne dass hierfür, wie Jens Ivo Engels für Frankreich zu Recht betont hat, gleich der Begriff der Sakralität bemüht werden muss. Gleichzeitig war sie flexibel genug, dass sie sich mit neuen Wertorientierungen, wie der nationalen Idee, verbinden konnte. Ablesen lässt sich dieser inhaltliche Wandel der Symbolkraft des Herrschers etwa an den Festen und Huldigungen, die dem Monarchen zuteil wurden, aber auch an der Entwicklung der Monarchenbegegnungen im 19. Jahrhundert, wie in jüngster Zeit Johannes Paulmann eindrucksvoll herausgearbeitet hat.[15]
Ob der Monarch bereit war, eine Vermittlerfunktion innerhalb der verfassungsrechtlich geprägten Machtstrukturen des politischen Systems des Verfassungsstaates zu akzeptieren, hing einerseits vom Selbstverständnis des Herrschers und andererseits von den Rahmenbedingungen ab, welche die Konstitution vorgab. Auffällig im europäischen Vergleich ist, dass der Monarch immer dann eine derartige Funktion verwarf oder boykottierte, wenn er zuvor absolutistisch regiert hatte und zudem in eine die Stellung der Krone deutlich schwächende Verfassung eingebunden werden sollte: Das gilt für Louis XVI. 1791/92 angesichts der französischen Verfassung von 1791, Ferdinand VII. 1814 bzw. 1823 in Spanien unter den Bedingungen der durch die französische Konstitution von 1791 maßgeblich geprägten Verfassung der Cortes von Cádiz von 1812, Ferdinand I. 1820/21 in Neapel-Sizilien, als er die zuvor genannte spanische Verfassung annehmen sollte, oder auch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der die deutsche Kaiserkrone 1849 unter den Vorgaben der Paulskirchenverfassung von vornherein ablehnte (auch der norwegische Fall von 1814 mit der lange in Kraft bleibenden Eidsvollverfassung bestätigt als Ausnahme diese Regel, denn der ehemalige französische General Bernadotte, seit 1810 Machthaber und seit 1818 als Karl XIV. Johann auch schwedischer König, war eben gerade nicht ein „gebürtiger Absolutist“ und zudem in Norwegen durch einen Statthalter vertreten). Die Rolle des Vermittlers fiel dem Monarchen im konstitutionellen System also eher dann zu, wenn, wie bei der oben genannten zweiten Erscheinungsform des monarchischen Konstitutionalismus[16], dem Parlament bereits die dominante Rolle zukam. Diese Möglichkeit eröffnete sich immer dann, wenn im alltäglichen Parlamentsbetrieb noch nicht als feste Parteien organisierte parlamentarische Gruppen agierten, sodass ein Bedarf nach Vermittlung bestand. Diese Chance zum Ausgleich nutzte der konstitutionelle Monarch dann aber zur persönlichen Einflussnahme, er zog sich also hierbei gerade nicht auf die ihm von Benjamin Constant zugedachte „neutrale“ Rolle zurück, sondern nutzte die Uneinigkeit der Kammermitglieder für eine eigenständige Politik (Louis-Philippe in Frankreich, Leopold I. in Belgien, Viktor Emanuel II. in Sardinien-Piemont und dann in Italien).[17] Diese Gestaltungsmacht konnte sich durch die Leitung der Ministerratssitzungen vollziehen, aber auch bei der Ernennung und Abberufung der Regierung (sie bedurfte des „doppelten Vertrauens“ von Parlament und Monarch) und maßgeblich bei der Militär- und Außenpolitik, worauf gleich noch näher einzugehen sein wird. Die Rolle des Monarchen in derartigen Verfassungssystemen hat Guizot treffend beschrieben:
« Le trône n’est pas un fauteuil vide. Une personne intelligente et libre [...] siège dans ce fauteuil. Le devoir de cette personne royale [...] c’est de ne gouverner que d’accord avec les autres grands pouvoirs publics [...]. Quelque limitées que soient les attributions de la royauté, quelque complète que soit la responsabilité de ses ministres, ils auront toujours à discuter et à traiter avec la personne royale pour lui faire accepter leurs idées et leurs résolutions, comme ils ont à discuter et à traiter avec les chambres pour y obtenir la majorité. »[18]
Schließlich konnte dem Monarchen im Verfassungssystem auch eine zuweilen desintegrierende Wirkung zukommen, wenn er die Funktion eines Bollwerks gegen weitergehende politische Mitbestimmungs- und soziale Ansprüche übernahm. Diese Abwehrhaltung betraf aber im Verlaufe des 19. Jahrhunderts unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, denn mit den zunehmenden Partizipationsansprüchen und Wahlrechtserweiterungen traten immer weitere soziale Gruppen in die politische Arena, auch wenn sie zeitweise wieder von diesen Rechten ausgeschlossen wurden. Insofern lässt sich für den monarchischen Konstitutionalismus im Europa des 19. Jahrhunderts nicht ein spezifischer gesellschaftlicher Antagonismus – etwa Bürgertum versus Adel – feststellen, in den der Monarch eingebunden gewesen wäre. Dafür sei auf einige Beispiele verwiesen:
Blicken wir auf Frankreich, so lassen sich bei Ludwig XVI. zwischen den vornehmlich dem Adel und dem Klerus entstammenden Gegnern der Revolution und den aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzten Befürwortern des Verfassungsstaates eine deutliche Konfliktlinie erkennen (wobei sicherlich die gesellschaftlichen Bündnisse sich von der Flucht nach Varennes 1791 bis zu den Ereignissen des Sommers 1792 nochmals veränderten). Auch bei Karl X. ist die soziale Frontlinie aufgrund des hohen Wahlzensus zwischen Adligen und Großbürgertum noch relativ deutlich, wobei diese politische Reformblockade an die Grenze der Verfassungsstruktur stieß, denn ähnlich wie 1792 schien auch 1830 kein Kompromiss mehr zwischen den beiden Verfassungsmächten der Legislative und Exekutive möglich. Bereits in der Julirevolution zeigte sich, dass der Monarch nicht allein den Interessen des Adels zugute kam, diente doch die Beibehaltung der Monarchie unter Louis-Philippe maßgeblich dazu, mögliche Ansprüche des republikanischen, sozial schlechter gestellten Bürgertums und der Arbeiter gegenüber den reichen Eigentümern abzuwehren. Alle drei französischen Beispiele zeigen, dass die Bollwerksfunktion des Monarchen immer dann auf das Verfassungssystem desintegrierend wirkte, wenn zu der politischen Blockade ergänzend eine sozioökonomische Krise trat, die entweder wie 1830 oder später 1848 zu einer Revolution führte oder ihr wie 1792 zu einem zusätzlichen Dynamisierungsschub verhalf. Dies konnte wie in den drei französischen Fällen zu einem Sturz des Herrschers führen oder aber innerhalb bestehender konstitutioneller Monarchien einen Verfassungswandel nach sich ziehen, wie 1848 in den Niederlanden oder in Luxemburg. Revolutionen konnten natürlich auch zu einem Wechsel des politischen Systems unter Beibehaltung des bisherigen Herrschers führen, so 1789 in Frankreich oder 1848 etwa mit der erstmaligen Einführung konstitutioneller Systeme in bis dahin absolutistisch regierten Staaten (Neapel, Sardinien-Piemont, Preußen, Dänemark, Österreich). Dabei wurde der Herrscher mit der Verrechtlichung der politischen Handlungsbedingungen einem tiefgreifenden Funktionswandel unterworfen, den er eher bereit war zu akzeptieren, wenn die Konstitution ihm noch umfangreiche Kompetenzen zugestand (hierbei war jedoch nicht entscheidend, wie stark der Monarch an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt war, denn aus der Art und Weise der Ausarbeitung – also Oktroyierung oder Verabschiedung durch eine Nationalversammlung – lässt sich für die Revolution von 1848 keine allgemeine Regel im Hinblick auf Bestand oder Misslingen der neuen Konstitutionen ableiten).[19]
Fehlte in politischen Krisensituationen der für die Revolutionen von 1789, 1830 und 1848 typische zusätzliche soziale Konfliktstau und erwies sich der Monarch zugleich als durchsetzungsfähig, so konnten selbst weitgehende Forderungen des Parlaments einen Systemwandel nicht bewirken. So diente der preußische König den adligen Großgrundbesitzern im Verfassungskonflikt (1862–66) zur Verteidigung ihrer sozialen Stellung gegen die Ansprüche des liberalen Bürgertums, und der dänische König trotzte im Verbund mit konservativen großen Grundherren (1884–1894) einer liberalen Koalition aus Bürgertum und Bauern. Selbst weitgehende Ansprüche des Parlaments wie hier, wo die liberale Kammermehrheit offensiv forderte, dass die Regierung nach den Mehrheitsverhältnissen im Folketing zu bilden sei (wobei sie sich auf § 48 des dänischen Grundgesetzes beriefen, der an sich aber nur regelte, dass die Finanzgesetze zuerst dem Folketing vorzulegen seien), konnten keinen Systemwandel erzwingen. Denn am Ende des dänischen und preußischen Verfassungskonflikts befanden sich Monarch und Parlament in einer Pattsituation – im Gegensatz zu Frankreich 1830 hatte das Bollwerk in den beiden Ländern gehalten. Gegen einen schwachen (da in Schweden befindlichen) König in Norwegen (1874–84) oder gar nur einen „Ersatz-Monarchen“ wie Mac Mahon 1877 in Frankreich war in einer Verfassungskrise eine Parlamentarisierung und damit ein grundlegender Funktionswandel des Monarchen sicherlich einfacher durchzusetzen, wobei im französischen Fall damit gerade der Versuch scheiterte, die Machtbeteiligungsansprüche der nouvelles couches sociales abzuwehren. In den verfassungsstrukturellen Konstruktionen mit einem machtvolleren Monarchen, wie in Preußen oder Dänemark, musste aber die Beendigung des Verfassungsstreits mit einer Bestätigung des Status quo des Kräfteverhältnisses zwischen Monarch und Parlament keinesfalls eine weitreichende Vorentscheidung über eine künftige Parlamentarisierung sein, denn ohne die Rolle von Persönlichkeiten in der Geschichte überbewerten zu wollen, konnte doch ein Sinneswandel des Monarchen – wie derjenige des dänischen Königs von 1901 – aufgrund seiner Stellung im dualistischen Verfassungsgefüge zu einer Dynamisierung des Balancesystems führen. Von einem durch den preußischen Verfassungskonflikt ausgelösten „deutschen Sonderweg“ in der Parlamentarismusgeschichte kann also nicht die Rede sein.[20]
In der europäischen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts finden sich also natürlich auch die Fälle, wo der Monarch sich nicht als Bollwerk erwies, sondern bereit war, die Macht zu Teilen an das Parlament abzugeben und dabei teilweise in die Rolle eines Vermittlers schlüpfte: Zeigte sich der Monarch Reformen gegenüber offen oder zumindest bereit, sich dem reformerischen Willen des Parlaments nicht mit einer Kampfregierung entgegenzustellen, so konnte durch einen Wahlerfolg der parlamentarischen Reformkräfte (so 1869 in Frankreich unter Napoleon III. und durch die liberale Venstre in Dänemark 1901) oder durch die Bildung einer von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung (Cavour auf Basis des connubio 1852, Teilung des belgischen Parlaments in Liberale und Katholiken, Ende ihrer Union 1846, Liberale in Baden 1860–65 unter Lamey/Roggenbach) das Parlament einen entscheidenden Machtzuwachs innerhalb des monarchischen Konstitutionalismus verbuchen, ohne dass der Monarch bereits aus seiner vermittelnden Rolle in eine bloß „repräsentierende“ Rolle verdrängt worden wäre. Der Monarch verlor damit noch nicht seine Politik (mit)bestimmende Rolle, die für seine Funktion innerhalb des monarchischen Konstitutionalismus für die meisten europäischen Staaten im 19. Jahrhundert so typisch war.
Die Außenpolitik blieb im 19. Jahrhundert weitgehend eine Domäne monarchischer Politik – gleich welche Erscheinungsform des monarchischen Konstitutionalismus wir in den Blick nehmen. Dementsprechend stark konnte die Wechselwirkung mit der Stellung des Herrschers innerhalb der Verfassung sein, und dies galt im Positiven wie Negativen insbesondere für Kriege: Hierbei sind die von einem oder mehreren fremden Staaten betriebenen außenpolitischen Einflussnahmen auf die Konstitution eines anderen Staates von den innenpolitischen Rückwirkungen von diplomatischen bzw. militärischen Siegen oder Niederlagen zu unterscheiden: Die Eingriffe eines fremden Herrschers konnten die Souveränität eines Staates beinahe vollkommen ignorieren wie zum Beispiel die Verfassungsoktroyierungen durch Napoleon I. in Italien, Spanien, Holland, Westfalen oder Polen zwischen 1802 und 1808; sie umfassten militärische Interventionen durch die europäischen Großmächte zum Zwecke der Aufhebung einer Verfassung wie in Spanien und Neapel zu Beginn der 1820er Jahre oder in Ungarn 1849, oder sie beschränkten sich auf diplomatischen Druck, wie im Falle Badens von 1831, in welchem der Deutsche Bund die Rücknahme des liberalen Pressegesetzes erreichte und auf diese Weise den Machtanspruch der liberalen Kammer empfindlich beschränkte. Auch die Bemühungen der österreichischen Diplomatie hinsichtlich der deutschen Verfassungsfrage im Jahre 1849/50 gehören hierher, und zu denken ist schließlich an die Interventionen der Botschafter der europäischen Großmächte am osmanischen Hof, als 1876 erstmals eine Konstitution eingeführt wurde.[21]
Betrachten wir die innenpolitischen Rückwirkungen, so führten sie aufgrund der Stellung des Monarchen als oberster Kriegsherr häufig zu einer Stärkung oder Schwächung seiner Position im konstitutionellen Balancesystem. Kriegsniederlagen schwächten die piemontesischen Könige 1848/49 und erlaubten so auf Dauer eine Stärkung des Parlaments. Auf das mangelnde Kriegsglück in Italien 1859 folgte in Österreich die Verfassungsreform von 1860/61, auf das Unterliegen im Krieg mit Preußen 1866 die Aufhebung der Verfassungssistierung und der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867. Die Niederlage Dänemarks 1864 beendete die Experimente mit den „Gesamtstaatsverfassungen“ und führte zur Revision von 1866, und der militärische Zusammenbruch der beiden bonapartistischen Machthaber 1814/15 bzw. 1870 brachte Frankreich unmittelbar einen Regimewechsel. Die Niederlage im Krieg mit Japan 1904 beschleunigte die Krisensituation im Zarenreich und im Gefolge der Revolution wurde 1906 die erste Konstitution in Russland erlassen. Und schließlich erfüllte der Erste Weltkrieg eine entsprechende Funktion in Deutschland und Österreich. Siege dagegen förderten die Legitimität der Gewinner auch im Innern und stärkten damit ihre Machtposition – das kam anfangs in Frankreich Napoleon Bonaparte, in Italien 1859/60 dem Parlament zugute, in Preußen dagegen 1864 und 1866 maßgeblich dem König und seinem Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Bismarck, dem es auf diese Weise gelang, sich aus der innenpolitischen Sackgasse zu befreien und die machtvolle Stellung des Monarchen zu bewahren.
Diese Veränderungen der Stellung des Monarchen im Verfassungsgefüge hin zu einer funktionalen Auffassung des Königtums lassen sich nicht nur anhand der Verfassungswirklichkeit zeigen, sondern begegnen uns auch in der zeitgenössischen Staatstheorie. Ein derartiges Verständnis der Monarchie zeigte sich etwa in den Diskussionen der französischen Nationalversammlung über die Unverletzlichkeit des Königs. So machte Duport im Juli 1791 zwar auch geltend, dass die Monarchie im Gegensatz zur Republik den Sitten und Traditionen Frankreichs besser entspräche, doch sein Hauptaugenmerk galt dem Argument, dass innerhalb des Verfassungssystems der Monarch als ein bedeutendes, unabhängiges Gegengewicht zur starken gesetzgebenden Versammlung nötig sei, denn ohne eine entsprechende Hemmung der Kompetenzen der Legislative bestehe die Gefahr einer Despotie des Parlaments. Die für die Unabhängigkeit nötige Unverletzlichkeit solle in zeitlicher Hinsicht nur so lange gelten, wie der Herrscher die Funktion des Königs ausübe, danke er dagegen ab, sei er als ein nunmehr simple citoyen wie alle seine Mitbürger den allgemeinen Rechtsregeln unterworfen. Barnave hingegen sah die Hauptaufgabe des Monarchen in der Sicherung einer stabilen Regierung, die er nur mit Hilfe seiner Unverletzlichkeit bewahren könne – eine Rechtfertigung der politischen Macht des Königs aufgrund seiner Heiligkeit und damit eines traditionalen Legitimitätsanspruchs erfolgte aber weder bei dem einen noch bei dem anderen.[22] Diese Legitimation des Königs setzte sich auch in späterer Zeit fort, wenn zum Beispiel Benjamin Constant mit seiner Idee der pouvoir neutre et abstrait eine Konzeption der Monarchie entwickelte, die sich auf die „neutrale“ Vermittlerfunktion des Königs oberhalb der Parteien konzentrierte. Ähnliche Begründungen der Monarchenherrschaft lassen sich auch bei Cesare Balbo nachweisen. Lorenz von Stein entwickelte derartige Überlegungen insofern weiter, als er dem Monarchen die Funktion zusprach, der Vertreter der selbständigen, über der Gesellschaft stehenden Idee des Staates zu sein, obgleich er – wie er weiter analysierte – in der historischen Wirklichkeit des Julikönigtums auch die Aufgabe eines Bollwerkes gegen weitergehende politische und soziale Ansprüche der unteren Gesellschaftsschichten zugunsten der herrschenden Elite übernehmen konnte.[23]
Bereits auf dem Wiener Kongress hatten die versammelten Großmächte mit dem verkündeten Prinzip der „Legitimität“ weniger an die historisch-dynastische und damit traditionale Begründung von Herrschaft angeknüpft, sondern ganz machtrationalistisch vornehmlich das geltende Völkerrecht zugrunde gelegt, denn angesichts eines seit über 20 Jahren beinahe permanent tobenden Krieges mit Frankreich sollte der Frieden und damit die innere und äußere Stabilität der Staaten erhalten werden. Legitim sollten also nur diejenigen Herrscher sein, die diese an rationalen Kriterien zu messende Leistung auch faktisch erbrachten. So verwundert es nicht, dass der Wiener Kongress nachträglich auch vielfach die während der napoleonischen Zeit gegen das dynastische Prinzip gerichteten Veränderungen sanktionierte (etwa die Abschaffung der Zwischengewalten in den Rheinbundstaaten), um so – wie es Volker Sellin prägnant formuliert hat – „die halben ‚Bonapartes‘ in ganze ‚Bourbonen‘ zurückzuverwandeln“. Nicht der dynastische Anspruch, sondern die völkerrechtliche Legitimität der Staaten stand im Vordergrund, die Souveränität nach 1815 lag also bei den einzelnen Staaten und die Fürsten verwandelten sich zu bloß ausführenden Organen dieser rational begründeten Macht. Erst im Nachhinein entstand eine die eigentlichen Machtverhältnisse von 1815 verschleiernde Legitimitätsideologie, welche die Ergebnisse des Wiener Kongresses gegenüber der Öffentlichkeit in den Ländern Europas als die Verwirklichung des Erbprinzips glaubhaft machte.[24]
Funktionalisierung und Legitimität des konstitutionellen Monarchen
Dieser Befund wirft die Frage auf, welche Legitimität der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert überhaupt zugrunde lag. Beruhte sie vornehmlich auf der traditionalen Form des dynastischen Prinzips? Geht man – wie hier – von den drei Herrschaftstypen Max Webers aus[25], so zeigte sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts, dass die traditionale Legitimierung des Monarchen unter anderem aufgrund der sich verstärkenden Verrechtlichung der politischen Handlungsbedingungen immer mehr zugunsten einer rationalen Begründung zurücktrat, wobei zeitweilig charismatische Elemente mit einflossen, dann nämlich, wenn die Hoffnung auf einen erfolgreichen Führer zur Krisenbewältigung und der Wunsch nach nationaler Größe den Aufstieg eines Einzelnen ermöglichten, dessen monarchischer Charakter durch Plebiszite „demokratisch“ verstärkend legitimiert wurde (Napoleon I., Napoleon III., Alexander Cuza 1864 in Rumänien). Die konstitutionelle Monarchie des 19. Jahrhunderts zeichnete sich also durch eine Mischung der Legitimitätsprinzipien aus. Die Herrschaft eines Königs wurde nicht als gottgegeben akzeptiert, sondern zunehmend danach beurteilt, mit welchem Erfolg er seine Funktion in Staat und Nation ausfüllte.
Zum Schluss soll noch angedeutet werden, welche Konsequenzen das Wechselverhältnis zwischen Demokratisierung und Parlamentarisierung[26] sowie Funktionalisierung für die Legitimität des Monarchen und damit auch seinen politischen Handlungsspielraum im Konstitutionalismus hatte. Der seit der Revolution von 1789 virulente und sich ab 1848 deutlich verstärkende Legitimitätsanspruch der Demokratisierung war um 1900 so stark geworden, dass das Zensuswahlrecht für das Parlament zunehmend abgelöst und auch letzte ständische Elemente wie der Einfluss eines nicht gewählten Oberhauses zurückgedrängt wurden – das galt in gewisser Weise auch für den Monarchen, der sich für seinen Anspruch auf politische Mitbestimmung nicht mehr ernsthaft auf das dynastische Prinzip berufen konnte. Insbesondere in den Massenmedien wurde er im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zunehmend nach dem bürgerlichen Leistungsprinzip, also nach seinem Erfolg oder Misserfolg beurteilt, sodass sich sein Funktionswandel beschleunigte.[27] Gleichzeitig nahm aber aufgrund der immer mehr Staaten ergreifenden Parlamentarisierung die Gestaltungsmacht des Monarchen ab. Als Konsequenz aus diesen beiden Tendenzen ergab sich ein weiterer Funktionswandel des Monarchen, der ihn aber seiner politischen Macht beraubte: Entweder wurde er im parlamentarischen System auf eine rein repräsentative Rolle verwiesen oder durch einen von der gesamten Bevölkerung demokratisch gewählten oder vom Parlament bestellten Präsidenten ersetzt und damit vollständig ins Privatleben zurückgedrängt (wobei er aufgrund des Interesses der Öffentlichkeit daran auch hier eine nicht unbedeutende Funktion bei der Identitätsbildung spielte). Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass die hier beschriebene Funktionalisierung der Monarchie im Rahmen des Verfassungsstaates des 19. Jahrhunderts auch die Möglichkeit zur Negation des Konstitutionalismus eröffnete: Die rational bedingte Reduzierung der Monarchie auf eine funktional verstandene „Einherrschaft“ ohne traditionale Beschränkungen machte, wenn das neue demokratische Kontrollprinzip für Parlament oder Herrscher nicht anerkannt wurde, den Weg frei zur Diktatur, die zudem möglicherweise an die Macht der charismatischen Herrschaftslegitimation anzuknüpfen wusste. Der monarchische Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts ermöglichte also nicht nur den Übergang zum parlamentarisch-demokratischen Verfassungsstaat, sondern ebenfalls zu den autoritären Regimes des 20. Jahrhunderts. Am Ende der Funktionalisierung des Monarchen standen in Europa also der politisch entmachtete König, der Präsident und der Diktator.
[1] Insofern wäre der Begriff der „Monokratie“ bereits zu weit gefasst, der ja ebenfalls das Präsidialsystem einschließen würde. Zur Terminologie und Typologie der Monokratie: Gilissen, John, Essai d’étude comparative de la monocratie dans le passé, in: La monocratie, Bd. 1 (Recueils de la Société Jean Bodin pour l’histoire comparative des institutions, Bd. 20), Bruxelles 1970 , S. 5–135, hier S. 42ff., 132ff.
[2] So aber Raithel, Thomas, Der preußische Verfassungskonflikt 1862–1866 und die französische Krise von 1877 als Schlüsselperioden der Parlamentarismusgeschichte, in diesem Band.
[3] Loewenstein, Karl, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 81ff., 110ff., 120ff.
[4] Als Beispiele aus der neueren Literatur: pauschale Einordnung als Diktatur im Titel, aber differenzierte Betrachtung im Text etwa bei: Woloch, Isser, Napoleon and His Collaborators. The Making of a Dictatorship, New York 2001, S. 50ff., 85ff., 186ff.; differenzierend im Hinblick auf einzelne Herrschaftsmethoden ab 1804, vgl. Lentz, Thierry, Le grand consulat. 1799–1804, Paris 1999, S. 123ff., 505ff.; Alexander Grab verwendet die Begriffe „autoritäres Regime“ und „Diktatur” synonym, vgl. Grab, Alexander, Napoleon and the transformation of Europe, New York 2003, S. 36ff.; Michael Sibalis spricht in Anschluss an Howard G. Brown vom liberal authoritarianism, um den napoleonischen police state von Diktaturen des 20. Jahrhunderts abgrenzen zu können, vgl. Sibalis, Michael, The Napoleonic Police State, in: Ph. G. Dwyer (Hg.), Napoleon and Europe, Harlow 2001, S. 79-94; das Parlament als pures Feigenblatt für die Diktatur abqualifizierend vgl. Crook, Malcom, Napoleon Comes to Power. Democracy and Dictatorship in Revolutionary France 1795–1804, Cardiff 1998, S. 78; für weitere Nachweise in der Literatur bis 1998 vgl. Kirsch, Martin, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert. Der monarchische Konstitutionalismus als europäischer Verfassungstyp – Frankreich im Vergleich (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 150), Göttingen 1999, S. 210ff.
[5] Blicken wir hinsichtlich ablehnender Kammervoten auf das Frankreich Napoleon Bonapartes ab 1799, so ereignete sich der spektakulärste Fall im Jahre 1802, als der einführende Teil zum Code civil scheiterte. Auch nach Einsprüchen zog die Regierung Gesetzesvorlagen etwa zur Friedensgerichtsbarkeit zurück bzw. brachte das Militärdienstgesetz erst nach entsprechenden Veränderungen wieder ein. Ähnliches lässt sich auch für das Zweite Kaiserreich beobachten. Auch hier zog die Regierung angesichts einer umfassenden Opposition in der Kammer Gesetzesprojekte zurück: So scheiterten in der Sitzungsperiode von 1853 auf diese Weise vier Vorlagen, ähnlich erging es dem Vorhaben für die Eisenbahnlinie in den Pyrenäen im Jahre 1856 sowie einem Gesetzesprojekt von 1862. Häufig entwickelten sich Veränderungen auch aufgrund von Zusatzanträgen des Parlaments. Gleichwohl ist natürlich festzuhalten, dass der ganz überwiegende Teil aller Gesetze durch das Corps législatif während des Konsulats und der Kaiserreiche angenommen wurde. Ausführlicher zu dieser Problematik eines napoleonischen Konstitutionalismus: Kirsch, Martin, Die Entwicklung des Konstitutionalismus im Vergleich. Französische Vorbilder und europäische Strukturen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Ders.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1999, S.147–173; Ders., Charismatische Herrschaftselemente in der konstitutionellen Monarchie. Frankreich 1851–1870 und Preußen-Deutschland 1862–1890 im Vergleich, in: Ders.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Verfassungswandel um 1848 im europäischen Vergleich, Berlin 2001, S. 179–204.
[6] In der Zeit von 1810–14 setzte sich Napoleon I. regelmäßig über Verfassungsbestimmungen hinweg, jedoch ohne die jährliche Einberufung der Kammer und die parlamentarische Genehmigung der Gesetze und des Budgets abzuschaffen.
[7] Ausführlicher zu dieser Problematik: Kirsch (Anm. 4), S. 40ff.
[8] Antonetti, Guy, Les monarchies constitutionelles, in: Bercé, Yves-Marie (Hg.), Les monarchies, Paris 1997, S. 445f., 466ff.; auch Jean-Pierre Brancourt bietet – abgesehen von einer Aufstellung zu den Entstehungsbedingungen (S. 475) – weitgehend keine europäische Typologie, sondern geht letztlich nationalgeschichtlich vor: Brancourt, Jean-Pierre, Les monarchies en Europe au XXe siècle, in: ebd., S. 471–516.
[9] Rosanvallon, Pierre, La monarchie impossible. Les Chartes de 1814 et de 1830, Paris 1994, S. 149ff., 170ff., 178ff.
[10] Agulhon, Maurice, La République française. Vision d’un historien, in: Isoart, Paul u.a. (Hg.), Des Républiques françaises, Paris 1988, S. 52ff.
[11] Von einer „funktionalisierten Monarchie“ spricht Hasso Hofmann und bezieht sich dabei auf einen Verweis Böckenfördes; auch Dollinger betont den funktionalen, auf nationale und verfassungsmäßige Aufgaben bezogenen Charakter des Königtums im 19. Jahrhundert. Hofmann, Hasso, Das Problem der cäsaristischen Legitimität im Bismarckreich, in: Hammer; Hartmann, Hasso (Hg.), Le Bonapartisme/Der Bonapartismus (Anm. 2), S. 91f.; Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815–1918), 2. Aufl., Königsstein 1981, S. 159f.; Dollinger, Heinz, Das Leitbild des Bürgerkönigtums in der europäischen Monarchie des 19. Jahrhunderts, in: Werner, Karl Ferdinand (Hg.), Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, Bonn 1985, S. 331f.; Mazzonis spricht im Hinblick auf die Rolle des Königs in der Gesellschaft von einem rapporto di reciproca utilità funzionale; Mazzonis, Filippo, Monarchia, in: Bongiovanni, Bruno u.a. (Hg.), Dizionario storico dell’Italia unita, Roma 1996, S. 623.
[12] Paulmann, Johannes, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000, S. 105.
[13] Franz-Lothar Kroll stellt stärker auf die zeitgenössisch diskutierten Modelle ab: Königtum der sozialen Reform, Königtum als pouvoir neutre und konstitutionelles Königtum – die hier vorgeschlagene Integrationsfunktion geht über das „soziale Königtum“ hinaus, da sie auch die politische und kulturelle Funktion miterfasst. Zudem verhielt sich der König in der politischen Praxis beinahe nie als pouvoir neutre und der Begriff der konstitutionellen Monarchie umfasst die beiden vorherigen Formen. Eine alleinige Berücksichtigung der zeitgenössischen Termini erlaubt also nur bedingt die für den Vergleich notwendige Typisierung. Zu den theoretischen Überlegungen der Zeitgenossen s.u.; Kroll, Frank-Lothar, Stufen und Wandlungen der Fürstenherrschaft in Brandenburg-Preußen, in: Ders. (Hg.), Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., München 2000, S. 21f.
[14] Johannes Paulmann argumentiert für Frankreich, dass es hier zu einer Trennung von Monarchie und Nation gekommen sei – diese Einschätzung trifft aber eigentlich nur für die Revolutionszeit zu, denn beide Napoleone betonten stark das nationale Element, und Ludwig XVIII. versuchte zumindest zeitweise, monarchische Tradition und national-revolutionäre Ergebnisse miteinander zu verknüpfen; Paulmann (Anm. 12), S. 98f.
[15] Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 125ff.; Engels, Jens Ivo, Das „Wesen“ der Monarchie? Kritische Anmerkungen zum „Sakralkönigtum“ in der Geschichtswissenschaft, in: Majestas 7 (1999), S. 3–39; Ders., Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, Bonn 2000; Wienfort, Monika, Monarchie, Verfassung und Fest. Großbritannien und Preußen um 1800 im Vergleich, in: Kirsch; Schiera, Konstitutionalismus (Anm. 5), S. 175–194; Paulmann, ebd., S. 94–108, 405ff., 413ff.
[16] S.o. S. 3.
[17] Colombo spricht für die italienischen Könige von einer impossibilità di essere neutrali; Colombo, Paolo, Il re d’Italia. Prerogative costituzionali e potere politico della Corona (1848–1922), Milano 1999, S. 390ff.; für die weiteren Nachweise vgl. Kirsch (Anm. 4), S. 160–190.
[18] Zit. n.: Ponteil, Félix, Les institutions de la France de 1814 à 1870, Paris 1966, S. 151.
[19] Zur Verfassungssituation 1848: Kühne, Jörg-Detlef, Verfassungsstiftungen in Europa 1848/49. Zwischen Volk und Erfolg, in: Langewiesche, Dieter (Hg.), Demokratiebewegung und Revolution 1847 bis 1849. Internationale Aspekte und europäische Verbindungen, Karlsruhe 1998, S. 52ff.; Ders., Revolution und Rechtskultur. Die Bedeutung der Revolutionen von 1848 für die Rechtsentwicklung in Europa, in: Langewiesche, Dieter (Hg.), Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte. Ergebnisse und Nachwirkungen, München 2000, S. 57–72; Kirsch, Martin, Verfassungswandel um 1848. Aspekte der Rezeption und des Vergleichs zwischen den europäischen Staaten, in: Ders.; Schiera (Hg.), Verfassungswandel um 1848 (Anm. 5), S. 31–62.
[20] Ausführlicher zu dieser Problematik: Kirsch, Monarch und Parlament (Anm. 4), S. 349ff.; Raithels gegenteilige Meinung einer Weichenstellungsfunktion des preußischen Verfassungskonflikts für einen „deutschen Sonderweg“ gründet sich auf den zu engen, nämlich allein auf Frankreich bezogenen Vergleich: Raithel, Thomas in diesem Band; einen preußisch-französischen Vergleich unter Einbeziehung der Konflikte in Dänemark und Norwegen 1874–84 gibt: Kirsch, Martin, Verfassungsrechtlicher Rahmen und politische Praxis. Parlamentarisierung und Parteiensystem Frankreichs im europäischen Vergleich, in: Kirsch, Martin; Kosfeld, Anne G.; Schiera, Pierangelo (Hg.), Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft – Konstitutionalismus um 1900 im europäischen Vergleich, Berlin 2002, S. 52–61.
[21] Zur Verfassungspolitik Napoleons in den von Frankreich abhängigen Staaten: Kirsch, Französische Vorbilder und europäische Strukturen (Anm. 5), S. 152–163; zur Situation 1820/21: Daum, Werner, Die Verfassungsdiskussion in der Revolution Neapel-Siziliens 1820/21. Historische Reflexion und europäische Bezüge, in: Kirsch; Schiera, Konstitutionalismus (Anm. 5), S. 239–272; Heydemann, Günther, Konstitution gegen Revolution. Die britische Deutschland- und Italienpolitik 1815–1848, Göttingen 1995, S. 67–111; zu Baden: Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, 6. Aufl., München 1993, S. 350f.; Nolte, Paul, Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800–1850. Tradition – Radikalismus – Republik (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 102), Göttingen 1994, S. 74ff., 85ff.; zur Situation von 1848/49: Botzenhart, Manfred, 1848/49. Europa im Umbruch, Paderborn 1998, S. 237f., 253f.; zum Osmanischen Reich: Bozkurt, Gülnihal, Europäisierung der Verfassung? Das Osmanische Reich zwischen 1876 und jungtürkischer Revolution, in: Kirsch; Kosfeld; Schiera (Anm. 20), S. 433f.
[22] Die Reden Duports und Barnaves zur Unverletzlichkeit des Königs vom 14. bzw. 15. Juli 1791 in: Furet, François; Halévi, Ran, La monarchie républicaine. La Constitution de 1791, Paris 1996, S. 557ff., 565ff. Sicherlich handelt es sich aufgrund der gescheiterten Flucht des Königs um eine sehr spezifische Situation, doch die Begründungen hätten auch sehr viel traditionaler ausfallen können. Zur Diskussion über den Charakter der royauté: Colombo, Paolo, Governo e Costituzione. La trasformazione del regime politico nelle teorie dell’età rivoluzionaria francese, Milano 1993, S. 410ff.
[23] Boldt, Hans, Deutsche Staatslehre im Vormärz (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 56), Düsseldorf 1975, S. 142ff., 148f.; Constant, Benjamin, Grundprinzipien der Politik, die auf alle repräsentativen Regierungssysteme und insbesondere auf die gegenwärtige Verfassung Frankreichs angewandt werden können, in: Ders., Werke 4: Politische Schriften, hg. v. Lothar Gall, Berlin 1972, S. 11–244; Stein, Lorenz von, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 2: Die industrielle Gesellschaft. Der Sozialismus und Kommunismus Frankreichs von 1830 bis 1848, (Leipzig 1850) Ndr. München 1921, S. 49ff.; Balbo, Cesare, Della monarchia rappresentativa in Italia. Della politica nella presente civilità, Firenze 1857, S. 106ff., 219ff.
[24] Sellin, Volker, „Heute ist die Revolution monarchisch“. Legitimität und Legitimierungspolitik im Zeitalter des Wiener Kongresses, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 76 (1996), S. 338ff., 350ff., 358ff. (Zitat: S. 350); Ders., Die geraubte Revolution. Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Göttingen 2001, S. 280ff.; Schroeder, Paul W., The Transformation of European Politics 1763–1848, Oxford 1994, S. 578f.
[25] Zu den drei Typen (rational, traditional, charismatisch) legitimer Herrschaft: Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 124ff.; vgl. auch Breuer, Stefan, Max Webers Herrschaftssoziologie, Frankfurt 1991; historische Beispiele zur charismatischen Herrschaft bietet etwa: Nippel, Wilfried (Hg.), Virtuosen der Macht. Herrschaft und Charisma von Perikles bis Mao, München 2000.
[26] Zum Wechselverhältnis von Demokratisierung und Parlamentarisierung insbesondere in Deutschland vgl. jetzt den Überblick zur aktuellen Forschungslage: Kühne, Thomas, Demokratisierung und Parlamentarisierung: Neue Forschungen zur politischen Entwicklungsfähigkeit Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), S. 293–315; Kreuzer, Marcus, Parliamentization and the question of German exceptionalism. 1867–1918, in: CEH 36 (2003), S. 327–357.
[27] Die Bedeutung der Massenmedien für den Funktionswandel des Monarchen betonen: Kohlrausch, Martin, Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2005; Schmidt-Gernig, Alexander, Die Presse als „vierte Gewalt“? Politischer Skandal und die Macht der Öffentlichkeit um 1900 in Deutschland, Frankreich und den USA, in: Kirsch; Kosfeld; Schiera (Anm. 20), S. 169–193.