Französischunterricht in der DDR
Von Ulrich Pfeil
Die Untersuchung des Französischunterrichts in der DDR bietet vor allem einen Blick auf das „System“. Er ermöglicht die Wahrnehmung des Entwicklungsprozesses der Legitimierungstheorien, sagt aber wenig über die gesellschaftlichen Modelle der Transformation von Versuchen politischer Legitimierung aus. Der diktaturgeschichtliche Ansatz umfasst dementsprechend nur einen Teil der Herrschaftsgeschichte der DDR, und auch für die Unterrichtung von Fremdsprachen muss das Feld erweitert und sowohl Mentalitäts- als auch Sozialgeschichte einbezogen werden. Vor allem in den Nachkriegsjahren praktizierten viele Lehrer abweichende Unterrichtsformen, als Reaktion auf die ideologisch geprägten Zielvorgaben der Bildungsverantwortlichen in der SED. Französischlehrer waren mit grundlegenden Widersprüchen des Frankreichbildes konfrontiert. Es schien dort nur Ausbeuter und Ausgebeutete zu geben; einerseits sollte dieses Land geliebt werden wegen seiner großen geschichtlichen, kulturellen und revolutionären Traditionen; andererseits war es zu hassen aufgrund seiner kapitalistischen Strukturen und seiner imperialistischen Politik. Der direkte Kontakt mit den Jugendlichen machte es dieser Berufsgruppe unmöglich, sich auf die vorgegebene Phraseologie und politische Indoktrinierung zu beschränken. Die Untersuchungen erwecken den Eindruck, dass viele Lehrer das angestrebte Ziel durchkreuzten indem sie eigene Unterrichtsmaterialien verwandten und Lektionen mit stark ideologischem Charakter schnell abhandelten. In vielen Fällen ermöglichte es die Beschränkung auf die Übermittlung eines bestimmten Inhalts und die rein technische Umsetzung des Unterrichts, sich zu schützen oder die Auswirkungen der unterschwelligen politischen Forderungen niedrig zu halten.
L’analyse de l’enseignement du français en RDA offre tout d’abord un point de vue sur le „système“, ce qui permet de percevoir les processus d’évolution des théories de légitimation, mais révèle peu de chose sur les modèles sociaux de transformation des tentatives de légitimation politique. L’approche en termes d’histoire de la dictature ne peut donc être qu’un volet de l’histoire de la domination en RDA et, pour ce qui concerne l’enseignement des langues étrangères aussi, il faut encore élargir le champ en prenant en compte l’histoire des mentalités et l’histoire sociale. Dans les années d’après-guerre surtout, de nombreux enseignants eurent recours à des formes de non-conformité en réaction aux objectifs idéologiquement connotés des responsables SED en charge de l’éducation. Les enseignants devaient faire avec les contradictions constitutives de l’image de la France, où il ne paraissait y avoir que des exploiteurs et des exploités, mais qui était un pays qu’il fallait aimer en raison de ses grandes traditions historiques, culturelles et révolutionnaires, et haïr en même temps en raison de ses structures capitalistes et de sa politique impérialiste. Parce qu’il était directement en interaction avec les jeunes, ce groupe professionnel ne pouvait précisément pas se cantonner à la phraséologie et à l’endoctrinement politiques. Les enquêtes donnent l’impression que nombre d’enseignants contrecarrèrent le but visé en utilisant leurs propres matériaux pédagogiques et en passant rapidement sur les leçons à caractère idéologique trop marqué. Dans bien des cas, le fait de se limiter à la transmission d’un contenu et à l’exercice technique de l’enseignement a permis de se protéger ou de réduire l’impact des exigences politiques sous-tendues.
***
In den Aktenbeständen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) stieß der Historiker Michael Beleites unlängst auf einen Vorfall aus dem breiten und facettenreichen Themenbereich der „anderen“ deutsch-französischen Beziehungen, jener zwischen der DDR und Frankreich.
[1] An einer Dresdener Schule hatte in den 1980er Jahren eine Klasse in einem unkontrollierten Moment die Gelegenheit zum Austausch mit Schülern aus der Partnerstadt Straßburg genutzt. Es zirkulierte im Anschluss der Aufsatz eines französischen Schülers, in dem dieser nach einem DDR-Besuch seine Gedanken zusammenfasste und sich über die tristen Seiten des SED-Regimes lustig machte. Durch diese „klassenfeindliche“ Schrift aufgeschreckt setzte sich nun der allgegenwärtige Apparat des MfS in Bewegung und suchte bei Lehrern wie Schülern die Urheber dieses Vorgangs. Beleites weiß von Lehrern zu berichten, die der Stasi Namen von Schülern nannten, um die Klassenkollegen „abzuschöpfen“, und heute dort immer noch tätig sind, sich aber der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit verweigern.
[2] Ohne dieses Beispiel sowohl für das Innenleben des DDR-Schulsystems wie für den heutigen Umgang mit ihm absolut setzen zu wollen, mehrten sich in der Vergangenheit immer wieder Stimmen, die das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit an der DDR-Historie beklagten und sich gegen eine Schlussstrichmentalität wandten.
[3] Ein Lehrer aus der Umgebung von Stralsund kam zu der Einsicht, dass für die heutigen Schüler „die DDR so weit weg ist, wie die Entdeckung Amerikas“
[4], ein Berliner Schüler sah die DDR „so fern wie das Römische Reich.“
[5] Kann es angesichts dieser mangelnden Kenntnisse überraschen, dass als Folge des enttäuschenden Abschneidens des deutschen Schulsystems in der PISA-Studie vermehrt Stimmen zu hören waren, die die gelungene Elitenbildung und die Disziplin als Vorzüge von Honeckers Einheitsschulprogramm lobten? Es drängte sich zeitweise der Eindruck auf, als ob die Bildungseinrichtungen der untergegangenen DDR heute mehr Zuspruch fanden als noch zu Zeiten der Volksbildungsministerin Margot Honecker.
[6] Von dieser Feststellung ausgehend soll in diesem Aufsatz den ideologisch-organisatorischen Vorgaben und ihrer inhaltlichen Umsetzung im Französischunterricht zwischen Ostsee und Erzgebirge in den 1950er und 1960er Jahren anhand von Dokumenten aus den Beständen der ehemaligen DDR nachgegangen werden. Die herausgearbeiteten Thesen sollen im Anschluss mit dem sozialistischen Postulat der „Völkerfreundschaft“ konfrontiert und durch die Bezugnahme auf die Interkulturalität westlicher Prägung in einen größeren bildungspolitischen Rahmen gestellt werden.
Die Neuordnung des Fremdsprachenunterrichts in der SBZ/DDR nach 1945
Der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands am 8. Mai 1945 sollte auch für den Fremdsprachenunterricht weitgehende Folgen haben. Nach der Vereinheitlichung der Sprachenfolge während des „Dritten Reiches“ führte die Teilung Deutschlands in vier Zonen zu einer Rückkehr der Vielfalt in den unterrichteten Fremdsprachen. Jede Besatzungsmacht förderte aus politischen und wirtschaftlichen Gründen die eigene Sprache in ihrer Zone. Einig waren sich die vier Alliierten im Kontrollrat 1947 noch, dass der Fremdsprachenunterricht „im Dienste des Verständnisses, der Achtung für andere Völker“ zu stehen habe, doch über die konkrete Umsetzung dieser Vorgaben bestanden unterschiedliche Vorstellungen, die schon früh zu divergierenden Entwicklungen führten.[7] Die sowjetische Besatzungsmacht hatte sich sofort nach der Verkündung der bedingungslosen Niederlage der deutschen Wehrmacht an eine völlige Umstrukturierung des Schulsystems in der SBZ gemacht.[8] An erster Stelle der Prioritäten stand die Entnazifizierung der Lehranstalten[9] und die Säuberung der Lehrinhalte von ihren rassistischen, militaristischen und nationalistischen Inhalten.[10] Im „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ vom 1. September 1946 wurde zudem die Auflösung der alten „Standesschule“ beschlossen, so dass nun auch die „Söhne und Töchter des einfachen Volkes“ über den Weg der „Einheitsschule“ den Zugang zur höheren Schule finden sollten: „Die neue Schule muss [...] so aufgebaut sein, dass sie allen Jugendlichen, Mädchen und Jungen, Stadt- und Landkindern, ohne Unterschied des Vermögens ihrer Eltern das gleiche Recht auf Bildung und seine Verwirklichung entsprechend ihren Anlagen und Fähigkeiten garantiert.“[11]
Noch vor dieser Reform waren die Rahmenbedingungen für den Fremdsprachenunterricht festgelegt worden, der seinen Beitrag zur Vermittlung von Selbst- und Fremdbildern leisten sollte. Mochten auch hinter den Kulissen die Schlüsselpositionen im Bildungswesen von überzeugten Kommunisten besetzt worden sein, die Schritt für Schritt die eigenen bildungspolitischen Grundsätze durchsetzten[12], so wollte sich die östliche Besatzungsmacht in Anbetracht ihrer gesamtdeutschen Zielsetzungen jedoch nicht dem Verdacht aussetzen, in ihrer Zone ein Gesellschaftssystem nach sowjetischem Vorbild einzuführen. Die drei Fremdsprachen Russisch, Englisch und Französisch wurden nach den Lehrplänen für die Grund- und Oberschulen vom 1. Juli 1946 gleichberechtigt behandelt, sodass die Schüler der 5. Klasse frei unter ihnen auswählen und bei entsprechend guten Leistungen in der 7. Klasse eine weitere Fremdsprache lernen konnten.[13] Bevor die ostdeutschen Bildungspolitiker in den 60er Jahren das Schulsystem endgültig auf die „wissenschaftlich-technische Revolution“ ausrichteten und die Fremdsprachen gegenüber den Naturwissenschaften benachteiligten, ließ sich diese Tendenz zum damaligen Zeitpunkt noch nicht am Stundenquantum ablesen.[14]
Nachdem die Verwaltung für Volksbildung bereits 1946/47 einen Entwurf ausgearbeitet hatte, der Russisch zur ersten und obligatorischen neueren Sprache für den Unterricht an sämtlichen Schulen vorgesehen hatte[15], wurde er 1948/50 umgesetzt. Ab Klasse 5 lernten nun alle ostdeutschen Schüler an der einheitlichen achtjährigen Grundschule Russisch als erste verbindliche Fremdsprache (an wenigen spezialisierten Schulen konnte auch Englisch bzw. Französisch als erste Fremdsprache gewählt werden; Russisch war dann zweite obligatorische Fremdsprache); die beiden westlichen Fremdsprachen konnten sie erst in der Oberschule ab Klasse 9 wählen. Ab 1951 wurden Englisch und Französisch als zweite Fremdsprache im A-Zweig (sprachlich) der Oberschule von Klasse 9 bis 12 sowie in den Klassen 11 und 12 des B-Zweiges (naturwissenschaftlich) der Oberschule unterrichtet.
Sowohl Englisch wie Französisch waren als Folge der durchgeführten Reformen entscheidend benachteiligt, für den Französischunterricht waren die Konsequenzen besorgniserregend, wie der neue Leiter der Mission Culturelle in Berlin Henri Grange im August 1950 feststellte: „Die Lage des Französischen im Ostsektor und in der Ostzone wird immer schlimmer.“[16] Die sinkenden Schülerzahlen in diesem Fach ließen logischerweise auch den Bedarf an französischen Sprachlehrern zurückgehen und führten zu einem nachlassenden Interesse an einem Französischstudium in der SBZ/DDR. Die französischen Beobachter konstatierten in der Folge gar das völlige Verschwinden des Französischunterrichts in der DDR[17] und führten diesen Zustand u.a. auch auf das fehlende eigene Engagement zurück. Mitte der 50er Jahre unterrichtete nur ein Franzose an den Romanistik-Instituten der DDR (M. Cornu an der Berliner Humboldt-Universität); an der Universität Jena studierten nur 20 Studenten Französisch (Russisch 100, Englisch 60) und französischsprachige Bücher – außer Übersetzungen von Schriften der PCF – waren in der DDR nahezu unauffindbar.[18]
Nachdem die DDR 1955/57 den Übergang von der Vereinigungspolitik zur Zwei-Staaten-Theorie vollzogen hatte und in den Warschauer-Pakt integriert worden war, ergaben sich aus dieser Entwicklung auch Veränderungen für den Unterricht in den westlichen Fremdsprachen.[19] Ab 1957 – und mit dem Lehrplanwerk von 1959 dann schriftlich fixiert[20] – wurden Englisch und Französisch an der im Jahre 1959 zur Pflichtschule erklärten zehnklassigen allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule (POS) zu fakultativen Fächern.[21] Diese Aufwertung änderte jedoch nichts daran, dass das Hauptaugenmerk der staatlichen Stellen weiter auf Russisch gerichtet war, das als erste obligatorische Fremdsprache im Durchschnitt von 75 Prozent der Schüler in der DDR gelernt werden sollte, wohingegen das angestrebte Quantum für Englisch (15 Prozent) wie für Französisch (10 Prozent) bescheiden blieb.[22] Die DDR wollte sich nun in der ganzen Welt als selbständiger deutscher Staat darstellen und entsprechend den Zielen des proletarischen Internationalismus ihre politische und ökonomische Präsenz gerade in den Ländern der Dritten Welt ausdehnen. Ganz unter utilitaristischen Vorzeichen spielte Frankreich bei den ausgearbeiteten Konzepten eine sekundäre Rolle:
„Die mittleren Kader des Staatsapparates aber, ja sogar die Monteure, die unsere Apparate in befreundete Länder wie Vietnam, Syrien oder in die Länder der Volksdemokratie begleiten und aufstellen, werden unter Umständen ihre Aufgabe besser erfüllen können, wenn sie außer Russisch auch Französisch getrieben haben und eine Grundlage für die Vervollkommnung ihrer Schulkenntnisse besitzen. Ohne eine Verständigung über diese neue Perspektive des Französisch-Unterrichts würden die jetzt das Französische neu aufbauenden Lehrer leicht in die Irre gehen [...]. An zahlreichen Beispielen wurde aufgezeigt, dass die Wirtschaft der Motor ist, der die Verbreitung der Fremdsprachen vorantreibt, dass die Erfolge des Ministers für Außenhandel, Heinrich Rau, dem Export der DDR weite Absatzgebiete erschließen. Unsere Maschinen und sonstige Erzeugnisse erregen auf ausländischen Messen Bewunderung und Anerkennung.“[23]
Den zunehmenden Anforderungen an die westlichen Fremdsprachen entsprach das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom 25. Februar 1965, das grundlegende inhaltliche Fragen regelte und einheitliche Normen für Bildung und Erziehung festlegte.[24] Als direkte Folge wurde ab dem Schuljahr 1966/67 die Ausbildung der Französischlehrer vorangetrieben[25], der fakultative Fremdsprachenunterricht weiter ausgebaut[26] und Maßnahmen zur Eindämmung der Fluktuation im fakultativen Fremdsprachenunterricht festgelegt. Das Ausscheiden bedurfte sowohl der Zustimmung der Eltern wie des Direktors und konnte prinzipiell nur am Jahresende erfolgen. Die drei Unterrichtsstunden in Klasse 7 und 8 waren auf die gesamte Woche, mindestens aber auf zwei Tage zu verteilen und sollten auch vormittags erteilt werden.[27]
Diese Maßnahmen führten in der Tat zu einem Anstieg der Schülerzahlen in der zweiten Fremdsprache. Während sich im Schuljahr 1966/67 nur 32,9 Prozent der Schüler für diese Option entschieden hatten, stiegen die Zahlen über 58,3 Prozent im Schuljahr 1973/74 auf einen vorläufigen Höhepunkt im Schuljahr 1975/76 (61,2 Prozent).[28] Nutznießer dieses Anstiegs war vor allem der Englischunterricht, der zwar weiterhin von starker Fluktuation betroffen war, doch im Vergleich zum Französischen deutlich besser dastand. War das Verhältnis bereits 1966/67 (Englisch: 31,9 Prozent/Französisch: 1 Prozent) unausgewogen, verschob es sich bis 1975/76 noch weiter zugunsten des Englischen (Englisch: 56,7 Prozent/Französisch: 4,5 Prozent). Absolut stieg die Zahl der Französischlerner in den Klassen 7–10 der POS in der gesamten DDR von 4.166 Schülern im Schuljahr 1966/67 über 11.557 (1970/71) auf 23.668 1973/74.[29] Auch der Quai d‘Orsay hatte die Bemühungen zur Stärkung des Französischunterrichts in der DDR wahrgenommen und machte sich Gedanken über mögliche Formen der Unterstützung (u.a. Stipendien für Studenten und Französischlehrer zu einem Kurzaufenthalt in Frankreich, Entsendung von französischen Lektoren). Die Ostpolitik von Brandt habe die Möglichkeiten in diese Richtung erweitert, sodass Paris unter Vermeidung aller offiziellen Akte Kontakte „mit pragmatischem Charakter“ anstrebte. Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden, sollte die bundesdeutsche Seite über französische Aktivitäten stets informiert sein und die EFA aufgrund ihrer politischen Ausrichtung nicht daran beteiligt werden.[30]
Der französische Botschafter in Bonn, Jean Sauvagnargues, unterstrich seinerseits die Notwendigkeit einer solchen Initiative, warnte jedoch trotz der veränderten Situation infolge der Neuen Ostpolitik vor einem zu forschen Vorgehen der französischen Seite.[31] Auf keinen Fall dürfe in Bonn der Eindruck entstehen, dass offizielle französische Stellen Kontakte mit der DDR aufnehmen und ihr internationales Ansehen verbessern wollten. Genauso müsse vermieden werden, dass verstärkte Aktivitäten um den Französischunterricht in der DDR in der Bundesrepublik als Reaktion auf die ungenügende Umsetzung des Vertrages von 1963 gewertet würden. Er riet deshalb zu privaten Initiativen auf schulischem und universitärem Sektor, um in Bonn kein Misstrauen hervorzurufen.
Die inhaltliche Umsetzung der ideologisch-organisatorischen Vorgaben
Der 1947/48 vollzogene Übergang vom antifaschistisch-demokratischen zum stalinistischen Staats- und Gesellschaftsmodell ließ sich gleichfalls in der inhaltlichen Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts ablesen, der nun in den Kampf gegen den „bürgerlichen Kosmopolitismus“ einbezogen wurde.[32] Unter dem Schlagwort vom „proletarischen Internationalismus“ galt es, die nationale Kultur gegen die „kosmopolitische Weltwirtschaft“ und die „billige Massenkultur“ des Kapitalismus zu verteidigen.[33] Diese Konfrontation der Weltanschauungen erforderte auch von den ostdeutschen Schulen eine Hinwendung zu einer Pädagogik sowjetischer Prägung, die nicht „vom Kinde ausging und seiner individuellen Entwicklung diente, sondern ihre vordringliche Bestimmung von den ideologisch vorgezeichneten Zielvorstellungen gesellschaftlicher Entwicklung erfuhr.“[34]
Im Zuge dieses „Transformationsschubes“ mussten alle Unterrichtsmethoden ab dem 4. Juli 1950 die jungen Menschen für die „Ideologie der Arbeiterklasse“ und zur Verteidigung „gegen Angriffe des Imperialismus“ gewinnen. Auf der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wurde das Ziel formuliert, die Jugend in der Schule zu „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten“ zu erziehen und ihre Erziehung mehr und mehr an den Erfordernissen der ostdeutschen Arbeitsgesellschaft zu orientieren.[35] Das klassisch-humanistische Bildungsideal wurde durch seine sozialistisch-humanistische Variante abgelöst, welche die Förderung der Produktivkraft in den Mittelpunkt stellte.[36] Zu diesem übergeordneten Erziehungsziel gehörte es, eine „sozialistische Weltanschauung“, ein „ideologisches Bewusstsein“ und eine „sozialistische Moral“ zu besitzen.[37] Im Jahre 1952 präzisierte die SED diese Einheit von Politik und Pädagogik:
„Die deutsche demokratische Schule hat die Aufgabe, Patrioten zu erziehen, die ihrer Heimat, ihrem Volke, der Arbeiterklasse und der Regierung treu ergeben sind, die Einheit des friedliebenden, unabhängigen, demokratischen Deutschlands im Kampf gegen die imperialistischen Okkupanten und die Adenauer-Clique erzwingen, ewige Freundschaft mit der Sowjetunion, den Volksdemokratien und allen für Frieden und Fortschritt kämpfenden Menschen halten.“[38]
Vor dem Hintergrund der „Kosmopolitismuskeule“ sahen sich die ostdeutschen Fremdsprachendidaktiker zwischen Szylla und Charybdis. Obwohl es „in der französischen Literatur von heute nicht nur fortschrittliche, sondern auch reaktionäre Kräfte gibt“ (Jean-Paul Sartre, André Gide u.a.), dirigierte sich die Hauptstoßrichtung jedoch gegen die englische Sprache als Inkarnation westlicher Weltanschauung:
„Aber entscheidend für unsere Lage ist, dass der englische Sprachunterricht in den Oberschulen und der Betrieb der Anglistik an den Universitäten und Hochschulen eines der Haupteinfalltore des angloamerikanischen Kosmopolitismus und des Objektivismus sind, dass die Lehrer und Professoren, die Lektoren und Dozenten zum größten Teil proamerikanisch und probritisch eingestellt sind, dass sie ihren Unterricht bewusst zu einer Kulturpropaganda für den angloamerikanischen Imperialismus und gegen die UdSSR machen.“[39]
Angesichts dieser „Gefährdung“ für die DDR-Jugend forderte der Leipziger Romanistik-Professor Werner Krauss die Streichung des Englischen von den Stundenplänen der ostdeutschen Schulen, nachdem sich „das Monopol des englischen Unterrichtes [...] in einem stillschweigenden Einvernehmen von Schule zu Schule herausgebildet“ hatte. Er beschuldigte die Schuldirektoren, mit der massiven Bevorzugung des Englischen ein Gegengewicht zum Russischunterricht aufbauen und damit ein „Widerstandszentrum“ erhalten zu wollen. Da Frankreich außer der Sowjetunion das einzige Land sei, „in dem der Marxismus-Leninismus schon heute einen alle Wissensgebiete durchdringenden Zusammenhang“ bilde, forderte Krauss die Einführung des Französischen als zweite obligatorische Fremdsprache im ostdeutschen Schulsystem:
„Während der englische Unterricht keinerlei nennenswerte Anknüpfungspunkte zu einer fortschrittlichen politischen und kulturellen Bewegung besitzt, hat die Verbindung mit der französischen Bruderpartei für die DDR eine stets wachsende Bedeutung. Die beiden zwischen den französischen und deutschen Gewerkschaften getroffenen Abkommen beweisen, dass unsere Partei die Wichtigkeit einer engeren Zusammenarbeit mit dem machtvollen französischen Kommunismus erkannt hat und sich von dieser Verbindung eine entscheidende Verstärkung unserer Positionen in Westdeutschland versprechen kann.“[40]
Gleichzeitig sah Krauss in der französischen Aufklärung wichtige Bezugspunkte zur „bürgerlich-nationale[n] Klassik“ in der deutschen Literatur und Philosophie und in den frühsozialistischen Schriften aus französischer Feder eine Quelle für die Lehre von Marx und Engels. Die Kenntnis der französischen Geistesgeschichte sei daher unabdingbar für das „Verständnis unserer nationalen Kultur.“
Volksbildungsminister Paul Wandel teilte die in diesem Auszug zum Ausdruck kommende „negative Einstellung zur englischen Sprache“ zwar nicht, hielt jedoch die Situation des Französischunterrichts gleichfalls für nicht mehr hinnehmbar und sprach sich dafür aus, ihm in der Zukunft wieder größeren Raum zuzugestehen.[41] Die Abteilung Oberschulen im MfV plante daher, dass jeweils die Hälfte der Schüler in den sprachlichen Klassen Englisch bzw. Französisch lernen sollte. Zudem gedachte sie, die Verteilung der Fremdsprachen für die einzelnen Schulen durch das Ministerium festlegen zu lassen, „so dass die einzelnen Schulen keine Möglichkeit mehr haben, eigenmächtig irgendeine Fremdsprache zu bevorzugen.“[42]
Trotz aller dirigistischen Tendenzen im ostdeutschen Bildungssystem konnte Dorothee Röseberg bei ihrer Analyse der Diskussionen um die Französisch-Lehrpläne aus den Jahren 1950/51 kontroverse Debatten zwischen Vertretern einer pragmatischen, utilitaristischen Bildungsauffassung und Befürwortern eines humanistischen Funktionsverständnisses der Fremdsprachenausbildung ausmachen, die schließlich in einen Kompromiss zwischen Tradition und Neubeginn mündeten. Auch die Entstehungsgeschichte des ersten von Madeleine und Georg Wintgen-Belland verfassten Französischlehrbuchs Ici la France, das unter der Kontrolle des verantwortlichen Offiziers des Kulturrates der Sowjetischen Militärkommandantur entstand, weist auf eine Textgenese hin, die zum einen von der antifaschistisch-demokratischen Aufbruchsstimmung des Autorenehepaars geprägt war und zum anderen Elemente sowjetischer Pädagogik zu berücksichtigen hatte.[43]
Nach außen drang von den internen Entscheidungsprozessen jedoch nur wenig. Auch in der Fremdsprachendidaktik galt es, die staatlich fixierten Vorgaben zu erfüllen und sie öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, wie es Werner Hoffmann in parteioffiziellem apologetischem Diktum 1961 vormachte: „Wir haben allen Grund, darauf stolz zu sein, dass wir erstmalig in Deutschland den Fremdsprachenunterricht für alle Kinder des Volkes aufgebaut und seit nunmehr 15 Jahren mit wachsenden Erfolgen durchgeführt haben.“[44] Mag diese Jubelarie für den Russischunterricht mit Abstrichen zugetroffen haben, sah es für die westlichen Fremdsprachen anders aus: Bis 1958 existierten keine getrennten Lehrpläne für Englisch bzw. Französisch[45] und ihr Anteil am Gesamtunterricht war rückläufig. Ihr Erlernen wurde dadurch erschwert, dass nur Schüler mit sehr guten oder guten Leistungen in Deutsch und Russisch für den fakultativen Fremdsprachenunterricht zugelassen wurden. Kontraproduktiv wirkte es weiterhin, dass die Unterrichtsstunden vielfach am späten Nachmittag lagen, sodass viele Schüler sie nicht ernst nahmen und wegblieben.[46] Dorothee Röseberg wies unlängst darauf hin, dass Schüler diskriminiert wurden, wenn sie sich zum Erlernen des Französischen entschieden, „weil Schulfunktionäre in einem solchen Antrag eine Verkennung des gesellschaftlichen Auftrags erblickten.“ Die Willkür mittlerer Funktionäre (u.a. Schuldirektoren, Parteifunktionäre) verhinderte an verschiedenen Schulen einen regelmäßigen Französischunterricht.[47] Ausdruck seines Statusverlusts war auch die zeitweilige Vakanz des Fachreferentenpostens im MfV.[48]
Dieser sich verschlechternden Situation des Französischunterrichts in der DDR versuchten die französischen Behörden zu begegnen. Der Quai d‘Orsay sah es als wünschenswert an, Französisch auch wieder als erste Fremdsprache in der DDR anzubieten. Angesichts der diplomatischen „Nullbeziehungen“ und der extremen Vorsicht, die sich die französische Seite bei ihren kulturellen Beziehungen mit der DDR verschrieben hatte, besaß Paris jedoch wenig Einflussmöglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen.[49] Stille Partner hätte die französische Seite bei den Lehrern und anderen Trägern des Französischunterrichts in der DDR gefunden, bei denen sich infolge der katastrophalen Lage ihres Faches Widerspruch regte. Werner Rehfeldt, verantwortlich für das Französische im Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut (DPZI), schrieb:
„Noch immer spukt hier und da bei uns in manchen Köpfen der Gedanke umher, dass es ‚imperialistische‘ Sprachen seien, Sprachen der Monopolkapitalisten. Wir müssen unseren Werktätigen immer wieder sagen, dass auch die Erlernung des Englischen und Französischen eine wichtige gesellschaftliche Forderung ist. Wir müssen Kader heranbilden, die diese Sprachen beherrschen, um die Forschungsergebnisse kapitalistischer Länder auf dem Gebiet der Kernphysik, der Agrochemie und -biologie, der Medizin usw. zu studieren und für unseren Aufbau nutzbar zu machen [...]. Außerdem muss man beachten, dass z.B. das Französische die Sprache der Wegbereiter der bürgerlich-demokratischen Revolutionen, die Sprache großer Humanisten und nicht zuletzt die Sprache der Kämpfer der Résistance ist.“[50]
Dieser Textauszug spiegelt zugleich die Konfliktlinien in dem weiterhin schwelenden Zwist zwischen Pädagogen, die auf das Verbindende zwischen beiden Ländern setzen wollten und deren Denken weiterhin von klassisch-humanistischen Strukturen geprägt war, und den anderen, die auch den Französischunterricht zum Platz der klassenkämpferischen Konfrontation machen und seine Funktion ganz den wirtschaftspolitischen Vorgaben bzw. der polytechnischen und naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung unterwerfen wollten.[51] Dabei erscheint die Betonung der pragmatischen Funktion („Erweiterung der kommerziellen Kontakte mit Ländern, deren internationale Verkehrssprache Englisch oder Französisch ist“[52]) vielfach als vorgeschütztes Argument, um den Unterricht in westlichen Fremdsprachen überhaupt zu retten. Andere versuchten den Kompromiss und forderten einerseits „ein wirkliches Bekanntmachen mit Land und Leuten, insbesondere mit der Arbeiterklasse und den anderen fortschrittlichen Schichten“ im Sinne des proletarischen Internationalismus[53], sprachen sich aber andererseits dagegen aus, den Begriff der polytechnischen Bildung und Erziehung zu eng zu fassen und wollten die „allseitige Ausbildung des künftigen sozialistischen Menschen“ nicht aus den Augen verlieren.[54] Werner Freitag sah im Französischunterricht weiterhin ein Mittel, „in unseren Schülern den Willen zu stärken, mit dem französischen Volk in Frieden und Freundschaft zu leben.“[55] Schließlich setzte sich 1957/58 aber in den Grundkonzeptionen das pragmatisch-ideologisch überformte Verständnis von Fremdsprachenunterricht durch, das ihn zu einem „Kampfinstrument“ gegen die Klassenfeinde machte[56], wie aus dem Lehrplan von 1957 hervorgeht:
„Sie lernen die Rückständigkeit der französischen Landwirtschaft kennen und begreifen den Unterschied zu den landwirtschaftlichen Großbetrieben der Kolchosen und Sowchosen und unseren landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Auch dadurch werden sie in ihrer Überzeugung gestärkt, dass die sozialistische Gesellschaft der kapitalistischen überlegen ist.“[57]
Spätestens jetzt wurde im Französischunterricht begonnen, ein doppeltes Frankreichbild aufzubauen: Hier das gute Frankreich mit seinen revolutionären Traditionen und der starken in der PCF organisierten Arbeiterklasse, dort das kapitalistische krisengeschüttelte Frankreich mit seiner imperialistischen Außenpolitik, das den Interessen der Monopole folgt und dessen „Friedensbeteuerungen vor diesem Hintergrund recht fragwürdig erscheinen“ lässt.[58] Ideologieproduktion durch Lehrpläne als „zentrale staatliche Planungsdokumente für den Unterricht“ mit ihrer „bildungstheoretische[n] und schulpolitische[n] Grundkonzeption der pädagogischen Arbeit unter den jeweiligen gesellschaftlichen und historischen Bedingungen“ war das eine, die eigensinnige Umsetzung durch die Lehrer das andere. Bedenken hinsichtlich des politisch-ideologischen Ausbildungsstandes der Lehrkräfte gehörten zu den Konstanten im DDR-Bildungssystem[59] und erforderten unablässige Anstrengungen, Anspruch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen, um bei Lehrern wie Schülern ein sozialistisches Bewusstsein zu formen. Doch selbst Ende der 50er Jahre schien es in dieser Hinsicht noch zahlreiche Defizite gegeben zu haben. Misstrauen bestimmte die Haltung des MfV gegenüber seinen Französischlehrern. So verweigerte sich das Ministerium aufgrund der kritischen Distanz vieler Lehrer und Schüler zum SED-Staat den Kontakten zu französischen Bildungseinrichtungen, sodass bereits bestehende Beziehungen zu verschiedenen Schulen in Frankreich wieder einschliefen. Einzig Kontakte auf höchster Ebene, die sich für die Anerkennungspolitik nutzen ließen, unterstützte das MfV.[60] Gerade die zunehmenden utilitaristischen Tendenzen im Fremdsprachenunterricht trafen sich vielfach nicht mit den Vorstellungen der Lehrer:
„So waren die beiden Praktikanten, die ich im Juni dieses Jahres in Englisch und Französisch betreute, sehr erstaunt, dass ich von sozialistischer Erziehung auch in Übungs- und Grammatikstunden sprach. Nach ihrer Meinung wäre es an den Haaren herbeigezogen, in Übungssätzen [...] von unserem Kampf für die nationale Wiedervereinigung, die Erhaltung des Weltfriedens, die Ächtung der nuklearen Waffen usw. zu sprechen.“[61]
Ideologische Bedenken richteten sich weiterhin auch gegen die älteren Kollegen, die sich den neuen Bildungszielen (proletarischer Internationalismus und sozialistischer Patriotismus) zu widersetzen schienen: „Der Franz.-Unterricht in der 7. Klasse kann nicht im Stil der alten Oberschule erteilt werden, sein Ziel ist zwar auch ein humanistisch erzieherisches, aber, im Hinblick auf die Weltgeltungs-Anwartschaft der DDR, die sich in Leistungen unserer Industrie dokumentiert, auch ein sehr praktisches.“ Die „Plötzlichkeit, mit der die Forderung der Öffentlichkeit ‚Wiedereinführung des Französischen‘ über uns hereinbrach“[62], und die sich daraus ergebenden neuen gesellschaftspolitischen Herausforderungen, traf die Französischlehrer in der DDR unvorbereitet. Die Fachschaft war maßlos überaltert und die vernachlässigte Aus- und Weiterbildung tat ihr übriges. Sie seien „auf die ehemaligen Ziele und Methoden der Oberschule eingestellt“ und würden es an fremdsprachlicher Praxis und an der „früher selbstverständliche[n] leidliche[n] Sicherheit im Gebrauch des gesprochenen Französisch“ fehlen lassen, konstatierte das MfV.[63] Dieses zuweilen ungenügende Niveau sollte durch eine verstärkte Weiterbildung ausgeglichen werden, wie aus einer Einschätzung der HA Unterricht und Erziehung vom 26. Juni 1957 hervorgeht: „Jeder Lehrer, auch wenn er schon seit Jahren im Fach tätig ist, sollte jede Gelegenheit freudig ergreifen, sich zu vervollkommnen. Der neue Französischunterricht muss wissenschaftlich und methodisch ganz neue Wege gehen.“[64]
Mit der Politisierung von Lerninhalten und den Bestrebungen nach einem „parteilichen“ Verhalten der Lehrkräfte zur Durchsetzung des Machtmonopols der SED gingen Anstrengungen einher, den Einfluss der Eltern auf den schulischen Ablauf und besonders auf die Wahl der fakultativen Fremdsprache zu beschränken, wie aus einer Weisung des MfV vom Februar 1957 hervorgeht:
„Die ideologische Aufklärung der Bevölkerung über die Notwendigkeit der Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts ist eine der wichtigsten Aufgaben aller Organe der Volksbildung. Bei Diskussionen mit der Bevölkerung ist darauf zu achten, dass die aus politischen Gründen mitunter anzutreffende betont westliche Orientierung einiger Eltern nicht an Boden gewinnt und ihr aus Opportunismus nachgegeben wird. Die Entscheidung darüber, welche Fremdsprachen in einer Schule gelehrt werden, ist eine schulpolitische Maßnahme, die nicht allein von solchen Eltern getroffen werden kann, die zufällig und auch nur für eine relativ kurze Zeit mit der Schule verbunden sind. Auch bei unseren Schulfunktionären und Lehrern gibt es noch falsche Auffassungen über das so genannte Elternrecht, diese werden oft von reaktionären Kreisen verbreitet, um auf demokratisch getarnte Weise den Schulfortschritt zu hemmen [...]. Bei der Einführung von Englisch und Französisch als erster Fremdsprache in Mittelschulen ist folgendes zu beachten: Sie soll dort eingeführt werden, wo bei der Bevölkerung eine starke Aktivität im Sinne unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates vorhanden ist.“[65]
Das allgemeine Misstrauen der Partei- und Staatsführung gegenüber der eigenen Bevölkerung erschwerte zugleich die Reisen französischer Lehrer und Schüler in die DDR. Im Juni 1956 hatte die Gewerkschaft „Unterricht und Erziehung“ einen Lehreraustausch zwischen beiden Ländern abgelehnt, da es sich bei Frankreich um ein NATO-Land handele. Zur Klärung wurde das MfAA eingeschaltet[66], das sich seinerseits für den Austausch aussprach, um „Kontakte zu den verschiedensten Institutionen und einflussreichen Persönlichkeiten in Frankreich herzustellen.“[67] Zu Konflikten innerhalb des Staatsapparates kam es ebenfalls anlässlich einer anstehenden Reise französischer Schüler des Pariser Lycée Voltaire zum gleichen Zeitpunkt. Nachdem das MfV in einem Schreiben an das MfK vom 25. Februar 1957 dem Aufenthalt der französischen Gruppe zugestimmt hatte, hielt es die zuständige Mitarbeiterin des MfV aufgrund der angespannten Situation in den DDR-Oberschulen jedoch für ausgeschlossen, dass ostdeutsche Schüler zu diesem Zeitpunkt mit ihren französischen Altersgenossen zusammenkommen könnten. In der Besprechung von Vertretern des MfK, des MfV, des MfAA und der GfkVA wurde jedoch beschlossen, dass die Einladung nicht rückgängig gemacht werden könne. Sie kamen überein, „vielleicht doch noch ein paar Oberschüler zu finden, die mit den französischen Oberschülern zusammengebracht werden können.“[68] In beiden Fällen galt es abzuwägen zwischen einer Verschärfung der angespannten inneren Situation und dem außenpolitischen Prestigeverlust. Das MfAA räumte dem möglichen außenpolitischen Schaden jeweils mehr Gewicht ein. Diese Entscheidung in zwei eher drittrangigen Angelegenheiten unterstreicht die große Bedeutung der außenpolitischen Anerkennung und die große Sensibilität der SED in dieser Frage.
Der Mauerbau 1961 beruhigte die Lage und stabilisierte die Position der SED, da die Ostdeutschen nun zum Arrangement mit den herrschenden Verhältnissen gezwungen waren. Die SED-Bildungspolitiker konnten es sich jetzt stärker als zuvor erlauben, den Französischunterricht zu intensivieren und ihn für die Anerkennungspolitik zu nutzen, sodass er aber weiterhin auch dem Primat der Ideologie und Politik unterworfen blieb.[69] Nachdem 1959 erstmals eine Gruppe französischer Lehrer an einem Ferienkurs in der DDR teilgenommen hatte[70] und die SED in den folgenden Jahren französische Lehrer und Germanisten systematischer in die auslandsinformatorische Arbeit der DDR einbinden wollte, wurden unter der Verantwortung des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen und des Herder-Instituts in Leipzig Konzeptionen ausgearbeitet. Die Edition und Publikation von Sprachkursen, Unterrichtsmaterialien und eine spezielle Zeitschrift in deutscher Sprache war vorgesehen, um in diesem Kreis die Kenntnisse über die DDR zu verbessern.[71] 1961 verbrachten 580 französische Kinder im Rahmen von Städtepartnerschaften ihre Ferien in der DDR[72]; 150 französische Oberschüler, 30 Sprachlehrer und 30 Germanisten nahmen an Sprachkursen teil.[73] Mehr und mehr französische Lehrerdelegationen profitierten nun von dem Angebot an Fortbildungsseminaren, für die die Liga für Völkerfreundschaft die Rahmenbedingungen und Direktiven formulierte und die in den verschiedenen Bezirken der DDR stattfanden.[74] Der DDR gelang es dabei, der Bundesrepublik aus verschiedenen Gründen Konkurrenz zu machen, wie die bundesdeutsche Botschaft in Paris im Juli 1964 feststellte:
„Wie hier bekannt geworden ist, ziehen manche französische Schulen Reisen in die SBZ u.a. deshalb vor, weil diese Reisen besonders billig seien und die Teilnehmer in der SBZ mit großem Aufwand aufgenommen würden. Auch französische Germanisten gingen aus denselben Gründen häufig in die SBZ statt in die Bundesrepublik, wobei freilich auch der Umstand eine Rolle spielen mag, dass manche für Germanisten wesentliche Reiseziele, wie z.B. Weimar oder Jena, eben nun einmal in der SBZ liegen.“[75]
Neben Ausflugsreisen zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Region standen immer auch Besuche in Schulen, pädagogischen Organisationen und Ausbildungsstätten auf dem Programm.[76] An einem internationalen Ferienkurs des Pädagogischen Instituts in Erfurt nahmen im Sommer 1964 u.a. Lehrer aus Maubeuge und Lille teil.[77] Im März 1967 weilten 400 französische Pädagogen in der DDR und informierten sich über die Entwicklung des Schulsystems und den „Aufbau des Sozialismus“. Sie waren während des Aufenthalts auf ihre ostdeutschen Partnerstädte verteilt worden.[78] Bei einem Aufenthalt französischer Pädagogen aus dem département Moselle in Magdeburg sagte ihr Delegationsleiter abschließend: „Unsere Reise hat uns in der Meinung bestärkt, dass Frankreich die DDR anerkennen sollte. Man kann einen seit zwei Jahrzehnten bestehenden Staat mit 17 Millionen Einwohnern, dessen Friedenspolitik ein Gegengewicht zum Revanchismus Westdeutschlands ist, nicht länger ignorieren.“[79] Solche und ähnliche Äußerungen sowie die steigende Zahl von Lehrerreisen ließen auf westdeutscher Seite die Befürchtung aufkommen, dass die deutsch-französische Verständigung Schaden nehmen könnte: „Da sie von Leipzig, der Zone und ihrer sozialistischen Wirklichkeit nichts anderes sehen werden, als das, was das Regime ihnen zeigen will, kann man sich den Inhalt ihrer Erfahrungsberichte daheim in den Schulen schon an den Knöpfen abzählen.“[80]
Für die ostdeutschen Französischlehrer ergab sich aus den zunehmenden Kontakten mit Frankreich und der breiten Berichterstattung in der Presse eine stärkere Legitimation ihrer Unterrichtstätigkeit. Die Bedeutung ihres Faches bei Delegationsreisen, Städtepartnerschaften, Ferienbetreuung französischer Kinder und den verschiedenen Formen der „Unterstützung des politischen Kampfes der fortschrittlichen Kräfte [...] Frankreichs“[81] konnte nun als Argument für eine Anpassung an die neuen Erfordernisse und für einen Ausbau des fakultativen Fremdsprachenunterrichts genutzt werden. Dabei konkurrierten auch in den folgenden Jahren Meinungen von Französischlehrern, die die „Erziehung zur Völkerfreundschaft, zum proletarischen und sozialistischen Internationalismus und zur Achtung der kulturellen Leistungen anderer Völker“ betonten[82], mit eher konfrontativ angelegten Konzepten, die beweisen wollten, „dass der Kapitalismus eine menschenfeindliche, überholte Gesellschaftsordnung ist, die gesetzmäßig vom Sozialismus abgelöst werden muss.“[83]
Dass der Französischunterricht nie über den „Mauerblümchenstatus“ hinauskam, führten ostdeutsche Didaktiker und Pädagogen u.a. auch auf die Überbetonung des Schreibens und der Beherrschung der Orthografie, grammatisierende und formale Unterrichtsverfahren, zu stark lese- und übersetzungsbetonte Unterrichtsphasen, auf die Verkennung der Rolle des Übersetzens gegenüber der des (stillen) Lesens und die ungenügende Arbeit mit Unterrichtsmitteln zurück.[84] Diese didaktisch-methodische Mängelliste trifft jedoch nicht den eigentlichen Kern des Problems. Weiterhin waren es strukturelle und organisatorische Defekte, die den Stand des fakultativen Fremdsprachenunterrichts schwächten. Nachmittagsunterricht, Unterrichtsausfall infolge des Einsatzes des Jugendlichen in den Massenorganisationen, Materialmangel und der Einsatz der Fremdsprachenlehrer in anderen Fächern blieben bis zum Ende der DDR die Ursachen für die Defizite im Unterricht des Englischen und Französischen und fordern die Frage heraus, wie ernsthaft die versprochenen Verbesserungen wirklich waren.[85] Es bleibt außerdem zu vermuten, dass die eingeschränkte Gebrauchsmöglichkeit des Französischen in der DDR die ausschlaggebende Ursache dafür war, dass das über Westfernsehen und -radio auch in der DDR-Öffentlichkeit weitaus präsentere Englisch den Vorzug erhielt. Um diesem Makel abzuhelfen, wurde der Selbstdarstellung der DDR-Gesellschaft im Französischunterricht sowie den Bedürfnissen der Anerkennungspolitik eine immer größer werdende Bedeutung eingeräumt. Im Lehrplan von 1970 wurde als Lernziel formuliert:
„So müssen die Schüler zum Beispiel befähigt werden, im Gespräch mit ausländischen Gästen über bedeutende Errungenschaften des Sozialismus in der DDR zu berichten, wobei sie dazu angehalten werden, ihren Stolz als Bürger eines sozialistischen Staates zum Ausdruck zu bringen [...]. Am Thema ‚Des relations commerciales entre la France et la République Démocratique Allemande’ sowie an aktuellen Materialien wird deutlich gemacht, dass die Erweiterung der Handelsbeziehungen zwischen der DDR und Frankreich ein Ergebnis der wachsenden Anziehungskraft unserer Republik ist, die sie durch ihre ökonomischen Erfolge und ihre konsequente Friedenspolitik erringt.“[86]
Auffällig viele Texte sind in dem 1968 eingeführten Lehrwerk Bonjour les amis zu finden, „in denen die DDR als ein modernes und fortgeschrittenes Land [dargestellt wird], in dem man gern und gut lebt, das leider zu Unrecht unbekannt ist bzw. ignoriert wird.“[87] Besonders in Fragestellungen (Est-ce que Monsieur Lebrun doit payer la consultation ? Est-ce qu‘en RDA vous devriez la payer aussi vous-même ?[88]) und Aufgaben kamen die systemaffirmativen Zielsetzungen zum Ausdruck: „Sagen Sie den Teilnehmern, – dass unser Staat den Werktätigen viele Möglichkeiten zur Freizeit- und Urlaubsgestaltung bietet, – dass den Werktätigen z.B. betriebseigene und FGDB-Heime zur Verfügung stehen, – dass unser Staat anstrebt, dass die Kultur eine Sache aller Bürger wird.“[89] Zur Ideologieproduktion bzw. Formung eines „sozialistischen Bewusstseins“ galt es weiterhin, den Schüler in die Lage zu versetzen, auf der einen Seite die „Überlegenheit des Sozialismus“ und auf der anderen die „untergehende kapitalistische Gesellschaft“ zu erkennen. Das aktuelle Frankreich wurde damit häufig zur Negativfolie, von der sich das idyllische DDR-Bild abheben sollte, wie an dem Lehrplan für die Klassen 9 bis 11 von 1968 deutlich wird:
„Bei der Behandlung von Themen wie ‚La Grande Révolution Française‘ und ‚La Commune de Paris‘ werden die Schüler – aufbauend auf dem Geschichtsunterricht – mit revolutionären Traditionen des französischen Volkes bekannt gemacht. Sie erkennen dabei, dass die Ideen von der Volkssouveränität, von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit weder im bürgerlichen Frankreich noch unter den Bedingungen des Monopolkapitalismus verwirklicht werden konnten, sondern erst im sozialistischen Staat.“[90]
Der Französischunterricht: ein Beitrag zur Völkerfreundschaft?
Das Bewusstsein, dass dem „Sozialismus die Zukunft“ gehöre, und die in den Ausführungen offen zu Tage tretende systemaffirmative Komponente des Französischunterrichts in der DDR werfen die Frage nach der Stellung und der Definition von „Völkerfreundschaft“ in der politisch-ideologischen und moralischen Erziehung der Jugendlichen auf. Gerade bei der Vermittlung einer westlichen Fremdsprache im Kontext des Ost-West-Konflikts bedarf es der Klärung, welche intrinsische Bedeutung „Volk“ und „Freundschaft“ im SED-Sprachgebrauch zukam. Wenn wir der marxistisch-leninistischen Definition folgen und bei den sozialistischen Ländern von einer inneren Übereinstimmung zwischen Nation, Regierung, Partei, Staat, Klasse und Volk ausgehen, so problematisch das auch hier ist, wie das Beispiel des Prager Frühlings 1968 zeigte, so widersprüchlich und problematisch wird die Definition gegenüber kapitalistischen Ländern. Hier zeigt es sich, dass der Begriff nicht auf ethnischer oder staatlicher Einheit beruhte, sondern nur unter dem Vorzeichen der „klassenmäßigen, proletarischen, sozialistischen und antiimperialistischen Solidarität“ zu verstehen ist und in der Praxis umgesetzt wurde. „Völkerfreundschaft“ als Lernziel bezog sich deshalb einzig auf die „progressiven, antiimperialistischen Kräfte“ im Westen, in unserem Fall in Frankreich, und reihte sich in den Versuch ein, die bereits oben angesprochene Freund-Feind-Polarisierung zu vertiefen.
Auch die Problematisierung des Freundschaftsbegriffs im ideologischen Erziehungskonzept der SED weist auf ein anderes Verständnis hin. Entschieden abgelehnt wurde im Sinne der „Völkerfreundschaft“ eine kosmopolitische Haltung, die Freundschaft auf die Gesamtheit der Völker und ihrer Menschen bezieht. In dem all- und weltumfassenden Freundschaftsbegriff wurde eine klassenfeindliche Ideologie gesehen. Erziehungstheoretiker der DDR stellten ihm den auf sozioökonomischer, politischer und ideologischer Gleichheit der beteiligten Partner beruhenden Freundschaftsbegriff gegenüber, der personalen Implikationen nur einen zweitrangigen Platz zuwies. So heißt es im „Pädagogischen Wörterbuch“: „Jedoch ist F.[reundschaft] keine allgemein menschliche Kategorie, sondern stößt fast immer an Klassenschranken. Mit dem Wegfall antagonistischer Klassenschranken im Sozialismus bieten sich allgemein günstige Bedingungen für ihr dauerhaftes Bestehen.“[91] Damit konnte Freundschaft nur in einer Gemeinschaft von Gleichen bestehen und verstand sich als Mittel zur Abgrenzung gegenüber sozioökonomisch Ungleichen und ideologisch Gegensätzlichen. Eine derartige Definition schloss beim Kontakt mit westlichen Ländern die Freundschaft mit einem ganzen Volk aus, wie aus der Definition von „Völkerfreundschaft“ im gleichen Artikel hervorgeht:
„Sie manifestiert sich im gemeinsamen Interesse, dem Kampf der Arbeiterklasse um Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung, in gegenseitiger Achtung und Anerkennung der nationalen Eigenständigkeit und Souveränität [...]. Alle Bedingungen für ihre Herausbildung sind demnach nur in sozialistischen und antiimperialistischen Staaten gegeben.“
Die Definition von „Völkerfreundschaft“ führte zu einer ideologisch bedingten Einschränkung in den Freundschaftsbeziehungen und musste bei Kontakten zu westlichen Bürgern folglich auf Vertreter der in der jeweiligen kommunistischen Partei organisierten Arbeiterklasse beschränkt bleiben. Der primär pragmatisch und funktionell angelegt Freundschaftsbegriff im marxistisch-leninistischen Sinne maß Freundschaft am ökonomischen, politischen und militärischen Nutzen und stand konträr zum bürgerlichen Verständnis von Freundschaft, bei dem Uneigennützigkeit und das gegenseitige volle Vertrauen die Leitlinien sind.[92] „Für die Schüler konnte der Eindruck manifest werden, dass freundschaftliche Beziehungen erst dann zuzulassen und einzugehen seien, wenn es von Nutzen entweder für die Gesellschaft oder die eigene Person sei“, stellt Christiane Griese fest.[93] So heißt es in einem Französisch-Lehrplan für die Klassen 9–11 aus dem Jahre 1968:
„Bei Themen wie ‚La Foire de Leipzig, centre du commerce mondial‘ und ‚Les succès de la France dans les sciences et les techniques‘ soll den Schülern verdeutlicht werden, dass eine enge ökonomische und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und den sozialistischen Ländern von beiderseitigem Nutzen ist.“[94]
Fortschrittliches Handeln und Denken im marxistisch-leninistischen Verständnis und Leistungsfähigkeit sollten so zu den entscheidenden Kriterien beim Eingehen von Freundschaften werden. Der potentielle Partner musste sich folglich erst qualifizieren, um sich einer Freundschaft im sozialistischen Sinne würdig zu erweisen. Im Französischunterricht stand deshalb als Lernziel die „Achtung vor den großen Leistungen des französischen Volkes, insbesondere auf kulturellem, wirtschaftlichem und wissenschaftlich-technischem Gebiet“ auf dem Programm.[95] Wenn wir dem Prinzip der „Völkerfreundschaft“ den interkulturellen Ansatz gegenüberstellen[96], so werden die Unterschiede schnell evident. Während interkulturelles Lernen die Anerkennung und den Respekt der Unterschiede erfordert, das Hineinversetzen in die Position des anderen, um die Welt mit den Augen des anderen zu sehen und seine eigenen Normen in Frage zu stellen und ihre Beschränktheit zu erkennen („Die wahre Freundschaft zwischen Einzelnen und Völkern beginnt dort, wo man Unterschiede zu respektieren und das Gemeinsame geduldig herauszuarbeiten lernt.“[97]), beruhte die sozialistische „Völkerfreundschaft“ auf der marxistisch-leninistischen Ideologie, die sich allen anderen weltanschaulichen Entwürfen gegenüber als überlegen ansah, keinen Widerspruch duldete und als einzig richtige Theorie zu gelten hatte.[98] Die Aufnahme interkultureller Aspekte in den Jugendaustausch zwischen der DDR und Frankreich wie das Infragestellen der eigenen Normen, hätte Zweifel an der Richtigkeit des Marxismus-Leninismus, am Deutungsmonopol der SED in politischen, gesellschaftlichen und historischen Fragen und ihrem Anspruch, allgemeingültige Grundzüge der gesellschaftlichen Entwicklung nachzuweisen, aufkommen lassen und stand deshalb außer Frage. Während es im Kontakt mit Jugendlichen aus anderen sozialistischen Staaten noch darum ging, „Bilder voneinander“ auszutauschen und positiv zu verändern, so beinhaltete Erziehung im Sinne der „Völkerfreundschaft“ gegenüber dem Westen nicht, das andere zu erfahren und es als gleichberechtigt zu akzeptieren.[99] Dass die Jugendlichen dies trotzdem bei einem Vergleich von präsentierter und realer Wirklichkeit taten, kann jedoch angenommen werden.
Der Fremdsprachenunterricht in der DDR konnte in seiner normativen Form keinen Beitrag zum besseren Verständnis der beiden Länder leisten, tradierte jedoch bis in die 80er Jahre ein eindeutiges Freund-Feind-Schema als Leitbild für das Denken und Handeln der Schüler. Er war als Teil der politisch-ideologischen Indoktrination konzipiert und sollte nur eine ausschnitthafte Einsicht in die französische Gesellschaft vermitteln. Der Blick durch die „Klassenkampfbrille“ verpflichtete Lehrer wie Schüler zu einem dichotomischen Gesellschaftsbild von Frankreich und stand einem wertfreien Zugang zur Realität des Partnerlandes im Wege. Die ideologische Leitlinie, die Überlegenheit des Sozialismus zu vermitteln, ließ den Fremdsprachenunterricht zu einem Medium werden, über das die Identifikation mit der DDR zu stärken war.[100] Die Erziehung zu Völkerfreundschaft war in ihrer ideologisch-normativen Variante nie eine Vorbereitung zum Umgang mit Vielfalt und Verschiedenheit. Dieses holzschnittartige Denken hatten auch die ostdeutschen Betreuer französischer Jugendgruppen internalisiert und gaben die sozial erwarteten Antworten: „Unsere FDJler schätzen ein, dass die Vorstellungen der französischen Jugendlichen (auch die Mitglieder der J[eunesse] C[ommuniste]) sehr unausgereift und zum Teil falsch sind.“[101] Auch die FDJ-Leiter ließen bei unterschiedlichen politischen Positionen innerhalb der französischen Gruppen eher Hilflosigkeit und Ablehnung erkennen und empfahlen eine bessere Auswahl der Teilnehmer im Vorfeld durch die französische Seite.[102] Als der französische Leiter des Freundschaftszuges im Jahre 1977 seinen Teilnehmern riet, „bei allen Veranstaltungen einen breiten unkontrollierten Kontakt zu den Jugendlichen der DDR zu suchen, um ‚objektive Informationen über das politische und soziale Leben in der DDR’ zu erhalten“, warf Egon Krenz sogar die Frage nach der Fortsetzung der Freundschaftszüge auf.[103]
Die zuvor gemachten Ausführungen zum Französischunterricht in der DDR boten in erster Linie einen Blick aus der Systemperspektive, die uns Einblicke in legitimationstheoretische Entwicklungsprozesse gibt, jedoch noch wenig über gesellschaftliche Verarbeitungsmuster politischer Legitimationsansprüche aussagt.[104] Dieser diktaturgeschichtliche Ansatz kann deshalb nur ein Teil der Herrschaftsgeschichte der DDR sein und bedarf auch für den Fremdsprachenunterricht der sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Erweiterung. Gerade in den Nachkriegsjahren reagierten viele Lehrer auf die von Ideologie dominierten Erziehungsziele der SED-Bildungspolitiker mit Formen von Dissens. Die konstitutiven Widersprüchlichkeiten in dem zu vermittelnden Bild von Frankreich, in dem es nur Ausbeuter und Ausgebeutete zu geben schien, das es dank seiner großen historischen, kulturellen und revolutionären Traditionen zu lieben galt, das aber aufgrund seiner kapitalistischen Strukturen und seiner imperialistischen Machtpolitik gleichermaßen zu hassen war[105], mussten die Lehrer auffangen. Rudolf Woderich weist darauf hin, dass sich gerade diese Berufsgruppe infolge ihrer direkten Interaktion mit Jugendlichen nicht auf politische Phraseologie und Indoktrinationen beschränken konnte: „Auch auf das Handeln von Lehrerakteuren im Raum der Schule traf zu, dass wohl kaum jemand so handeln konnte, wie es die offiziellen Strukturen des Systems eigentlich verlangten, um überhaupt handlungsfähig zu sein.“[106] Umfragen heute legen den Eindruck nahe, dass viele Lehrer durch die Einbeziehung eigener Materialien und das schnelle Hinweggehen über ideologisch überfrachtete Lektionseinheiten der intendierten Funktion entgegenwirkten. Die Beschränkung auf die Vermittlung des Stoffes und die fachliche Seite des Unterrichts diente in diesen Fällen oft dem Ziel, politisch intendierte Zumutungen und aktuelle Auflagen abzuwehren bzw. zu reduzieren.[107] Ein letztes Element schienen die politischen Verantwortlichen bei ihren strategischen und ideologischen Überlegungen zudem immer mehr vernachlässigt zu haben: „Man darf nicht vergessen, dass kein Fach ganz ohne Liebe zu seinem Gegenstand betrieben wird.“[108]
[1] Vgl. allgemein Pfeil, Ulrich, Die „anderen“ deutsch-französischen Beziehungen. Die DDR und Frankreich 1949–1990, Köln 2004.
[2] Vgl. Schneider, Jens, Die verdrängte Vergangenheit. Teils aus Treue, teils aus Unsicherheit drücken sich viele ostdeutsche Lehrer vor der Aufarbeitung der DDR-Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung, 15.10.2002.
[3] Vgl. „Mangelndes Interesse an der DDR-Historie ist unverantwortlich“. Interview mit Rainer Eppelmann über die Frage, wie die Bedeutung des 3. Oktober wieder stärker im Bewusstsein der Bevölkerung verankert werden kann, in: Die Welt, 30.09.2002; Braun, Rüdiger, Einig in der Ratlosigkeit. Wer deutet wie die DDR-Geschichte?, in: Märkische Allgemeine, 20.09.2002; „Das Bild der DDR darf nicht geschönt werden“. Der SPD-Abgeordnete Markus Meckel hält die Auseinandersetzung mit der ostdeutschen Vergangenheit für lange nicht abgeschlossen, in: Süddeutsche Zeitung, 30.10.2002.
[4] Vgl. Cleven, Toralf, „Wie hieß das Land, in dem ich geboren wurde ?“ Lehrer streiten über Vermittlung von DDR-Geschichte, in: Ostsee-Zeitung, 04.04.2002.
[5] So weit weg wie das Römische Reich, in: Berliner Zeitung, 18.09.2002.
[6] Vgl. Mönch, Regina, Lehrt, auf dass Lehren gezogen werden. Endlich steht die DDR-Geschichte auf dem Pflichtstundenplan, in: FAZ, 09.10.2002.
[7] Vgl. Lehberger, Reiner, Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, in: Bausch, Karl-Richard u.a. (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 2. Aufl., Tübingen 1991, S. 475–480; Christ, Herbert; Hüllen, Werner, Geschichte des Fremdsprachenunterrichts seit 1945, in: Bausch, Karl-Richard u.a. (Hg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 3. Aufl., Tübingen 1995, S. 565–572.
[8] Vgl. Befehl Nr. 40 zur Vorbereitung der Schulen zum Schulbetrieb vom 25.08.1945; BAB, DR 2/910, Bl. 8.
[9] Vgl. Hohlfeld, Brigitte, „Massenorganisation“ Schule. Der Zugriff der SED auf das allgemeinbildende Schulwesen in der Frühphase der SBZ/DDR 1945–1953, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 45 (1994) 7, S. 434–454; Gruner, Petra, Die Neulehrer. Schlüsselsymbol der DDR-Gesellschaft, in: APuZ, B 38/1999, S. 25–31.
[10] Vgl. Pfeil, Ulrich, Antifascisme et dénazification en zone d’occupation soviétique (SBZ) 1945–1948, in: Revue d’Allemagne 32 (2000) 1, S. 101–115.
[11] Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule vom 01.09.1946, Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in der SBZ, Berlin 1946, S. 7.
[12] Vgl. Schroeder, Klaus, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen, München 1998, S. 557.
[13] Vgl. Lehrpläne für die Grund- und Oberschulen in der SBZ Deutschlands. Neuere Fremdsprachen (Russisch, Englisch, Französisch) vom 1. Juli 1946, Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung der SBZ Deutschlands, Berlin 1946.
[14] Vgl. Baske, Siegfried, Allgemeinbildende Schulen, in: Führ, Christoph; Furck, Carl Ludwig (Hg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. VI: 1945 bis zur Gegenwart, Teil II: DDR und neue Bundesländer, München 1998, S. 159–202, hier S. 167.
[15] Französisch oder Englisch? Vorschlag für eine dringende Unterrichtsreform an den Hoch- und Grundschulen der DDR, November 1950; BAB, DR 2/1140, Bl. 58.
[16] Zit. n.: Zauner, Stefan, Die französische Kulturmission in Berlin, in: Jardin, Pierre u.a. (Hg.), Die vier Besatzungsmächte und die Kultur in Berlin 1945–1949, Leipzig 1999, S. 87–102, hier S. 94.
[17] Vgl. Le chargé d‘affaires de France près la RFA au Ministre des Affaires étrangères, 26 septembre 1956; MAE/Colmar, DGAC, Vol. 4.
[18] Vgl. L‘Ambassadeur de France près la RFA au Ministre des Affaires étrangères (mars 1955), MAE/Colmar, DGAC, Vol. 4.
[19] Die französische Botschaft in Bonn meldete nach Paris, die Machthaber in Ost-Berlin hätten erkannt, dass die „fortschrittlichen Kräfte in Frankreich und England“ das gleiche Französisch bzw. Englisch sprächen. Neben außenhandelspolitischen Gründen sei daher das Erlernen westlicher Fremdsprachen erleichtert worden; L‘Ambassadeur de France près la RFA à Monsieur Christian Pineau, Ministre des Affaires étrangères, 2 mai 1956; MAE, EU 1956–1960, RDA, 14, Bl. 3f.
[20] Lehrplan für den Englisch- und Französischunterricht (fakultativ) in den Klassen 7 bis 10 von 1959; BAB, DR 2/A.732.
[21] Vgl. Utermark, Gisela, Der Französischunterricht in der ehemaligen DDR. Ein Rückblick und wie weiter, in: Französisch heute 1 (1991), S. 1–15.
[22] Vgl. MfV der DDR an die Räte der Bezirke, Abteilung Volksbildung, und Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Volksbildung, 16.02.1957: „Anleitung über erste Maßnahmen zur Verbesserung und Erweiterung des Fremdsprachenunterrichts in den Mittel- und Oberschulen“; BAB, DR 2/2290, Bl. 1–8.
[23] Zur Geschichte des Sonderlehrganges der Französischlehrer (19.–24.08.1957) in Nordhausen; BAB, DR 2/2290, Bl. 48–52, hier Bl. 51.
[24] Textabdruck in: Lieser-Triebnigg, Erika, Recht in der DDR. Einführung und Dokumentation, Köln 1985, S. 179ff.
[25] Im Perspektivplan 1971–75 für die Ausbildung von Romanisten an der Humboldt-Universität war festgelegt worden, das bisherige Quantum an Neuzulassungen von bisher 50–60 auf 100 zu erhöhen. Aus dieser Zielsetzung ergab sich jedoch, dass die Absolventen bei den gleichbleibend niedrigen Schülerzahlen im Fach Französisch nicht fachgerecht eingesetzt würden; Rektor der Humboldt-Universität zu Berlin (Prof. Dr. Karl-Heinz Wirzberger) an den stellvertretenden Minister für Volksbildung (Machacek), 03.11.1970; BAB, DR 2/D/1377.
[26] In Realisierung des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem sowie in Vorbereitung auf die Einführung der „neuen präzisierten Lehrpläne“ im fakultativen Französischunterricht (Englisch ab 1966/Französisch ab 1968) wurde 1965 eine Bestandsaufnahme gemacht: „So nahmen dann im Schuljahr 1966/67 in Klasse 7 im Republikmaßstab 2.343 Schüler (0,98 %) den fakultativen Französischunterricht auf. Wie notwendig diese zentrale Maßnahme war, zeigt die Tatsache, dass zum gleichen Zeitpunkt in Klasse 10 in der ganzen Republik nur 181 Schüler Französisch lernten. Zu Beginn des Schuljahres 1970/71 waren es bereits 5.366 Schüler (= 2,3 %), die in Klasse 7 mit dem fakultativen Französischunterricht begannen“; BAB, DR 2/A. 7470.
[27] Richtlinie zur weiteren Entwicklung des fakultativen Englisch- und Französischunterrichts, (1966); BAB, DR 2/A. 3134.
[28] Übersicht über die quantitative Entwicklung des Unterrichts in der 2. Fremdsprache (Englisch und Französisch) in Klasse 7 (1987); BAB, DR 2/A. 3133.
[29] Vgl. Entwicklung des fakultativen Französischunterrichts im DDR-Maßstab; BAB, DR 2/A. 3038.
[30] Projet de lettre à notre Ambassadeur à Bonn, 10 octobre 1970; MAE, EU, RDA 61–70, 73.
[31] L‘Ambassadeur de France près la RFA, Jean Sauvagnargues, au Ministre des Affaires étrangères, Maurice Schumann, 30 octobre 1970; MAE, EU, RDA 61–70, 73.
[32] Vgl. Kleßmann, Christoph, Politische Rahmenbedingungen der Bildungspolitik in der SBZ/DDR 1945–1952, in: Heinemann, Manfred (Hg.), Umerziehung und Wiederaufbau. Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich, Stuttgart 1981, S. 229–244.
[33] Vgl. Koenen, Gerd, Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus, Frankfurt am Main 2000, S. 355.
[34] Baske, Siegfried, Grund- und Rahmenbedingungen, in: Führ; Furck (Anm. 14), S. 3–25, hier S. 15f.
[35] Vgl. Günther, Karl-Heinz u.a., Die Geschichte der Erziehung, 15. Aufl., Berlin (DDR) 1987, S. 704ff. Im Präzisierten Lehrplan für das Fach Französisch, Grundkurs für die Klassen 7–10 von 1970 (BAB, DR 2/A.732) heißt es zu den Charaktereigenschaften der „sozialistischen Persönlichkeit“: „Die Erziehung zur Achtung vor den werktätigen Menschen, die Anerziehung eines hohen Pflichtgefühls und Verantwortungsbewusstseins gegenüber der Gesellschaft, die Entwicklung solcher positiver moralischer Verhaltensweisen wie Fleiß und Beharrlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit tragen zur Heranbildung sozialistischer Persönlichkeiten bei.“
[36] Vgl. Baske (Anm. 14), S. 188f.
[37] Vgl. Margedant, Udo, Bildungs- und Erziehungssystem der DDR – Funktion, Inhalte, Instrumentalisierung, Freiräume, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Bd. III/3, Baden-Baden 1995, S. 1490–1529, hier S. 1501.
[38] Zit. n. Baske (Anm. 14), S. 170f.
[39] Hauptabteilung Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen im MfV an Paul Wandel, Minister für Volksbildung, 30.11.1950; BAB, DR 2/1140, Bl. 51.
[40] Französisch oder Englisch? Vorschlag für eine dringende Unterrichtsreform an den Hoch- und Grundschulen der DDR, November 1950; BAB, DR 2/1140, Bl. 55f.
[41] Persönlicher Referent von Paul Wandel an Prof. Dr. Werner Krauss, 09.05.1951; BAB, DR 2/1140, Bl. 64.
[42] Abteilung Oberschulen im MfV an das Sekretariat des Ministers, 23.04.1951; BAB, DR 2/1140; Bl. 65.
[43] Vgl. Röseberg, Dorothee, Les deux France im Deutschland der 50er Jahre. Frankreichbilder in Schulbüchern der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, in: Dies. (Hg.), Frankreich und „Das andere Deutschland“. Analysen und Zeitzeugnisse, Tübingen 1999, S. 98ff.
[44] Vgl. Hoffmann, Werner, Fremdsprachenunterricht für alle Kinder des Volkes, in: Fremdsprachenunterricht 5 (1961) 6, S. 322f.
[45] Vgl. Lehrplan für die Oberschulen. Englisch und Französisch 9.–12. Schuljahr, Berlin (DDR) 1951; Lehrplan für die Oberschulen. Englisch und Französisch 9.–12. Schuljahr, Berlin (DDR) 1955.
[46] Vgl. Freitag, Werner, Französisch in der 7. Klasse, in: Fremdsprachenunterricht 2 (1958) 6, S. 332ff.
[47] Vgl. Apelt, Walter, Zur Situation des Englisch- und Französischunterrichts an der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule, in: Fremdsprachenunterricht 5 (1961) 5, S. 270–274, hier S. 270f.
[48] Vgl. Röseberg (Anm. 43), S. 102f.
[49] Vgl. Direction des Affaires culturelles et techniques au Directeur de l‘Office national des Universités (M. Bayen), 18 avril 1957; MAE/Colmar, DGAC, vol. 4.
[50] Rehfeldt, Werner, Grundlagen und Perspektiven des Englisch- und Französischunterrichts in den allgemeinbildenden Schulen der DDR. Rückschau und Ausblick, in: Fremdsprachenunterricht 1 (1957) 1, S. 5–8, hier S. 6.
[51] Vgl. Weber, Hermann, Geschichte der DDR, München 1999, S. 208. Unter polytechnischer Bildung und Erziehung wird im Allgemeinen die Verbindung des Gesamtunterrichts mit der Berufspraxis verstanden. Durch die Einführung und den Ausbau technischer und naturwissenschaftlicher Fächer sollten die Schüler mit den Grundlagen der Produktion, Technik und Wirtschaft vertraut gemacht werden, um sie auf die Berufsausbildung vorzubereiten; vgl. Bildung und Erziehung in der DDR im Umbruch, hg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1989, S. 21.
[52] W. G., Zum Englisch- und Französischunterricht in der Mittelstufe, in: Fremdsprachenunterricht 2 (1958) 5, S. 274f.
[53] Vgl. die Unterrichtshinweise für die Behandlung von Mateo Falcone (Prosper Mérimée). Die im korsischen maquis spielende Handlung sollte Gelegenheit bieten, den „Widerstandskampf des französischen Volkes in den Jahren 1940–1944“ zu thematisieren und die Rolle der PCF an der Spitze der maquisards zu erklären; Schneider, Robert, Ein neues Leseheft für den Französischunterricht, in: Fremdsprachenunterricht 6 (1962) 10, S. 608–610.
[54] Richter, Rolf, Gedanken zur polytechnischen Bildung und Erziehung im Französischunterricht, in: Fremdsprachenunterricht 4 (1960) 1, S. 13–15.
[55] Freitag (Anm. 46), S. 332ff.
[56] So heißt es im Lehrplan für den Englisch- und Französischunterricht (fakultativ) in den Klassen 7 bis 10 von 1959 (BAB, DR 2/A. 732): „Mit dem Fortschreiten ihrer sprachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten werden die Schüler mehr und mehr mit dem schulischen und außerschulischen Leben französischer Kinder, mit den Wohn- und Lebensverhältnissen der französischen Bevölkerung, mit den Arbeitsbedingungen französischer Werktätiger und ihrem politischen und ökonomischen Kampf unter Führung der französischen Arbeiterklasse bekannt gemacht.“ Dieses Erziehungsziel sollte durch die Behandlung der Themen „Vom Friedenskampf der Pariser Bevölkerung“, „Der Kampf der Arbeiterklasse um soziale Rechte“, „Karl Marx in Paris/Pariser Kommune/KPF gegen den Faschismus“ und „Das Leben von Maurice Thorez“ vermittelt werden.
[57] Lehrplan Französisch Klasse 7 Mittelschule, Berlin (DDR), Volk und Wissen, 1958.
[58] Schneider, Robert, Aktuell unterrichten, sozialistisch erziehen. Einige Beispiele aus dem Französischunterricht, in: Fremdsprachenunterricht 5 (1961) 6, S. 332–334.
[59] Vgl. Margedant, Udo, Bildungswesen und Bildungspolitik, in: Eppelmann, Rainer u.a. (Hg.): Lexikon des DDR-Sozialismus. Das Staats- und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik, Paderborn 1997, S. 156–164, hier S. 163.
[60] Das MfV sah in der Einladung des Direktors des Nationalen Pädagogischen Instituts in Paris, eine Ausstellung über das Volksbildungswesen der DDR im Musée pédagogique zu organisieren, einen Erfolg der eigenen Imagekampagne, doch weil es die Vorbereitungen selber verzögerte, kam die Ausstellung schließlich nicht zustande; vgl. Bericht des Länderreferats Frankreich im MfAA zum Stand der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der DDR mit Frankreich vom 27.08.1958; PA/AA, Bestand MfAA/A 12048, Bl. 17; Bericht des Länderreferats Frankreich im MfAA über den Stand der Beziehungen zwischen der DDR und Frankreich vom 15.03.1959; PA/AA, Bestand MfAA/A 12059, Bl. 30.
[61] Wilhelm, Paul, Die erzieherische Auswertung des Lesestückes „Nous ferons se lever le jour“, in: Fremdsprachenunterricht 2 (1958) 11, S. 573–576.
[62] Zur Geschichte des Sonderlehrgangs der Französischlehrer (19.–24.08.1957) in Nordhausen; BAB, DR 2/2290, Bl. 48–52, hier Bl. 51.
[63] Entwurf eines Planes vom 22./23.06.1957 zur Vorbereitung von 30 Französischlehrern (die ab 01.09.1957 den fakultativen Französischunterricht in der 7. Klasse übernehmen); BAB, DR 2/2290, Bl. 25f.
[64] Hauptabteilung Unterricht und Erziehung im MfV an den Rat des Bezirks Cottbus, Abteilung Volksbildung vom 26.06.1957; BAB, DR 2/2290, Bl. 38.
[65] MfV der DDR an die Räte der Bezirke, Abteilung Volksbildung, und Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Volksbildung, 16.02.1957: „Anleitung über erste Maßnahmen zur Verbesserung und Erweiterung des Fremdsprachenunterrichts in den Mittel- und Oberschulen“; BAB, DR 2/2290, Bl. 1–8.
[66] Unproblematisch war die Einladung des MfK an 77 Oberschüler aus Versailles und ihre Lehrer, die bei einem dreitägigen Aufenthalt im August 1956 u.a. Weimar und Eisenach besuchten; Bericht über die Beziehungen der DDR zu Frankreich in der Zeit vom 01.08.–30.09.1956; PA/AA, Bestand MfAA/A 630, Bl. 65.
[67] MfAA an die Gewerkschaft „Unterricht und Erziehung“, 04.07.1957; PA/AA, Bestand MfAA/A 9504, Bl. 53–55.
[68] Vermerk der Abteilung Westeuropäische Länder über eine Besprechung im MfAA am 17.07.1957, 18.07.1957; PA/AA, Bestand MfAA/A 9504, Bl. 47f.
[69] Vgl. Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (Hg.), Freundschaft! Die Volksbildung der DDR in ausgewählten Kapiteln, Berlin 1996, S. 208.
[70] Vgl. Bericht der Ländersektion im MfAA zur gegenwärtigen Politik Frankreichs in der Deutschlandfrage und zu den Beziehungen der DDR mit Frankreich, 29.10.1959; PA/AA, Bestand MfAA/A 12064, Bl. 26.
[71] Vgl. Anlage Nr. 5a zum Protokoll Nr. 8/63 der Sitzung des Politbüros des ZK der SED vom 27.03.1963; SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/872, Bl. 223.
[72] Die bundesdeutschen Innenminister der Länder verboten im Juli 1961 die Vereinigung „Frohe Ferien für alle Kinder“, die von der SED und dem FDGB finanziell unterstützt wurde. Sie organisierte für die Kinder in der Bundesrepublik Ferienaufenthalte in der DDR zu vergleichsweise moderaten Preisen. Damit hatte sie durchaus Erfolg, wie die Anzahl von 30 vorgesehenen Zügen im Jahre 1961 verdeutlicht. In der Bundesrepublik reagierte man auf diese Herausforderung, indem die Zahl der subventionierten Ferienaufenthalte für Kinder und Jugendliche erhöht wurde; vgl. Ambassadeur de France près la RFA au MAE, 10 juillet 1961; MAE, EU, RDA 61–70, 189.
[73] Materialzusammenstellung der 5. Europ. Abteilung/Sektion Frankreich über die Entwicklung der außenpolitischen Beziehungen der DDR und Frankreich im Jahre 1961, 21.11.1961; PA/AA, Bestand MfAA/A 12086, Bl. 93.
[74] Vgl. Gouvernement militaire français à Berlin au MAE, 10 mai 1961; MAE. EU, RDA 61–70, 187.
[75] Bundesdeutsche Botschaft in Paris an das AA, 22.07.1964; PA/AA, B 24/518, Bl. 158f.
[76] Vgl. zur Organisation und Durchführung von Lehrersymposien mit französischen Lehrern in Ost-Berlin; LAB, C 122/442 und 480.
[77] Vgl. Triesch, Gerhard, Städtepartnerschaften mit Hintergedanken, in: Rheinischer Merkur, 23.07.1964.
[78] Vgl. Französische Pädagogen zu Gast, in: ND, 29.03.1967; Gouvernement militaire français à Berlin au MAE, 31 mars 1967; MAE, EU, RDA 61-70, 191; vgl. auch PA/AA, Bestand MfAA/C 1008/70.
[79] Tief beeindruckt vom Schulwesen, in: ND, 12.04.1969.
[80] Ulbricht will jetzt mit Frankreich flirten, in: Kölnische Rundschau, 03.04.1966.
[81] Herms, Joachim; Schlecht, Günter, Die zweite Fremdsprache – eine ökonomische und bildungspolitische Notwendigkeit, in: Fremdsprachenunterricht 8 (1964) 9, S. 422–425; vgl. auch: Apelt, Walter, Zum Unterricht in einer zweiten Fremdsprache, in: Fremdsprachenunterricht 9 (1965) 1, S. 16–18.
[82] Lissner, Hans-Joachim, Zur staatsbürgerlichen Erziehung im Fremdsprachenunterricht im Schuljahr 1966/67, in: Fremdsprachenunterricht 10 (1966) 9, S. 349–353.
[83] Bastian, Eberhard; Kant, Gerda, Hinweise zur Arbeit mit Lektion 7 von „Bonjour les amis“ 5, in: Fremdsprachenunterricht 14 (1970) 1, S. 531.
[84] MfV, Abteilung Unterricht: Stand, Entwicklungsphasen und Aufgaben bei der Führung des fakultativen Unterrichts in der 2. Fremdsprache, 25.06.1969; BAB, DR 2/A. 3134.
[85] Vgl. Standpunkt zur Weiterentwicklung der Fremdsprachen in der Abiturstufe, 03.09.1979; BAB, DR 2/A. 8154; zu Stand und Problemen der Führung des fakultativen Fremdsprachenunterrichts sowie zu Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit, 05.12.1981; BAB, DR 2/A. 3135; Erfahrungen und Probleme bei der Sicherung einer hohen Kontinuität des fakultativen Fremdsprachenunterrichts in Klasse 7–10, 26.03.1984; BAB, DR 2/A. 3135.
[86] Lehrplan für das Fach Französisch. Abiturkurs, Berlin (DDR), Volk und Wissen, 1970; BAB, DR 2/A.732. Die Auflage von 1978 ist in den zitierten Absätzen wortgleich.
[87] Bertrand, Françoise, Bonjour les amis und Bonjour chers amis. Frankreich in den Lehrwerken für den Französischunterricht der DDR, in: Röseberg (Anm. 43), S. 135–172, hier S. 147.
[88] Bonjour les amis III, Berlin (DDR) 1969, S. 100.
[89] Bonjour les amis VII, Berlin (DDR) 1975, S. 61.
[90] Präzisierter Lehrplan für das Fach Französisch. Aufbaukurs für die Klassen 9–11 von 1968.
[91] Laabs, Hans-Joachim u.a. (Hg.), Pädagogisches Wörterbuch, Berlin (DDR) 1987, S. 141.
[92] „Freundschaft entwickelt sich in der Regel in einem gemeinsam verbrachten Lebensabschnitt (Ausbildung oder Ähnliches) und zeichnet sich durch erhöhtes Zusammengehörigkeitsgefühl aus“, heißt es bei: Claessens, Dieter; Claessens, Karin, Gesellschaft. Lexikon der Grundbe-griffe, Reinbek 1992, S. 75.
[93] Vgl. Griese, Christiane, Verwandte Freunde. Der Freundschaftsbegriff in der DDR-Schule, in: Geschichte–Erziehung–Politik 9 (1995), S. 505–514, hier S. 511.
[94] Präzisierter Lehrplan für das Fach Französisch. Aufbaukurs für die Klassen 9–11 von 1968.
[95] Lehrplan Französisch Abiturstufe (Abiturkurs) 1982; BAB DR 2/A 8636/2.
[96] Vgl. Picht, Robert, Die Fremdheit des Partners. Genügen die kulturellen Beziehungen?, in: Ders.: (Hg.), Das Bündnis im Bündnis. Deutsch-französische Beziehungen im internationalen Spannungsfeld, Berlin 1982, S. 193–219; Kaehlbrandt, Roland, Forever young? L’Office franco-allemand pour la jeunesse, in: Ménudier, Henri (Hg.), Le couple franco-allemand en Europe, Asnières 1993, S. 123–131.
[97] Picht, Robert, Freundschaft, in: Ders.; Leenhardt, Jacques (Hg.), Esprit – Geist. 100 Schlüsselbegriffe für Deutsche und Franzosen, 2. Aufl., München 1990, S. 131.
[98] Vgl. Weber, Hermann; Lange, Lydia, Zur Funktion des Marxismus-Leninismus, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (Anm. 37), S. 2034–2061.
[99] Freundschaft! (Anm. 69), S. 195.
[100] Vgl. Freundschaft! (Anm. 69), S. 198.
[101] Abschlussbericht zum Internationalen Sprachlager mit französischen Oberschülern und FDJ-lern (09.07–30.07.1981) in Berlin, 03.09.1981; BAB, DR 2/D751.
[102] Vgl. Protokoll Nr. 75/66 der Sitzung des Sekretariats des ZK der SED vom 24.08.1966; SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3/1212, Bl. 24–28.
[103] Egon Krenz an Paul Verner, 05.09.1977; SAPMO-BArch, DY 24/11220.
[104] Vgl. Thomas, Rüdiger, Ursachen und Folgen der Gesellschaftspolitik im SED-Staat, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (Anm. 37), S. 1844–1900, hier S. 1862.
[105] Vgl. Lehrplan Französisch Klasse 7 Mittelschule von 1958: „Die Schüler werden mit Hass erfüllt gegen die menschenfeindlichen Pläne und Machenschaften der französischen Imperialisten und der kolonialen Unterdrücker.“
[106] Woderich, Rudolf, Biographische Unsicherheit und berufliches Handeln von Lehrerinnen, in: Berliner Debatte Initial 2/1996, S. 33–45, hier S. 43.
[107] Vgl. die Erkenntnisse für das ideologieintensive Fach Geschichte bei: Neuhaus, Friedemann, Die Transformation des politischen Systems in Ostdeutschland und der Geschichtsunterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999) 7/8, S. 451–461.
[108] Französisch oder Englisch? Vorschlag für eine dringende Unterrichtsreform an den Hoch- und Grundschulen der DDR, November 1950; BAB, DR 2/1140, Bl. 62.