E_Metzler_AntisemitismusFokus Antisemitismus. Eine Einleitung
Von Gabriele Metzler
Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und die darauffolgende israelische Militäraktion im Gazastreifen haben den Dauerkonflikt im Nahen Osten wieder ins Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit gerückt. In Deutschland wie auch in anderen Ländern haben seitdem Zehntausende ihre Solidarität mit der einen oder der anderen Seite bekundet. Bei den Protesten gegen den israelischen Militäreinsatz wurden immer wieder auch antisemitische Stimmen laut; und angesichts teils aufgeheizter Diskussionen in den Universitäten fühlen sich jüdische Studierende auf dem Campus nicht mehr sicher. In Schulen kommt es zu Auseinandersetzungen, Synagogen und andere jüdische Versammlungsorte werden bedroht.
Die Herausgeber:innen des Themenportals Europäische Geschichte nehmen die neue Welle des Antisemitismus zum Anlass, in einem neuen Format Beiträge zu diesem Thema zu präsentieren und sie damit leicht zugänglich zu machen. In diesem Fokus haben wir Quellentexte und Essays versammelt, die in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten im Themenportal erschienen sind. Von Anfang an interessierte sich das Themenportal für die Geschichte jüdischen Lebens im Europa der Neuzeit. Dem Reichtum und der Vielfalt jüdischen Lebens Raum zu geben, war und ist unser Anliegen. Indem im Fokus Beiträge zu den sozialen und religiösen Lebenswelten europäischer Juden und Jüdinnen in Ost und West seit dem späten 18. Jahrhundert erneut präsentiert werden, wollen wir sie sichtbar machen als integrale, nicht hinterfragbare Bestandteile der europäischen Geschichte.
Das „Othering“, durch das Jüdinnen und Juden als „Fremde“ und „Andere“ markiert wurden, führte langfristig zu ihrer Entrechtung und millionenfacher Vernichtung. Auch davon muss dieser Fokus handeln, genauso wie von der Nachgeschichte und ihren Zeugnissen jüdischen Überlebenswillens und jüdischer Selbstbehauptung.
Dass sich länderübergreifend Formen des Gedenkens und der Erinnerung herausgebildet haben, mag angesichts der aktuellen antisemitischen Übergriffe als wirkungslos abgetan werden. Die hier ausgewählten Quellen und Essays zeigen, dass Erinnerungskultur ihre spezifische Zeit und ihren spezifischen Ort hat und immer wieder national gerahmt wird. Sie belegen aber auch, wie notwendig es ist, die Erinnerung wachzuhalten.
Wenn die Beiträge dieses Fokus genutzt würden, um im schulischen Geschichtsunterricht, in der universitären Lehre, in der Erwachsenenbildung oder auch ganz anderen Zusammenhängen Antisemitismus zu thematisieren, über ihn aufzuklären und dadurch Menschen intellektuell und moralisch zu ertüchtigen und zu ermutigen, gegen ihn einzutreten: Dann hätten wir mit unserer kleinen Initiative ein großes Ziel erreicht.