Die Warschauer Konföderation von 1573 und die Ausdifferenzierung von Politik und Religion im frühneuzeitlichen Europa

Wie die friedliche Koexistenz heterogener, sich gegenseitig ausschließender, weil mit ultimativem Wahrheitsanspruch auftretender Glaubenssysteme funktionieren kann, ist nicht erst seit der Reformation eine Grundfrage der europäischen Geschichte. Aus deutscher Perspektive wird der Augsburger Religionsfrieden und die rechtliche Absicherung der bikonfessionellen Reichsverfassung nach der Reformation oft als europäisches Novum und als wegweisende Lösung dieser Frage gedeutet.[...]

Die Warschauer Konföderation von 1573 und die Ausdifferenzierung von Politik und Religion im frühneuzeitlichen Europa[1]

Von Christian Preuße

Wie die friedliche Koexistenz heterogener, sich gegenseitig ausschließender, weil mit ultimativem Wahrheitsanspruch auftretender Glaubenssysteme funktionieren kann, ist nicht erst seit der Reformation eine Grundfrage der europäischen Geschichte. Aus deutscher Perspektive wird der Augsburger Religionsfrieden und die rechtliche Absicherung der bikonfessionellen Reichsverfassung nach der Reformation oft als europäisches Novum und als wegweisende Lösung dieser Frage gedeutet.[2] Dabei wird oft die längere Erfahrung ostmitteleuropäischer Staaten mit komplexen konfessionellen Gemengelagen und mit einer Vielzahl organisierter Kirchen übersehen und als Erfahrungsressource für den Umgang mit religiöser Heterogenität kaum thematisiert. In Polen bzw. Polen-Litauen entstanden ungleich komplexere religiöse und konfessionelle Konstellationen als im Reich, spätestens seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert, seit der Personalunion mit Litauen (Union von Krewo von 1385). In den Territorien der Union gab es Katholiken, die großen protestantischen Bekenntnisse (Lutheraner, Calvinisten, Böhmische Brüder, Antitrinitarier) sowie Orthodoxe Christen (seit der Brester Union 1596 auch Unierte), armenische Christen sowie Juden und tatarisch stämmige Moslems.[3]

Konfliktpotential beim Aufeinandertreffen verschiedener monotheistischer Religionen ergibt sich aus der Tatsache, dass diese politische Gewalt in der Regel nicht mehr nur religiös interpretieren, sondern religiös motivieren. Dies ist ein Merkmal, das unstreitig bei allen Konfessionskonflikten der Frühen Neuzeit zu finden ist. Zum zweiten, eng mit diesem Punkt verbunden, ergibt sich aus der Formel credo in unum Deum die Einführung einer zweiwertigen Logik im religiösen Bereich: Fortan galt allein die Entscheidung von wahr und falsch, Glauben und Unglauben, Orthodoxie und Heterodoxie – tertium non datur. Diese Logik wirkte, da in der Frühen Neuzeit Politik und Religion noch sehr eng verbunden waren, auch im politischen Bereich. Dadurch entfaltete sich ein Intoleranz-, Gewalt- und Ausgrenzungspotential, das jedoch nicht nur nach außen wirkte, sondern wesentlich auch nach innen. In der Folge dieser Entwicklung ging es dann nicht mehr nur um das Heidentum der Anderen, sondern in erster Linie um das Falsche in der eigenen Religion. Dies wurde durch die Reformation und die Aufspaltung in verschiedene Konfessionen innerhalb einer Religion, die eigentlich Katholizität für sich in Anspruch nahm, noch verstärkt. Hinzu kommt als konfliktverschärfender Faktor noch eine dem Monotheismus inhärente politische Theologie und ein so fundiertes ambivalentes Verhältnis zur Trennung von Herrschaft und Heil oder, anders gesagt, von Politik und Religion. Ambivalent ist dieses Verhältnis insofern, als sich immer, sobald der Monotheismus sich als herrschende Ordnung etablierte, seine politische Theologie leicht von Staatskritik zu Staatslegitimierung verschob.[4] Im Ergebnis waren daher während der Frühen Neuzeit politische Fragen religiös affiziert und religiöse Fragen führten in politische Handlungszwänge.

Für den Umgang mit dieser frühneuzeitlichen europäischen Strukturlage wurden verschiedene Instrumente entwickelt: Religionsgespräch, Konzil, Delegation und Verhandlung von religiösen Konflikten durch eine politische Versammlung, Gewaltanwendung (z.B. erzwungene Konversion, Exilierung, Krieg) oder eben: Religionsfriedenslösungen. Oft wurden die Religionsfrieden, was im Laufe der Zeit immer mehr zu einer leeren Formel wurde, als temporäre Lösung implementiert bis ein Konzil bzw. Nationalkonzil die Einigkeit der Kirche wieder herstellen sollte. In der Frühen Neuzeit, insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert, gab es eine Reihe dieser Religionsfriedenslösungen mit je spezifischen Stärken und Schwächen. In Böhmen wurde 1485 der Kuttenberger Religionsfrieden zwischen König Wladislaw und den altutraquistischen Ständen geschlossen, der die Möglichkeit zur freien Konversion festschrieb. 1529 wurde ein eidgenössischer Landfrieden mit Religionsklauseln, der Bikonfessionalität und konfessionelle Besitzstände festschrieb, geschlossen (1531 erneuert). 1555 schließlich wurde der Augsburger Religionsfrieden im Heiligen Römischen Reich geschlossen. Durch ihn, insbesondere durch die Festschreibung des ius reformandi, wurde die Konfession territorialisiert gemäß dem cuius regio eius religio-Prinzip. In Siebenbürgen wurde die Religionsfreiheit in mehreren Schritten (1557, 1564, 1568, 1571) für die vier sogenannten „rezipierten Religionen“ (Katholiken, Lutheraner, Reformierte, Antitrinitarier) festgeschrieben und individualisiert, d.h. sie galt nicht nur für den Adel und die Städte. Besonders gewaltsam verliefen die Auseinandersetzungen in Frankreich, wo man zwischen 1562 und 1598 nicht weniger als acht zumindest teilweise religiös motivierte Bürgerkriege findet, die jeweils mit Religionsedikten, die zwischen dem König und der evangelischen Partei ausgehandelt wurden, abgeschlossen wurden. Diese enthalten sehr diffizile Regelungen zur Kultusfreiheit und zur bürgerlichen Gleichberechtigung von Evangelischen. 1578 wurde in Antwerpen ein Religionsfrieden für die Niederlande abgeschlossen, der Kultusfreiheit für Gemeinden ab einer bestimmten Größe und bürgerliche Rechte auch den religiös Dissentierenden gewährte. Bereits ein halbes Jahr später jedoch scheiterte dieser Frieden mit dem Auseinanderbrechen der Generalstaaten. Die mehrheitlich calvinistischen ungarischen Stände konnten Rudolf II. bereits 1606 weitgehende Zugeständnisse abtrotzen, die auf dem Landtag 1608 noch erweitert wurden, wodurch evangelische Gemeinden auf dem Gebiet katholischer Grundbesitzer das Recht auf freie Religionsausübung erhielten. 1609 schließlich sicherte der Böhmische Majestätsbrief Rudolfs II. allen Untertanen, die sich zur Confessio Bohemica (von 1575) bekannten, Glaubensfreiheit zu. Wenige dieser Religionsfrieden waren jedoch von Dauer und sie gingen unter in den religiösen Konflikten des späten 16. und des 17. Jahrhunderts. Insbesondere im habsburgischen Herrschaftsbereich wurden die Religionsfriedenslösungen im Laufe des 17. und noch des 18. Jahrhunderts eingeschränkt bzw. verändert oder ganz außer Kraft gesetzt. Im Reich wurde erbittert Krieg geführt, bis schließlich der Westfälische Frieden einen Neuanfang machte auf Augsburger- und Normaljahresbasis (1624).[5]

Zeitlich parallel zu den genannten Religionsfriedenslösungen wurde 1573 in Polen-Litauen der Warschauer Religionsfrieden von einer Konföderation, die ihren Ausgang vom Warschauer Konvokationsreichstag desselben Jahres nahm, geschlossen.[6] Bereits 1552, 1555 und 1565 war den protestantischen Bekenntnissen in Interimskonstruktionen weitgehende Duldung zugestanden worden, bis ein Nationalkonzil die Frage der Kircheneinheit abschließend regeln sollte. Wir finden auch hier also die typische, zunächst temporär gedachte Konstruktion. Die drei großen evangelischen Bekenntnisse einigten sich, ähnlich wie später in Böhmen, jedoch dogmatisch nicht so weit gehend, bereits 1570 im Konsens von Sandomir über einige dogmatische Grundfragen und stellten vor allem die gemeinsame Handlungsfähigkeit der Protestanten nach außen sicher, ohne jedoch eine durchkomponierte gemeinsame Bekenntnisgrundlage zu erreichen.

Der Abschluss des Religionsfriedens war eingebunden in die Entwicklungen und verfassungsmäßigen Neujustierungen seit der Union Polens und Litauens 1569 und den sich daraus ergebenden Integrationserfordernissen auf gesamtstaatlicher Ebene, die maßgeblich die Stände und ihre politische Positionen beeinflussten. Konfessionelle Fragen verloren dadurch zeitweise ihre Polarisierungskraft. Ferner trat im Interregnum von 1572, nach dem Tod des letzten Jagiellonen König Sigismund II. August, eine neue und machtpolitisch offene Situation ein, die beträchtliches Konfliktpotential für die polnisch-litauische Adelsgesellschaft barg, weil es keinen festgeschriebenen Mechanismus der Königswahl gab, sondern dieser sich auf dem Weg der Praxis erst herauskristallisieren musste. Die Präambel des Friedens fasst es als eine „gefehrliche[…] zeit / welche Uns unseres Haupts des Koeniges beraubet / und die Re=girung sorge auff uns Staende gebracht [...].“ (siehe Quelle im Anhang). Neben konfessionellen Konfliktlinien gab es regionale Rivalitäten und Spannungen zwischen verschiedenen Adelsfraktionen. Die Warschauer Konföderation war in dieser Situation ein wesentlicher Schritt, um die Wogen zu glätten und um die Integrität des polnisch-litauischen Reichsgefüges zu gewährleisten. Denn insbesondere der protestantische Adel fürchtete um seine politische und konfessionelle Stellung bei der Wahl eines neuen Königs im katholisch und kleinadelig dominierten Masowien und bei der Wahl des durch die Bartholomäusnacht in Frankreich zu unrühmlichem Ansehen gelangten Kandidaten Henri Valois (dies wird reflektiert in den Artikeln III. und IV. der Quelle). Gleichwohl war die Konföderation schon in ihrem Zustandekommen nicht unumstritten. Die Mehrheit der geistlichen Senatoren protestierte gegen ihre Annahme. Und bereits 1577 sprach die Petrikauer Synode eine Bannandrohung gegen die Umsetzung der Bestimmungen der Konföderation aus. Unter katholischen Adeligen und Geistlichen blieben Geltung und Gesetzesrang der Konföderation umstritten.[7]

Kern des Friedens war eine Selbstverpflichtung des Adels, trotz unterschiedlicher Bekenntnisse den Frieden untereinander zu wahren und nicht zu Gewalt zu greifen (Artikel V, Punkt 1. der Quelle). Des Weiteren wurde die Anwendung von Zwang durch Obrigkeiten in Glaubensdingen und aus Glaubensgründen, wie z.B. Güterkonfiskation, Injurien, Exilierung, Einkerkerung, untersagt (Artikel V, Punkt 2. und 3. der Quelle). Dies wurde gleichwohl eingeschränkt und eine Gehorsamspflicht gegenüber Grundherren festgeschrieben (Artikel V, Punkt 5. der Quelle). Benefizien des Monarchen sollten weiterhin an Geistliche der Katholischen und Orthodoxen Kirche gehen, was im Wesentlichen geltende Besitzstände festschrieb (Artikel V, Punkt 6. der Quelle). Ein Problem dieses Friedens und zugleich eine Bürde für die folgenden Jahrzehnte waren fehlende Exekutionsregeln und -mechanismen. Diese wurden daher in der Folge von den Protestanten und zum Teil auch von den Orthodoxen immer wieder eingefordert. Dieser Streit um Exekutionsmechanismen ist Auseinandersetzungen im Reich nicht ganz unähnlich.

Polen-Litauen optierte in der für das Reichsgefüge so entscheidenden Zeit des Interregnums für einen politischen Frieden, der theologische Wahrheitsfragen unberührt ließ. Dass Polen-Litauen einen strikt politischen Religionsfrieden schloss, hängt daher eng mit seinen unmittelbaren Entstehungsbedingungen zusammen und auch mit den weiter zurückreichenden Erfahrungsressourcen im Umgang mit religiöser Vielfalt. Die Ausgangslage nach der Realunion mit Litauen und das Interregnum nach dem Erlöschen der Jagiellonen-Dynastie erforderten, um das Reichsgefüge zusammen zu halten, einen pragmatischen Zugriff. Der Frieden wurde, auch dies nicht unumstritten, Teil der Fundamentalgesetze Polen-Litauens und als Teil der Wahlkapitulation des jeweils neu gewählten Königs immer wieder bestätigt, bis hin zu den Teilungen Polen-Litauens am Ausgang des 18. Jahrhunderts.

Ein wichtiges Strukturmerkmal des Friedens ist, dass er entgegen anderen frühneuzeitlichen europäischen Religionsfriedenslösungen, keine Konfessionen oder Religionen spezifizierte, die von ihm erfasst wurden. Stattdessen wurde im polnischen Original der Begriff „dissidentes de religione“ gewählt (in der Quelle übersetzt mit „wegen ubung dieser oder jener Religion“ siehe Artikel V, Punkt 1.). Gleichwohl setzte schon bald nach Abschluss des Friedens eine intensive Diskussion um seine Reichweite ein. Katholiken, Orthodoxe und die im Konsens von Sandomir zusammengefassten protestantischen Bekenntnisse versuchten insbesondere sogenannte „Sekten“, vornehmlich die Arianer, aus den Regelungen auszunehmen. Hier erzielten sie 1658 einen Erfolg, denn in diesem Jahr wurden diese per Beschluss des Sejm aus der Toleranzordnung ausgenommen. Bereits im Vorlauf zu dieser Maßnahme wurde der Begriff der „dissidentes“ schrittweise verengt: Zunächst wurden nicht-christliche Bekenntnisse aus seiner Extension herausgenommen und schließlich wurde er überwiegend zur Bezeichnung nicht-katholischer christlicher Bekenntnisse verwandt. Es kam in Polen-Litauen zu einer zunehmenden Diskurs-Praxis-Differenz und einer Rekonfessionalisierung auf der Ebene der politischen Ordnungsvorstellungen, jedoch nicht auf institutioneller bzw. verfassungsstruktureller Ebene.[8]

Eine weitergehende Konfessionalisierung der Verfassungsordnung und des verfassungspolitischen Denkens fand in Polen-Litauen nicht statt. Die Anerkennung des politischen Charakters des Religionsfriedens blieb stets als wichtiger Unterstrom der konfessionalisierten politischen Diskurse bestehen. Zudem fehlte ein territoriales und landesherrschaftliches Element im Verfassungsbau, das eine Bildung von territorial verankerten und abgesicherten Landeskirchen und damit eine Konfessionalisierung der Verfassungsordnung ermöglicht hätte. Die landschaftliche Zentrierung um lokale und regionale Ständeversammlungen, die Sejmiki, reichte dazu nicht aus.[9]

Darüber hinaus war der Frieden auf der Ebene individueller Glaubensüberzeugungen angesiedelt und war für die de iure als ein gleichberechtigter Stand verfasste Adelsgesamtheit gültig, die zugleich mit dem Staat identifiziert wurde. Religion war, obwohl es Versuche zur Sakralisierung von Ordnungskonfigurationen insbesondere durch den Monarchen und den Wasa-Hof gab, nicht in dem Ausmaß vinculum societatis wie in anderen Gegenden Europas. Als Konsequenz wirkte Religion nicht in dem Ausmaß gruppenbildend und Loyalitäten waren nicht vornehmlich entlang konfessioneller Linien geordnet. Durch die immer wiederholte Bestätigung in den königlichen Wahlkapitulationen wurde dieses Prinzip tief im verfassungspolitischen Verständnis des Adels verankert. Daran konnte auch die weitergehende konfessionelle Polarisierung im 17. Jahrhundert, befördert noch durch außenpolitischen Druck (Schweden, Preußen, Moskau), nichts grundlegend ändern.[10] Gleichwohl kam es im späten 16. und im Verlauf des 17. Jahrhunderts zu der schon genannten immer größeren Norm-Praxis-Differenz und zu zunehmenden konfessionellen Spannungen.[11]

Nach der Flucht Henri Valois‘ aus Polen schon bald nach seiner Wahl und den unruhigen Zeiten der Interregna 1572/73 und 1574/75 beruhigte sich mit der Wahl des siebenbürgischen Adeligen Stefan Barthórys zum polnischen König die Lage wieder, und insbesondere an der konfessionellen Front gab es keine kritische Polarisierung. Dies änderte sich jedoch unter seinem Nachfolger Sigismund III. Wasa, der insbesondere seit den 1590er Jahren eine dezidiert katholische Politik betrieb, was sich u.a. in der Berufung von Beratern am Hof und in der Ämterbesetzungspolitik manifestierte und nicht unwesentlich zu einer Rekonfessionalisierung des politischen Klimas beitrug. Eine wichtige Rolle spielten hier, wie so oft bei gegenreformatorischen Bemühungen, die Jesuiten. Diese Konstellation wird wesentlich in der zeitgenössischen Kontroverspublizistik gespiegelt, die den Religionsfrieden von Beginn an begleitete.[12] Eine Zahl, die diese Rekonfessionalisierungstendenz illustriert, ist der Rückgang der nicht-katholischen Senatoren im Jahr 1632, dem Jahr des Endes der Regierungszeit Sigismunds, auf nunmehr sechs, während es 60 Jahre zuvor noch gut 50 gewesen waren. Darüber hinaus gab es seit den späten 1580er Jahren konfessionell motivierte Ausschreitungen in Städten, z.B. Krakau und Vilnius, gegen Kirchen, Friedhöfe und öffentliche Feierlichkeiten von Nichtkatholiken, die juristisch nur zögerlich oder gar nicht geahndet wurden. In der Zeit zwischen 1591 und 1615 kam es zu gut 60 Vorfällen in königlichen Städten. Hier wurde es besonders problematisch, dass es keine verlässlichen Exekutionsregeln zur Ahndung von Verstößen gegen die Warschauer Konföderation gab.

Im Zuge dieser Polarisierung wurde Widerstandspotential in der Adelsgesellschaft freigesetzt, die eine Einschränkung ihrer Religionsfreiheit als ersten Schritt zur Einschränkung ihrer politischen Rechte und Freiheiten sah. Darüber hinaus wurde das politische Klima durch den Vorwurf vergiftet, die Nichtkatholiken seien dem Staatsverband gegenüber illoyal. Dieser Vorwurf wurde in politischen Auseinandersetzungen stets zuungunsten von Nichtkatholiken aktualisiert. Diese Entwicklungen kulminierten in bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den Jahren 1606-1609. Aufgrund der weitgehend freiwilligen Rückkonversion vieler Adeliger und einer disparaten politischen Agenda nicht-katholischer Adliger entschärften sich die konfessionelle Polarisierung und eine Reihe von konfessionellen Problemlagen im Laufe der Zeit jedoch selbst.

Man kann daher für Polen-Litauen konstatieren, dass der Religionsfrieden, anders als in anderen Teilen Ostmitteleuropas und anders als zunächst im Alten Reich, bemerkenswertes konfliktabsorbierendes Potential aufwies und trotz mancher Anfechtung eine auf bemerkenswerte Dauer gestellte Einrichtung gewesen ist, die vor allem als normativer und diskursiver Bezugspunkt große Wirkung entfaltete. Der Grund für diese Wirksamkeit ist nicht zuletzt in seiner Konzeption als politischer Frieden zu suchen.

Die polnische Forschung folgt in ihrer Interpretation der Warschauer Konföderation und der frühneuzeitlichen polnisch-litauischen Religionsgeschichte im Allgemeinen oft einem Toleranzparadigma[13], das jedoch Gefahr läuft, die Unterschiede zwischen moderner Toleranz und vormodernen Koexistenzlösungen und ihrer anderes gelagerten ideengeschichtlichen Fundierung suggestiv zu verwischen. Dies ist insbesondere der Fall, weil das semantische Feld der Toleranz in den Religionsfriedenswerken vor dem Westfälischen Frieden nicht auftaucht. Wichtiger und bestimmender war die Vorstellung von Einheit und Eintracht, das Ziel der Wiedervereinigung der konfessionell gespaltenen Christenheit, die beispielsweise auch Erasmus von Rotterdam in ideengeschichtlicher Hinsicht vertrat (in Polen wurde Erasmus insbesondere durch Andrzej Frycz Modrzewski rezipiert und popularisiert). Dies ist ein Hauptgrund für die häufige anfängliche zeitliche Befristung der frühneuzeitlichen Religionsfrieden. Das Feld Toleranz existierte ebenfalls im Strom der politischen Theorie, blieb aber eine Außenseiterposition.[14] Es ist ein Konzept, das wesentlich aus der Zeit der Aufklärung datiert und erst seit dem späten 17. Jahrhundert aktuell wird und massiver wirksam erst im 18. Jahrhundert. Nach dem in diesem Zeitraum entwickelten Verständnis ist Toleranz keine nur passive Duldung, sondern die aktive Bejahung von Differenz und die Absicherung, dass abweichende Ansichten artikuliert bzw. anderen Lebensentwürfen und Weltanschauungen gefolgt werden kann, ohne dass jemandem dadurch Nachteile entstehen. Die Interpretation der Bedeutung der Warschauer Konföderation mit Hilfe des Toleranzparadigmas scheint daher nur bedingt überzeugend.

Ihre Bedeutung scheint vielleicht eher in ihrem Beitrag zu der im europäischen Rahmen frühzeitigen realpolitischen und nicht nur ideengeschichtlichen Ausdifferenzierung einer autonomen politischen Sphäre zu liegen. Religion bestimmte in der Frühen Neuzeit politische und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen, Vorstellungen über die Natur des Menschen, Vorstellungen über richtiges Verhalten und die Welterfassung und -erklärung im Allgemeinen. Religion hat individuelle wie kollektive Identitäten geprägt und hatte für die gesellschaftliche Integration eine Scharnierfunktion.[15] Und dies, wie eingangs angezeigt, oft mit sich ausschließendem Wahrheitsanspruch, der auch in den politischen Bereich hinein wirkte. Im Angesicht dieser frühneuzeitlichen europäischen Strukturlage war die Thematisierung von Religion als Kultur eine im Zuge der Aufklärung sich durchsetzende semantische Lösung zum Umgang mit religiöser Pluralität bzw. Pluralisierung. Religionen konnten dadurch, z.B. in der Ringparabel in Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“, als Kulturerscheinungen verglichen und somit als gleichberechtigt behandelt werden, ohne ein Über- und Unterordnungsverhältnis von Religion und Kultur zu erzeugen. Die Hierarchie blieb unbestimmt. Die Höchstrelevanz von Religion für die Gesellschaft wurde in diesem Zuge relativiert. Diese Relativierung ist gleichwohl keine einfache Säkularisierung, Zurückdrängung und sicher kein Verschwinden von Religion, sondern vielmehr Ausdruck der Ausdifferenzierung von gesellschaftlichen Teilbereichen zu autonomen Kommunikations-, Handlungs- und Rationalitätszusammenhängen.[16]

In diesem Prozess wurde die Religion von ihrer Aufgabe, die tragende Strukturachse der Gesellschaft zu sein, entbunden. Es wurde ein (Selbst-) Reflexionspotential freigesetzt, das erlaubte, sowohl über Religion zu kommunizieren als auch als Religion zu kommunizieren: „Nach wie vor kann man mit einem Messer schneiden, kann man zu Gott beten, zur See fahren, Verträge schließen oder Gegenstände verzieren. Aber außerdem läßt sich all das ein zweites Mal beobachten und beschreiben, wenn man es als kulturelles Phänomen erfaßt und Vergleichen aussetzt. Kultur ermöglicht die Dekomposition aller Phänomene mit offenen Rekompositionshorizonten. […] Was einmal dekomponiert und rekomponiert wurde, kann immer wieder dekomponiert werden, ohne daß die Tauglichkeit der Objekte dadurch beeinträchtigt würde. Die direkt sachbezogenen Praktiken kognitiver oder moralischer Zugriffe bleiben erhalten. Man kann ebensogut wie zuvor etwas zu wissen meinen, moralisieren, kritisieren, beleidigen und mit all dem kommunikativ verständlich operieren.“[17] Diese Umorientierung mag vielleicht auch mit erklären, warum Religionsfrieden im Allgemeinen kein Phänomen des 18. Jahrhunderts mehr sind.

Vor dem Hintergrund dieser Ausdifferenzierungsprozesse, die in der Frühen Neuzeit, stimuliert durch religiöse Pluralisierung, ihren Anfang nahmen, lässt sich vielleicht sagen, dass die Signifikanz der unterschiedlichen Religionsfriedenslösungen weniger im Toleranzgedanken als vielmehr in der Rolle liegt, die diese bei der Ausdifferenzierung von Politik als einem autonomen Handlungsbereich mit eigener Funktionslogik spielten. Und hier kommt der Konzeption der Warschauer Konföderation eine besondere Bedeutung zu. In strukturgeschichtlicher Hinsicht ist sie ein Meilenstein auf dem Weg der Ausdifferenzierung eines autonomen Handlungsfeldes Politik, das sich von theologischen Erwägungen emanzipiert und einer eigenen Funktionslogik und Ethik folgt. Theologische Wahrheitsansprüche konnten so zurückgestellt und in Rechtsfragen transformiert werden. Polen-Litauen, sicher nicht zuletzt aufgrund seiner langen Erfahrung mit religiöser Heterogenität, hat diesen für die Integration eines Staatsgefüges erfolgversprechenden Weg schon früh und mit beachtlicher Wirkung beschritten. Die Konzeption des Warschauer Religionsfriedens mit den oben diskutierten Merkmalen zeigt dies besonders anschaulich.

  

[1] Essay zur Quelle: Die Warschauer Konföderation (1573).

[2] Eine überzeugende Kritik daran formuliert: Bahlcke, Joachim, Religionsfreiheit und Reichsbewußtsein. Deutungen des Augsburger Religionsfriedens im böhmisch-schlesischen Raum, in: Schilling, Heinz; Smolinsky, Heribert (Hgg.), Der Augsburger Religionsfrieden 1555. Wissenschaftliches Symposium aus Anlaß des 450. Jahrestages des Friedensschlusses, Augsburg 21. bis 25. September 2005 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 206), Gütersloh 2007, S. 389-413.

[3] Ein guter Überblick dazu bei: Augustyniak, Urszula, Historia Polski 1572-1795, Warschau 2008, S. 169-212.

[4] Assmann, Jan, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003.

[5] Wolgast, Eike, Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 282 (2006), S. 59-96.

[6] Der Religionsfrieden ist seit 2003 Teil des UNESCO Dokumenterbes der Menschheit. Siehe: UNESCO, Memory of the World, verfügbar unter der URL: <http://portal.unesco.org/ci/en/ev.php-URL_ID=23126&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html> (27.06.2011).

[7] Prägnant zum Entstehungskontext der Warschauer Konföderation wiederum: Augustyniak, Urszula, Historia Polski 1572-1795, Warschau 2008, S. 521-547; Rhode, Maria, Ein Königreich ohne König. Der kleinpolnische Adel in sieben Interregna (Quellen und Studien 5), Wiesbaden 1997.

[8] Friedrich, Karin, Konfessionalisierung und politische Ideen in Polen-Litauen (1570-1650), in: Bahlcke, Joachim; Strohmeyer, Arno (Hgg.), Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7), Stuttgart 1999, S. 249-265.

[9] Dazu und zum politischen Charakter des Friedens: Müller, Michael G., „Nicht für die Religion selbst ist die Conföderation inter dissidentes eingerichtet ...“. Bekenntnispolitik und Respublica-Verständnis in Polen-Litauen', in: Schorn-Schütte, Luise (Hg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie - Res Publica-Verständnis - konsensgestützte Herrschaft (Historische Zeitschrift Beihefte NF 39), München 2004, S. 311-328.

[10] Kritisch zum Erfolg der Gegenreformation jetzt: Teter, Magda, Jews and Heretics in Catholic Poland. A Beleaguered Church in the Post-Reformation Era, Cambridge 2006, bes. S. 142-145.

[11] Zu dieser Rekonfessionalisierungstendenz: Bömelburg, Hans-Jürgen, Konfessionspolitische Deutungsmuster und konfessionsfundamentalistische Kriegsmotive in Polen-Litauen um 1600, in: Schilling, Heinz (Hg.), Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600 (Kolloquien Schriften des Historischen Kollegs 70), München, 2007, S. 285-309.

[12] Eine Edition dieser Publizistik mit instruktiver Einleitung bietet: Korolko, Miroslaw, Klejnot swobodnego sumienia. Polemika woko´l konfederacji warszawskiej w latach 1573-1658, Warschau 1974.

[13] Vgl. in englischer Übersetzung zugänglich: Tazbir, Janusz, A state without stakes. Polish religious toleration in the sixteenth and seventeenth centuries, New York 1973.

[14] Guggisberg, Hans R., Wandel der Argumente für religiöse Toleranz und Glaubensfreiheit im 16. und 17. Jahrhundert, in: Lutz, Heinrich (Hg.): Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, Darmstadt 1977, S. 455-481.

[15] Grundsätzlich dazu: Bödeker, Hans Erich; Donato, Clorinda; Reill, Peter Hanns (Hgg.), Discourses of Tolerance and Intolerance in the European Enlightenment, Toronto 2009.

[16] Luhmann, Niklas, Religion als Kultur, in: Kallscheuer, Otto (Hg.), Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt a.M. 1996, S. 291-315.

[17] Luhmann, Niklas, Kultur als historischer Begriff, in: Luhmann, Niklas (Hg.), Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft Bd. 4, Frankfurt a.M. 1995, S. 31-54. hier S. 42.



Literaturhinweise:

  • Bérenger, Jean, Tolérance ou paix de religion en Europe centrale (1415-1792), Paris 2000.
  • Brüning, Alfons, Unio non est unitas. Polen-Litauens Weg im konfessionellen Zeitalter (1569 - 1648) (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 72), Wiesbaden 2008.
  • Eberhard, Winfried, Entstehungsbedingungen für öffentliche Toleranz am Beispiel des Kuttenberger Religionsfriedens von 1485, in: Communio Viatorum 29 (1986), S. 129-154.
  • Kempa, Tomasz, Wobec kontrreformacji. Protestanci i prawoslawni w obronie swobo´d wyznaniowych w Rzeczypospolitej w kon´cu XVI i w pierwszej
  • Salmonowicz Stanislaw, Konfederacja Warszawska 1573, Warschau 1985.

Zugehörige Quellen:
Die Warschauer Konföderation 1573

Die Warschauer Konföderation 1573[1]

Confoederations Articul DerGesambten polnischen Reichs=Staende / Welche Anno 1573. Bey wehrendem Interregno Auff allgemeinem Landtage zu Warsaw geschlossen / Und zu unverbruechlicher Festhaltung offentlich und gantz Eyferig / beschworen worden.

 

 WIR Senatores, des Reichs / oder Kron / Geistliche und Weld=liche / vom Ritterstande / Und Wir andere Staende dieses geeinigten / und ungetrennten KoenigReichs aus Gros und Klein Polen / aus dem GrosHerzog=thumb Liethaw/ aus Volinia, Podlasia, so wol aus den Landen Reussen / Preussen / Pomern / Samogitien, Liefland / und von des Reichs Staed=ten / Thund kundt / und fuegen hiermit zu ewigen andencken jden und allen / die solches concernirt, und angeht zuwissen.

Das zu dieser gefehrlichen zeit / welche Uns unseres Haupts des Koenigs beraubet / und die Re=girung sorge auff uns Staende gebracht / Wir / al=tem gebrauch / und unserer Vorfahren loeblichen verordnung nach / bey dieser jetzigen in Warsaw angestaelten zusammenkunfft hoechstes fleisses dahin gesonnen welcher gestalt / und auff was weise / be=staendiger Friede / Gericht un Gerechtigkeit / gleicher Schirm guttes / un dem allgemeinen wesen ersprißli=ches Regiment unter uns zu haben / un zuerhalten.

 Versprechen diesem nach mit bestaendiger ein= muettiger verwilligung nebens hochbeteuerlichem Eydschwur / auff Trew und Glauben / bey Unseren Ehren / und gewissen / im Namen des gesambten Königreichs / sämbtlich gegeneinander.

I.

Sonderlich / und vornehmlich / das Wir uns zu keiner zeit durch spaltungen / oder sonderrun=gen Trennen / auch zuverstatten nicht gemeinet sein wollen / das durch zerruettung dieses Edlen / aus vielen zusammen gefügten Provincien, als Glied=massen / artig und wolgefasten Leibes / ein Glied von dem anderen abgerissen werde.

II.

Auch sol kein Theil mit koeniglicher Wahl zur hoechsten Obrigkeit / ohne vorwissen des anderen / verfahren / noch in geheim und in der still vertuschter arglistiger anschlaege sich bearbeiten / sondern ins gesambt sollen Wir Uns dessen allhier ausgesaetzten orts zu bestimbter zeit bey allgemeiner des Reichs Staende versammlung befinden lassen / und da beysammen einhellig und Friedlich / nach Gottes willen / die Koenigliche Wahl zu gebuehrlich=em und rechtmaessigem ausschlag foerdern helffen.

 

III.

Wollen uns auch zu keinem / Den Wir Uns zu einem Koenige belieben und gefallen liessen / verstehen / es sey denn derselbte vorhin nachfolgende bedinge wircklich zuerfuellen / einheischig worden.

1. Das nemblich Er der Koenig vor allen dingen nach geschlossener Wahl jede und alle unsere Rech=te und Privilegia, und Freyheiten / die Wir jetzo haben / oder Ihm kuenfftig vorbringen moechten / mit einem auffrichtigen Coerperlichen Eyde bekraefftige / und / hierueber steiff und fest zuhalten / verspreche.

2. Ausdruecklichen aber / und vornemblich / sol Er sich dahin verpflichten und verbinden / das Er ins gemein Fried und Ruhe zwischen den ungleich in Religions sachen gesinten je und allezeit in diesem Koenigreich erhalten wolle.

3. Sich auch nicht unterfangen / endweder durch koeniglich ansuchen oder auff besoldung / wann schon 5. Marcke einem Spießtraeger Monatlich verwilliget wuerden / Uns ausser der Kron Polen bezirck zufuehren, noch einigen Krieg / ohne vorher=gehenden Landtags beschlus zuerregen.

IV.

Solte auch einer oder der andere eine andere zeit und stelle zur Koeniglichen Wahl benih=men, mit absonderlicher Wahl verfahren / derent=halben Tumult erwecken / heimlich Krieges Volck werben oder der einmuettig geschlossenen Wahl sich wiedersetzen wollen Wir Uns solchem / Stan=des oder wuerden er sich / mit aller macht zuwiderste=hen offentlich angegeben haben.

V.

Und weil in diesem Unserem Koenig=Reich nicht ein geringes sondern grosses unverneh=men wegen Christlicher Religion / in Glaubens=sachen entstanden / hieraus leicht zwischen dißfals strittigen teilen schaedliche empoerungen / massen sol=che an anderen frembden Koenigreichen vor au=gen schweben / sich anspinnen und erheben koend=en / haben Wir auch solchen in zeiten vorzubeugen der unumbgaenglichen notturfft zu sein erachtet.

1. Verheischen und versprechen einander / vor Uns / und Unsere nachkommene / zu Ewigen zeitten / krafft geleisten Eydschwur / bey Unserem gutten Glauben Ehren / und Gewissen / das Wir Uns ob=schon ungleich in Geistlichen gewissens sachen ge=sint / des lieben Friedens untereinander befleissen / und wegen ubung dieser oder jener Religion / oder enderung des Gottesdiensts kein Menschen Blutt zu jrgend einer zeit vergissen wollen.

2. Auch nicht einstimmen / und nachgeben das ei=ner den andern deswegen betrübe / mit einziehung der Guetter / mit Gefengnueß / und verwaisung aengstige.

3. Wollen auch keiner hoehern Obrigkeit zu der=gleichen vorhaben / mit haelflicher hand einziehen / vorschub thun.

4. Ja dafern jemand sich solches gewissen zwangs unterfangen / und derenthalben Christen Blutt ver=giessen wolte / sollen Wir demselbten / wann er schon solches ohne alle weitschweiffige verhoer ins werck zurichten hohen befehlich vorzulegen hette / Uns al=lesambt einmuettig in allem ernst wiedersetzen.

5. Doch sol diese Unsere Confoederation, und Reichs verfassung / nicht dahin angesehen sein / als wann Wir hierdurch der Geist- und Weldlichen Herren Obmaessigten uber jre Unterthanen kraen=cken oder gedachte Unterthanen von schuldigen re=spect und gehorsamb gegen jhre von Gott vorge=saetzte Obrigkeiten abhalten wolten. Sondern viel=mehr / da jrgends einer seinen mutwillen mit vorge=schuetzter Religion bemaenteln solte / wird jedwederer Herrschafft / wie derselben vorhin jederzeit frey ge=standen / also auch ferner solchen jhren Unterthan / seiner wiederspenstigkeit halben / in Geistlichen und Weldlichen verbrechen / nach verdienst zustraffen / unverschrenckt gelassen.

6. Sind auch nicht gemeinet / mit den Geistlichen huelffen der Koeniglichen Kirchlehen hohen Praelaten, als mit Ertzbischoff und Bischoffthuembern / oder anderen Geistlichen Guetern jemanden anders / als der Roemischen Kirchen verwandte / Geist=liche und eingeborne Polen, inhalts unserer Reichs satzungen / zubedencken.

VI.

Und weil zubestaettigung dieser Frieds handlung sehr behueflich / und foerderlich / das die zwischen Geist- und Weldlichen Staenden in Poli=tischen und Irdischen sachen erhabene zwitraechtig=keiten unternommen / gericht / und geschlicht werden moechten: Wollen Wir Uns allesambt die dißfals strittig / wo nicht eher / doch bey nechst kuenfftigem Wahltage / miteinander zu grunde vergleichen.

VII.

So viel die verfassung / nach welcher / zu befoerderung der Gerechtigkeit / in ordentlichen Gerichtsstellen zusprechen / anlangen thut / lassen Wir solche krafft haben / wie sie jedweder Palatinat oder Pfaltzschafft zu seinem selbst eigenen belieben / auffgesaetzt / oder kunfftig auffzusaetzen / rahts wer=den moechte.

 

VIII.

In derer Palatinaten befindung Wir dann auch die befestigung / verwahrung / und ver=sorg der Graentzheuser lassen gestaelt sein.

IX.

Welcher sich dem anderen / vor oder nach des Koenigs toedlichen hintriet / gewisser Geld=schuld halben verschrieben / und vermoege solcher sei=ner unlaugbaren verschreibung / auff alle begeben=de faelle / vorm ordentlichen Landrechte zu antwor=ten / einheischig worden: sol sich keines anderen er=kaendtnues / dann zu welchem er sich selbsten gezo=gen / zuversehen haben:

Und solten die Herren Hauptleute / krafft die=ser allgemeinen vereinigung / ohne einige verzeige=rung / gewoehnliche weiser zuurtheilen / zu Procedi=ren, und in solchen oder dergleichen faellen einem je=dem wuercklich zuhelffen verbunden sein.

Ausgenommen in denen Palatinaten un Pfaltzschafften / die jhnen selbsten bey jetziger des Reichs enthaupttung eigene form Recht zusprechen aus=gesaetzt haben, oder jhnen ferner aussaetzen moechten.

X.

Alle verschreibungen / oder auff ewig gerichte abtrettungen der Guetter / so bey werender Interims Regierung an ordentlichen ortten und stellen vollzogen / oder nach vollzogen werden moech=ten / hlten Wir durch einhelligen schlus dieser un=serer Confoederation und Einigung vor gueldig und kraefftig.

XI.

Keinem / so mit einem anderen vor die=sem zu Rechte gediegen / sollen kuenfftig vom Tode des Koenigs an / bey so gestalter Regierung / einige hinterzogene Rechtliche notdurfften / oder einige hierueber erfolgte verjaehrung / dermassen nachthei=lig / und schaedtlich sein / das derentwegen die sache an Ihr selbsten nicht mehr koendte gefoerdert / und/ was=sonst Rechtens / erwartet werden.

XII.

Also auch die jetzigen / welche eben auf nechst kuenfftigen Geburts und Bechneidungs tag unsers hErren / der Guetter halben Geld zuheben haben / sollen in gesambt verbunden sein solche Post eher nicht / denn auff den ersten Rechts tag so mit Gottes willen / nach koeniglicher Wahl angesaetzt werden wird / inhalts des Ersten Articuls Unserer Landtaffel / einzufordern.

XIII.

Sagen auch zu / und versprechen ei=nander / das zukuenfftigen zu und abzuge Unserer versammlung so wol an orten und stellen in welchen uber koeniglicher Wahl weiter Raht gehalten wer=den soll / Wir weder unter uns, nach gegen jeman=den / wes gewalthaettiges vorueben wollen.

Jede und alle obangesaetzte Punct vorsprechen Wir vor Uns und unsere Nachkommen / bey Un=serem Glauben Ehren / und Gewissen / steiff und fest zuhalten.

Solte auch einer hiewieder zuhandeln / den ge=meinen Frieden / und diese Unsere verordnung zu=zerruetten / ihme geluesten lassen / wieder den sollen Wir zu seinem gaentzlichen verterb und untergang Uns allesambt aufflehnen.

In massen dann zu so viel desto mehrer jederer und aller obbeschriebenen Articul beglaubung und sicherung Wir Unsere Siegel auffgedruckt / und Uns mit eigenen handen unterschrieben.

Geschehen zu Warsaw / bey allgemeiner Pol=nischen Reichs versammlung / den 28. Monats Ja=nuarii, Anno 1573. Jahre.


[1] Der hier transkribierte deutsche Druck der Warschauer Konföderation stammt vom Beginn des 17. Jahrhunderts, genaue Datierung unklar. Der Druck befindet sich in der Jagiellonen Bibliothek in Krakau, Signatur: Cim. 5293. Hier transkribiert nach der Reprografie in: Korolko, Miroslaw, Tazbir, Janusz (Hg.), Konfederacja warszawska 1573 roku wielka karta polskiej tolerancji, Warschau 1980. Transkript durch Christian Preuße.


Für das Themenportal verfasst von

Christian Preusse

( 2011 )
Zitation
Christian Preusse, Die Warschauer Konföderation von 1573 und die Ausdifferenzierung von Politik und Religion im frühneuzeitlichen Europa, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2011, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1547>.
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