Politische und gesellschaftliche Funktionen von Kunst in Europa (19.–20. Jahrhundert)[1]
Von Hannes Siegrist und Thomas Höpel
Der vorliegende Band ist ein Studien- und Lehrbuch über den politischen und gesellschaftlichen Gebrauch von Kunst in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Die Geschichte der Herstellung, Vermittlung, Verbreitung, Rezeption und Nutzung künstlerischer Werke und Ausdrucksformen wird in die Geschichte der europäischen Gesellschaften und Kulturen sowie politischen und wirtschaftlichen Systeme eingebettet. Im Unterschied zu traditionellen Nationalgeschichten behandeln wir die Dynamik des künstlerischen Feldes stärker auch im Rahmen grenzüberschreitender Austauschprozesse und Beziehungen. Ausgangspunkt ist die These, dass die Entwicklung der Künste und des künstlerischen Feldes in Europa in den letzten zwei Jahrhunderten ganz wesentlich durch die Spannung zwischen Prozessen der Nationalisierung, Internationalisierung und Transnationalisierung bestimmt war. Das Verhältnis zwischen diesen teils alternativen, teils komplementären Symbolisierungs-, Institutionalisierungs- und Organisationsstrategien bestimmte auch die Funktionen und Bedeutungen von Kunst in Prozessen der Europäisierung und De-Europäisierung sozialer, politischer und kultureller Ordnungen.
Der politische und gesellschaftliche Gebrauch von Kunst in Europa wird in diesem Band anhand verschiedener künstlerischer Sparten und Medien und in unterschiedlichen historischen Kontexten und Konstellationen analysiert. Die einzelnen Beiträge behandeln Geschichten über Akteure, Ausdrucksformen, Programme, Praktiken, Institutionen und Organisationen der Kunst. Sie führen jeweils kurz in den relevanten Forschungsstand ein und konkretisieren die Problematik anhand eines typischen und exemplarischen Text- oder Bilddokumentes. Die Autorinnen und Autoren richten ihren Blick nicht nur auf Künstler und deren Werke, Darstellungen, Vorstellungen und Strategien, sondern auch auf andere Akteure des künstlerischen Feldes. Gegenstände, Strategien und Konflikte, die in der Kunst-, Theater-, Film-, Musik-, Design-, Medien- und Architekturgeschichte unter einem engeren fach- oder disziplingeschichtlichen Gesichtspunkt behandelt werden, interessieren stärker im Zusammenhang mit allgemeinen politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Ereignissen, Strukturen und Prozessen. Die Beiträge kritisieren und revidieren einige der von der Spezialliteratur zu Bildender Kunst, Musik, Literatur oder anderen Sparten verbreiteten Stereotype über regionale, nationale und europäische Besonderheiten im Hinblick auf künstlerische Ausdrucksformen, Stile, Genres und Motive, indem sie diese historisieren und kontextualisieren.
Die Literatur über die gesellschaftliche und politische Bedeutung und Funktion von Kunst unterscheidet vielfach zwischen positiven und negativen Wechselwirkungen zwischen künstlerischen, politischen und sozialen Prozessen. Als positive Faktoren für die künstlerische Entwicklung bzw. für Synergien zwischen Kunst, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im modernen Europa gelten öfter der Wettbewerb sowie der technische und mediale Wandel; ein starker Kulturstaat; das Streben von Nationalstaaten und Imperien nach Repräsentation und Integration im Inneren und kultureller Hegemonie in den Außenbeziehungen; Spannungen zwischen Konfessionalisierung und Säkularisierung sowie zwischen modernen Weltanschauungssystemen; Urbanisierung und Metropolenbildung; der ‚richtige‘ Institutionenmix – z.B. die gemischte staatsförmige, marktförmige und zivilgesellschaftliche Regulierung von Kunst und Kulturwirtschaft; die Professionalisierung und Autonomisierung des Künstlers bzw. der Kunst; eine wachsende und sich differenzierende Nachfrage nach künstlerischen Werken und Dienstleistungen aufgrund wirtschaftlichen Wachstums und der Herausbildung vergleichsweise gebildeter Eliten und Mittelschichten, die als Nutzer eine zentrale Rolle beanspruchten. Als typisch für Europa im 20. Jahrhundert gelten vielfach die staatliche Förderung von Bildungs-, Aufführungs- und Ausstellungseinrichtungen, die geregelte und transparente Vergabe öffentlicher Aufträge, Stipendien und Preise für künstlerische und architektonische Werke und Leistungen sowie die öffentliche Finanzierung großer Orchester, Theater, Rundfunk-, Fernseh- und Filmgesellschaften. Tatsächlich schwankte die Entwicklung zwischen starker und schwacher staatlicher Intervention und zwischen Wettbewerb und Monopolbildung im Zeitverlauf und zwischen den Regionen Europas mitunter ganz erheblich.
„Europa“ verweist hier einerseits auf einen ursprünglich geografischen Begriff, andererseits auf ein soziales und symbolisches Konstrukt oder Projekt.[2] In einigen der in diesem Band abgedruckten Beiträge geht es mehr um die Frage, wie Kunst und Kultur in den Beziehungen zwischen Individuen, Kollektiven, Organisationen, Gesellschaften und Staaten vermitteln, deren Lebens-, Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt im geografischen Europa liegt. „Europa“ wird dabei als verfestigter Natur-, Kultur- und Geschichtsraum begriffen, der als Container (Behälter), Bühne oder Arena für das Handeln der „Europäer“ fungiert und durch vergleichsweise klare äußere Grenzen bestimmt ist. In zahlreichen Beiträgen interessieren „Europa“, das „Europäische“ und die „Europäer“ dann aber primär als soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Konstruktionen oder Projekte, deren räumliche Ausdehnung und Geltung voneinander abweichen können und sich nicht zwingend oder vollständig mit dem geografischen Europa decken. Derartige historische und konstruktivistische Ansätze fragen stärker danach, wie Europa mit seinen mehr oder weniger durchlässigen inneren und äußeren Grenzen jeweils auf der symbolischen und sozialen Ebene ‚gemacht‘ wurde. Sie heben auf Praxisformen, Regeln, Normen, Einstellungen, Erzählungen, Bilder, Gewohnheiten und Erfahrungen ab, die – real oder angeblich – das Denken und Handeln der Europäer bestimmten und die Selbst- und Fremdzuordnung zu einer „europäischen“ Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Werteordnung, institutionellen Ordnung und Rechtsgemeinschaft begründeten.
Ungeachtet der jeweiligen Perspektive bzw. begrifflichen und methodischen Präferenz in der Erforschung Europas zeigen die Beiträge dieses Bandes, erstens, wie Prozesse der Europäisierung bzw. De-Europäisierung im Medium der Kunst oder im Rahmen eines bestimmten gesellschaftlichen und politischen Gebrauchs von Kunst erfolgten; zweitens, wie die Entwicklung der Kunst und künstlerischer Felder im nationalen Rahmen wie in den grenzüberschreitenden europaweiten Beziehungen durch politische, ökonomische, soziale und kulturelle Interessen, Machtansprüche und Konflikte bestimmt war; und dass, drittens, „Europäisches“ in externe Konstellationen, fremde Kontexte und ferne Gebiete der Welt übertragen, umgekehrt durch Transfers von außen beeinflusst wurde. Die Künste und Kulturen des modernen Europa entwickelten sich im Rahmen der Spannungen und Konflikte zwischen Tradition und Innovation und zwischen dem Eigenen und dem Fremden.
Inhaltlich und methodisch geht es in diesem Band um die Rolle von Politik, Staat, Markt, Publikum, Öffentlichkeit und Recht in der Gestaltung und Regulierung künstlerischer und kultureller Beziehungen und Prozesse; um den Vergleich zwischen sozio-kulturellen Milieus, Städten, Ländern und Großregionen Europas;[3] und um die Problematik der grenzüberschreitenden und interkulturellen Kommunikation, Kooperation und Abgrenzung (Kulturtransfer und Verflechtung).[4] Im Folgenden diskutieren wir zuerst ausgewählte historische, sozial- und kulturwissenschaftliche Begriffe, Ansätze und Perspektiven, die das Verhältnis zwischen Kunst und Künstlern einerseits, Politik und Gesellschaft andererseits strukturieren (Kapitel 1). Im Anschluss daran wird der Zusammenhang von Kunst, Macht und Wettbewerb, wodurch die Entwicklung des kulturellen Feldes in Europa maßgeblich bestimmt war und ist, erörtert (Kapitel 2). Die folgenden drei Kapitel orientieren sich an der Gliederung des Bandes und stellen ausgewählte Aspekte im Verhältnis von Kunst, Politik und Gesellschaft während des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Themenschwerpunkte sind die Rolle der Kunst in der bürgerlichen Öffentlichkeit und die Entwicklung des Kunstmarktes (Kapitel 3); die Funktionen von Kultur, Kunst und Künstlern in verschiedenen politisch-gesellschaftlichen Systemen und im Spannungsfeld zwischen der Nationalisierung und Internationalisierung kultureller Beziehungen (Kapitel 4); und das Verhältnis von Kunst, Architektur und Stadtentwicklung (Kapitel 5).
1. Ansätze und Perspektiven der historischen, sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung über Kunst, Politik und Gesellschaft
Alles in allem zeigt die historische, kultur-, kunst-, medien- und sozialwissenschaftliche Forschung über Kunst, Künstler und künstlerische Felder, dass die Bedeutung künstlerischer Akteure, Artefakte und Leistungen in den europäischen Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundert massiv zugenommen hat. Im Zeitalter der so genannten Massengesellschaft wurde Kunst eingesetzt, um Gesellschaften zu mobilisieren, zu integrieren, zu kultivieren, zu repräsentieren; und um die Leistungs-, Wettbewerbs- und Kooperationsfähigkeit von Individuen und Organisationen zu steigern. Im konstitutionellen Staat und in der Zivilgesellschaft sollten Kunst und Wissenschaft vielfältige Funktionen in der Kultivierung des mündigen, verantwortlichen, freien, tugendhaften und leistungsfähigen Bürgers übernehmen; nicht zuletzt dessen Urteils-, Selbststeuerungs- und Kooperationsfähigkeit begründen. Künstler und Autoren beanspruchten professionelle Leistungsrollen und Eigenständigkeit, je nach Kontext auch weitergehende Sinnstiftungs- und intellektuelle Orientierungsfunktionen in der Kultur, Gesellschaft und Politik (vgl. den Beitrag von Bertrand Tillier). Die Nutzer von Kunst – Zuschauer, Leser, Zuhörer, Käufer, Konsumenten und Kunstliebhaber – schwankten zwischen passiven und aktiven Publikumsrollen, wie Kenner, gebildeter Dilettant, Fan, Konsument, Sammler, kritischer Teilhaber am Kunstprozess, Staatsbürger oder Europäer, der die Definition von Kunst und die Gestaltung künstlerischer Leistungen, Regeln und Organisationen mitbestimmt (vgl. die Beiträge von Jürgen Osterhammel und Joachim Eibach).
Bei der Analyse der Kommunikation und Kooperation zwischen Produzenten, Vermittlern und Nutzern bewegen sich die meisten der hier versammelten Beiträge mehr oder weniger ausdrücklich im Rahmen von kunstsoziologischen und sozialgeschichtlichen Ansätzen, wie Howard S. Beckers „Kunstwelt“ oder Pierre Bourdieus „künstlerischem Feld“.[5] Die historisch unterfütterte Kunstsoziologie von Pierre Bourdieu ist dabei in der europäischen Geschichtswissenschaft etwas intensiver rezipiert worden als der Ansatz von Becker. Kunst interessiert als kollektives Handeln (Becker) und als Feld der Macht (Bourdieu), in dem Individuen und Gruppen wie Künstler, Kenner, Laien, Käufer, Kunstkritiker, Kunsthistoriker, Kunstsammler, Mäzene, Kunsthändler, Verleger sowie Organisationen wie Kunstvereine, Galerien, Akademien und Museen interagieren. Die Akteure des jeweiligen Feldes verständigen sich dabei unter anderem auch mit politischen und administrativen Instanzen und Akteuren, wie Kultur- und Bildungsministerien, Parlamenten, städtischen Kulturämtern, die finanzielle und organisatorische Aufgaben in der Kunstförderung übernehmen, sowie Parteien, Berufs- und Interessenverbänden, über Leitbilder und institutionelle Rahmenbedingungen.
Im vorliegenden Band werden klassische kunst-, kultur- und sozialgeschichtliche Themen, wie die Geschichte der künstlerischen Kreativität, Berufe, Ausdrucksformen und Meisterwerke, im Rahmen des jeweiligen künstlerischen Feldes sowie politischer und gesellschaftlicher Kontexte und Konstellationen behandelt.[6] Der von Künstlern und anderen Angehörigen des engeren kulturellen Feldes immer wieder geäußerte Anspruch auf Autonomie der Kunst – verstanden als Freiheit der Kunst und Unabhängigkeit von außerkünstlerischen, insbesondere politischen Vorgaben und kommerziellen Zwängen – wird im jeweiligen historischen Kontext analysiert.
Bei der Autonomie der Kunst handelt sich um eine historisch ältere Meistererzählung (oder einen Mythos), die sich im Zeitalter der modernen liberalen und pluralistischen Kultur und Gesellschaft in Europa zunehmend durchsetzen und zu einem Markenzeichen der europäischen Kunst und Kultur werden konnte. Tatsächlich manifestierte sich der Anspruch auf künstlerische Autonomie in der Moderne in vielfältigen Rollen, Formen und Kontexten. Freiberufliche Künstler beriefen sich öfter auf einen sehr weitgehenden Autonomiebegriff. Auftragskünstler und angestellte Kunstschaffende in den hocharbeitsteiligen Großbetrieben der modernen kapitalistischen Kulturindustrien (wie in den Film- und Medienunternehmen) sowie Staatskünstler und Kulturschaffende in den zentral gelenkten Kulturapparaten moderner Diktaturen und totalitärer Staaten entwickelten dagegen einen engeren beruflich-technischen Autonomiebegriff, der ihnen unter komplexen organisatorischen Bedingungen Spielräume verschaffen sollte. Bisweilen ging es diesen Inhabern künstlerischer und kunstnaher Berufe stärker um die Sicherung höherer beruflicher, technischer, sozialer und wirtschaftlicher Standards; bisweilen um die Verteidigung des Anspruchs auf kollektive berufsständische Selbstverwaltung in Nischen des herrschenden Kulturregimes; und bisweilen um die Sicherung subjektiver Handlungsansprüche und Freiheitsrechte in der Gesellschaft überhaupt.[7]
Formal galten Produzenten und Vermittler künstlerischer Artefakte und Leistungen als Inhaber eines Berufs und vertragsfähige Rechtssubjekte, die im Rahmen des jeweiligen Kunst- oder Kulturregimes ihre Verhältnisse zu Dritten – wie Käufern, Verwertern, Nutzern und Publikumsgruppen – selbständig aushandeln und spezifizieren konnten. Autonomie (im Sinne von Selbstbestimmung, Selbstregulierung) bedeutete jedoch selbst unter liberalen und pluralistischen Bedingungen oft nicht, dass die Regeln der Kunst von den Künstlern allein bestimmt werden konnten. In vielen Fällen waren die Kooperation zwischen Individuen, Kunst produzierenden und vermittelnden Organisationen und der Wettbewerb künstlerischer Ausdrucksformen heteronom, das heißt durch Dritte, bestimmt.
Die Geschichte der Institutionalisierung und Organisation der Kunst in Europa zeigt, dass die Produktion, Verteilung, Vermittlung, Bewertung und Nutzung künstlerischer Güter und Leistungen über weite Strecken durch ähnliche Prinzipien und Institutionen wie in anderen gesellschaftlichen Sphären geregelt wurden. Die Regulierung künstlerischer oder kultureller Tätigkeiten und Beziehungen beruhte auf Prinzipien und Institutionalisierungsstrategien (und damit verbundenen Leitbegriffen, Diskursen und Erzählungen), von denen einige stichwortartig in der folgenden Aufzählung bipolarer Begriffspaare benannt werden: Autonomie versus Heteronomie, Wettbewerb versus Monopol, Exklusion versus Inklusion, Professionalisierung versus Laisierung, Individualisierung versus Kollektivierung, Privatisierung versus Sozialisierung, Konfessionalisierung versus Säkularisierung, Verbürgerlichung versus Aristokratisierung oder Nivellierung, Bürokratisierung versus Liberalisierung, Lokalisierung versus Universalisierung, Nationalisierung versus Internationalisierung, Pluralisierung versus Homogenisierung, Demokratisierung versus Zentralisierung, Einzelfertigung versus rationalisierte, standardisierte Massenproduktion usw.
Vielfach handelte es sich dabei ursprünglich um Programmbegriffe von Oppositions-, Interessen- und Weltanschauungsgruppen, auch sozialer und künstlerischer Avantgarden. Autonomisierung der Kunst bedeutete vielfach bloß, dass solche Prinzipien, Deutungsschemata, Regulierungs- und Handlungsmuster ein Stück weit den besonderen Verhältnissen, Bedürfnissen, Erfahrungen und Erwartungen des künstlerischen Feldes angepasst wurden. Im Laufe der europäischen Geschichte wurden einige dieser Regulierungsformen und Interaktionsmodi jeweils unter einem übergeordneten Ordnungsprinzip (wie Freiheit, Wettbewerb, Gerechtigkeit, Pluralität oder Gleichheit) oder im Kontext einer ideologischen Strömung, politischen Verfassung oder Gesellschaftsform (wie Liberalismus, Nationalismus, Faschismus, Staatssozialismus, Demokratie) gebündelt und als unterschiedliche Typen von Kultur-Regimen, kultureller Herrschaft, Kulturverfassung oder Cultural Governance (Steuerung der Kultur)[8] definiert. Im Kontext eines liberalen Systems z.B. wurden bestimmte Formen kultureller Herrschaft bzw. der Politisierung und Verstaatlichung der Kultur abgelehnt. Im Kontext einer verstaatlichten staatssozialistischen Kultur waren dagegen bestimmte Formen der Kommerzialisierung (das heißt profitorientierte, unternehmens- und marktförmige Regulierung) verpönt.
Nachdem diese Begriffe bzw. die entsprechenden Diskurse oder Meisterzählungen von Geschichts-, Rechts-, Sozial- und Kulturwissenschaftlern systematisch erforscht und zu abstrakten Prozessbegriffen, Typen und Erzählschemata umgeformt worden sind, fungieren sie als analytische Raster-Begriffe in der wissenschaftlichen Forschung über soziale und kulturelle Beziehungen und Prozesse. Sie helfen dabei, das Verhältnis von Kunst, Politik und Gesellschaft im Laufe der europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu begreifen.
Der französische Sozial- und Kulturhistoriker Christophe Charle bezeichnet in seinem Werk über den Vergleich und die Verflechtung der Künste und Kulturen in Europa das 19. Jahrhundert als das Jahrhundert der Deregulierung.[9] Das von weltlichen und geistlichen Fürsten sowie städtischen Patriziern und Berufsständen beherrschte feudale, ständische und absolutistische alte Kulturregime mit seinen festen Positionen und rigiden Regeln erodierte und wurde ersetzt durch vergleichsweise dynamische, durchlässige, transparente, kompetitive, ansatzweise pluralistische und partizipative Kulturregimes, die sich auf bürgerlich-liberale, kulturstaatliche oder demokratische Prinzipien beriefen. Die Steuerung der Kunst erfolgte vermehrt durch vergleichsweise berechenbare gesetzliche, administrative, finanzielle und kommunikative Verfahren. Das ermöglichte mitunter eine stärker an den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Künstlern, Publikum und Öffentlichkeit orientierte Ausrichtung und Organisation des künstlerischen Feldes. Tatsächlich expandierte der private, unternehmerische, kommerziell und marktförmig koordinierte Kultursektor in weiten Teilen Europas jedoch erst im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in einer Weise, dass er eine Eigendynamik bekommen und politische und soziale Prozesse stärker bestimmen konnte.
So ist das Ausmaß der Deregulierung der Künste und die Bedeutung der politischen Emanzipation der Künstler im langen 19. Jahrhundert eigentlich erst vor dem Hintergrund der (von Christophe Charle nur in einem kurzen Ausblick skizzierten) Re-Politisierung bzw. Re-Regulierungen in der Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und den späten 1980er-Jahren wirklich zu erkennen. Im 20. Jahrhundert wurden liberale und demokratische Kulturregimes in weiten Teilen Europas zuerst durch autoritäre und nationalistische Regime sowie nationalsozialistische und faschistische Diktaturen verdrängt; dann in den Ländern Mittel-, Ostmittel- und Osteuropas durch Sowjetisierungsprozesse marginalisiert und durch zentralistische national-kommunistische Kulturregime ersetzt. Zu einer neuerlichen De- und Re-Regulierung unter liberalen Vorzeichen kam es im Westen in den Jahrzehnten nach 1945, und verstärkt seit den 1970er-Jahren im Zuge der nationalen, europaweiten und globalen Liberalisierung wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen; im Osten nach dem Fall der Berliner Mauer 1989/90. Die Beiträge des vorliegenden Bandes bestätigen diese Periodisierung über weite Strecken, variieren sie aber auch. Sie zeigen, dass die langfristige Entwicklung durch Spannungen zwischen politischen Machtinteressen und kommerziellem und künstlerischem Wettbewerb bestimmt war.
2. Kunst, Macht und Wettbewerb. Von der Kunst- zur Kultur- und Künstlerpolitik
Die Innen- und Außenbeziehungen der Kunst sind im modernen Europa in hohem Maße durch Macht und Wettbewerb bestimmt. Mit dem Modus der Institutionalisierung und Organisation von Kunst, Kultur und Gesellschaft korrespondieren jeweils bestimmte Formen von Kunst-, Kultur- und Künstlerpolitik. Die Kunstpolitik wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend als Teil einer umfassenden Kulturpolitik begriffen und bezeichnet. Diese bündelt im weitesten Sinne politikförmige Maßnahmen, welche die Produktion, Vermittlung, Nutzung und Rezeption von Kunst sowie die „Kultivierung“ oder „Zivilisierung“ des Bürgers und der sozialen Beziehungen bestimmen und ermöglichen.
Ein enger gefasster Kulturpolitikbegriff, wie er vor allem in der politikwissenschaftlichen Forschung dominiert, begreift die Kulturpolitik als Ausdruck öffentlichen Engagements im Bereich der Produktion, Reproduktion und Vermittlung von Kultur.[10] So betrachtet die französische Forschung, die politik-, sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven frühzeitig enger verknüpft hat, die Institutionalisierung staatlicher und städtischer Kulturpolitik in spezifischen Strukturen als zentrales Element der Kulturpolitik.[11] Sie unterscheidet auf dieser Grundlage dichotomisch zwischen einer Kunstpolitik (Politique des Beaux-Arts), die für die III. und IV. Republik (das heißt von 1870–1959) als typisch angesehen wird, und einer Kulturpolitik (Politique culturelle), wie sie von der V. Republik seit 1959 betrieben wird. Die traditionelle Kunstpolitik sei durch eine vergleichsweise bescheidene Intervention des Staates im Kunstbereich und einen relativ geringen Institutionalisierungsgrad gekennzeichnet gewesen, während die moderne Kulturpolitik gerade durch starke institutionelle Strukturen und eine staatliche Kulturmission charakterisiert sei.
Ein weiter gefasster Begriff von Kulturpolitik dagegen beschränkt die Gruppe der Akteure nicht einseitig auf Staat, Städte, Gemeinden und öffentliche Körperschaften, bezieht vielmehr auch Vereine, Verbände und andere zivilgesellschaftliche Akteure ein, die an der politischen Aushandlung der Regeln, Verfahren und Praktiken in der Kunst und in angrenzenden Bereichen partizipieren. Damit wird berücksichtigt, dass sich die Unterscheidung zwischen Staat und Zivilgesellschaft seit dem 19. Jahrhundert öfter verwischte: Vereine gründeten Museen und Orchester, die für die lokale Kunstszene Bedeutung erlangten und in der Folge häufiger im Zusammenspiel mit städtischen und staatlichen Kulturbürokratien weiter entwickelt und als öffentliche Körperschaften betrieben wurden.
Die vergleichende und verflechtungsgeschichtliche Forschung zur Kulturpolitik in Europa steht noch in den Anfängen. Sie muss berücksichtigen, dass sich Erfahrungs- und Wahrnehmungshorizonte sowie die Erwartungs- und Planungshorizonte der mit Kunst befassten und in das künstlerische Feld involvierten Akteure zyklisch und periodisch änderten. Das soll hier thesenartig erörtert werden.
Aufgrund der Synchronisierung von Regeln und Abläufen nahmen die Intensität und Ähnlichkeiten in den künstlerischen und kulturellen Beziehungen zwar zeitweise europaweit zu. Prozesse der äußerlichen Homogenisierung und Angleichung wurden allerdings immer wieder dadurch relativiert, dass Ausdrucksstile und sozio-kulturelle Regeln im Kontext einer Gesellschaft oder Großregion verschieden rezipiert und zu unterschiedlichen Zwecken genutzt wurden (vgl. die Beiträge von Sven Oliver Müller, Tobias Becker und Axel Körner).
Ein einmal etabliertes institutionelles Wissen, das für Erwartungssicherheit zu sorgen beanspruchte, geriet periodisch und in bestimmten Räumen an Leistungsgrenzen und unter Rechtfertigungszwänge. Institutionen und Regulierungsstrategien, die ursprünglich als funktionale und ideologische Alternativen verstanden worden waren, existierten in wechselnden Über- und Unterordnungsverhältnissen auch nach politischen Umbrüchen weiter und mussten ständig neu aufeinander abgestimmt werden – bis sie früher oder später in gewissen Hinsichten auch als wechselseitige Ergänzung oder Verstärkung erschienen. Im Rahmen der durch vielfältige Konflikte, Brüche, Konvergenzen, Divergenzen sowie Ungleichzeitigkeiten gekennzeichneten europäischen Geschichte bildeten sich so institutionelle Mischverhältnisse und hybride, ordnungspolitisch unorthodoxe Kulturregimes heraus. Dazu gehört nicht zuletzt das Muster der staatlich, gesetzlich, zivilgesellschaftlich, marktförmig und durch internationale Konventionen geregelten Kultur (vgl. die Beiträge von Hannes Siegrist und Isabella Löhr), das heute vielen als das typische europäische Kulturregime gilt. Tatsächlich ist dieses Kulturregime das Ergebnis einer langen und konfliktreichen Entwicklung, in der sich das Verhältnis zwischen institutionellen Haupt-, Neben- und Untergrundpfaden laufend, bisweilen auch abrupt, änderte.
Im Laufe der spannungs- und konfliktreichen europäischen Geschichte gerieten etablierte nationale, imperiale und internationale Kulturregime wiederholt unter Druck, da sie im grenzüberschreitenden Wettbewerb der Ausdrucksformen nicht mehr mithalten konnten oder ihnen die Anerkennung von den eigenen Künstlern, Bürgern und Publikumsgruppen – aufgrund künstlerischer wie nicht-künstlerischer Motive – aufgekündigt wurde. Periodisch wurden Künstler, Kunstwerke, künstlerische Ausdrucksformen und damit verbundene sozio-kulturelle Regeln und ästhetische Standards im Gefolge eines politischen Wechsels in Teilgebieten Europas diskriminiert (vgl. den Beitrag von Thomas Höpel „Die Abwehr internationaler Kunst im Nationalsozialismus“), in den Untergrund oder ins Exil gedrängt, bevor sie von politischen Oppositionsbewegungen, sozialen Bewegungen und Künstler-Avantgarden wieder belebt und verbreitet wurden (vgl. den Beitrag von Helmut Peitsch). Der Wiederaufstieg wurde dabei oft durch den Transfer von Personal, Wissen und künstlerischen Artefakten aus Ländern oder Großregionen begünstigt, in denen es nicht zu gleichartigen Diskriminierungen gekommen war und deren kulturelles System aufgrund des Wettbewerbs zwischen Staaten, Unternehmen und Künstlern auf Expansion angelegt war. Bei den sogenannten alten Traditionen in der Geschichte der europäischen Kunst und Kultur handelt es sich so vielfach um programmatisch gemeinte zeitgenössische oder nachträgliche Verallgemeinerungen, die historische Brüche glätten und regionale Abweichungen unterbewerten.
Wer über eine bestimmte Kombination von Macht und Vermögen oder von kulturellem, sozialem oder politischem Wissen verfügte, entwickelte früher oder später auch den Anspruch, an den Auseinandersetzungen zu partizipieren, in denen über legitime Kunst und anerkannten Geschmack entschieden wurde. Darauf beruhte sowohl die Hierarchie der Künstler, Künste und künstlerischen Ausdrucksformen als auch die Unterscheidung zwischen Hoch-, Populär- und Massenkultur. Dafür entwickelten die modernen Künstler und Gesellschaften Kriterien wie Kreativität, Gestaltungshöhe, Singularität, Originalität, Standardisierung, Reproduzierbarkeit, Auflage, Preis, soziale Zugänglichkeit, Verbreitungsgrad und Nutzen für das Privat- und Allgemeinwohl. Künstlerische Leistungen, Artefakte, Kanonisierungen und Meistererzählungen sowie komplexe ästhetisch-kulturelle Ordnungen konnten damit von Künstlern, Politikern, Kunstförderern, Experten, Unternehmern, Liebhabern, Käufern und Bürgern verglichen und bewertet werden. Diese Kriterien galten nicht nur für den Vergleich und Wettbewerb zwischen einzelnen Künstlern, Künstlergruppen und künstlerischen Sparten, sondern auch für den Wettbewerb zwischen Städten, Regionen, Nationen und Imperien – soweit er im Medium der Kunst oder im Reden über Kunst erfolgte.
Unter europageschichtlichen Gesichtspunkten interessiert, auf welchen Ebenen und in welchen Arenen die Regeln der Kunst verhandelt wurden: auf der städtischen, nationalen oder internationalen Ebene. So im Rahmen von regionalen Kunstausstellungen und städtischen Kunstfestivals, oder in Diskussionen über Kunstprogramme, nationale und auswärtige Kulturpolitik und internationale Vereinbarungen (vgl. die Beiträge von Eckhard Gillen, Jeannine Harder und Daniel Habit). Die besondere Dynamik der europäischen Künste, Kulturen und Gesellschaften beruhte teils auf der Rivalität zwischen großen Städten/Metropolen, Nationalstaaten und Imperien, teils auf der grenzüberschreitenden Kooperation in inter- und transnationalen Kunst-, Handels- und Medienräumen, Kulturmärkten und Öffentlichkeiten.
Der einzelne Staat konnte oft weder die Vorgänge in den großen und funktional ausdifferenzierten kulturellen Metropolen noch die grenzüberschreitenden Flüsse von Gütern, Ausdrucksformen und Personen vollständig kontrollieren. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden die grenzüberschreitenden kulturellen und künstlerischen Prozesse und Beziehungen deshalb vermehrt durch multilaterale Konventionen und internationale Organisationen koordiniert, in denen staatliche, zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure kooperierten. Die Nutzung und Verwertung künstlerischer Werke und Leistungen wurde so einerseits durch das nationale Bildungs-, Berufs-, Kunst- und Medienrecht reguliert, andererseits durch internationale Konventionen für das Urheberrecht, das geistige Eigentum und den Kulturgüterschutz.[12] Die Geschichte der Musik, der belletristischen und wissenschaftlichen Literatur, des Films, des Industriedesigns und der Architektur zeigt, dass die Verrechtlichung der kulturellen Beziehungen in den nationalen wie in den internationalen Beziehungen immer wichtiger wurde, da sie für kulturelle, politische und wirtschaftliche Erwartungssicherheit zu sorgen versprach (vgl. die Beiträge von Hannes Siegrist und Isabella Löhr).
Institutionelle Bedingungen wie die Vertrags-, Berufs-, Handels- und Gewerbefreiheit, die Rede-, Ausdrucks- und Pressefreiheit sowie technische und mediale Entwicklungen begünstigten die Entwicklung des künstlerischen Feldes in Europa. Die verfassungsmäßige, gesetzliche, gerichtliche und administrative Entwicklung hatte für den Kunstbetrieb allerdings ambivalente Wirkungen. Kunst wurde für Prozesse der politischen, sozialen und kulturellen Integration auf städtischer, nationaler und internationaler Ebene eingesetzt. Sie konnte zur Zivilreligion werden, aber auch Herrschaftsprozesse ästhetisch überformen. Im Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts und in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts fungierte sie einmal als Medium der Herrschaft (vgl. die Beiträge von Thomas Höpel, Falk-Thoralf Günther und Anne-Marie Pailhès) das andere Mal als Ventil für Unterdrückte und Emanzipationsbewegungen. Überall wurde sie zur wirtschaftlichen Ressource und zur breit vermarktbaren Ware, die den Aufstieg arbeitsteilig organisierter und kapitalintensiver Unternehmen der modernen Medien- und Kulturindustrien begründeten, von denen im 20. Jahrhundert einige zu einflussreichen Akteuren in den nationalen und internationalen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen wurden.
So positiv die Effekte des Wettbewerbs für die Dynamik in den Künsten über das Ganze gesehen waren, so ambivalent waren sie für die Mehrzahl der Künstler, die einem starken künstlerischen, sozialen, wirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt waren.[13] Wachsende Teile der Künstlerschaft, die ihre beruflichen und wirtschaftlichen Ziele nicht allein oder mit eigenen Mitteln erreichen konnten, organisierten sich in Vereinen, Genossenschaften, Berufsverbänden und Künstlergewerkschaften, die spezifische berufliche, materielle und kulturelle Ziele verfolgten – und sich vorübergehend mit politischen Weltanschauungs-Lagern verbanden.
Seit dem Ersten Weltkrieg wurde der Wettbewerb auf dem Markt für sogenannte Kulturgüter und künstlerische Leistungen immer häufiger auch durch Unternehmenskartelle sowie staatliche und private Monopole, die Preise, Geschäfts-, Lohn- und Arbeitsbedingungen in eigener Regie festlegten, beschränkt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Beziehungen zwischen privaten und staatlichen Kunstbetrieben, Autorenverbänden und Künstlergewerkschaften zunehmend mit Hilfe von gemeinsam ausgehandelten Kollektivverträgen reguliert. Diese wurden seit der Weltwirtschaftskrise in weiten Teilen Europas vom Staat oder Gesetzgeber für allgemeinbindend erklärt, das heißt auch für Nichtverbandsmitglieder verbindlich. In faschistischen und nationalsozialistischen Diktaturen und nationalistisch-autoritären Systemen etablierte sich seit der Weltwirtschaftskrise immer mehr das Muster des alle Beschäftigten eines Wirtschaftszweigs erfassenden berufsständisch-korporativen Zwangsverbandes.[14] In den demokratischen und liberalen Gesellschaften bildete sich in der Zwischenkriegszeit ein neo-korporatistisches Modell heraus, das die Regulierung der Beziehungen den sogenannten Tarifparteien überließ und dabei den Staat als Moderator und Vertreter des Allgemeinwohls definierte. Dieses Modell erlebte in den 1950er- und 1960er-Jahren seinen Aufschwung in den liberal, demokratisch und marktwirtschaftlich verfassten Ländern Westeuropas.[15] Alles in allem hinkte die Institutionalisierung der Beziehungen in der Kunst- und Kulturwirtschaft gegenüber anderen Berufs- und Statusgruppen allerdings vielerorts noch lange hinterher.
Um 1800 waren die Märkte für künstlerische, literarische und musikalische Artefakte vergleichsweise klein, übersichtlich, vielfach staatlich protegiert und politisch überwacht. Staatliche Interventionen und politische Regulierungen sollten von Anfang an unerwünschte Entwicklungen korrigieren. Teile der Künstlerschaft und Bildungseliten stimmten dem damals zu, weil sie den freien Markt als Ursache für den Niedergang der Kunst und schädlich für das Kunstschaffen hielten. Sie protestierten schon kurz nach der Liberalisierung der Kunst und kulturellen Beziehungen durch die Französische Revolution, dass der freie Markt im Buchhandel und Theaterwesen nicht in erster Linie zur Verbreitung aufgeklärter, patriotischer und künstlerischer Werte in breiteren Bevölkerungskreisen beitrage, sondern egoistischen wirtschaftlichen Interessen diene, die Theater- und Verlagsbranche aufblähe und den Aufschwung der trivialen Unterhaltungskunst befördere.[16] Gleichzeitig forderten sie die Regulierung der Marktbeziehungen durch die Sicherung der Rechte des Autors.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts expandierten in den fortgeschrittenen Ländern und großen Städten Europas die Märkte für hoch-, populär- und massenkulturelle Güter und Leistungen. Der Staat und Gesetzgeber hegte auch die letzteren immer wieder ein; so durch kulturpolitische Kampagnen gegen so genannte triviale Unterhaltungskunst. Auch im 20. Jahrhundert intensivierten Städte und Staaten periodisch ihre Bemühungen zur Bekämpfung von so genannter Schmutzliteratur und schlechten Filmen.[17]
Von der herrschenden Kunstpolitik diskriminiert, bisweilen auch von Justiz und Gerichten verfolgt, wurden Werke von Künstlern, die Aufmerksamkeit am Markt und in der Öffentlichkeit durch Tabubrüche und radikale Innovationen anstrebten, die dem bisherigen Kunstideal widersprachen. In den staatssozialistischen Ländern wurde neben den trivialen Kunstformen insbesondere jene Kunst abgelehnt, die dem Konzept der sozialistischen Erziehung, wie es von der kommunistischen Partei verstanden wurde, nicht entsprach. Das war insbesondere für avantgardistisch arbeitende Künstler verhängnisvoll, traf aber im Zuge der von der Sowjetunion initiierten Formalismus-Kampagne auch Künstler, die sich nicht dem Diktat eines erstarrten und dogmatisierten sozialistischen Realismus unterordnen wollten, wie Bertold Brecht, Fritz Cremer oder Paul Dessau in der DDR.
3. Bürgerliche Öffentlichkeit und Kunstmärkte
Systemübergreifend kam es in der Moderne zu einer politischen und gesellschaftlichen Aufwertung von Kunst. Die Künstler nahmen die Chance wahr, ihren Platz und ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu definieren und sich mehr Macht und Einfluss zu verschaffen. Ein Publikum, das mit ihnen den Glauben an die schöpferische Macht und Orientierungsfunktion der Kunst teilte, unterstützte sie dabei.[18] Ausgehend von der Idee des kreativen, individuellen und unabhängigen Schöpfungsaktes, entwickelten die Künstler Mitte des 19. Jahrhunderts einen besonderen Künstlerhabitus.[19] Die Tätigkeit als Künstler wurde mehr und mehr zu einem bürgerlichen Erwerbszweig.[20] Künstler produzierten einerseits für private und öffentliche Auftraggeber, andererseits für den Kunstmarkt und mussten in jedem Falle dem jeweiligen Publikumsgeschmack entgegenkommen. Sozial gehörten sie im 19. Jahrhundert öfter zu den bessergestellten (klein-)bürgerlichen Kreisen. Als sich im 20. Jahrhundert der Wettbewerb verschärfte und die politischen Bedingungen veränderten, erhofften sich manche Künstler mehr Anerkennung und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen auch von nichtliberalen Systemen.
Die Funktion und der Sinn von Kunst wurden seit dem 19. Jahrhundert immer stärker durch gesellschaftliche und öffentliche Bedürfnisse bestimmt. Als neuer kollektiver Akteur entstand seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert das Publikum, das sich im 19. Jahrhundert sozial und kulturell entlang von Standes- oder Klassenunterschieden etwa in ein aristokratisches und ein bürgerlichen Publikum ausdifferenzierte. Das Publikum schuf neue Beziehungen zu Künstlern und Kunstwerken und setzte sich im Falle weiträumig verbreiteter Werke aus Angehörigen verschiedenster Länder zusammen. Teile des städtischen Bürgertums entwickelten damals einen eigenen Kult der Kunst mit bestimmten Regeln, Rollen und Ritualen, der seit dem späten 19. Jahrhundert periodisch zur Zielscheibe philosophisch oder weltanschaulich motivierter bürgerlicher und linker Kultur- und Kunstkritiker wurde.
Jürgen Osterhammel zeigt anhand des Musikvirtuosen die Einbindung des Künstlers in die bürgerliche Gesellschaft und in den Kunstmarkt sowie die Loslösung vom aristokratischen Dienstherrn oder Mäzen. Während sich auf der einen Seite nationale Musikidiome herausbildeten, etablierte sich auf der anderen ein europäischer Konzertbetrieb, der auf städtischen Opern- und Konzerthäusern basierte und sich auch rasch auf die neo-europäischen Gesellschaften in Übersee ausdehnte. Voraussetzung dafür waren die europaweit ähnlichen Institutionen, Organisationen und Praktiken auf dem Feld der Musik. Diese ermöglichten das internationale Star- und Virtuosensystem, das seinerseits die künstlerische Integration Europas vorantrieb.
Künstler gerieten dadurch aber auch zunehmend in Abhängigkeit vom Publikumserfolg. Nur sehr nachgefragte Autoren und Interpreten konnten sich ein Stück weit von den Erwartungen bestimmter Publikumsgruppen distanzieren. So wurde das bürgerliche Publikum als Träger der öffentlichen Meinung auch Subjekt der Öffentlichkeit.[21] Die bürgerlichen Salons des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts waren nicht nur Orte der gepflegten bürgerlichen Geselligkeit, wo Bürgerliche und Aristokraten ungeachtet ihrer ständischen Herkunft sich unterhielten oder Künstlern zuhörten. Sie waren zugleich Orte der bürgerlichen Öffentlichkeit.
Kunstkenntnis und Kunstausübung wurden Teil des bürgerlichen Habitus und zur Grundlage für die bürgerliche Geselligkeit und Vergesellschaftung. Joachim Eibach macht das am Beispiel der Schubertiade deutlich. Laut Thomas Nipperdey wurden die Künste im 19. Jahrhundert wegen ihrer Funktion im Lebenshaushalt „bürgerlich“.[22] Das emphatische Kunstverständnis war ein wichtiges Element bei der Herausbildung des Bürgertums; zweckfreie Bildung, Selbstkultivierung und Ausbildung der individuellen expressiven und kognitiven Fähigkeiten waren Teil des „bürgerlichen Wertehimmels“.[23] Das offenbart sich auch in der weiten Verbreitung der künstlerischen Betätigung des Bürgers als Dilettant im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert. „Dilettant“ war damals die Bezeichnung für einen Amateur oder Kunstliebhaber. Häufig gingen aus den kleinen Kreisen solcher Musikliebhaber Theater-, Konzert- oder Singvereine hervor. Einzelne davon entwickelten sich zu professionellen Orchestern weiter.[24] Die gesellschaftliche Öffentlichkeit war ein unerlässliches Element des Kunstbetriebs. Dilettant, Künstler und Publikum arbeiteten gemeinsam an der kulturellen Erziehung des Menschen. Der Dilettant wurde erst mit dem aufkommenden Virtuosenkult in den 1840er-Jahren zunehmend negativ konnotiert.
Kunst wurde zugleich vom bürgerlichen Publikum seit Mitte des 19. Jahrhunderts in zunehmendem Maße als Mittel der Distinktion gegenüber anderen sozialen Gruppen genutzt; gegenüber traditionellen höfisch-aristokratischen Kreisen, konfessionellen Milieus, Kleinbürgern, Arbeitern und städtischen Unterschichten. So wurde Musikkonsum im städtischen Konzert- und Opernhaus als Soziabilitätsfaktor, Distinktionsmittel und zwecks politischer Positionierung eingesetzt. Die Absetzung des bürgerlichen Publikums von anderen sozialen Gruppen konnte in bestimmten Kunstbereichen, insbesondere der klassischen Musik, länger aufrechterhalten werden als in anderen.
Die zentrale Rolle, die in den europäischen Metropolen Konzert- und Opernaufführungen bei der Schaffung neuer kommunikativer Räume spielten, arbeitet Sven Oliver Müller heraus. Er weist zugleich auf die Entwicklung eines dichten Netzes von Theatern und Konzerthäusern in europäischen Städten im Laufe des 19. Jahrhunderts hin, die zu Orten der städtischen Selbstdarstellung, bürgerlichen Repräsentation, Soziabilität und Distinktion und der Kultivierung der Gesellschaft wurden. Diese städtischen Kulturorganisationen waren in ganz Europa ähnlich und dank der neuen Verkehrsinfrastrukturen zunehmend vernetzt. Sie nutzten ähnliche Medien und engagierten dieselben Künstler und Kunstensembles. Auf diese Weise kam es im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer Europäisierung der musikalischen Praxis, die sich in einer Angleichung des Repertoires, der Aufführungsformen und der Rezeptionsgewohnheiten ausdrückte. Mitunter fungierten die Opernhäuser aber auch als Bühne für politische Akteure und Nationalbewegungen.
Die Europäisierung der Musik- und Theaterkultur wurde durch die zunehmende Kommerzialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts weiter vorangetrieben. Tobias Becker macht das am Beispiel der Verbreitung von Musical Comedy und Operette in den europäischen Metropolen deutlich. Die Zahl der Unterhaltungstheater stieg am Ende des 19. Jahrhunderts an. Diese versuchten die Marktrisiken durch die Übernahme erfolgreicher Stücke anderer nationaler Herkunft zu minimieren und die Gewinne zu steigern. Die Adaptation der Stücke an die jeweilige nationale Kultur blieb dabei begrenzt, wie Becker am Beispiel des Stückes Schwindelmeier & Co. sehr anschaulich herausstellt. Damit wurde ein Trend eingeleitet, der im 20. Jahrhundert auch für andere Medien der kommerzialisierten Populär- und Massenkultur wegweisend wurde.
Gabriele Clemens nimmt die Interessen und Institutionen in den Blick, die die Entwicklung des europäischen Kunstmarktes vorangetrieben haben. Kunst wurde zu einem Medium der Repräsentation und Geselligkeit der bürgerlichen Eliten und Mittelschichten. In der Industrialisierung und in der Finanzindustrie reich gewordene Wirtschaftsbürger ließen sich von Kunstexperten beraten und erwarben bei Galerien die zu Repräsentationszwecken benötigten Kunstwerke für ihre Stadtvillen und Landhäuser. Der professionelle Kunstmarkt expandierte auch dank der Gründung zahlreicher Museen in den europäischen Staaten und Städten. Die großen und wichtigen Museen übernahmen als Käufer, Expertenorganisation, Orte der Bildung und Geselligkeit sowie Partner reicher bürgerlicher Sammler in einigen Sparten, wie der bildenden Kunst, wichtige Funktionen. Sie wurden spätestens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch Instrumente im internationalen und interkommunalen Standort-Wettbewerb.
Die Spannungen zwischen dem Anspruch auf die Allgemeingültigkeit von Ausdrucksformen und Werten, die sich in der Kunst verkörperten, und einer auf Unterscheidung, Abgrenzung und Machtdemonstration abhebenden Nutzung von Kunstwerken durch das bürgerliche Publikum, manifestierten sich früher oder später auch in den politischen Auseinandersetzungen in und zwischen liberalen, demokratischen und kapitalistischen Klassengesellschaften. In weiten Teilen des industrialisierten und urbanen West-, Süd- und Mitteleuropa organisierte die Arbeiterbewegung, anfangs oft noch im Bündnis mit den demokratischen Handwerkern und Kleinbürgern, den Zugang zu Kunst und Wissenschaft für die so genannten kleinen Leute.
4. Politik und Kunst zwischen Nationalismus und Internationalisierung
Politik, Politiker und Staaten bestimmten die Kunstentwicklung und den sozialen Gebrauch der Kunst im modernen Europa in der einen oder anderen Weise stets maßgeblich mit. Das Spektrum politischen Handelns reichte dabei von der Schaffung von Regeln und Normen, die den Kunstbetrieb ermöglichen und bestimmen, über die Bereitstellung von organisatorischen Strukturen (wie staatlichen Ausbildungseinrichtungen, Ausstellungslokalen und Bühnen, Künstlerförderung und Ankäufe von Werken) bis zur aktiven Intervention in künstlerische Kanons, Inhalte, Formen und Rezeptionsprozesse. Die politikförmige Regulierung und politische Deutung von Kunst bestand auch im Zeitalter der Autonomisierung des künstlerischen Feldes in vielfältigen Formen fort.
Im Folgenden sollen zuerst strukturelle und institutionelle Entwicklungen, die das Verhältnis von Politik und Kunst auf nationaler und internationaler Ebene geprägt haben, erörtert werden. In einem zweiten Teil wenden wir uns ausgehend von den Beiträgen des Bandes den Strategien und Praxisformen zu, mit denen Künstler, Kulturpolitiker, Staaten und Verbände auf diese Entwicklungen reagierten.
Strukturelle und institutionelle Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen Nationalisierung und Internationalisierung
Das Grundmuster für die Politisierung und Nationalisierung der Kunst in der Moderne stammte aus der Französischen Revolution, als sich der neue politische Souverän im Namen des Allgemeinwohls auch zum Gesetzgeber und obersten Hüter und Förderer der Kunst erklärte und das Modell einer etatistischen und liberalen Kulturpolitik schuf. Die Kunstpolitik der Revolution und des anschließenden napoleonischen Kaiserreichs leitete im damals französisch besetzten oder beeinflussten Europa eine institutionelle und rechtliche Neuordnung der Kultur- und Kunstlandschaft ein, insbesondere durch die Säkularisierung der Kunst, die Schaffung von Berufsfreiheit, einer liberalen Kunstöffentlichkeit sowie einer begrenzten, aber rechtlich abgesicherten Kultur- und Unterhaltungsindustrie und eines freien Kunstmarktes. Wegweisend war zudem die flächendeckende Einführung neuer staatlicher Kulturinstitute – wie Museen, häufig gekoppelt mit Zeichen- und Kunstschulen, Konservatorien[25], Archiven und Bibliotheken. Damit wurden Kunst und Kultur einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die künstlerische Ausbildung systematisiert und professionalisiert.
Die Entwicklung der Kunst wurde mit der Entwicklung der nationalen Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft verknüpft. Zwar gab es anfangs noch keine institutionelle oder budgetäre Abgrenzung eines Politikbereichs „Kunstpolitik“, in dem einzelne Sparten bzw. Politikfelder (policies) wie Museums-, Theater-, Bibliotheks- oder Musikpolitik zusammengefasst worden wären. Die Politik orientierte sich indessen in jedem Fall an einer übergreifenden Programmatik oder politischen Strategie, die darauf hinauslief, Kunstkenntnisse, Kunstgüter und den Gebrauch von Kunst und Kultur sowohl professionellen und wirtschaftlichen Kreisen als auch der breiteren Bevölkerung zugänglich zu machen. Die Entwicklung der Kunstpolitik war seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts eng mit bildungspolitischen Bemühungen der europäischen Staaten verbunden. Kunst sollte einen nationalen Bildungs- und Erziehungsauftrag übernehmen. Dazu diente unter anderem das – früher oder später in weiten Teilen Europas übernommene – französische Museumsmodell, das einerseits auf Öffentlichkeit angelegt war und die Volksbildung als seine Hauptaufgabe betrachtete, andererseits aber auch die Autorität von Regierung und Staat festigen und die Staatsbürger mobilisieren und disziplinieren sollte.[26] Die Französische Revolution verschränkte die Kultur- mit der Wirtschaftspolitik. Das Museum sollte breitere Bevölkerungsgruppen für die klassischen und neuen Schönheitsideale, Gebrauchsmuster und Produkte der Qualitätsgüter-Industrien, deren Absatzmärkte nach dem Ende der aristokratischen und höfischen Gesellschaft einbrachen, sensibilisieren.[27] Das kunst- und kulturgeschichtliche Museum diente sowohl der Geschmacksbildung als auch der Gewerbeförderung. Die Pariser Museen wurden zu Vorbildern in weiten Gebieten Europas.[28] Laut James Sheehan knüpfte die Einrichtung der Kunstmuseen in Deutschland ausdrücklich an die französischen Innovationen an, um die Autorität von Regierung und Staat zu festigen.[29]
Nach französischem Vorbild richteten manche europäische Staaten Kultusministerien und staatliche Kunstinstitute für die Verwaltung von Kunstschätzen und Leitung künstlerischer Aufgaben ein, für die bis dahin exklusiv der Monarch zuständig gewesen war. Die staatliche Kunstpolitik erweiterte und spezifizierte nach und nach ihre Aufgaben und Befugnisse und konnte immer größere staatliche Mittel mobilisieren. Anfänglich war es, im Interesse nationaler und lokaler Repräsentation sowie der Volksbildung, vor allem um die Sicherung einer hochwertigen Künstlerausbildung und die Erhaltung und Ausstellung von Kulturgütern im nationalen Interesse gegangen. In den Jahrzehnten um 1900 wurde das Konzept der Kulturpolitik auf die Förderung von Kunst ausgedehnt, die sich grundlegenden bürgerlichen Werten verpflichtete. Durch eine zunehmende Öffnung des Zugangs zu Kunst und Kultur sollten so die bürgerlichen Werte in der Gesellschaft verbreitet und eine „Kultivierung“ des Bürgers und eine „Zivilisierung“ der sozialen Beziehungen ermöglicht werden. Auf diese Weise strebten die Politiker und die gesellschaftlichen Eliten die Integration der Gesellschaft an.
Seit 1900 wurde in Teilen der Arbeiterbewegung der Ruf nach einer besonderen demokratischen und proletarischen Kunst lauter. Nach der Oktoberrevolution in Russland 1917 kam es zu einer Blüte der Avantgardekunst, zu neuen Formen von Kunstvermittlung an Arbeiter, zur Proletkult-Bewegung und zu einer Revolutionierung der traditionellen Kunstinstitutionen. Die russischen Kommunisten wollten den neuen sozialistischen Menschen insbesondere durch seine Heranführung an Kunst schaffen und strebten massive Veränderungen bei der Zusammensetzung des Publikums aller Arten von Kunstveranstaltungen an. Der Bolschewismus war ein kulturelles Gesamtprojekt. Er bediente sich in einer zum Teil illiteraten Gesellschaft aber auch der künstlerischen Medien, um seine politische Mission durchzusetzen.[30] Im Zuge der Stalinisierung wurden diese vielfältigen Tendenzen dann allerdings auf die Doktrin des sozialistischen Realismus reduziert, mit der zugleich die Disziplinierung der Künstler und die Kultivierung der Arbeiter und Bauern vorangetrieben werden sollte. Kunst blieb ein wichtiges Instrument der kommunistischen Propaganda und Politik. Die kommunistischen Politiker glaubten, Kunst und Kultur könnten im wahrsten Sinne die Welt verändern, indem sie den „Neuen Menschen“ und eine neue Gesellschaft schufen. Dieser Enthusiasmus war anfänglich auch in den mittel- und osteuropäischen staatssozialistischen Staaten sichtbar, die im Gefolge des Zweiten Weltkriegs entstanden und Kunst und Künstler für den Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft einsetzten.[31]
Der Staat besaß im 19. Jahrhundert durch die Neuordnung des Kunstbetriebs und seine Anstrengungen im Feld der Repräsentations- und Bildungspolitik die Führungsrolle in der Kunstpolitik; je nach Ort und Zeit im Verbund mit aristokratischen, bildungsbürgerlichen und unternehmerischen Eliten. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts übernahmen dann allerdings die bürgerlichen Eliten in den großen Städte und Metropolen Pionierfunktionen in der Kunst- und Kulturpolitik. Sie führten dabei in innovativer Weise zwei unterschiedliche Traditionslinien der städtischen Kultur und Kunst fort; nämlich erstens die Kunstpolitik der patrizisch-bürgerlichen Stadtrepubliken in den Teilen Europas, die sich in den vergangenen Jahrhunderten der Unterordnung unter einen fürstlichen Flächenstaat oder eine absolutistische Kunstpolitik verweigert oder entzogen hatten (wie in Norditalien, der Schweiz und den Niederlanden); und, zweitens die Kunstpolitik der Residenzstädte weltlicher und geistlicher Fürsten und Könige in weiten Teilen Europas. Seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelten bürgerliche und demokratische Eliten in den rasch wachsenden Städten eine diversifizierte kulturelle Infrastruktur für breite Bevölkerungsschichten, die sie zu Vorreitern für das kulturpolitische Projekt der Kultivierung und Zivilisierung des Bürgers werden ließen. Die dabei entwickelten Initiativen und Modelle der städtischen Kulturpolitik wurden früher oder später auch in die Kulturpolitik des jeweiligen Nationalstaats übernommen.
Manche dieser städtischen Kultureinrichtungen waren ursprünglich durch bürgerliche Vereine oder von Stiftungen gegründet worden, bevor sie im 20. Jahrhundert im Zuge der Demokratisierung der Gesellschaft oder im Gefolge von Inflation und Wirtschaftskrisen, die viele private Kulturinstitute in finanzielle Bedrängnis brachten, von der Stadt übernommen wurden. Die Stadtregierungen und Stadtparlamente rechtfertigten das steigende städtische Engagement mit dem gesellschaftlichen Nutzen von Kunst. Das mündete nach 1918 in die Herausbildung eines regelrechten Kulturkommunalismus in vielen europäischen Staaten.[32]
Der Staat griff seit Beginn der Zwischenkriegszeit viele der kommunalen Initiativen beim Aufbau einer eigenen Kulturpolitik auf. Die Förderung der Kunst durch staatliche Bildungs-, Finanzierungs- und Schutzmaßnahmen diente auch damals noch der Sicherung und Steuerung der nationalen Kultur. In weiten Teilen West- und Mitteleuropas glich der Staat damit auch Defizite des kommerziell motivierten und unternehmerisch organisierten Kulturbetriebs aus.
In manchen noch länger stärker landwirtschaftlich und ländlich geprägten Gebieten im Osten, Südosten und Südwesten Europas dagegen war der private Kultursektor bis ins frühe 20. Jahrhundert vergleichsweise klein gewesen und der Kreis der kulturell, wirtschaftlich und politisch führenden Personen und Gruppen überschaubar geblieben. Nationalistische Demokratien und faschistische Diktaturen bauten dort den staatlichen und privaten Kultursektor nach dem Ersten Weltkrieg mithilfe erheblicher Investitionen und Förderprogramme aus. Später, nach der Befreiung Mittel- und Ostmitteleuropas von der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft, setzten die dortigen Volksdemokratien und kommunistischen Diktaturen die nationale und europäische Tradition der staatlich verfassten Kunst- und Kulturwirtschaft unter neuen ideologischen Vorzeichen fort. Sie entwickelten unter der kommunistischen Parteiherrschaft und im Rahmen der Zentralverwaltungs- und Planwirtschaft ein integrales Kulturstaatsmodell, das einheimische Traditionen und Ansprüche mit den Vorgaben des sowjetischen Modells kombinierte.
Im Westen, Norden und Süden Europas wurde die aktive kulturpolitische Rolle des Staates nach 1945 vielfach durch historische Traditionen und die Notwendigkeit der sozio-kulturellen Integration begründet; seit den 1950er-Jahren auch zunehmend durch das Subsidiaritätsprinzip, wonach der Staat (bzw. die nächsthöhere Instanz, wie heute die Europäische Union gegenüber den Staaten) wichtige Aufgaben übernimmt und mit neutralem Anspruch verwaltet, die vom Markt oder den kleineren politischen Einheiten nur partiell erfüllt werden können.[33] Seit den 1960er-Jahren wurde die staatliche bzw. politikförmige Kunst- und Kulturförderung in westlichen Ländern von den Anhängern einer demokratischen, auf Inklusion und breite Bürgerpartizipation abhebenden und pluralistischen Kunst- und Kulturpolitik ausgebaut.[34] Diese setzte sich sowohl von der exklusiven liberal-elitären Kulturpolitik, die in den liberalen Demokratien eine lange Tradition hatte, ab, als auch von der vom Staat und der herrschenden kommunistischen Partei gesteuerten kulturellen Massenmobilisierung in den Ländern des Ostblocks. Seit den späten 1980er-Jahren geriet sie in den westeuropäischen Ländern allerdings unter den Druck internationaler neoliberaler Strömungen.
Im Osten Europas wurde mit dem Ende des europäischen Kommunismus auch dessen staatliche Kulturpolitik in Frage gestellt. In ganz Europa forderten nun Anhänger einer stärkeren Kommerzialisierung bzw. marktförmigen Regulierung künstlerischer Artefakte und Leistungen die Entstaatlichung der Medien- und Kunstindustrien im europäischen und globalen Maßstab. Es sollten Kosten und staatliche Ausgaben reduziert werden. Kunst sollte verstärkt durch die Zivilgesellschaft, das heißt durch Vereine, Genossenschaften, Stiftungen sowie private Sammler und Mäzene, gefördert werden. Viele hofften, damit europäische Traditionen wiederbeleben zu können, die in den Wirtschaftskrisen, Diktaturen und Kriegen des 20. Jahrhunderts in Europa erheblich geschwächt worden waren,[35] und von manchen nun als nachahmenswerte Besonderheit des US-amerikanischen Kulturlebens angepriesen wurden.
Strategien und Praxisformen der Akteure im künstlerischen Feld
Der Aufbau eines staatlich gelenkten und gesetzlich geregelten Kunstbetriebs sowie die Herausbildung von Nationen und nationalen Kulturpolitiken seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts kollidierte mitunter mit Interessen, Vorstellungen und Strategien derjenigen, die Kunst als grenzüberschreitenden europäischen Prozess begriffen und gestalten wollten. Axel Körner macht am Beispiel Giuseppe Verdis deutlich, auf welche Weise Musik und Theater im 19. Jahrhundert zur Prägung nationaler Gründungsmythen und für die nationale Mobilisierung umgedeutet wurden. Tatsächlich ordnete sich die Oper Nabucco, deren Uraufführung 1842 in Mailand später immer wieder als Ursprung der revolutionären italienischen Nationalbewegung dargestellt wurde, zum Zeitpunkt von Entstehung und Uraufführung nahtlos in die europäische Operntradition ein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte die Oper eine in Europa verbreitete Kunstform dar, die aus grenzüberschreitenden Diskussionen und Verflechtungen im künstlerischen Feld hervorging, bei denen traditionelle Muster mit neuen Entwicklungen gegeneinander abgewogen wurden.[36] Verdi partizipierte an dieser Intertextualität der europäischen Oper. Erst deutlich nach ihrer Entstehung wurden die frühen Opern Verdis und eben Nabucco von der nationalen Bewegung patriotisch umgedeutet und vereinnahmt. Der Künstler nahm – als geschickter Vermarkter seines Werkes und seiner Person – daran tatkräftigen Anteil.
Die transnationale europäische Verflechtung beruhte traditionell auf dem regen Austausch von Kunstwerken und Künstlern zwischen den europäischen Höfen und Städten sowie den verschiedenen Kunstakademien, der sich schon seit der Renaissance herausgebildet hatte. Auf dieser Grundlage hatten sich die Künstler allmählich vom Handwerk emanzipiert und einen eigenen Professionalisierungsprozess in Gang gesetzt.[37] Überregionale und übernationale Mobilität und Offenheit waren für Teile der Künstlerschaft charakteristisch. Gerade erfolgreiche Künstler bewegten sich in einem weiten geografischen Raum. Das betrifft nicht nur deren Reisen zu Stätten künstlerischer Innovation, sondern auch die ideelle Partizipation an europäischen Entwicklungen in der Kunst, die sich ebenfalls auf dem entstehenden Kunstmarkt und in der Ankaufspolitik der Museen niederschlug, die beide übernational ausgerichtet waren.
Im Zeitalter des liberalen Nationalstaats engagierten sich viele Künstler länderübergreifend für Bürger- und Menschenrechte, Gerechtigkeit und Bildung. Mitunter galten sie als die Garanten eines emanzipatorischen europäischen Bürgerideals.[38] Zu ihnen gehörte um 1900 der von Bertrand Tillier vorgestellte französische Kunsthandwerker und Glaskünstler Émile Gallé, der in der Dreyfus-Affäre in Frankreich mit seiner Kunst ausdrücklich Partei für den zu Unrecht wegen Spionage und Landesverrats verurteilten jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus ergriff.[39] Tillier weist darauf hin, dass sich in der so genannten Dreyfus-Affäre Künstler und Intellektuelle aus ganz Europa für Gerechtigkeit, Demokratie und die Republik engagierten.
In Perioden internationaler Spannungen und im Krieg ließen sich Künstler allerdings wiederholt auch für nationalistische Zwecke einspannen, wie Rüdiger vom Bruch anhand des Aufrufs deutscher Künstler und Wissenschaftler im Oktober 1914 deutlich macht. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs „An die Kulturwelt“ gehörten auch Maler wie Max Klinger und Max Liebermann und Theaterregisseure wie Max Reinhardt, die sich bis dahin vom deutschen Kaiser, der alle fortschrittliche Kunst ablehnte, distanziert hatten. Geschickt manipuliert durch die kaiserlich-deutsche Politik, unterzeichneten sie neben vielen anderen renommierten Künstlern und Wissenschaftlern den Aufruf, der als Instrument deutscher Außenpolitik insbesondere in den neutralen Staaten eingesetzt wurde.[40]
In der nationalsozialistischen Diktatur wurde die politische Instrumentalisierung der Kunst massiv vorangetrieben. Thomas Höpel zeigt, wie Kunst und Künstler zu Dienern eines ultranationalistischen, rassistischen und imperialistischen Herrschaftssystems gemacht wurden. Da auch die Nationalsozialisten die Verbindung „deutscher“ Künstler zu internationalen Trends und Diskussionen nie ganz beseitigen konnten, definierten sie „deutsche“ Kunst willkürlich über die Begriffe der Rasse und des Blutes. Sie forderten zugleich, dass sich die Künstler traditionellen ästhetischen Diktaten unterwarfen.
Nationalsozialisten und Faschisten instrumentalisierten Kunst und Kultur auch im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik, wodurch die außenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen gestärkt werden sollten. Laut Falk-Thoralf Günther begründete das deutsch-spanische Kulturabkommen eine gemeinsame Front der faschistischen Staaten. Seit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und nach der Besetzung weiter Teile Europas durch die Wehrmacht sollte die Kunst dann auch den nationalsozialistischen Überlegenheitsanspruch auf dem europäischen Kontinent bzw. im nationalsozialistischen Europa demonstrieren. „Deutsche Kunst“ wurde in den seit 1940 zahlreich geschaffenen deutschen Kulturinstituten im Ausland zu diesem Zweck instrumentalisiert.[41] Im besetzten Polen etwa wurde sie als Werkzeug nationalsozialistischer Hegemonieansprüche eingesetzt und sollte die Germanisierung des okkupierten polnischen Territoriums einleiten.[42]
Kritische Künstler unterschiedlicher nationaler Herkunft, von denen manche von den Nationalsozialisten und Faschisten ins Exil getrieben worden waren, stritten im Zweiten Weltkrieg über das Verhältnis von Kunst und Politik und von Kunst und Gesellschaft im Hinblick auf die große Frage, welche Rolle und Verantwortung Kunst und Künstler beim Wiederaufbau Europas und der Welt nach Kriegsende übernehmen sollten. Helmut Peitsch zeichnet dies anhand der Diskussionen auf dem 27. Kongress des internationalen Schriftstellerverbandes PEN (Poets, Essayists, Novelists) in London im September 1941 nach. Dabei prallten zwei grundlegende Auffassungen aufeinander, die auf die Missachtung grundlegender europäischer Werte durch die Nationalsozialisten und auf die Instrumentalisierung der Kunst für die menschenverachtende NS-Politik unterschiedlich reagierten: einige traten für die uneingeschränkte Autonomie der Kunst ein, andere forderten ein verstärktes politisch-soziales Engagement.
Zur Thematik der Interdependenzen zwischen Nationalisierung und Internationalisierung gehören schließlich auch die Beiträge von Hannes Siegrist und Isabella Löhr über die Bedeutung des Urheberrechts für Künstler, Schriftsteller und Komponisten und über dessen Rolle in der Institutionalisierung nationaler und grenzüberschreitender kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen. Hierbei geht es um die Verrechtlichung der Beziehungen in der Kunst und Kultur. Hannes Siegrist zeichnet den Weg von der Nationalisierung zur Internationalisierung des geistigen Eigentumsrechts im 19. Jahrhundert nach. Die Herausbildung, Expansion und Differenzierung des Buch-, Kunst- und Musikmarktes und die damit einhergehende zunehmende Produktion und Reproduktion literarischer und künstlerischer Werke begründeten die ständige Debatte über die Frage, wem Verfügungs- und Nutzungsrechte über „geistige Werke“ zugeordnet werden sollten. Diese führte zuerst zu Rechtsnormen für einzelne Länder und nationale Kulturkartelle, dann schließlich mit der Berner Übereinkunft 1886 zu einer multilateralen internationalen Regelung für die grenzüberschreitende Kooperation in der Kunst und Kultur. Dieser schlossen sich zunächst vor allem west- und mitteleuropäische Länder an. Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte die Berner Union nach Osteuropa und in immer weitere Teile der Welt. Laut Isabella Löhr präsentierte sich die Berner Union in den Verhandlungen um eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten in den 1930er-Jahren deutlich als europäischer Akteur – und das trotz zunehmender Spannungen und der aggressiven, auf einen neuen Krieg zielenden Politik des nationalsozialistischen Deutschlands.
Im Kalten Krieg spielte die Kunst als Mittel der politischen Repräsentation und Vergemeinschaftung eine wichtige Rolle. Eckhart Gillen zeigt am Beispiel des Wettbewerbs für das Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen 1952/53, wie Kunst damals auch in demokratischen Staaten politischem Einfluss ausgesetzt war. Das geschah in der Regel allerdings subtiler als in den nationalsozialistischen oder den staatssozialistischen Diktaturen, in denen Staat und herrschende Partei den Künstlern ein ästhetisches Diktat aufzwangen. In liberalen und demokratischen Gesellschaften konnte diese Einflussnahme offen kritisiert werden.
Jeannine Harder macht am Beispiel von Ausstellungen polnischer Plakate in den frühen 1950er-Jahren in Ost und West deutlich, dass auch im Kalten Krieg Kunst nicht in jedem Falle der propagandistischen Unterfütterung des Systemgegensatzes diente; und dass dies weder von Seiten der kommunistischen Kulturbürokratien des Ostens noch von Seiten der veröffentlichten Kunstkritik im Westen in jedem Fall gefordert wurde. Obwohl der polnische Staat als Teil des Ostblocks die Doktrin des sozialistischen Realismus seit 1949 implementierte, konnten sich in der Plakatkunst politisch ursprünglich anders konnotierte Ausdrucksformen halten. Und das selbst in den frühen 1950er-Jahren, als der Kalte Krieg mit dem Korea-Krieg in eine heißere Phase geriet.
Anne-Marie Pailhès stellt mit dem Institut für Literatur in Leipzig die Ausbildungseinrichtung für Schriftsteller der DDR vor, die Studierenden, welche aus der Arbeiterklasse ausgewählt wurden, die normativen politischen und ästhetischen Konzepte des kommunistischen Staates bzw. des von der Sowjetunion angeführten Ostblocks vermitteln sollte. Sie sollten systematisch in einen Beruf eingeführt werden, der bis dahin in weiten Teilen Europas nicht für lehr- und lernbar gehalten worden war, um die traditionellen kulturellen Eliten abzulösen. Allerdings gerieten auch manche der in Leipzig fachlich und ideologisch geschulten Schriftsteller früher oder später mit den starren ästhetischen Vorgaben der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in Konflikt; nicht zuletzt weil sie sich auch an internationalen künstlerischen Diskussionen und Entwicklungen beteiligen wollten. Deshalb kam es wiederholt zu Reibungen und Konflikten zwischen der Parteileitung der SED und dem Literaturinstitut. Da sich das Literaturinstitut zudem in die Anstrengungen zur Professionalisierung künstlerischer Tätigkeiten einordnete, die unabhängig von politischen Systemen in weiten Teilen Europas und der Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unternommen wurden, konnte es nach der deutschen Vereinigung unter veränderten Vorzeichen weitergeführt werden.
5. Kunst, Architektur und Stadtentwicklung in der urbanen Gesellschaft
Architektur und Stadtplanung galten bis weit ins 20. Jahrhundert zumindest partiell auch als Künste, jedenfalls wurden sie mit entsprechenden ästhetischen und moralischen Erwartungen verknüpft. In den europäischen Städten spielte der Bau von Konzerthäusern, Theatern, Museen und Bibliotheken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Stadtentwicklung eine herausgehobene Rolle.[43] Während in Deutschland die Debatten über Architektur und Stadtentwicklung häufig am Rande der Kulturpolitik liefen, war die Architektur in der Kulturpolitik Schwedens und USA schon früh ganz zentral.[44] So oder so beobachteten Künstler und Architekten die Veränderungen des städtischen Lebens im Gefolge der Industrialisierung und Urbanisierung. Manche von ihnen reflektierten diesen Wandel mit künstlerischen Mitteln und Ausdrucksformen, andere strebten danach, ihn mitzugestalten, indem sie nach neuen Verbindungen von Kunst, Architektur, Stadtplanung und städtischem Leben suchten. Zusammen mit anderen Akteuren verständigten sie sich über die Stadt als Kultur-, Wirtschafts- und Lebensraum.
Martin Schieder diskutiert im vorliegenden Band am Beispiel der Darstellung von Paris durch den französischen Maler Gustave Caillebotte, wie bildende Künstler, Architekten, Fotografen und Schriftsteller den Wandel der Großstadt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wahrnahmen und darstellten. Ausgangspunkt ist das durch den Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann während des zweiten Kaiserreichs (1853–1870) umgestaltete Paris, das zum Vorbild für andere französische und europäische Großstädte wurde und Künstler, Architekten, Publizisten und Wissenschaftler veranlasste, über die räumliche und soziale Erfahrung der umgestalteten modernen Großstadt, die Vermischung von Öffentlichem und Privatem, von geordneter Stadtstruktur und neuer Unübersichtlichkeit, von entstehender Massengesellschaft und gleichzeitiger Anonymität und Vereinzelung zu reflektieren.
Der Städteumbau im Gefolge von Haussmann löste in manchen europäischen Gebieten zwar eine ganze Reihe der Probleme, die im Zuge der Industrialisierung und einer vielerorts wenig geplanten Stadtexpansion entstanden waren. Die hygienischen Verhältnisse und die Verkehrsverhältnisse verbesserten sich, doch die sozialen Probleme in den Städten blieben akut. Wie moderne Architekten, die sich nun stärker als Ingenieure und Stadtplaner verstanden und die Künste unter dem Schirm der Architektur zusammenführen wollten, dagegen vorgingen, zeigt Eli Rubin am Beispiel der wesentlich von Le Corbusier verfassten „Charta von Athen“, in der die vom Congrès International d'Architecture Moderne (CIAM, Internationaler Kongress für neues Bauen) entwickelte Vision einer sauberen, gesunden, sozial durchmischten und dadurch auch moralisch besseren Stadt zusammengefasst wurde.
Thomas Höpel zeigt in seinem Beitrag über die Politik der städtischen Regeneration (Urban Regeneration) seit den 1980er-Jahren anhand der englischen Stadt Birmingham, wie Kunst und Architektur dann im späten 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der in die Krise geratenen alten Industriestädte übernehmen sollten. Die Stadt Birmingham orientierte sich dabei wiederum an Modellen anderer europäischer und nordamerikanischer Städte und entwickelte neue Leitbilder, spartenübergreifende administrative Strukturen, Kultureinrichtungen und künstlerische Events.
Daniel Habit macht schließlich in seinem Beitrag über die EU-Kulturinitiative „Kulturhauptstadt Europas“ deutlich, wie städtische Kunst und Kultur eine Symbol- und Integrationsfunktion für Europa übernehmen sollten und zugleich als Motor innerstädtischer Bau- und Infrastrukturprojekte dienten, mit denen sich die Städte angesichts einer zunehmenden internationalen Städtekonkurrenz neu positionierten. Das Konzept der Europäischen Union von der Einheit in der Vielfalt sollte kulturpolitisch mithilfe der Auswahl typischer und vorbildlicher Städte dargestellt werden, um so die europäische Annäherung zu fördern. Der europäische Stadtraum wurde als Kulturraum stilisiert und als Projektionsfläche für europäische Gemeinsamkeiten und Vernetzungen genutzt. Die europäische Kulturhauptstadt blieb in allen Kulturkonzepten der Europäischen Union ein zentraler Bestandteil. Hintergrund dafür war das Ziel, der ursprünglich als Wirtschaftsunion konzipierten Europäischen Gemeinschaft mehr Attraktivität in der breiten Bevölkerung und Ausstrahlung nach außen zu verschaffen.[45]
6. Ausblick
In der Gesamtschau legen die Beiträge die Wechselwirkungen von Kunst, Politik und Gesellschaft in der Moderne offen, und sie weisen auf Konjunkturen des politischen und sozialen Gebrauchs von Kunst in Europa hin. Sie zeigen, dass nationale und lokale Kulturpolitiken an internationale Entwicklungen und Diskurse anschlossen; dass für viele Fragen, insbesondere jene, die den Kunstmarkt und die geistigen Eigentumsrechte betrafen, schon früh europäische Regelungen gefunden werden mussten; und dass spätestens im 20. Jahrhundert auch eine Positionierung angesichts der zunehmenden Globalisierung erfolgte. Gerade aufgrund der letzten Herausforderung wurden europäische Interessen vermehrt gemeinsam artikuliert. Wie sehr Kunst auch an der Wende zum 21. Jahrhundert als politisches Instrument für die kulturelle Vergesellschaftung genutzt wird, zeigen die Versuche der Europäischen Union, Identifikation über Kultur und Kunst zu stiften, oder soziale und wirtschaftliche Probleme in den europäischen Städten mit Hilfe von Kultur- und Kunstprojekten zu mildern und auszutarieren, wie dies mit Hilfe der EU-Kulturförderung über Strukturfonds und Regionalpolitik in den 1990er-Jahren geschah.[46]
Europa ist in den letzten zwei Jahrhunderten trotz zeitweiliger und vielfältiger Behinderungen ein kultureller Handlungsraum geblieben, in dem regional und national spezifische Entwicklungen und Institutionen auf unterschiedliche inter- und transnationale Leitbilder und Modelle trafen. Das führte zu vielgestaltigen, mitunter ungleichzeitigen Entwicklungen in Europa, eröffnete aber zugleich auch Raum für Transfers, Wechselwirkungen und Austauschprozesse zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften und Regionen. Der sich daraus ergebende sozial, regional, national und kulturell differenzierte Diskurs- und Handlungsraum ist über die Entwicklung und Verbreitung von künstlerischen Leitbildern, die Zuweisung von symbolischen, gesellschaftlichen und politischen Rollen von Kunst, die Definition von Inklusions- und Exklusionsmechanismen und die Institutionalisierung von Kunstvereinen, Künstlerverbänden, städtischen, staatlichen und europäischen Kunsteinrichtungen und Kunstinstitutionen historisch wirksam geworden.
[1] Die Druckversion des Artikels findet sich in: Thomas Höpel / Hannes Siegrist (Hg.): Kunst, Politik und Gesellschaft in Europa seit dem 19. Jahrhundert, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2017.
[2] Vgl. Middell, Matthias, The Invention of the European, Leipzig 2016 (zugl. Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung 25 (2015), H. 5/6); Kaelble, Hartmut, Europäisierung, in: Middell, Matthias (Hg.), Dimensionen der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, Leipzig 2007, S. 73–89 ; Eberhard, Winfried; Lübke, Christian (Hgg.), Die Vielfalt Europas. Identitäten und Räume, Leipzig 2009; Hohls, Rüdiger; Schröder, Iris; Siegrist, Hannes (Hgg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Stuttgart 2005; von Hirschhausen, Ulrike; Patel, Kiran Klaus, Europäisierung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 29.11.2010, URL: (13.06.2017). Vgl. die einschlägigen Beiträge auf dem Themenportal Europäische Geschichte (http://www.europa.clio-online.de/) sowie die transkulturelle Geschichte Europas „Europäische Geschichte Online“, die Europa als Kommunikations- und Transferraum thematisiert, dessen Grenzen, Zentren und Peripherien als Ergebnis der Verständigung über das „Europäische“ im Laufe der Geschichte variabel waren, URL: (12.06.2016).
[3] Vgl. zur Methode des Vergleichs: Kaelble, Hartmut, Historischer Vergleich, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 14.8.2012, URL: (12.06.2017); Siegrist, Hannes, Perspektiven der vergleichenden Geschichtswissenschaft. Gesellschaft, Kultur und Raum, in: Kaelble, Hartmut; Schriewer, Jürgen (Hgg.), Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main u.a. 2003, S. 263–297; Haupt, Heinz-Gerhard; Kocka, Jürgen (Hgg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main 1996.
[4] Vgl. zum Ansatz des Kulturtransfers: Middell, Matthias, Kulturtransfer, Transferts culturels, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 28.1.2016, URL: (12.06.2017); Kaelble; Schriewer, Vergleich und Transfer.
[5] Vgl. Bourdieu, Pierre, Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main 2001; ders., Einführung in die Soziologie des Kunstwerks, in: Jurt, Joseph (Hg.), Pierre Bourdieu, Freiburg 2007, S. 130–145; Becker, Howard S., Kunst als kollektives Handeln, in: Gerhards, Jürgen (Hg.), Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten, Opladen 1997, S. 23–40; Müller-Jentsch, Walther, Die Kunst in der Gesellschaft, Wiesbaden 2011. Als knappe wissenschaftsgeschichtliche Einführung nützlich: Danko, Dagmar, Kunstsoziologie, Bielefeld 2012.
[6] Vgl. Löhr, Isabella; Middell, Matthias; Siegrist, Hannes (Hgg.) Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart 2012 (Band 2 der vorliegenden Reihe Europäische Geschichte in Quellen und Essays, mit Beispielen aus verschiedenen künstlerischen Sparten und Ländern); Ruppert, Wolfgang, Der moderne Künstler, Frankfurt am Main 1998; Frevert, Ute, Der Künstler, in: dies.; Haupt, Heinz-Gerhard, Der Mensch des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1999, S. 292–323; Trebesius, Dorothea, Komponieren als Beruf. Frankreich und die DDR im Vergleich (1950–1980), Göttingen 2012; Parr, Rolf (unter Mitarbeit von Jörg Schönert), Autorschaft. Eine kurze Sozialgeschichte der literarischen Intelligenz in Deutschland zwischen 1860 und 1930, Heidelberg 2008; Belting, Hans, Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst, München 1998; Reckwitz, Andreas, Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung, Berlin 2012.
[7] Vgl. mit weiterführenden Angaben Siegrist, Hannes, Professionelle Autonomie in der modernen Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur. Einführung, in: Siegrist, Hannes; Müller, Dietmar (Hgg.), Professionen, Eigentum und Staat. Europäische Entwicklungen im Vergleich – 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2014, S. 15–38.
[8] Vgl. zu Cultural Governance: Knoblich, Tobias J.; Scheydt, Oliver, Zur Begründung von Cultural Governance, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2009), H. 8, URL: (12.06.20167.
[9] Charle, Christophe, La dérégulation culturelle. Essai d’histoire des cultures en Europa au 19e siècle, Paris 2015.
[10] Vgl. Volkerling, Michael, Deconstructing the Difference-Engine: A Theory of Cultural Policy, in: European Journal of Cultural Policy 2 (1996), H. 2, S. 189–212, hier S. 191; Gray, Clive, Comparing Cultural Policy: A Reformulation, in: European Journal of Cultural Policy 2 (1996), H. 2, S. 213–222, hier S. 215.; von Beyme, Klaus, Kulturpolitik zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Autonomie, in: ders., Kulturpolitik und nationale Identität, Opladen 1998, S. 9–35.
[11] Vgl. dazu u.a. Urfalino, Philippe, L’histoire de la politique culturelle, in: Rioux, Jean-Pierre; Sirinelli, Jean François (Hgg.), Pour une histoire culturelle, Paris 1997, S. 311–324; ders., L’invention de la politique culturelle, Paris 1996; Dubois, Vincent, La politique culturelle. Genèse d’une catégorie d’intervention publique, Paris 1999.
[12] Vgl. Siegrist, Hannes, Die Regulierung kultureller Beziehungen im Zeitalter des geistigen Eigentums, in: Zeitschrift für Geistiges Eigentum / Intellectual Property Journal 6 (2014), H. 2, S. 1–33; ders., Geschichte des geistigen Eigentums und der Urheberrechte. Kulturelle Handlungsrechte in der Moderne, in: Hofmann, Jeanette (Hg.), Wissen und Eigentum. Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter, Bonn 2006, S. 64–80, URL: (28.06.2016); Löhr, Isabella, Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte. Neue Strukturen internationaler Zusammenarbeit 1886–1952, Göttingen 2010; Löhr, Isabella, Rehling, Andrea (Hgg.), Global Commons im 20. Jahrhundert: Entwürfe für eine globale Welt (= Jahrbuch des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 15), München 2014. Für Quellen und Essays zum geistigen Eigentum und Copyright in Europa vgl. (12.06.2017).
[13] Vgl. Rosa, Hartmut, Wettbewerb als Interaktionsmodus. Kulturelle und sozialstrukturelle Konsequenzen der Konkurrenzgesellschaft, in: Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaften 34 (2006), H. 1, S. 82–104; Tauschek, Markus (Hg.), Kulturen des Wettbewerb. Formationen kompetitiver Logiken, Münster u.a. 2013.
[14] Vgl. Scholz, Juliane, Der Drehbuchautor. USA – Deutschland. Ein historischer Vergleich, Bielefeld 2016.
[15] Vgl. Siegrist, Hannes, Der Wandel des Urheberrechts im langen 20. Jahrhundert, in: Götz von Olenhusen, Irmtraud und Albrecht (Hgg.), Von Goethe zu Google. Geistiges Eigentum in drei Jahrhunderten, Düsseldorf 2011, S. 31–52.
[16] Vgl. Hesse, Carla, Publishing and Cultural Politics in Revolutionary Paris, 1789–1810, Berkeley u.a. 1991; Hillmer, Rüdiger, Die napoleonische Theaterpolitik. Geschäftstheater in Paris 1799–1815, Köln 1999.
[17] Höpel, Thomas, Demokratisierung von Kultur und Kulturpolitik in Leipzig und Lyon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Höpel, Thomas; Sammler, Steffen (Hgg.), Kulturpolitik und Stadtkultur in Leipzig und Lyon (18.–20. Jahrhundert), Leipzig 2004, S. 139–170; Maase, Kaspar, Grenzenloses Vergnügen. Der Aufstieg der Massenkultur 1850–1970, Frankfurt am Main 1997, S. 155–178.
[18] Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 362.
[19] Ruppert, Der moderne Künstler, S. 27. Zum Habitus-Begriff allgemein vgl. Bourdieu, Pierre, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 111999, S. 585; McClelland, Charles, Prophets, Paupers, or Professionals? A Social History of Everyday Visual Artists in Modern Germany, 1850–Present, Bern u.a. 2003.
[20] Frevert, Der Künstler, S. 308–311.
[21] Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt am Main 1990, S. 55.
[22] Nipperdey, Thomas, Kommentar: ‚Bürgerlich‘ als Kultur, in: Kocka, Jürgen (Hg.), Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987, S. 143–148, hier S. 147; Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800–1866, Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 533–587.
[23] Hettling, Manfred; Hoffmann, Stefan-Ludwig (Hgg.), Der bürgerliche Wertehimmel. Innenansichten des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2000; grundlegend Kocka, Jürgen (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, 3 Bde., München 1988.
[24] Schulz, Andreas, Der Künstler im Bürger. Dilettanten im 19. Jahrhundert, in: Hein, Dieter; Schulz, Andreas (Hgg.), Bürgerkultur im 19. Jahrhundert: Bildung, Kunst und Lebenswelt, München 1996, S. 34–52, hier S. 35.
[25] Anders als bei den Zeichen- und Kunstschulen konnten die Pläne zu einer breiten Schaffung von Konservatorien in der französischen Provinz während der Revolution nicht umgesetzt werden. Das erste Konservatorium außerhalb von Paris entstand erst 1816 in Lille gefolgt von Gründungen in anderen französischen Städten. Vgl. Maurat, Edmond, L’enseignement de la musique en France et les conservatoires de province, in: Encyclopédie de la musique et dictionnaire du conservatoire, 2. Teil, Bd. 6, Paris 1931, S. 3576–3616, hier S. 3581ff.
[26] Desvallées, André, Konvergenzen und Divergenzen am Ursprung der französischen Museen, in: Fliedl, Gottfried (Hg.), Die Erfindung des Museums. Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution, Wien 1996, S. 65–130, hier S.123f.; Sheehan, James, Geschichte der deutschen Kunstmuseen. Von der fürstlichen Kunstkammer bis zur modernen Sammlung, München 2002, S. 82.
[27] Cleve, Ingeborg, Der Louvre als Tempel des Geschmacks. Französische Museumspolitik um 1800 zwischen kultureller und ökonomischer Hegemonie, in: Fliedl (Hg.), Die Erfindung des Museums, S. 26–64.
[28] Cleve, Ingeborg, Geschmack, Kunst und Konsum. Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und Württemberg (1805–1845), Göttingen 1996, S. 346.
[29] Sheehan, Geschichte der deutschen Kunstmuseen, S. 72f , 82.
[30] Read, Christopher, Krupskaya, Proletkul’t and the Origins of Soviet Cultural Policy, in: International Journal of Cultural Policy 12 (2006), H. 3, S. 245–255; Beyrau, Dietrich, Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sowjetunion 1917–1985, Göttingen 1993; Beyrau, Dietrich (Hg.), Im Dschungel der Macht. Intellektuelle Professionen unter Stalin und Hitler, Göttingen 2000.
[31] Vgl. Höpel, Thomas, Kulturpolitik in Europa im 20. Jahrhundert. Metropolen als Akteure und Orte der Innovation, Göttingen 2017.
[32] Vgl. Höpel, Thomas, Von der Kunst- zur Kulturpolitik. Städtische Kulturpolitik in Deutschland und Frankreich 1918–1939, Stuttgart 2007.
[33] Vgl. Braun, Eckhard, Prinzipien öffentlicher Kunstförderung in Deutschland, Essen 2013.
[34] Vgl. Höpel, Thomas, Städtische Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 1989: Unterschiede und Gemeinsamkeiten im europäischen Vergleich, in: Ditt, Karl; Obergassel, Cordula (Hgg.), Vom Bildungsideal zum Standortfaktor. Städtische Kultur und Kulturpolitik in der Bundesrepublik, Paderborn 2012, S. 365–395.
[35] Kocka, Jürgen; Frey, Manuel, Bürgerkultur und Mäzenatentum im 19. Jahrhundert, Berlin 1998; Adam, Thomas (Hg.), Philanthropy, Patronage, and Civil Society: Experiences from Germany, Great Britain, and North America, Bloomington 2004.
[36] Müller, Guido, Das Bild des Anderen in der deutschen und französischen Opernentwicklung 1770–1850, in: Höpel, Thomas (Hg.), Deutschlandbilder – Frankreichbilder 1700–1850. Rezeption und Abgrenzung zweier Kulturen, Leipzig 2001, S. 255–269.
[37] Vgl. Ruppert, Der moderne Künstler; Löhr; Middell; Siegrist, Kultur und Beruf in Europa.
[38] Hein, Dieter, Bürgerliches Künstlertum. Zum Verhältnis von Künstlern und Bürgern auf dem Weg in die Moderne, in: Hein, Dieter; Schulz, Andreas (Hgg.), Bürgerkultur im 19. Jahrhundert: Bildung, Kunst und Lebenswelt, München 1996, S. 102–117, hier S. 103, 113, 115.
[39] Zur Dreyfus-Affäre vgl. Kotowski, Elke-Vera, Der Fall Dreyfus und die Folgen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, (2007), H. 50, URL: (12.06.2017).
[40] Trommler, Frank, Kulturmacht ohne Kompass. Deutsche auswärtige Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert, Köln u.a. 2014, S. 279–281, 321–325.
[41] Michels, Eckhard, Die deutschen Kulturinstitute im besetzten Europa, in: Benz, Wolfgang, et al. (Hgg.), Kultur – Propaganda – Öffentlichkeit, Berlin 1998, S. 11–33.
[42] Höpel, Thomas, Kulturpolitik als Werkzeug nationalsozialistischer Hegemonie und Germanisierung im Generalgouvernement, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 61 (2015), H. 2, S. 146–166.
[43] vgl. Höpel, Städtische Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland.
[44] Beyme, Klaus von, Kulturpolitik und nationale Identität, Opladen 1998, S. 7, 11f.
[45] Vgl. zur europäischen Integration Hohls, Rüdiger; Kaelble, Hartmut (Hg.) Geschichte der europäischen Integration bis 1989, Stuttgart 2016 (Reihe Europäische Geschichte in Quellen und Essays, Bd. 1).
[46] Vgl. Höpel, Thomas, Geschichte der Kulturpolitik in Europa. Vom nationalen zum europäischen Modell, in: Middell, Matthias (Hg.), Dimensionen der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, Leipzig 2007, S. 184–205.