Essays/

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  • von Anna Corsten

    Bereits unmittelbar nach Kriegsende nutzten deutsche Politiker:innen Deutungen über die Schuld und Verantwortung am NS-Regime und den begangenen Massenverbrechen, um die eigenen Vorhaben vor der Bevölkerung und den Besatzungsmächten zu legitimieren. Während der angespannten Versorgungslage, insbesondere in der Hungerkatastrophe 1946 und 1947, verfolgten sie auf diese Weise das Ziel, gegenüber den Besatzungsmächten an Autorität und Handlungsspielräumen zu gewinnen. Eine Verantwortung für das NS-Regime und sein 12-jähriges Bestehen schrieben sie insbesondere den Alliierten zu. Die deutsche Bevölkerung stellten sie dagegen als Opfer dar.

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Detlef Lehnert

    „Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie“ wurden mit einem die Hintergründe – gerade auch der russischen Revolutionen – wesentlich aus unterschiedlichen agrargesellschaftlichen Strukturen erklärenden Ansatz thematisiert. Dass 1917 mit dem Kriegseintritt der USA und dem russischen Revolutionsgeschehen eine bis um 1990 ausstrahlende westlich/östliche Weltkonstellation grundformiert war, ist seither immer wieder betont worden. An das bevorstehende Jahrhundert-Jubiläum der Weimarer Nationalversammlung und ihres Verfassungswerks 1919 wird sicher auch in breiterer Öffentlichkeit noch intensiv zu erinnern sein. [...]

  • von Heinrich Lang

    Niccolò Machiavelli gilt als kühl argumentierender Begründer politischer Rationalität, die zweckorientiert und ohne moralische Schranken operiert. Ein skrupellos nach Macht strebender Herrscher erscheint insofern als ideale Ausgeburt des Machiavellismus. Daher sind wir es gewohnt, Machiavelli durch die Brille der polarisierten Rezeption seines „Fürsten“ zu sehen, also in schroffer Ablehnung eines Anti-Machiavel, in Anerkennung seines politikwissenschaftlichen Realismus oder in Seminaren für Manager. Aber die kritische Lektüre des Textes selbst, bei der wir den „Fürsten“ in seinen historischen Kontext einfügen, zeigt Niccolò Machiavelli nicht nur in anderem Licht. Vielmehr eröffnet sie dann auch die Möglichkeit des diachronen Vergleichs von gegenläufigen Entwicklungen, die wir einerseits der Vormoderne, andererseits der Postmoderne zuschreiben. [...]

  • von Ulrich Pfeil

    Die Untersuchung des Französischunterrichts in der DDR bietet vor allem einen Blick auf das „System“. Er ermöglicht die Wahrnehmung des Entwicklungsprozesses der Legitimierungstheorien, sagt aber wenig über die gesellschaftlichen Modelle der Transformation von Versuchen politischer Legitimierung aus. Der diktaturgeschichtliche Ansatz umfasst dementsprechend nur einen Teil der Herrschaftsgeschichte der DDR, und auch für die Unterrichtung von Fremdsprachen muss das Feld erweitert und sowohl Mentalitäts- als auch Sozialgeschichte einbezogen werden. Vor allem in den Nachkriegsjahren praktizierten viele Lehrer abweichende Unterrichtsformen, als Reaktion auf die ideologisch geprägten Zielvorgaben der Bildungsverantwortlichen in der SED. Französischlehrer waren mit grundlegenden Widersprüchen des Frankreichbildes konfrontiert.[...]

  • von Adelheid von Saldern

    „This is the time of all others when democracy should prove its purity and its spiritual power to prevail. It is surely the manifest destiny of the United States to lead in the attempt to make this spirit prevail.” Diese Worte aus dem Munde des Präsidenten Woodrow Wilson (1920) signalisierten den Führungsanspruch der USA, der Demokratie überall zum Durchbruch zu verhelfen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die USA nicht nur eine wirtschaftliche und ökonomische, sondern auch eine politische Weltmachtstellung erreicht, die solchen Bestrebungen eine Realitätsgrundlage gaben. Der Hinweis auf „manifest destiny” zeigt, dass Wilson großen Wert darauf legte, die neuen Handlungsoptionen an die alten klassischen Werte der amerikanischen Nation anzubinden. [...]