Essays/

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  • von Dorothea Trebesius und Hannes Siegrist

    Im Jahr 1928 korrespondierten der Verleger Gustav Rost (1893–1934) vom Leipziger J. C. Hinrichs Verlag und Fritz Lieb (1892–1970), Privatdozent der Theologie aus Basel, intensiv über die Gründung einer Zeitschrift. Diese sollte nach dem Willen des zukünftigen Herausgebers das gegenseitige Verständnis zwischen westlichem und östlichem Kulturkreis befördern und der ökumenischen Einheit der christlichen Welt dienen. Die erste Nummer der Zeitschrift erschien 1929 unter dem Namen Orient und Occident. Blätter für Theologie, Ethik und Soziologie.[...]

  • von Sebastian Haumann

    Zwischen den 1960er- und den 1980er-Jahren wandelten sich die Prämissen der westeuropäischen Stadtplanung grundlegend. Galten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Flächensanierung von Altbauquartieren, der Bau von Groß-siedlungen und eine strikte Funktionstrennung als geeignete Maßnahmen, um die Lebensqualität zu verbessern, setzte sich ab den 1960er-Jahren das Leitbild einer erhaltenden Erneuerung und der Durchmischung durch [...]

  • von Ulf Brunnbauer

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. [...]

  • von Anette Schlimm

    Vom 17. bis zum 20. Oktober 1909 tagte in Paris der erste internationale Landschaftsschutzkongress (Congrès International pour la Protection des Paysages), oder, wie er von den deutschen Teilnehmern genannt wurde: der erste „internationale Heimatschutzkongreß“. Auf Einladung der französischen Société pour la Protection des Paysages trafen sich vier Tage lang Vertreter verschiedener europäischer Vereinigungen, die sich der Traditions- und Landschaftsbewahrung verschrieben hatten. Sie berichteten einander über die Probleme und Erfolge in ihren jeweiligen Herkunftsländern, tauschten sich aus und knüpften Kontakte. Bereits drei Jahre später, im Juni 1912, fand ein erneuter Kongress dieser Art statt, diesmal auf Einladung des deutschen Bundes Heimatschutz. Man tagte wiederum vier Tage, nun in Stuttgart, und es waren nicht nur Vertreter der verschiedenen europäischen Verbände angereist, sondern auch Abgesandte der nationalen Regierungen. [...]

  • von Detlef Siegfried

    Eine der vielen Analysen des Konsumverhaltens, wie sie der kombinierte Aufstieg von Massenkonsum und empirischer Sozialforschung in den 1960er-Jahren hervorbrachte, widmete sich unter anderem dem Gebrauch von Schönheitsmitteln im europäischen Vergleich. Wie so häufig wurde auch diese Konsumstudie von einer Zeitschrift in Auftrag gegeben, um gezielter Werbeanzeigen akquirieren zu können. Da es hier um das Kerngeschäft der Kunden ging, war Verlässlichkeit wichtig, sodass derartige Studien, durchgeführt von etablierten Meinungsforschungsinstituten, in der Regel keine Reliabilitätsprobleme aufwiesen. Wie die großen Untersuchungen etwa im Auftrag des Spiegel oder der BRAVO erfassten sie zumeist das Konsumverhalten im nationalen Maßstab, da nahezu alle Publikumszeitschriften an den Grenzen ihrer Länder endeten. [...]

  • von Harald Homann und Verena Ott

    Im Zuge der Ausprägung kultur- und alltagshistorischer Fragestellungen, darauf hat Hannes Siegrist aufmerksam gemacht, wird auch die Geschichte des Konsums zunehmend auf der Ebene der dazugehörigen Aneignungs- und Deutungsprozesse untersucht. War der Konsum ursprünglich eher ein Thema der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung, werden seither auch deutungsorientierte Fragestellungen und Probleme der kulturellen Repräsentation durch Konsum, wie sie in den Sozialwissenschaften prominent sind, in die historische Forschung einbezogen. Je länger und intensiver unter dieser Perspektive geforscht wird, desto deutlicher wird, dass in modernen Gesellschaften die soziale Wirklichkeit einer permanenten Aushandlung unterliegt. Das gilt auch und gerade für den modernen Konsum. [...]

  • von Alexandra Przyrembel

    Bei Die Lage der arbeitenden Klasse in England von Friedrich Engels (1820-1895), 1845 erschienen, handelt es sich um eine mehrere hundert Seiten lange Schrift, in welchem die Arbeits- und Lebensbedingungen des britischen Proletariats von Manchester über London bis nach Edinburgh beschrieben werden. Seine Bilanz der Notlage umfasst neben der Schilderung der städtischen Armut und der irischen Einwanderung auch die »Stellung der Bourgeoisie zum Proletariat«, so der Titel des letzten Kapitels. Von dem Kommunisten Wlademir Lenin (1870-1924) als ein »hinreißend geschriebene[s] Buch« bezeichnet, das die »überzeugendsten und erschütterndsten Bilder vom Elend des englischen Proletariats« entwerfe, kann Engels‘ Schrift zu Recht als ein Klassiker der Arbeiterliteratur gelten.[...]

  • von Stefanie Bietz

    1892 informierte ein Beitrag der Zeitschrift Aus allen Welttheilen die Leserinnen und Leser über die erste Einfuhr des Mahagoniholzes durch bürgerliche Kreise nach Europa. Die Erzählung des Artikels, dass dieses Überseeholz erstmals zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach England importiert und als Möbelholz verwendet worden sei, ist allerdings anhand historischer Dokumente nicht belegbar. [...]

  • von Petar Dragisic

    Die wirtschaftliche Stagnation in Jugoslawien in den 1960er und 1970er Jahren wirkte sich negativ auf die Situation auf dem jugoslawischen Arbeitsmarkt aus. Im Jahr 1980 waren rund 800.000 Jugoslawen auf Stellensuche. Der Druck auf den jugoslawischen Arbeitsmarkt in den 1960er und 1970er Jahren sowie der im Vergleich zu Westeuropa niedrigere Lebensstandard trieben Hunderttausende Jugoslawen in die Emigration. Die überwiegende Mehrheit der jugoslawischen Arbeitsmigranten ging damals nach Westeuropa. Diese Emigration erreichte ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. [...]

  • von Noyan Dinckal

    Mit dem Folgenden Essay möchte ich am Beispiel Osmanischer Städte um 1900 versuchen zu zeigen, dass städtische Infrastrukturen einen wichtigen Aspekt in der materiellen und diskursiven Konstruktion Europas darstellten. Dabei gehe ich von der Ausgangshypothese aus, dass Infrastrukturen nicht lediglich als eine quasi naturgesetzlich erfolgende Reaktion auf Sachzwänge begriffen werden können. Sie waren immer auch wirkungsmächtige Symbole für das Leitbild „Modernität“ sowie Bestandteil und Ausdruck einer Suche nach einem neuen urbanen Selbstverständnis und seiner Repräsentation nach außen. Stadttechnik und Infrastruktur wurden in den Osmanischen Städten nicht nur durch ihren sichtbaren Ausdruck, etwa in der Architektur und im Städtebau, sondern auch durch die Veränderung der Lebenswelten zu einem wichtigen Teil der urbanen Kultur und Identität, als dessen Orientierungspunkte europäische Metropolen wie Wien, London und vor allem Paris dienten.

  • von Marc Schalenberg

    Dass die 1990 neu formierte Bundesrepublik Deutschland bald als „Berliner Republik“ tituliert wurde, ist angesichts des Hauptstadtbeschlusses und der auf allen Ebenen stark wachsenden nationalen wie internationalen Aufmerksamkeit für die mit Abstand größte deutsche Stadt kaum verwunderlich. Die ausgiebigen und mitunter emotional geführten Debatten um eine angemessene Erinnerungspolitik und Zukunftsvisionen fanden, nachgerade unvermeidlich, ihren greifbaren Niederschlag in städtebaulichen Gestaltungsvorschlägen. Die in Aussicht genommenen und durchgeführten Maßnahmen reichten dabei weit über den Umgang mit einzelnen Symbolbauten (Palast der Republik/Stadtschloß bzw. Humboldt-Forum, ehem. Reichsluftfahrtministerium, Tränenpalast, etc.) hinaus. Mit der Verabschiedung des „Planwerk Innenstadt“ im Mai 1999 wurde seitens des Berliner Senats ein Masterplan für ein Gebiet von rund 40 Quadratkilometern mit dem Anspruch auf Kohärenz, historische Verankerung, aber auch Zukunftsoffenheit vorgelegt. [...]

  • von Gunilla-Friederike Budde

    Als im Jahr 1875 die beiden Bankierssöhne Isaak und Laurence Currie begannen, ein Bücherregal aus Mahagoni in ein Puppenhaus zu verwandeln, ahnten sie nicht, welche Dimensionen ihr „Projekt“ wenige Jahre später annehmen sollte. Innerhalb von sechs Jahren entstand daraus ein dreigeschossiges Herrenhaus mit 15 Zimmern, drei Meter lang, zwei Meter hoch, 50 Zentimeter tief. Um es stilvoll zu gestalten, trugen die beiden Jungen 1100 Einzelteile zusammen, darunter 52 Puppen und mehr als 150 winzige Bilder, Spiegel, Möbel, Kandelaber, Photoalben und Bücher. Alle diese Wohnaccessoires wurden wohl überlegt erworben und in die einzelnen Räume des „doll house“ platziert. Jedes Zimmer hatte seine eigene Farbgebung, ausstaffiert mit Tapeten und Teppichen unterschiedlichsten Designs. Auf diese Weise entstand eine viktorianische Welt im Kleinen, ein Panoptikum der englischen upper middle class, die sich als Quelle zur europäischen Bürgertumsgeschichte mit unterschiedlichen Akzentuierungen nutzen lässt. [...]

  • von Jörg Baberowski

    Vjaceslav Michajlovic Molotov (1890-1986) war im Jahre 1930 nicht nur Vorsitzender des Rates der Volkskommissare. Er gehörte auch dem Politbüro und dem Sekretariat des Zentralkomitees der kommunistischen Partei an. Molotovs Einfluss wuchs mit der Macht Stalins, dessen Alleinherrschaft 1930 schon nicht mehr in Zweifel stand. In der Partei galt Molotov als „Stellvertreter“ Stalins, als treuer Gefolgsmann, der sich dem Willen des Diktators bedingungslos unterwarf.[...]

  • von Gerold Ambrosius

    Es scheint eine Epoche zu Ende zu gehen, in der die Bürger/innen Anspruch auf eine stabile, preiswerte und qualitativ gute Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen haben und der Staat diese durch Eigenproduktion befriedigt. Stattdessen hat eine Diskussion darüber begonnen, was als angemessene Grundversorgung bezeichnet werden kann und ob und wie sie gesichert werden soll. Was noch vor nicht allzu langer Zeit als undenkbar galt, ist inzwischen selbstverständlich: Die monopolistischen Strukturen der Versorgungsnetze werden aufgebrochen und wettbewerbliche eingeführt. Öffentlich-rechtliche Dienstleistungsunternehmen werden in privatrechtliche umgewandelt oder sogar privatisiert. Internationale bzw. europäische Großkonzerne übernehmen lokale und regionale Versorgungsnetze. Die traditionellen Dienstleistungssysteme machen einen tief greifenden Wandel durch und noch ist nicht abzusehen, wohin die Entwicklung letztlich geht. [...]

  • von Dorothea Trebesius

    Eine konkrete Vorstellung von der Größe des europäischen Raumes konnten sich im 18. und 19. Jahrhundert Fernhandelskaufleute mehr noch als andere bürgerliche Berufsgruppen verschaffen, führten ihre Kontakte doch zu zahlreichen Reisen in andere Städte und Länder. Die Reichweite der geschäftlichen und privaten Beziehungen der Dufours in Leipzig, einer im 18. Jahrhundert aus Frankreich eingewanderten hugenottischen Kaufmannsfamilie, erstreckte sich von Russland und Polen über Italien bis nach Holland, Dänemark und England. Fernhandelskaufleute und ihre Angehörigen agierten durch die alltägliche Praxis des Reisens in einem spezifischen europäischen Handlungsraum, der jenseits von politischen Konjunkturen eigene Vorstellungen von Europa begründete. [...]

  • von Christoph Boyer

    Für die europäische Nachkriegsgeschichte konstatiert Boyer zwei grundlegende Makromodelle: den demokratisch-marktwirtschaftlichen Wohlfahrtsstaat in Westeuropa einerseits und die staatssozialistischen Modelle in Mittel- und Ostmitteleuropa andererseits. Die beiden Modelle unterschieden sich dabei weniger grundsätzlich, wie oft angenommen wurde: Beide antworteten auf die Krise des Kapitalismus und Liberalismus seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und beide Modelle wollten Gesellschaften, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, planen, regulieren, transformieren, modernisieren und dadurch Wohlstand schaffen. Die Frage nach der „Europäizität Ostmitteleuropas“ ist für den Autor ein komparativer Forschungsansatz, mit dem die unterschiedlichen Entwicklungen, die die jeweiligen Länder unter diesen Makromodellen vollzogen haben, untersucht und mit anderen europäischen Regionen verglichen werden sollten.

  • von Rüdiger Hohls

    Große Teile Europas lagen als Folge des Zweiten Weltkriegs noch in Schutt und Asche, als der französische Soziologe und Ökonom Jean Fourastié 1949 die erste Ausgabe seines Buches mit dem optimistischen Titel „Le grand espoir du XXe siècle“ veröffentlichte. Fourastié begann seine Karriere allerdings nicht in der Wissenschaft, sondern im französischen Staatsdienst, zunächst im Finanzministerium, danach als Leiter des von Jean Monnet begründeten Generalkommissariats für die Modernisierungs- und Ausrüstungsplanung der französischen Wirtschaft.[...]

  • von Jürgen Kocka

    1872 teilte der Berliner Unternehmer Werner Siemens seinem jüngeren Bruder Carl in Petersburg mit, die Firma Siemens müsse wegen der Vielseitigkeit und Kompliziertheit der Geschäfte, des Mangels an geeigneten Arbeitern und des Kosten- und Termindrucks von Seiten der Abnehmer die Produkte standardisieren und mit Hilfe amerikanischer Arbeitsmethoden schneller und massenhaft produzieren.[...]

  • von Wolfram Fischer

    Im „alten Europa“ bildete das Handwerk neben den Bauern die wichtigste „Produktivkraft“. In den größeren Städten waren sie meist in Zünften organisiert und nahmen seit der „Zunftrevolution“ des späten Mittelalters an der Stadtregierung teil. Sie bildeten die städtische Mittelschicht. Aber auch in kleineren Städten und auf dem Lande, wo es eine zünftige Organisation nur rudimentär oder gar nicht gab, waren viele Handwerker tätig. Für die zünftigen Handwerker galten strenge Regeln für Ausbildung und Ausübung ihres Berufes.[...]

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