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  • von Verena Bunkus

    Mitglieder der Landeskundlichen Kommission beim Kaiserlich-Deutschen Generalgouvernement Warschau unternahmen während des Ersten Weltkrieges wissenschaftliche Exkursionen durch die okkupierten Gebiete des östlichen Europas. Die Teilnehmer der Reisen fertigten Fotografien an, von denen einige überliefert sind. Eine Aufnahme, die der Geograf Hans Praesent seinem Vorgesetzten in einem privaten Fotoalbum zu Weihnachten schenkte, steht im Zentrum dieses Essays. Von der Fotografie, ihrem möglichen Entstehungskontext und ihrer Rezeption ausgehend, diskutiere ich Auftrag, Ablauf der Exkursion sowie Parallelen zu früheren kolonialen Unternehmungen.

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Anna Karla

    Im September 1919 reiste eine Delegation im Auftrag der deutschen Regierung durch den Nordosten Frankreichs. Ziel der Reise war es, sich ein Bild zu machen: davon, wie es ein knappes Jahr nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente um die Gebiete an der ehemaligen Westfront bestellt war; davon, welches Ausmaß der Zerstörungen sich in der Region nördlich und östlich der französischen Hauptstadt bot; davon, was zu tun sei, um den Wiederaufbau voranzutreiben, der auf der Friedenskonferenz in Versailles, in der französischen Presse und in der lokalen, regionalen und nationalen Politik als drängendes Problem gehandelt wurde. [...]

  • von Matthäus Feigk

    Auf der Fotografie von 1920 hat sich im Vordergrund eine Personengruppe in zwei Reihen − die vordere auf Holzstühlen sitzend, die hintere stehend − arrangiert. Im Hintergrund erkennt man die mit Efeu bewachsene Hausecke eines Backsteingebäudes. Links von der Gruppe sind ein Durchgang mit dreistufiger Treppe, direkt dahinter und am rechten Bildrand zwei Fenster zu sehen. Die Personen rechts der Bildmitte stehen bzw. sitzen mit ihren Stühlen im Gras eines Vorgartens. Die zwölf Männer und eine Frau nehmen größtenteils eine steife Haltung ein. [...]

  • von Judith Große

    Unter den veröffentlichten Leserbriefen an die Redaktion der Zeitschrift Die Ehe. Monatsschrift für Ehewissenschaft, -Recht und -Kultur findet sich im Jahrgang 1929 die Anfrage einer Leserin „in einer Sache […], die so eigenartig ist, daß es sich wohl lohnt, sie den Lesern vorzulegen.“ Die anonymisierte Verfasserin des Briefes bittet um Antwort auf die Frage, „ob moralische oder gesetzliche Bedenken gegen die Ehe einer Weißen mit einem Neger existieren“. [...]

  • von Monica Cioli

    Nowadays, many scholars agree that there was a ‘fascist culture’ in Mussolini’s Italy and that cultural policy mattered to regime. However, the reciprocal acceptance of futurism and fascism is often doubted. It is frequently argued that Italian futurism was a broadly-based aesthetic movement which often came into conflict with fascism during the 1920s and 1930s. Therefore, the latter isolated it. The numerous works arising from futurism’s centennial anniversary do not substantially diverge from this perspective. [...]

  • von Jeannine Harder

    Die Polnische Schule der Plakatkunst hatte in den 1950er- und 1960er-Jahren in der internationalen Szene der angewandten Grafik einen ausgezeichneten Ruf. Weitaus stärker als Werke der zeitgenössischen polnischen Malerei oder Plastik erlangten die Plakate weltweit auch in nicht-sozialistischen Staaten Europas Anerkennung. Westliche Gebrauchsgrafiker lobten die Gestaltungsvielfalt und den Ideenreichtum der Polnischen Schule der Plakatkunst. Polnische Plakatkünstler genössen insbesondere in der Film- und Theaterwerbung ein außerordentliches Maß an gestalterischer Freiheit. Im Unterschied zur Plakatgestaltung in marktwirtschaftlich bestimmten Ländern sei die polnische „Plakatkunst“ nicht an die beengenden wirtschaftlichen, motivischen, konzeptionellen und stilistischen Vorgaben der Werbeagenturen gebunden. [...]

  • von Florian Greiner

    Seit dem Mittelalter dient die Türkei als ein negatives Definitionsmerkmal Europas. Spätestens mit der Eroberung Konstantinopels 1453 durch Sultan Mehmed II. entwickelte sich die türkische Frage zu einem „Wetzstein europäischer Identität.“ In den folgenden Jahrhunderten intensivierten sich konstitutiv wirkende Abgrenzungen zwischen einem christlich-abendländisch konnotierten Europa und der islamisch-orientalischen Türkei etwa im Rahmen der frühneuzeitlichen Türkenkriege und der beiden Belagerungen Wiens durch osmanische Truppen 1529 und 1683. Stereotype Fremdbilder, die unter Schlagworten wie der „Türkengefahr“ firmierten und im Zeitalter des Imperialismus noch rassistisch aufgeladen wurden, erwiesen sich in Europa als ebenso langlebige wie wirkmächtige Alteritätskonstruktionen. [...]

  • von Katharina Stornig

    1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]

  • von Tobias Becker

    Das Jahr 1912 ist kein gutes Jahr für das Transportwesen. Erst sinkt am 14. April die Titanic, dann stürzt am 27. April der Berliner Unternehmer und Lebemann Louis Meier mit seinem Eindecker ab. Allerdings hat er mehr Glück als die Passagiere der Titanic, denn statt im eiskalten Atlantik zu ertrinken, findet er sich weitgehend unversehrt an einem von der modernen Zivilisation gänzlich unberührten, idyllischen Ort wieder. Dafür muss Meier diesen Absturz wochenlang, Abend für Abend aufs Neue über sich ergehen lassen, denn er bildet den Auftakt von Schwindelmeier & Co., dem neuen Stück des Berliner Metropol-Theaters. [...]

  • von Frank Hadler

    Wer die Zeichen einer durch tiefgreifende politische wie gesellschaftliche Umbrüche bestimmten Zeit für sein eigenes wissenschaftliches Tun erkennen und nutzen will, braucht erstens einen breiten Überblick, zweitens gute Pläne und drittens viel Selbstbewusstsein. Von den genannten drei Dingen besaß Bedrich Hrozný (1879–1952) offenbar reichlich, als er Ende 1919 angesichts der durch „Weltkrieg und Weltfrieden“ radikal veränderten Weltlage den hier gekürzt ins Deutsche übertragenen Zeitschriftenbeitrag zu Papier brachte. Dem Text kam für Hroznýs spätere, über weitere Zeitenwenden hinweg reichende berufliche Karriere als Wissenschaftler von europäischem Rang hohe Bedeutung zu. Dass der Name Hrozný bis heute weltweit in nahezu allen großen Lexika zu finden ist, gründet sich zuvorderst auf der Tatsache, dass er die dreieinhalbtausend Jahre alte, in Keilschrift geschriebene Sprache der Hethiter entschlüsselte und zudem den zweifelsfreien Nachweis ihrer Zugehörigkeit zur indoeuropäischen Sprachfamilie erbrachte. [..

  • von Stefanie Michels

    1908 unternahm König Njoya aus dem kamerunischen Grasland eine ca. 350 Kilometer lange Reise von seiner Residenz in Fumban zum Sitz des deutschen Gouverneurs in Buea. Der Thron, den er damals als Geschenk für den deutschen Kaiser mitbrachte, steht heute im Völkerkundemuseum in Berlin. Der Besuch des Königs der Bamum und seiner Delegation wurde fotografisch festgehalten und als Postkarte gedruckt. Im Folgenden werden verschiedene Perspektiven auf dieses Ereignis vorgestellt, mit dem Ziel die historische und regionale Dynamik, die sich kolonialen Logiken widersetzte, zu zentrieren. [...]

  • von Stefan Troebst

    Zum Ende hin waren es Cowboys: In den Steppen Kaliforniens ist ein grellbuntes Ölgemälde betitelt, das der im habsburgischen Galizien als Adalbert Ritter von Kossak geborene 73-jährige polnische Malerfürst mit „Wojciech Kossak, California, Rancho del Garasson, 1930“ signiert hat. Es zeigt einen Reiter in befranster brauner Lederhose, blauer Jeansjacke, rotem Halstuch und weißem Stetson-Hut inmitten einer Herde wild galoppierender Pferde.[2] Farblich wie vom Sujet her knüpfte Kossak damit an frühere Werke an, etwa an sein großformatiges dramatisches Ölgemälde Tscherkessen in der Krakauer Vorstadt von 1912, das ein knutenschwingendes, pelzbemütztes und im Wortsinne bis an die Zähne bewaffnetes kaukasisches Reiterschwadron zeigt, welches im Auftrag des Zaren unter Inkaufnahme ziviler Opfer rücksichtslos über die Hauptstraße des damals russischen Warschau prescht. [...]

  • von Philipp Moosdorf

    Im Jahr 1731 brach eine kleine Gruppe Reisender von der Residenzstadt Dresden zu einer ungewöhnlichen Reise auf. Die Gruppe um den zum Expeditionsleiter bestellten Johann Ernst Hebenstreit (1703–1757) sollte im Auftrag August des Starken den afrikanischen Kontinent bereisen, um von dort Tiere für die kurfürstliche Menagerie und Material für die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Hofes zu beschaffen.[2] Die beigegebenen Quellen, der Reiseplan Hebenstreits und die Instruktion des sächsischen Hofes, zeigen das Programm der Reise auf. Auffällig ist die wissenschaftliche Zielsetzung der Reise, die der sächsischen Afrikaexpedition den Charakter einer frühen europäischen Forschungsreise gibt. [...]

  • von Christa Hämmerle

    Für die Zeit zwischen 1933 und 1945 sind Terror, Krieg und Genozid europaweit in verschiedensten autobiografischen Aufzeichnungen bezeugt, die einen ganz spezifischen Blick auf diese Jahre eröffnen können. Dies gilt, obschon unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen, für beide Seiten der damals zutiefst gespaltenen Gesellschaft: einmal für jene, die „dazu gehörten“ und das NS-Regime sowie seine Kriegsführung in Europa oft bis zuletzt stützten, obwohl der totale Krieg sie selbst einholte; sowie vor allem für jene, die ausgegrenzt, verfolgt, auf die Flucht und ins Exil getrieben oder ermordet wurden. Gerade unter diesen Menschen evozierte die anhaltende, zerstörerische Krisenerfahrung, die sich immer seltener in direkter Gesprächs- oder Briefform kommunizieren ließ, auch ein intensiviertes Tagebuchschreiben, das zwar an kulturelle Traditionen schriftlicher Selbstthematisierung anknüpfte, sich aber unter den dramatischen Bedingungen zugleich neu ausrichtete. [...]

  • von Angelika Schoder

    Am 3. Januar 1996 wurde in Deutschland der 27. Januar als nationaler Holocaust-Gedenktag von Bundespräsident Roman Herzog proklamiert, nachdem sich die Bundestagsfraktionen bereits im Juni 1995 ohne öffentliche Diskussion und getragen von parteiübergreifender Zustimmung auf den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ verständigt hatten. Zurückzuführen ist die Etablierung des Gedenktags in Deutschland auf die Initiative deutsch-jüdischer Vertreter, so hatte sich seit 1994 vor allem Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, für einen Gedenktag an diesem Datum eingesetzt. Der Holocaust-Gedenktag in Deutschland kann damit zwar als national motiviert betrachtet werden, zielt aber auch auf ein transnationales Erinnern ab, verdeutlicht durch die europäische Bedeutung des dem Tag zu Grunde liegenden historischen Ereignisses. [...]

  • von Roberto Sala

    Die gegenseitige Wahrnehmung Italiens und Deutschlands ist ein immer wiederkehrendes Thema für Historikerinnen und Historiker, die sich den deutsch-italienischen Beziehungen oder – je nach Standpunkt des Beobachters – der Geschichte des jeweils anderen Landes widmen. Als Forschungsobjekt ermöglichen es „Bilder“, die Mechanismen nationaler Diskurse zu entlarven und somit das Verhältnis zwischen zwei Staaten bzw. deren Bevölkerungen zu beleuchten. Ihre Untersuchung birgt jedoch gravierende theoretische und methodische Schwierigkeiten, wenn auch einschlägige Studien diese weitgehend verkannt haben. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf eine Leerstelle in den Untersuchungen über das deutsche Italienbild, auf „populäre“ Betrachtungsweisen. [...]

  • von Ines Prodöhl

    Wer sollte in einer amerikanischen Enzyklopädie mehr gewürdigt werden: der General des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, Richard Montgomery, oder Niccolò Paganini, der italienische Violinist? 1832 beklagte ein Rezensent im „New-England Magazine“, dass sich die „Encyclopedia Americana“ für den Fiedler entschieden hatte und nicht für den Helden der Revolution. Letzterer hatte im Vergleich mit Paganini nur ein Drittel des Raumes zugesprochen bekommen. Nach Ansicht des Rezensenten, dessen Name nicht bekannt ist, geschah es häufiger, dass eine bedeutende Person der amerikanischen Öffentlichkeit in eben jenem Werk zu wenig berücksichtigt wurde.[...]

  • von Frank Henschel

    Wie ist es möglich, dass eine im verzweigten wissenschaftlichen Netzwerk Zentraleuropas entstandene Wissenschaftstheorie von Zeitgenossen beinahe unbeachtet blieb, mehrere Jahrzehnte später aber, an anderem Ort reformuliert, einen ganzen Wissenschaftszweig revolutionierte? Dazu ist allgemein zu sagen, dass wissenschaftliche Werke nicht ausschließlich durch ihren Inhalt oder neuartige Erkenntnisse berühmt werden, sondern in nicht unerheblichem Maße dadurch, ob und wenn ja wer, wann und wie sie rezipiert. So entschied der Faktor Rezeption maßgeblich die Entwicklung der Wissenschaftssoziologie. [...]

  • von Marleen von Bargen

    1943/44 verfasste die im Schweizer Exil lebende deutsche Sozialistin und Reformpädagogin Anna Siemsen (1882-1951) den Aufsatz „Die Frau im neuen Europa“. In diesen Ausführungen appellierte sie vor allem an die Frauen, sich zum Ende des Krieges für eine gemeinsame soziale Aufbauhilfe in Europa zusammenzuschließen. Durch Hilfe zur Selbsthilfe sollte ein künftiges gemeinsames Arbeiten der europäischen Länder möglich werden. Damit, so Siemsen, könne ein europäisches Bewusstsein geweckt werden – ein Gefühl der Solidarität zwischen den Völkern Europas, das sie als unabdingbar für eine europäische Einigung und für einen dauerhaften Frieden betrachtete. Siemsen sah Frauen aufgrund ihrer spezifisch weiblichen Eigenschaften und ihrer spezifisch weiblichen Kriegserfahrung für diese Aufgaben als prädestiniert an. Indem sie auf diese Weise die umfassende politische Veränderung Europas mit fürsorgepolitischen Überlegungen verband, skizzierte sie zugleich eine weibliche Europa-Vorstellung. [...]

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