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  • von Verena Bunkus

    Mitglieder der Landeskundlichen Kommission beim Kaiserlich-Deutschen Generalgouvernement Warschau unternahmen während des Ersten Weltkrieges wissenschaftliche Exkursionen durch die okkupierten Gebiete des östlichen Europas. Die Teilnehmer der Reisen fertigten Fotografien an, von denen einige überliefert sind. Eine Aufnahme, die der Geograf Hans Praesent seinem Vorgesetzten in einem privaten Fotoalbum zu Weihnachten schenkte, steht im Zentrum dieses Essays. Von der Fotografie, ihrem möglichen Entstehungskontext und ihrer Rezeption ausgehend, diskutiere ich Auftrag, Ablauf der Exkursion sowie Parallelen zu früheren kolonialen Unternehmungen.

  • von Thomas Schader

    Der Jesuitenorden gilt als einer der ersten Global Player der Frühen Neuzeit. Ausschlaggebend für die weltweite Ausrichtung der Gesellschaft Jesu war ihr missionarisches Engagement in den für Europa unbekannten Gebieten jenseits der Ozeane. Vor allem im Patronat der spanischen Krone, in Teilen des heutigen Lateinamerikas und des Westpazifik, war der Orden aktiv. Im Laufe des 17. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Missionaren aufgrund der expandierenden Missionsgebiete stetig an. Waren die Missionen in Übersee lange Zeit fast ausschließlich geistlichen Untertanen der spanischen Krone vorbehalten, so lockerten sich die Beschränkungen allmählich, und der Ruf nach Übersee erreichte auch die Territorien des Heiligen Römischen Reiches. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verließen hunderte Jesuiten aus Assistentia Germania ihre Heimat, um in den spanischen Kolonien zu missionieren.

  • von Frank Hadler

    Wer die Zeichen einer durch tiefgreifende politische wie gesellschaftliche Umbrüche bestimmten Zeit für sein eigenes wissenschaftliches Tun erkennen und nutzen will, braucht erstens einen breiten Überblick, zweitens gute Pläne und drittens viel Selbstbewusstsein. Von den genannten drei Dingen besaß Bedrich Hrozný (1879–1952) offenbar reichlich, als er Ende 1919 angesichts der durch „Weltkrieg und Weltfrieden“ radikal veränderten Weltlage den hier gekürzt ins Deutsche übertragenen Zeitschriftenbeitrag zu Papier brachte. Dem Text kam für Hroznýs spätere, über weitere Zeitenwenden hinweg reichende berufliche Karriere als Wissenschaftler von europäischem Rang hohe Bedeutung zu. Dass der Name Hrozný bis heute weltweit in nahezu allen großen Lexika zu finden ist, gründet sich zuvorderst auf der Tatsache, dass er die dreieinhalbtausend Jahre alte, in Keilschrift geschriebene Sprache der Hethiter entschlüsselte und zudem den zweifelsfreien Nachweis ihrer Zugehörigkeit zur indoeuropäischen Sprachfamilie erbrachte. [..

  • von Benjamin Steiner

    Dieser Beitrag handelt von Grenzordnungen, die sich während der Frühen Neuzeit im Verhältnis zwischen Europäern und Afrikanern herausgebildet haben. Es wird gezeigt, dass der Formationsprozess von Grenzordnungen im Wesentlichen durch die Art und Weise bedingt war, wie Wissen und Information in Bezug auf Afrika von den Europäern gesammelt und geordnet wurden. Die dadurch entstandenen Grenzordnungen erwiesen sich insofern als problematisch bzw. missverständlich, als sie den jeweiligen Bedeutungsrang des europäischen und afrikanischen Wissens unterschiedlich hoch zur Geltung brachten. Das führte zu einem asymmetrischen Kräfteverhältnis, in dem sich die Grenze zwischen den Kultursphären ‚Afrika‘ und ‚Europa‘ und die damit einhergehende Empfindung einer zwischen beiden bestehenden grundsätzlichen Unterschiedlichkeit immer tiefer verfestigte. [...]

  • von Philipp Moosdorf

    Im Jahr 1731 brach eine kleine Gruppe Reisender von der Residenzstadt Dresden zu einer ungewöhnlichen Reise auf. Die Gruppe um den zum Expeditionsleiter bestellten Johann Ernst Hebenstreit (1703–1757) sollte im Auftrag August des Starken den afrikanischen Kontinent bereisen, um von dort Tiere für die kurfürstliche Menagerie und Material für die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Hofes zu beschaffen.[2] Die beigegebenen Quellen, der Reiseplan Hebenstreits und die Instruktion des sächsischen Hofes, zeigen das Programm der Reise auf. Auffällig ist die wissenschaftliche Zielsetzung der Reise, die der sächsischen Afrikaexpedition den Charakter einer frühen europäischen Forschungsreise gibt. [...]

  • von Thomas Höpel

    Beim Projekt der SED, in der DDR eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen, spielten Kultur und Bildung eine entscheidende Rolle. Sie sollten bei der Emanzipation der Arbeiter und Bauern helfen und zur Schaffung des „Neuen Menschen“ besonders im Zuge der „sozialistischen Kulturrevolution“ ab 1957 beitragen. Um dieses Projekt flächendeckend zu realisieren, setzte die SED auf hauptberufliche Kulturfunktionäre als zentrales Instrument. Seit Ende der 1950er-Jahre entstand ein breitgefächertes Qualifizierungs- und Ausbildungssystem für Kulturfunktionäre und Kulturarbeiter, das an der Spitze ein Hochschulstudium für Kulturwissenschaften vorsah. Professionelle Kulturfunktionäre sollten fortan die „sozialistische Kulturrevolution“ an der Basis durchsetzen. Sie waren einerseits abhängig von der staatlichen Partei- und Kulturbürokratie, kannten andererseits aber auch die Bedürfnisse und Nöte auf lokaler und regionaler Ebene und sollten die zentralen Direktiven den örtlichen Gegebenheiten gemäß umsetzen. [...]

  • von Ines Prodöhl

    Wer sollte in einer amerikanischen Enzyklopädie mehr gewürdigt werden: der General des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, Richard Montgomery, oder Niccolò Paganini, der italienische Violinist? 1832 beklagte ein Rezensent im „New-England Magazine“, dass sich die „Encyclopedia Americana“ für den Fiedler entschieden hatte und nicht für den Helden der Revolution. Letzterer hatte im Vergleich mit Paganini nur ein Drittel des Raumes zugesprochen bekommen. Nach Ansicht des Rezensenten, dessen Name nicht bekannt ist, geschah es häufiger, dass eine bedeutende Person der amerikanischen Öffentlichkeit in eben jenem Werk zu wenig berücksichtigt wurde.[...]

  • von Eric J. Engstrom

    Überblickt man die Literatur der letzten fünfzig Jahre, lässt sich mühelos eine starke historiographische Tradition identifizieren, die die Geschichte der Psychiatrie als eine Geschichte der sozialen Diskriminierung, der Einschließung und Verwahrung und damit auch implizit als Psychiatriekritik schreibt. In der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist diese Tradition vor allem durch das Werk solcher Autoren wie Michel Foucault, Robert Castel, David Rothman und Andrew Scull artikuliert und belebt worden. Sofern diese Tradition einer aus den Federn von psychiatrischen Fachvertreter stammenden – nicht selten und zu Recht als ‚whiggish‘ oder fachlich eigennützig abgetanen – Historiographie gegenüber stand und immer noch steht, ist sie unter dem Begriff der „großen Revision“ historiographisch zusammengefasst worden. [...]

  • von Riccardo Bavaj

    “The West” was in crisis – yet again. And Richard Löwenthal was deeply worried. The socio-political order of the Federal Republic had been challenged by the student revolt, and its impact was felt particularly strongly at the Free University Berlin where Löwenthal, born in 1908, had been professor of International Relations since the early 1960s. West Germany’s intellectual foundation had been attacked, and for someone like Löwenthal who had experienced the demise of Germany’s first experiment in liberal democracy, it seemed as though Weimar’s shadows were hanging over the Federal Republic deeper than ever before. The fateful tradition of German romanticism, “anti-liberal and anti-Western” as he put it, appeared to have resurfaced once again. This time, however, it was not outright authoritarianism, but a leftist renaissance of romantic-utopian thought that haunted the “second republic”. [...]

  • von Frank Henschel

    Wie ist es möglich, dass eine im verzweigten wissenschaftlichen Netzwerk Zentraleuropas entstandene Wissenschaftstheorie von Zeitgenossen beinahe unbeachtet blieb, mehrere Jahrzehnte später aber, an anderem Ort reformuliert, einen ganzen Wissenschaftszweig revolutionierte? Dazu ist allgemein zu sagen, dass wissenschaftliche Werke nicht ausschließlich durch ihren Inhalt oder neuartige Erkenntnisse berühmt werden, sondern in nicht unerheblichem Maße dadurch, ob und wenn ja wer, wann und wie sie rezipiert. So entschied der Faktor Rezeption maßgeblich die Entwicklung der Wissenschaftssoziologie. [...]

  • von Philippe Alexandre

    « Celui qui a la maîtrise de l’école, a aussi celle de l’avenir. » : Le débat sur l’influence de l’Etat et de l’Eglise dans les écoles a été mené en France et en Allemagne d’une façon assez différente. L’évolution du débat dépendait – comme ses conséquences – aussi bien du contexte historique et de la situation politique que des héritages culturels, scolaires et juridiques. En Allemagne, non seulement les Eglises et les représentants de la laïcisation tiennent une place importante dans la politique scolaire, mais les différences régionales historiques en tiennent une également. De plus, cette polémique a été alimentée par les événements se déroulant dans chacun des deux pays, et par leur ingérence mutuelle. Ceci apparaît clairement dans l’analyse des réactions de la presse allemande face à la loi française du 28 mars 1882, loi qui séparait l’école publique des religions. [...]

  • von Anja Laukötter

    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten sich in den meisten europäischen Ländern einschließlich des Kaiserreichs zahlreiche thematisch ausdifferenzierte Museen. Dementsprechend entstanden u.a. zahlreiche Kunst-, Heimat- und Naturkundemuseen sowie Zoos . In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Gründungen von deutschen Völkerkundemuseen zu sehen: 1868 in München, 1869 in Leipzig, 1873 in Berlin, 1876 in Dresden, 1879 in Hamburg, 1884 in Stuttgart, 1895 in Freiburg, 1896 in Bremen, 1901 in Köln und 1904 in Frankfurt am Main. [...]

  • von Andreas Fahrmeir

    Die Folgen der französischen Vorherrschaft in Westdeutschland um 1800 sind ganz unterschiedlich bewertet worden. Manchmal schien der Verlust ‚nationaler‘ Selbstbestimmung entscheidend, so daß sie als düstere Jahre der Unterdrückung beschrieben wurden; manchmal stand der Aufbruch im Vordergrund, den die Modernisierung von Recht, Verwaltung und Wirtschaft, das Ende korporativer Autonomien und der Zuwachs an individuellen Mobilitätschancen zu ermöglichen schien. [...]

  • von Peter Hoeres

    Der Aufruf „An die Kulturwelt!“, der im Oktober 1914 ein Bekenntnis von 93 herausragenden deutschen Geistesgrößen zum deutschen Militarismus publik machte und so verheerende Folgen für das Ansehen der deutschen Wissenschaft zeitigte, war nicht präzedenzlos. Trotz seiner offensiven Sprache war er letztlich defensiv motiviert, er war eine Antwort auf zahlreiche öffentliche und private Anklagen, welche die hoch angesehenen deutschen Wissenschaftler und Schriftsteller seit August 1914 erreicht hatten. Unter diesen Anklagen stach die Erklärung britischer Intellektueller vom 18. September 1914 „Britain's Destiny And Duty. Declaration By Authors. A Righteous War” aus mehreren Gründen heraus: sie war von der Crème de la crème der britischen Literaten unterzeichnet worden, an sehr prominenten und angesehen Publikationsorten erschienen, und sie enthielt eine sehr erfolgreiche und bildgewaltige Argumentation. [...]

  • von Alexander Schmidt-Gernig

    Das Schlusskapitel der Zukunftsstudie „Mutation der Menschheit“ des französischen Germanisten Pierre Bertaux ist für die Analyse des europäischen Selbstverständnisses nach dem Zweiten Weltkrieg in mehrerlei Hinsicht ein Schlüsseltext. Er bündelt erstens die vielfältigen Stränge des europäischen Selbstverständnisses des 19. und 20. Jahrhunderts, wie sie Hartmut Kaelble umfassend herausgearbeitet hat. [...]

  • von Heinz-Elmar Tenorth

    Im Sommer 1762 erschien kurz vor dem „Contrat Social“ Rousseaus „Emile oder über die Erziehung“. Der Roman löste einen europaweiten Skandal aus. In Paris wurde der Emile sogleich verboten und selbst in Genf wurde das Werk kurz danach, am 19. Juni 1762, auf den Index gesetzt und öffentlich verbrannt. Sein Autor, der sich auf dem Titelblatt stolz als „citoyen de Genève“ bezeichnet hatte, war hier wie in Frankreich mit Verhaftung bedroht, der er nur durch rasche Flucht in die Schweiz entgehen konnte.[...]

  • von Ruediger vom Bruch

    Wahrlich, international war die Gelehrtenrepublik vor dem Ersten Weltkrieg. Man kannte sich, man las einander, korrespondierte miteinander, Fremdsprachen bildeten keine Barriere. Man traf sich auf internationalen Kongressen, publizierte in den gleichen Zeitschriften, beteiligte sich an Besuchsprogrammen wie etwa dem deutsch-amerikanischen Professorenaustausch, bei dem der deutsche Kaiser Wilhelm II. als Schirmherr den amerikanischen Präsidenten Roosevelt 1910 als Redner in Berlin begrüßte.[...]

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