Essays/

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  • von Clemens Wurm

    Am Nachmittag des 9. Mai 1950, einem Dienstag, verlas der französische Außenminister Robert Schuman um 18 Uhr vor eiligst in den Uhrensaal des Quai d’Orsay eingeladenen Pressevertretern die nach ihm benannte Erklärung, die das Gesicht Europas verändern sollte. Konzeptioneller Urheber der Erklärung war Jean Monnet, damals Vorsitzender des Commissariat général au Plan. Schuman hatte den Vorschlag übernommen, und er hat ihn gegen starke Widerstände in Frankreich politisch durchgesetzt.[...]

  • von Axel Schildt

    Die Dramatik des Kalten Krieges in seiner heißesten Phase um 1950 kann man sich überhaupt nicht krass genug ausmalen. Demoskopisch immer wieder ermittelt, erwartete die Mehrheit der Westdeutschen den Ausbruch eines dritten und mit atomaren Waffen ausgetragenen Weltkriegs in naher Zukunft. Man wähnte sich lediglich in einer kurzen historischen Atempause zwischen zwei planetarischen Waffengängen. Der ferne Korea-Krieg, der am Anfang eines beispiellosen Exportbooms stand, führte in der Bundesrepublik zu angsterfüllten Hamsterkäufen. Das Wohnen in Hochhäusern wurde von manchen Experten abgelehnt, weil jene leichte Ziele für feindliche Flieger böten. Dem Kalten Krieg korrespondierte eine in allen westlichen Ländern dominierende culture of fear. [...]

  • von Andreas Fahrmeir

    Die Folgen der französischen Vorherrschaft in Westdeutschland um 1800 sind ganz unterschiedlich bewertet worden. Manchmal schien der Verlust ‚nationaler‘ Selbstbestimmung entscheidend, so daß sie als düstere Jahre der Unterdrückung beschrieben wurden; manchmal stand der Aufbruch im Vordergrund, den die Modernisierung von Recht, Verwaltung und Wirtschaft, das Ende korporativer Autonomien und der Zuwachs an individuellen Mobilitätschancen zu ermöglichen schien. [...]

  • von Ulrike Kirchberger

    Die “Ecuador Land Company” (ELC) wurde 1859 in London gegründet. Das Ziel der Gesellschaft war es, Land in Ecuador zu erwerben, es wirtschaftlich zu erschließen und zu kolonisieren. Dies war in der damaligen Zeit kein ungewöhnliches Vorhaben. Sowohl in Großbritannien als auch in den Staaten des Deutschen Bundes wurden vor dem Hintergrund der Massenauswanderung nach Übersee immer wieder Kolonisations- und Auswanderungsgesellschaften gegründet. Das Besondere an der ELC bestand darin, daß sie von deutschen und britischen Kaufleuten in London gemeinsam getragen wurde und sich aus dieser Konstellation spezielle Möglichkeiten ergaben, die ein in Deutschland gegründeter Auswanderungsverein nicht hatte. [...]

  • von Peter Hoeres

    Der Aufruf „An die Kulturwelt!“, der im Oktober 1914 ein Bekenntnis von 93 herausragenden deutschen Geistesgrößen zum deutschen Militarismus publik machte und so verheerende Folgen für das Ansehen der deutschen Wissenschaft zeitigte, war nicht präzedenzlos. Trotz seiner offensiven Sprache war er letztlich defensiv motiviert, er war eine Antwort auf zahlreiche öffentliche und private Anklagen, welche die hoch angesehenen deutschen Wissenschaftler und Schriftsteller seit August 1914 erreicht hatten. Unter diesen Anklagen stach die Erklärung britischer Intellektueller vom 18. September 1914 „Britain's Destiny And Duty. Declaration By Authors. A Righteous War” aus mehreren Gründen heraus: sie war von der Crème de la crème der britischen Literaten unterzeichnet worden, an sehr prominenten und angesehen Publikationsorten erschienen, und sie enthielt eine sehr erfolgreiche und bildgewaltige Argumentation. [...]

  • von Christian Kleinschmidt

    Der Marshall-Plan war ein bedeutender Faktor des westdeutschen und europäischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Das amerikanische Engagement für den Wiederaufbau Europas und insbesondere Deutschlands war in der unmittelbaren Nachkriegszeit innerhalb der USA jedoch zunächst umstritten. Voraussetzung für einen fruchtbaren deutsch-amerikanischen Wirtschaftsaustausch und für die Bereitschaft der Amerikaner zur Unterstützung des deutschen Wirtschaftsaufbaus ab etwa 1947 war eine Abkehr von der restriktiven Politik der direkten Nachkriegszeit hin zu konstruktiveren wirtschaftspolitischen Konzepten, die sich ebenso an der Steigerung der Produktion und der Produktivität deutscher und europäischer Unternehmen und der Landwirtschaft orientierte wie an deren Wiedereingliederung in die Weltwirtschaft. [...]

  • von Manuel Schramm

    Dass die moderne europäische Landschaftswahrnehmung in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm, mag auf den ersten Blick überraschend wirken. Zeigte sich nicht die ästhetische Faszination der Natur bereits im 14. Jahrhundert mit der Besteigung des Mont Ventoux durch Petrarca, wie Jacob Burckhardt vermutete? Oder war sie nicht das Produkt der Romantik, einer geistesgeschichtlich nicht vor dem späten 18. Jahrhundert anzusiedelnden Epoche? Immerhin, in der Kunstgeschichte ist ein Bewusstsein für den Einschnitt, der um 1600 stattfand, bereits vorhanden. Buchtitel wie „Die Erfindung der Landschaft“ oder „Die Entdeckung der Landschaft“ künden davon. [...]

  • von Patrick Kupper

    Nationalparks sind am Anfang des 21. Jahrhunderts ein globales Phänomen und das wohl einflussreichste Instrument des internationalen Naturschutzes. Laut der jüngsten Liste der Vereinten Nationen von 2003 gibt es weltweit fast 4000 Nationalparks mit einer Gesamtfläche von rund 4,5 Millionen km2. Europa hat daran nur einen geringen Anteil. Die Staaten der GUS ausgenommen zählt der Kontinent 273 Nationalparks, die zusammen eine Fläche von gerade einmal 100.000 km2 einnehmen. Natur, so legen diese Zahlen nahe, war und ist vornehmlich auf anderen Kontinenten zu finden. [...]

  • von Corine Defrance

    Eine Untersuchung der Säuberung in den Universitäten in Frankreich nach der Befreiung durch die Alliierten und der Entnazifizierung in Deutschland nach der bedingungslosen Kapitulation ermöglicht die Frage nach den Kontinuitäten und Brüchen dieser Institution sowie der Eliten in zwei nachhaltig erschütterten europäischen Ländern: eines durch zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur und die Niederlage von 1945, das andere durch die Niederlage von 1940, die deutsche Besatzung, das Vichy-Regime und die Kollaboration. Auf beiden Seiten des Rheines stand damit ein Nachdenken über das Scheitern der Eliten, die Verantwortung des Systems zur Ausbildung dieser Eliten und die Reform der Universität zur Debatte. Der aktuelle Forschungsstand erlaubt eine erste vergleichende Herangehensweise. Er regt trotz der zeitlichen Verschiebung aufgrund vielfältiger Übereinstimmungen in der Vorgehensweise, den Zielen und auch den Misserfolgen sogar dazu an.

  • von Ulrich Pfeil

    Die Untersuchung des Französischunterrichts in der DDR bietet vor allem einen Blick auf das „System“. Er ermöglicht die Wahrnehmung des Entwicklungsprozesses der Legitimierungstheorien, sagt aber wenig über die gesellschaftlichen Modelle der Transformation von Versuchen politischer Legitimierung aus. Der diktaturgeschichtliche Ansatz umfasst dementsprechend nur einen Teil der Herrschaftsgeschichte der DDR, und auch für die Unterrichtung von Fremdsprachen muss das Feld erweitert und sowohl Mentalitäts- als auch Sozialgeschichte einbezogen werden. Vor allem in den Nachkriegsjahren praktizierten viele Lehrer abweichende Unterrichtsformen, als Reaktion auf die ideologisch geprägten Zielvorgaben der Bildungsverantwortlichen in der SED. Französischlehrer waren mit grundlegenden Widersprüchen des Frankreichbildes konfrontiert.[...]

  • von Gabriele Lingelbach

    In der historiografiegeschichtlichen Forschung hielt sich lange Zeit die Vorstellung, die französische Geschichtswissenschaft habe sich im 19. Jahrhundert nicht nur hinsichtlich ihrer Forschungs- und Darstellungsmethoden, sondern auch bei ihren institutionellen Formgebungen am ,Deutschen Modell‘ orientiert, das heißt Strukturen der deutschen Geschichtswissenschaft importiert. Empirische Studien belegen aber eher die Eigenständigkeit der französischen historischen Disziplin, die insbesondere im tertiären Bildungssektor große Unterschiede zu ihrem deutschen Pendant aufwies. Letztlich war der französische Rekurs auf das deutsche System von den eigenen Interessen und Vorstellungen bezüglich der Weiterentwicklung der Disziplin geprägt. Der Verweis auf Deutschland fungierte als Katalysator in der Reformdiskussion, als Diskurs.[...]

  • von Birgit Schäbler

    Ernest Renan ist Historikern und Historikerinnen heute vor allem durch sein Essay „Qu’est-ce que une nation?“ (Was ist eine Nation?) ein Begriff, der als klassischer Text in wichtigen Lehrbüchern zum Nationalismus auftaucht. Dass der französische Semitist und Bibelforscher mit seinem „Leben Jesu“ (1863) das berühmteste Buch im Frankreich des 19. Jahrhunderts verfasst hat, das deshalb auch von Volker Reinhardt in seine Hauptwerke der Geschichtsschreibung aufgenommen wurde, ist außerhalb theologischer und religionswissenschaftlicher Kreise heute eher wenig bekannt. Gänzlich unbekannt in der europäischen Geschichte (in der Geschichte Westasiens dafür umso bekannter) ist jedoch Renans Kontroverse mit einem muslimischen Intellektuellen, nämlich Jamal a-Din al-Afghani im renommierten Journal des Débats. [...]

  • von Heinrich Hartmann

    In der populären Vorstellungswelt des Militarismus vor dem Ersten Weltkrieg nahm die Militärdienstzeit in allen europäischen Ländern einen wichtigen Raum ein. In den Biografien der männlichen Staatsbürger spielte die Aufnahme ins Militär in der Regel eine gewichtige Rolle als rite de passage, ob sie nun einen Kristallisationspunkt militaristischer Euphorie darstellten oder Anlass zur Artikulation eines gewissen Nonkonformismus boten. Gerade im Zeichen des wachsenden Militarismus vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Militär in vielen Ländern aber auch zum Spiegel gesellschaftlicher Modernisierung, in der neue Formen von Wissenschaftlichkeit eine Schlüsselrolle einnahmen.[...]

  • von Chantal Metzger

    Le colloque bisannuel organisé par le Comité franco-allemand de recherches sur l’histoire des 19ème et 20ème siècles, qui s’est tenu du 24 au 26 septembre 2004 à l’Institut Gustav Stresemann à Bonn, a porté sur les relations existant entre l’Allemagne, la France et l’Amérique du Nord au cours des 19 et 20ème siècles. Le choix du sujet était resté en suspens lors de l’Assemblée générale du 16 septembre 2002 à Pont-à-Mousson. Deux thèmes avaient été retenus : l’un portait sur les transferts culturels, l’autre sur les relations entre nos deux pays et les pays non-européens d’Asie, d’Afrique ou d’Amérique. Le premier d’entre eux ayant fait l’objet de plusieurs colloques au cours de l’année 2004, le bureau du Comité a décidé, après enquête auprès des membres, de choisir le second.

  • von François Scheer

    François Scheer stellt die Frage nach dem Zustand der deutsch-französischen Beziehun¬gen, so wie sie in den vergangenen 50 Jahren mit viel Geduld und teilweise unter Schmerzen aufgebaut wurden. Es ist banal, in Erinnerung zu rufen, dass die europäische Einigung ohne die starken Impulse des deutsch-französischen Motors nicht mit dem beginnenden 21. Jahrhundert ins Erwachsenenalter gekommen wäre. Gleichzeitig haben die deutsch-französischen Beziehungen im Fortschritt der europäischen Idee auch stets neue Gründe gefunden, an dem Weg einer immer engeren Verständigung festzuhalten. Dennoch fällt es Berlin und Paris seit dem Ende des Kalten Krieges schwer, den Elan wieder zu erlangen, der es ihnen erlaubte, das Schicksal der europäischen Geschichte radikal neu zu bestimmen.

  • von Annie Lacroix-Riz

    Die französische Politik im Kreuzfeuer: Einerseits die Besorgnis über die Aufrechterhal¬tung der amerikanischen Politik der Zwischenkriegszeit, Deutschland vorrangig wieder aufzubauen (in diesem Fall seine Westzonen), und der mit den Jahren schwächer werdende Versuch, dies zu verhindern. Andererseits die Tendenz, sich dieser Linie anzupassen, die ebenso unvermeidbar wie die Ära des Dawes Plans erscheint. Diese Ausrichtung erklärt sich nicht nur aus dem starken amerikanischen Druck auf Frankreich sondern auch durch eigene französische Interessen, die wie nach dem Ersten Weltkrieg auf einen Kompromiss mit Deutschland hinauslaufen [...]

  • von Gottfried Niedhart

    Im Übergang von den 1960er zu den 1970er Jahren herrschte innerhalb des westlichen Bündnisses Konsens über die Opportunität einer Entspannung in den Ost-West-Beziehungen. Den USA ging es um die Wahrung von Gleichgewicht und Stabilität. Frankreich wollte seinem Bedürfnis nach Eigenständigkeit als Großmacht Geltung verschaffen. Die Bundesrepublik strebte nach Regelungen, die die deutsche Frage offen hielten und Chancen für eine Liberalisierung des Ostblocks boten. Neben dieser prinzipiellen Übereinstimmung gab es im Dreieck Bonn-Paris-Washington allerdings auch deutliche Irritationen. Frankreich sah seine bis dahin privilegierte Stellung im Verhältnis zur Sowjetunion bedroht und gemeinsam mit den USA fürchtete es die als unberechenbar erscheinende Dynamik der Ostpolitik. Obwohl die Bundesrepublik keine Anhaltspunkt für eine Lockerung ihrer Westbindung bot, spielte das Gespenst von Rapallo in der westlichen Wahrnehmung noch immer eine gewisse Rolle[...]

  • von Jean Nurdin

    Diese Studie beschäftigt sich mit drei Hauptthemen: der Zukunft und der exemplarischen Rolle der USA für den Alten Kontinent, dem Mythos der „Zwei Großen“, der im 19. Jahrhundert gezogenen Parallele zwischen Amerika und Russland, der Opposition zur – realen oder potentiellen – amerikanischen „Gefahr“. Um 1830 und 1848 preisen liberale und demokratische deutsche Anhänger des republikanischen Föderalismus das amerikanische System. Der Schriftsteller Julius Fröbel und der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich List sehen in Nordamerika ein entscheidendes Element der zukünftigen Weltpolitik. In Frankreich veröffentlicht 1835-1840 Alexis de Tocqueville sein Werk „Über die Demokratie in Amerika“; ab 1848 proklamiert Victor Hugo die Entstehung der Vereinigten Staaten von Europa als Gegenstück zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Das Gefühl des Wetteifers zwischen den beiden Kontinenten lässt später angesichts des Aufstiegs der beiden Weltmächte nach.[...]

  • von Philippe Alexandre

    Am Vorabend des Ersten Weltkrieges verfügte die bürgerliche Friedensbewegung in den Vereinigten Staaten über eine starke Organisation, die auf eine lange Tradition seit Beginn des 19. Jahrhunderts zurückging. Sie vereinte eine gewisse Anzahl bedeutender Mitglieder der Zivilgesellschaft, darunter vor allem Politiker der Demokraten, Geistliche, Lehrer, Wissenschaftler, Verleger und Humanisten, die über ein unermessliches Vermögen verfügten, wie der Industrielle Andrew Carnegie. Diese Organisation war in der Lage, Einfluss auf die Machthabenden auszuüben und sie in ihrer Außenpolitik zu unterstützen, die auf internationalen Ausgleich sowie die Förderung des Handels und des Einflusses der USA hinzielte. Die deutschen und französischen Pazifisten waren sich des wachsenden Gewichtes der Vereinigten Staaten in der Welt und der ambivalenten Beziehungen zwischen der Neuen Welt und dem „alten Europa“ bewusst und bemühten sich, auf eine engere Kooperation zwischen den beiden Kontinenten hinzuwirken.[...]

  • von Thomas Raithel

    Mit den Schlagworten „Amerika“ und „Amerikanisierung“ verband sich nach dem Ersten Weltkrieg in Europa eine massive wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Herausforderung. Der Beitrag bewertet im deutsch-französischen Vergleich das jeweilige Ausmaß dieses Vorgangs. Nach einem ersten Abschnitt zu den historischen Voraussetzungen der jeweiligen nationalen Amerika-Diskurse werden im zweiten Kapitel verschiedene Erscheinungsformen der „amerikanischen“ Herausforderung vorgestellt und systematisiert (wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in den USA; massenkulturelle „Importe“ aus den USA; generelle technische und soziokulturelle Modernisierungen, die vielfach mit dem Begriff des „Amerikanismus“ identifiziert wurden). Dabei wird auch auf die charakteristischen Reaktionen eingegangen, wie sie in den deutschen und französischen Amerika-Debatten zum Ausdruck kamen. Im dritten Kapitel folgen dann eine komparatistische Synthese und ein kurzer Ausblick bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

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