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  • von Reiner Prass

    Der Essay erörtert die Frage, unter welchen Bedingungen europäische Forschungsreisende in Afrika ihr Wissen über den Kontinent, seine Natur und seine Kulturen zusammentrugen. Bisher wurde dies anhand später publizierter Reiseberichte untersucht, aber schon während ihrer Reise sandten Forscher regelmäßig Briefe und Berichte an ihre Familie, Freunde und Kollegen, um von ihren Erlebnissen und Ergebnissen zu berichten. Diese bisher noch weitgehend unberücksichtigten Quellen erlauben Einblicke in Gefühlswelten von Forschungsreisenden, die sie in ihren offiziellen Berichten verschwiegen. Sie zeigen Menschen im Feld zwischen Neugier und Langeweile, Selbstsicherheit und Ungewissheiten. Dies wird anhand zweier Briefe diskutiert, die der Stuttgarter Afrikareisende Gottlob Theodor Kinzelbach am 21. und 22. September 1861 einem „Fräulein“ bzw. August Petermann, dem Herausgeber von Petermanns Geographischen Mitteilungen, aus Keren (Eritrea) zusandte. Während Kinzelbach in dem Brief an Petermann nur Probleme mit der Gesundheit und wissenschaftlichen Instrumenten erwähnt, äußert er sich in dem Brief an das „Fräeulein“ in zum Teil drastischen Formulierungen darüber, wie unwohl er sich fühlt und dass er sich aus lauter Langeweile in die Arbeit stürzt. Dieses Unwohlsein entstand sowohl durch seine Lebensbedingungen als auch durch seine Abneigung gegenüber der äthiopischen Bevölkerung und den anderen europäischen Teilnehmern der Expedition. Die Briefe widerlegen überkommene Heroengeschichten europäischer Forschungsreisender, und sie zeigen, dass ihre Berichte sehr viel über sie selbst, ihre Erwartungen und individuellen Perspektiven aussagen.

  • von Frank Uekötter

    Der Hinweis auf die Vielgestaltigkeit des Kontinents gehört zu den Standardthemen der warmherzigen Europarhetorik, die seit Jahrzehnten als Begleiterscheinung des europäischen Einigungsprozesses zu vernehmen ist. Wenige Themenfelder eignen sich dafür jedoch so gut als Anschauungsmaterial wie die natürliche Umwelt. Die europäische Natur umfasst Hochgebirge ebenso wie küstennahes Flachland, feuchte und aride Gebiete, waldreiche und waldarme Regionen und so fort. Klimatisch reicht das Spektrum von der arktischen Tundra bis zu den mediterranen Subtropen. Wenn man ein wenig Großzügigkeit walten lässt und auch das zur EU gehörige Überseedepartment Französisch-Guayana mit einbezieht, ist sogar ein Stückchen tropischer Regenwald Teil Europas. Ganz offenkundig gibt es nicht „die“ europäische Umwelt, sondern vielmehr eine Vielzahl natürlicher Umwelten, deren Umrisse mit Staatsgrenzen nur im Ausnahmefall übereinstimmen.