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  • von Rasa Navickaite

    This essay discusses the sexual education manual Mīlestības vārdā (In the Name of Love) (1981), written by the Latvian doctor Jānis Zālītis. A bestseller in both Latvia and the neighboring Lithuania, the book has contributed significantly to the social norms and attitudes towards gender and sexuality in late Soviet societies of the Baltic countries. This essay presents the historical context of the writing and the reception of this book, as well as provides a feminist and queer reading of some of its main ideas. Namely, the essay argues that Mīlestības vārdā, despite its “scandalous” reputation, was essentially a conservative book, which reproduced the predominant patriarchal and heteronormative understandings. The book entrenched the idea that hierarchical gender differences were essential to sustaining stable marriages, and that sexuality could be strictly divided into “normal”, meaning leading towards procreation, and “perverse,” meaning non-procreative and therefore morally wrong and detrimental to Soviet society.

  • von Ruth Nattermann

    Im November 1922, unmittelbar nach Mussolinis Marsch auf Rom, verfassten die italienischen Feministinnen Rosa Genoni (1867–1954) und Ida Vassalini (1891–1953) eine Rede anlässlich der internationalen „Konferenz für einen neuen Frieden“, die vom 7. bis 9. Dezember 1922 in Den Haag stattfinden sollte. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF); Genoni und Vassalini vertraten die italienische Sektion. Die WILPF, auf Deutsch „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF), war aus dem Frauenfriedenskongress in Den Haag vom April 1915 hervorgegangen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wählten die Mitglieder die Stadt Genf zum Sitz der internationalen Organisation, um dem Völkerbund nahe zu sein. Das Hauptziel der WILPF bestand im Einsatz für eine friedliche Lösung globaler Konflikte, an zweiter Stelle stand das Engagement für die Emanzipation von Frauen. Stark geprägt von Vertreterinnen jüdischer Herkunft und Quäkerinnen aus den USA und Europa, beschäftigte sich die Vereinigung auch mit Minderheitenrechten und dem Problem von Flüchtlingen. Obwohl keine humanitäre, sondern eine politische und bildungsorientierte Institution, waren zahlreiche Mitglieder der WILPF in humanitären Netzwerken tätig, so dass häufig Überschneidungen zwischen den beiden Sphären – feministischem Pazifismus und Humanitarismus – entstanden.

  • von Belinda Davis

    The image below represents a flyer put out by the Evangelische Studenten-Gemeinden Westberlin (ESG), calling for viewers to stand up for peace, by attending a demonstration to be held on the occasion of US-American President Ronald Reagan’s visit to West Berlin, in June 1982. The specific concern is to prevent the stationing of new nuclear weapons across Europe, in the Cold War West and East. Europeans are implicitly represented in the person of a female protester who, though in dress and heels, demonstrates sufficient strength to kick away an unwanted nuclear rocket. [...]

  • von Stefan Offermann

    Die sogenannte Aktion T4 war die erste systematisch durchgeführte Massenvernichtungsaktion des „Dritten Reiches“. Zwischen Januar 1940 und August 1941 wurden mindestens 70.000 Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung in Gaskammern getötet. [...]

  • von Maria Bühner

    „Aber in Erinnerung an diese erste Frau und im endlich beginnenden Nachdenken, was meine Gefühle gegenüber Frauen betraf, fing ich an, diese Alternative in Erwägung zu ziehen, mit einer Frau zu leben. Ich bildete mir aber ein, in dieser Stadt die einzige Lesbe zu sein – die Lesbe, das war mir damals noch nicht so klar – die einzige Frau zu sein, die so empfindet.“ [...]

  • von Judith Große

    Unter den veröffentlichten Leserbriefen an die Redaktion der Zeitschrift Die Ehe. Monatsschrift für Ehewissenschaft, -Recht und -Kultur findet sich im Jahrgang 1929 die Anfrage einer Leserin „in einer Sache […], die so eigenartig ist, daß es sich wohl lohnt, sie den Lesern vorzulegen.“ Die anonymisierte Verfasserin des Briefes bittet um Antwort auf die Frage, „ob moralische oder gesetzliche Bedenken gegen die Ehe einer Weißen mit einem Neger existieren“. [...]

  • von Franz X. Eder

    Sexualität und Geschlechterrollen zählten zu jenen soziokulturellen Feldern, die in der BRD und in Österreich in den Nachkriegsjahren besonders heftig diskutiert wurden. Mehr oder weniger Konsens bestand darüber, dass die NS-Geschlechterimages und die mit ihnen einhergehende pro- und antinatalistische Sexualideologie nur mehr zwecks Abgrenzung aufgerufen werden konnten. Sollte man also bei der Etablierung eines ‚neuen‘ Männer- und Frauenbildes und entsprechender Sexualformen an die Tradition der Weimarer Republik oder sogar des Kaiserreichs in der BRD bzw. an den Ständestaat oder die Erste Republik in Österreich anknüpfen? [...]

  • von Annelie Ramsbrock

    Deutschland ist neben der Tschechischen Republik eines von wenigen Ländern Europas, in dem die chirurgische Kastration (Orchiektomie) im Rahmen der Behandlung von Sexualstraftätern bis heute per Gesetz erlaubt ist. Erlassen wurde das Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (KastrG) im August 1969; Anwendung fand die Orchiektomie seitdem nur selten, nicht zuletzt, weil chemische, hormonelle und psychotherapeutische Behandlungsmethoden zunehmend an Bedeutung gewannen. Dennoch: Dass die Bundesrepublik die chirurgische Kastration für Sexualstraftäter überhaupt anbietet, wurde im August 2010 vom Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) beanstandet.

  • von Pablo Dominguez Andersen

    Die ersten Zeilen des Songs Ahmet Gündüz markieren die Geburtsstunde des deutschsprachigen Rap. Vorgetragen in gebrochenem Gastarbeiterdeutsch und untermalt von einer türkischen Saz-Melodie, erzählt der Arbeiter Ahmet die Geschichte seiner Auswanderung in die Bundesrepublik. Gerappt wurden die Zeilen von Tahir Cevik alias Tachi, einem von drei MCs der Gruppe Fresh Familee. 1989 gegründet, spielte die Crew 1991 die Hauptrolle in der ersten deutschen HipHop-Dokumentation Fresh Familee – Comin’ from Ratinga. Den Gewinn eines städtischen Nachwuchspreises nutzte die Band im selben Jahr zur Finanzierung ihres gleichnamigen Debütalbums Coming from Ratinga, das sie kurz darauf im Eigenvertrieb veröffentlichte. Der Song Ahmet Gündüz war sowohl auf dieser Platte als auch auf dem 1993 von Phonogramm veröffentlichten Album Falsche Politik enthalten und gilt damit vielen als erste deutschsprachige Rapveröffentlichung. [...]

  • von Kristin Reichel

    In den 1950er und 1960er Jahren strebten aufgrund ökonomisch-struktureller und gesellschaftlicher Veränderungen vermehrt verheiratete Frauen in den Arbeitsmarkt. Diese Entwicklung vollzog sich weltweit und in rasantem Tempo: waren bis 1940 noch mehrheitlich ledige Frauen berufstätig, stellten bereits 1949 weltweit Ehefrauen die Mehrheit der weiblichen Erwerbstätigen. Vor allem in den Industrieländern führte das enorme Wirtschaftswachstum zu einem steigenden Arbeitskräftebedarf, so dass verheiratete Frauen schon bald als „letzte Arbeitskraftressource“ galten. In Deutschland war Ende der 1960er Jahre ungefähr die Hälfte der berufstätigen Frauen verheiratet. Ihre Anzahl hatte sich seit 1950 verdoppelt. In Ostmitteleuropa lag die Beschäftigungsquote verheirateter Frauen deutlich höher. Bereits 1961 waren in der Tschechoslowakei, der DDR und Polen bereits 60 Prozent erwerbstätig. [...]

  • von Nicolai Hannig

    Füße, Hände, Augen, Nieren, Mägen, Busen, Köpfe, Mädchen, Jungen, alles aus Wachs. Dies und noch viel mehr kann man im portugiesischen Fátima, nördlich von Lissabon kaufen. Denn in Portugal ist es Tradition, all das, was den Menschen Kummer bereitet, symbolisch in Wachsform der Heiligen Jungfrau in der Cova da Iria bei Fátima zu opfern. Rund vier Millionen Pilger kommen jährlich aus ganz Europa, beten, bringen ihre Wachsopfer und kaufen Bücher, CDs und DVDs. Viele, die zu Fuß kommen, sind erschöpft und krank. Andere reisen mit Zügen und Bussen an. Aus einem kleinen unbedeutenden Ort am Rande Europas, in dem die Menschen in ärmlichen Verhältnissen lebten und zum Teil noch leben, ist einer der wichtigsten Wallfahrtsorte der Welt geworden. Nicht nur die Pilgerströme und rund 500 Devotionalienhändler vor Ort zeugen davon. [...]

  • von Belinda Davis

    The image below represents a flyer put out by the Evangelische Studenten-Gemeinden Westberlin (ESG), calling for viewers to stand up for peace, by attending a demonstration to be held on the occasion of American President Ronald Reagan’s visit to West Berlin, in June 1982. The specific concern is to prevent the stationing of new nuclear weapons across Europe, in the Cold War West and East. Europeans are implicitly represented in the person of a female protester who, though in dress and heels, demonstrates sufficient strength to kick away an unwanted nuclear rocket. The message seems forthright and quite simple. But as an exemplar of the era’s iconography, the flyer would have communicated a range of meanings and associations. One of thousands of such images and associated texts in West Germany/West Berlin alone, the flyer was part of a popular political movement across NATO-allied Europe, protesting NATO’s new “double-track” strategy of rearmament alongside continued détente. [...]

  • von Sylvia Schraut

    Erinnerungskultur hat derzeit Konjunktur. Zahlreiche aktuelle Tagungsankündigungen und Publikationen nehmen Bezug auf eine wissenschaftliche und geschichtspolitische Debatte, die weit über die historische Fachwissenschaft hinaus Aufmerksamkeit in den populären Medien findet. Auffällig sind jedoch zwei Merkmale: Die Auseinandersetzungen um öffentliches Gedenken fokussieren mehrheitlich den politischen bzw. kulturellen Raum der Nation und sie kommen in der Regel ohne nennenswerte Bezüge zum Geschlecht der Akteure aus. Diese Beobachtungen sind der Ausgangspunkt unseres Beitrags. Er stellt einen Forschungsansatz vor, der sich mit den Fragen beschäftigt: Wie lässt sich historisch arbeitende Genderforschung mit den Debatten um Erinnerungskultur verbinden? Wie kann die Erinnerung an Frauen und weibliche Handlungsräume in das kulturelle Gedächtnis Europas eingeschrieben werden? Und welche Präsentationsformen und Medien sind hierfür besonders geeignet? [...]

  • von Stefan Wiederkehr

    Im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1972 veröffentlichte die Medizinische Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein zweisprachiges Faltblatt unter dem Titel „Le contrôle de féminité/Sex control“, das die in Sapporo und München durchzuführenden Geschlechtertests reglementierte. Die Medizinische Kommission des IOC unter dem Vorsitz des belgischen Adeligen Alexandre de Merode (1934-2002) war 1967 ins Leben gerufen worden. Sie bildete das Resultat mehrjähriger Debatten innerhalb der IOC-Gremien, wie dem Problem des Dopings im olympischen Sport zu begegnen sei. Kurzfristig wurde die Medizinische Kommission mit einer zusätzlichen Aufgabe betraut: Sie sollte durch geeignete Kontrollen sicherstellen, dass die Teilnehmerinnen bei Frauenwettbewerben tatsächlich Frauen sind. [...]