Essays/

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  • von Ines Soldwisch

    Das bürokratische Europa zerstöre die europäischen Völker und Nationalstaaten. Dieses von rechtspopulistischen Parteien in Europa kolportierte Narrativ hat eine lange Geschichte, die in den 80er-Jahren von einzelnen Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu erzählen begonnen wurde, bis heute weiterentwickelt wurde und mehr und mehr in die europäische Öffentlichkeit getragen wird. Dabei können Europakritik und Euroskeptizismus bis hin zur Europafeindlichkeit je nach Intensität und Absicht als spezifische Ausformung des Populismus gefasst werden. Im Europäischen Parlament sind seit der Direktwahl 1979 euroskeptische Parteien und Fraktionen vertreten. Jedoch verfolgten diese Parteien bisher keine einheitliche politische Agenda, bis auf ihre Kritik an der Europäischen Union als Gesamtkonstrukt. Die vorliegende Deklaration kann als ein Versuch angesehen werden, Geschlossenheit zu demonstrieren, nationenübergreifend, sozusagen „europäisch“ europakritisch aufzutreten und öffentlichkeitswirksam wahrgenommen zu werden.

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Heidi Hein-Kircher

    „Wódz“, „Tautas vada“, „Caudillo”, „Duce“, „Conducator“, „Vožd‘“ als landessprachliche Varianten des „Führer“-Begriffs weisen darauf hin, dass Führer-Kulte (nicht nur) ein Phänomen im Europa des 20. Jahrhunderts waren und in zahlreichen Staaten etabliert worden sind. Führer-Kulte waren (und sind) die charakteristischste Form politischer Kulte und prägten nachhaltig die politische Kultur gerade der autoritären und totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, während andere Personenkulte, beispielsweise der um Evita Péron zu deren Lebzeiten, eher eine Stellvertreterfunktion wahrnehmen und Personenkulte um Verstorbene auf die gegenwärtig Herrschenden hin ausgerichtet werden, wie etwa im Fall des Lenin-Kultes. Ihre spezifische Wirksamkeit entfalten sie dadurch, dass sie in emotional eindringlicher Weise wirken und so die Teilhabenden zu einer Gemeinschaft zusammenschweißen. [...]

  • von Andreas Weiß

    Die Konstruktion von Europa in Abgrenzung zu Asien liegt an den Wurzeln westlicher Selbstdefinition. Doch herrscht bisher in der Forschung ein Ungleichgewicht. Es wurde überwiegend danach gefragt, welche Bilder, Stereotypen, etc. Europa Asien als Kontinent und vorgeblich einheitlichen Kulturraum zuschrieb. Bisher unterreflektiert blieb dabei, inwieweit diese Zuschreibungen von „Asiaten“ übernommen und inkorporiert wurden und welche Gegenbegriffe sie entwickelten. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Literatur zum Pan-Asianismus, neben älteren Arbeiten wie die Arbeit von Stephen Hay über Rabindranath Tagore und sein Konzept von Asien. Doch nicht nur die Frage nach der Konstruktion Asiens wurde selten gestellt. Trotz der inzwischen unüberschaubaren Literatur zum Begriff Europa interessierte sich die bisherige Forschung selten dafür, wie Akteure aus anderen Regionen Europa konstruierten. [...]