Essays/

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  • von Anette Schlimm

    Vom 17. bis zum 20. Oktober 1909 tagte in Paris der erste internationale Landschaftsschutzkongress (Congrès International pour la Protection des Paysages), oder, wie er von den deutschen Teilnehmern genannt wurde: der erste „internationale Heimatschutzkongreß“. Auf Einladung der französischen Société pour la Protection des Paysages trafen sich vier Tage lang Vertreter verschiedener europäischer Vereinigungen, die sich der Traditions- und Landschaftsbewahrung verschrieben hatten. Sie berichteten einander über die Probleme und Erfolge in ihren jeweiligen Herkunftsländern, tauschten sich aus und knüpften Kontakte. Bereits drei Jahre später, im Juni 1912, fand ein erneuter Kongress dieser Art statt, diesmal auf Einladung des deutschen Bundes Heimatschutz. Man tagte wiederum vier Tage, nun in Stuttgart, und es waren nicht nur Vertreter der verschiedenen europäischen Verbände angereist, sondern auch Abgesandte der nationalen Regierungen. [...]

  • von Norbert Finzsch

    „Sheep eat men“, Schafe fressen Menschen. Dieser Thomas Morus zugeschriebene Satz beschreibt die Situation in Australien zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr adäquat. Während die Zahl der australischen Aboriginal Peoples nach 1788 drastisch fiel, stieg die Zahl der Schafe ebenso dramatisch an. Die geschätzte Bevölkerungszahl von 500.000 bis 750.000 Indigenen der ersten Kontaktphase war bis 1901 auf 100.000 gesunken. Die First Fleet der britischen Siedler hatte 28 Kapschafe an Bord gehabt, 1830 lebten bereits über eine Million Schafe und knapp 400.000 Rinder in New South Wales. Da konnte selbst die britische Einwanderung nicht mithalten, denn 1830 belief sich die Zahl der weißen Siedler auf 70.000 Köpfe. Der Historiker Ben Kiernan hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Rückgang der australischen Urbevölkerung, den er den aus Europa unwissentlich eingeschleppten Seuchen zuschreibt, kein Völkermord gewesen sei. [...]

  • von Frank Uekötter

    Der Hinweis auf die Vielgestaltigkeit des Kontinents gehört zu den Standardthemen der warmherzigen Europarhetorik, die seit Jahrzehnten als Begleiterscheinung des europäischen Einigungsprozesses zu vernehmen ist. Wenige Themenfelder eignen sich dafür jedoch so gut als Anschauungsmaterial wie die natürliche Umwelt. Die europäische Natur umfasst Hochgebirge ebenso wie küstennahes Flachland, feuchte und aride Gebiete, waldreiche und waldarme Regionen und so fort. Klimatisch reicht das Spektrum von der arktischen Tundra bis zu den mediterranen Subtropen. Wenn man ein wenig Großzügigkeit walten lässt und auch das zur EU gehörige Überseedepartment Französisch-Guayana mit einbezieht, ist sogar ein Stückchen tropischer Regenwald Teil Europas. Ganz offenkundig gibt es nicht „die“ europäische Umwelt, sondern vielmehr eine Vielzahl natürlicher Umwelten, deren Umrisse mit Staatsgrenzen nur im Ausnahmefall übereinstimmen.

  • von Richard Hölzl

    Mit dem Begriff ‚Zivilisierungsmission’ hat die transnationale Geschichte einen griffigen Ausdruck für den quasi-religiösen und aufklärerischen Drang europäischer Staaten und Akteure gefunden, ‚andere’ als weniger oder noch nicht ‚zivilisiert’ geltende Völker zu unterwerfen, zu beherrschen und zu erziehen. Dabei ging es weniger um die Verbesserung der Lebensbedingungen ‚unzivilisierter’ oder ‚unterentwickelter’ Völker, als um die eigene europäische Identität. Diese ließ sich im Gegensatz von Zivilisation und Barbarei, von Kulturvölkern und Naturvölkern, von entwickelten und unterentwickelten Gebieten, Regionen, Völkern oder Staaten und letztendlich von Fortgeschrittenen und Zurückgebliebenen besonders gut produzieren, bestätigen und verbreiten.[...]

  • von Martin Knoll

    Das Phänomen „Stadt“ erfährt im 1837 erschienenen 167. Band der Krünitzschen „Oekonomischen Encyklopädie“ gebührende Aufmerksamkeit. Der Artikel zum gleichnamigen Lemma umfasst rund 33 Seiten, in denen Urbanität nach rechtlichen, ökonomischen und historischen Kriterien typologisiert und anhand zahlreicher Beispiele diskutiert wird. Die Darstellung nimmt ihren Ausgang bei der als Idealstadt vorgestellten Residenzstadt Karlsruhe, wendet ihren Blick dann aber im Zuge einer generalisierenden Erörterung mehreren Dutzend anderen Städten und Regionen Europas zu und streift sogar Ägypten und Nordamerika. Was den Artikel in unserem Zusammenhang besonders interessant macht – und was ihn z. B. vom gleichnamigen Eintrag im rund 90 Jahre älteren 39. Band des Zedlerschen Universallexikons unterscheidet – ist der Umstand, dass eine Fülle von Aspekten angesprochen wird, die heute landläufig unter den Begriffen „Umweltproblem“ oder „Umweltfaktor“ subsumiert würden. [...]