Essays/

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  • von Sven Oliver Müller

    Vergleicht man die Praktiken, die Geschmäcker und das Repertoire im Musikleben des 19. Jahrhunderts in Europa, fallen zunächst Parallelen auf. In den meisten europäischen Spielstätten waren der spontane Genuss musikalischer Darbietungen und der Konsum von Musik innerhalb eines sozialen Raumes ausschlaggebend. Das Diktum des berühmten Kritikers Eduard Hanslick, wonach sich eine Arie im Unterschied zu anderen Kunstformen, wie ein Glas Champagner genießerisch „schlürfen“ lasse, entspricht exakt dem Reisebericht Carl Maria von Webers, der über ein Privatkonzert im Hause Lord Hartfords im März 1826 aus London an seine Frau schrieb: „Herrlicher Saal, 500 bis 600 Personen da. Alles im höchsten Glanze. Fast die gesamte italienische Opern-Gesellschaft… . Da wurden Finales gesungen ec., aber kein Mensch hört zu. Das Gewirr und Geplauder der Menschenmenge war entsetzlich. [...]

  • von Gabriele B. Clemens

    Der Kunstmarkt beschränkte sich nie auf einzelne Städte oder Regionen, doch spätestens seit dem Ancien Regime nahmen seine europäischen Dimensionen kontinuierlich zu. Dabei sind Kunst und Kommerz zwei Sphären, die sich nicht voneinander trennen lassen. Noch nie wurde so viel Geld mit Kunst umgesetzt wie heute. Niemals zuvor war Kunst so teuer, zu keiner Zeit fanden sich so viele Kenner, Käufer und Spekulanten. Vor rund 200 Jahren waren die Dimensionen noch andere. Während im 18. Jahrhundert neben der Kirche das Mäzenatentum der Fürsten und einer kleinen Elite von weiteren Adeligen und reichen Bürgern entscheidend war, trat im 19. Jahrhundert ein breiteres Publikum auf den Plan, das die Ausstellungen der Akademien und die der neu gegründeten Museen zu regelrechten Massenspektakeln anschwellen ließ. Vielerorts wurden Kunstvereine gegründet, deren Mitglieder kollektiv Künstler förderten. In der Publizistik nahmen Diskussionen über Kunst und Kunstwerke auffallend zu. [...]

  • von Kerstin Lange

    Eine Tangomanie ergriff in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die europäischen Großstädte. Der argentinische Tango wurde vor allem in der Unterhaltungskultur von Paris, London und Berlin zu einem neuen Modetanz und verbreitete sich von dort aus auch in anderen Städten. Auf den Bühnen der Music Halls und Varieté-Theater kam kaum eine Vorstellung ohne eine Tango-Nummer aus, international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Gaby Deslys oder George Grossmith Jr. nahmen den Tanz in ihr Programm auf. Doch nicht nur auf den Bühnen war der Tango zu sehen, auch das Publikum tanzte. Tanzflächen fanden sich in den Palais de Danse, wie sich die glamourösen Ballsäle des Olympia in Paris oder des Metropolpalastes in Berlin nannten, sowie in den Cafés, Restaurants und neuen Grandhotels entlang der Boulevards der Städte. Tango war in der Vergnügungskultur europäischer Metropolen „en vogue“. [...]

  • von Joachim Eibach

    Die Musik Franz Schuberts wird man in die Kategorie ‚Hochkultur’ einsortieren. Schubert figuriert in der Reihe der großen Komponisten, deren Werke epochen- und länderübergreifend gespielt und gehört werden. Diese ‚klassisch’ genannte Musik ist wesentlicher Bestandteil des auditiven Gedächtnisses Europas, eine praktizierte Tradition, die auch außerhalb des Kontinents nach wie vor viel beachtet wird und als Imagination mit europäischer Kultur eng verbunden ist. Schuberts Musik ist klassisch geworden. Denn zu seinen Lebzeiten erfuhr sie nur geringe Resonanz in der Öffentlichkeit. Goethe wies die Annäherungsversuche des jungen Komponisten aus Wien wortlos zurück. Später wurde Schuberts Werk als ‚biedermeierlich’ verniedlicht und auf sentimentale Liedchen von der ‚schönen Müllerin’ usw. reduziert. [...]