Essays/

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  • von Robert Groß

    Nach jahrelangen Importverhandlungen kamen die UdSSR und Österreich 1968 zu einem Vertragsabschluss. Damit war ein neues Kapitel der Ost-West-Beziehungen und der europäischen Energiegeschichte aufgeschlagen. Möglich wurde dies auch, weil sich das neutrale Österreich nicht an der Sanktionspolitik der NATO beteiligte, die die Lieferung von Rohren in die UdSSR erschwerte. Als das Embargo Ende 1966 aufgehoben wurde, hatte Österreich bereits die Eckpunkte des Liefervertrags ausverhandelt. Davon profitierten nicht nur Industriebetriebe in Österreich und in der BRD, sondern auch die UdSSR, die in der Folge ihre Transportinfrastruktur entsprechend ausbaute und neue Erdgasfelder in Sibirien erschließen konnte. Während die transnationale Perspektive vor allem die Rolle der Nationalstaaten bei der Vertragsanbahnung abbildet, nimmt die Perspektive der Energieversorger die europäischen Integrationsprozesse jenseits der großen Verträge und entlang der gebauten Infrastruktur in den Blick.

  • von Sophie Lange

    Im Jahr 1979 fand in Genf eine „hochrangige Tagung“ der Economic Commission for Europe zum Thema Umweltverschmutzung statt. Diese Konferenz diente im Kalten Krieg entspannungspolitisch zum einen als Brücke im sich wieder anspannenden Ost-West-Verhältnis. Gleichzeitig zeigt ein näherer Blick darauf jedoch über eine Zweiteilung Europas in Ost und West hinaus und weist den nordeuropäischen Staaten als Akteuren ein eigenes Gewicht zu. Nicht zuletzt nahm über diese Konferenz das neu aufgekommene Thema Umweltschutz auf der internationalen Ebene rasant an Fahrt auf, weshalb es galt, dieses auch politisch beispielsweise in einer "Konvention über weiträumige Luftverschmutzung" zu verankern.

  • von Anna Karla

    Im September 1919 reiste eine Delegation im Auftrag der deutschen Regierung durch den Nordosten Frankreichs. Ziel der Reise war es, sich ein Bild zu machen: davon, wie es ein knappes Jahr nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente um die Gebiete an der ehemaligen Westfront bestellt war; davon, welches Ausmaß der Zerstörungen sich in der Region nördlich und östlich der französischen Hauptstadt bot; davon, was zu tun sei, um den Wiederaufbau voranzutreiben, der auf der Friedenskonferenz in Versailles, in der französischen Presse und in der lokalen, regionalen und nationalen Politik als drängendes Problem gehandelt wurde. [...]

  • von Ingo Köhler

    Energiekrisen begleiten die Moderne. Sie sind zugleich Ausdruck und Folge sich verändernder Produktions- und Verbrauchsmuster in der Moderne. Aus rein ökonomischer Sicht basieren Energiekrisen meist auf einem einfachen Wirkmechanismus, bei dem Verknappung zu Preisanstieg führt. So sind die in der publizistischen Öffentlichkeit viel diskutierten Ölkrisen, die Europa und die Welt in den 1970er-Jahren und erst jüngst wieder in ihrem Bann hielten, treffender mit dem Begriff der Ölpreiskrisen zu beschreiben. [...]

  • von Raimund Bauer

    Nachdem die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Frankreich besiegt und dabei Belgien, die Niederlande und Luxemburg besetzt hatte, standen weite Teile Europas direkt unter deutscher Herrschaft. Andere unterlagen dem indirekten Einfluss des Reiches, waren mit Deutschland verbündet oder vertraten offiziell eine neutrale Haltung. Während die deutsche Armee in der Folgezeit versuchte Großbritannien, das letzte Relikt der alten europäischen Ordnung, militärisch zu beseitigen, stellte sich die Frage, wie die Zukunft des Kontinents unter deutscher Hegemonie aussehen würde. [...]

  • von Anna-Katharina Wöbse

    Es ist ein visuell eingängiges Symbol und schnell zu erfassen: ein stilisierter Baum mit runder Krone, geraden Ästen und kräftigen Blättern (vgl. Abb.1). Dieser grüne ‚Tree of Life‘ ist das älteste Markenzeichen europäischen Naturschutzes: das Label des Europadiploms, dessen offizielle Bezeichnung „European Diploma of Protected Areas of the Council of Europe“ lautet. 1965 wurde es aus der Taufe gehoben, um die herausragendsten Naturschutzgebiete im wachsenden Wirkungskreis des Europarates auszuzeichnen. Heute verbindet es so unterschiedliche Landschaften wie die norddeutsche Lüneburger Heide, die italienischen Seealpen, die estnische Meeresbucht von Matsalu, den türkischen Kuscenneti-Nationalpark und das rumänische Donaudelta. Diese Auszeichnung war weder mit Geld noch mit Sanktionsmöglichkeiten, weder mit verbindlichen Standards noch mit Gesetzestextes verbunden. Es handelte sich bei der Verleihung des Europadiploms vornehmlich um Symbolpolitik. [...]

  • von Henning Türk

    Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) hat bis heute keinen guten Ruf. Dominierte seit den 1960er-Jahren zunächst die Kritik an den Butterbergen und Milchseen, die sie produzierte, so wurden seit den 1980er-Jahren vermehrt die Marktabschottung gegenüber den Entwicklungsländern und die Bevorzugung der konventionellen Landwirtschaft hinterfragt. Reformvorschläge, die es bereits frühzeitig gab, wurden von den Landwirtschaftsministern und agrarischen Verbänden über lange Zeit blockiert. Erst unter dem irischen Agrarkommissar Raymond MacSharry fand 1992 ein Paradigmenwechsel statt. Erstmals wurden die Einkommen der Landwirte nicht mehr nur über den Preis für das Produkt gestützt, sondern auch über Beihilfen, welche jetzt direkt an die Landwirte gezahlt wurden. [...]

  • von Dieter Lindenlaub

    Am 1. Januar 1999 startete – in Verfolg des am 7. Februar in Maastricht vom EU-Rat unterzeichneten Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (im Folgenden: EWU = Europäische Währungsunion). Elf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union führten – zunächst nur als Buchgeld, am 1. Januar 2002 auch als Bargeld – den Euro als gemeinsame Währung ein, ohne gleichzeitig andere Politikbereiche, wie z.B. die Finanz- und Wirtschaftspolitik, zu vergemeinschaften; bis 2013 folgten sechs weitere Länder. Die nationalen Zentralbanken dieser Länder und die Europäische Zentralbank (EZB) bilden das Eurosystem, das für eine einheitliche Geldpolitik im Euroraum zu sorgen hat. [...]

  • von Anne Lammers

    Was für die französischen Arbeiterfamilien in der Eisen- und Stahlindustrie der Wein, ist für die Deutschen der Branntwein. Während die Italiener am liebsten Spaghetti essen und der Luxemburger am meisten Fleisch verzehrt, zieht der Saarländer Kartoffeln vor. Und die Niederländer lieben ihre Milch so sehr, dass sie sie am liebsten direkt aus der Flasche trinken, während sich der Belgier mit reichlich Kaffee durch den Tag bringt. So ließe sich zugespitzt eine grafische Darstellung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1956/57 beschreiben, die als Teil einer umfangreichen Statistik über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in der Montanindustrie erschien (Quelle 1). Als 1963/64 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine zweite Studie dieser Art durchgeführt wurde, hatten sich der Erhebungsbereich sowie die Parameter zur Bestimmung des Lebensniveaus verändert. [...]

  • von Jan-Henrik Meyer

    Die 1970er-Jahre gelten gemeinhin als ein erster Höhepunkt der Sorge um die Umwelt und zivilgesellschaftlicher Mobilisierung für dieses neu entdeckte Problemfeld in Europa. Für die grundsätzliche Entscheidung der Europäischen Gemeinschaften (EG), des Vorläufers der heutigen Europäischen Union, sich des Politikfelds Umwelt anzunehmen, war die rasch wachsende Umweltbewegung aber nicht die treibende Kraft. Andere Akteure und Beweggründe waren hier zunächst von größerer Bedeutung. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Brüsseler EG-Kommission drängten aus eher technischen Gründen auf gemeinsame Umweltregeln. Einheitliche Standards sollten verhindern, dass unterschiedliche einzelstaatliche Umweltvorschriften den Handel auf dem Gemeinsamen Markt beschränkten. [...]

  • von Daniel Speich Chassé

    Am 20. Juli 1963 kam es in der kamerunischen Stadt Jaunde zur Unterzeichnung eines wirtschaftspolitischen Assoziationsvertrags zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Reihe von afrikanischen Staaten. Der König der Belgier, die Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs und Italiens, die Großherzogin von Luxemburg und die Königin der Niederlande verpflichteten sich in dem Vertragswerk, ihre internationalen Handelsbeziehungen gewissen Regeln zu unterstellen und ihre Souveränität einzuschränken. Die Vertragspartner waren seine Majestät, der Mwami von Burundi, die Präsidenten von Kamerun, der zentralafrikanischen Republik, von Kongo-Brazzaville und Kongo-Léopoldville, der Elfenbeinküste, Dahomey, Gabun, Ober-Volta, Madagaskar sowie die Staatsoberhäupter von Mali, Mauretanien, Niger, Rwanda, Senegal, Somalia, Tschad und Togo. Alle diese Würdenträgerinnen und Würdenträger waren entweder selbst präsent oder hatten hochrangige Vertreter entsandt. [...]

  • von Ernst Langthaler

    „Agrar-Europa“ ist heutzutage in aller Munde, wenn von der Landwirtschaft der Staaten der Europäischen Union (EU) die Rede ist. Für heutige EU-Bürgerinnen und -Bürger versteht es sich von selbst, die Landwirtschaft ihres jeweiligen Landes mit „Brüssel“ zu assoziieren; so etwa laden demonstrierende Agrarverbände ihre Mistfuhren kaum mehr vor den nationalen Regierungssitzen, sondern dem Sitz der EU-Kommission ab. Diese Begriffsassoziation wurde vor rund einem halben Jahrhundert im Zuge der Formierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geprägt; so etwa erscheint seit 1960 der mehrsprachige Presse- und Informationsdienst Agra-Europe. Der Agrarbereich zählt gewiss zu den am stärksten europäisierten Feldern der Gegenwartsgesellschaft.[...]

  • von Christopher Kopper

    Während der Vertrag von Maastricht und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung umfassende Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erfahren haben, wurden die dafür notwendigen institutionelle Voraussetzungen in Gestalt des europäischen Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen bislang nur wenig beachtet. In den Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Europäischen Union wird der politischen Grundlagenentscheidung, der Einheitlichen Europäischen Akte, und der Implementierung des Binnenmarktes nur einige Seiten gewidmet. [...]

  • von Christoph Strupp

    Der wirtschaftliche Zusammenschluss Westeuropas in der Nachkriegszeit ist ein politisches Projekt, das sich in der Rückschau als Erfolgsgeschichte darstellt. Der Weg von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1952 mit sechs Mitgliedsländern zur Europäischen Union der Gegenwart mit 27 Mitgliedern war allerdings kompliziert, denn gegensätzliche wirtschaftliche Interessen und politische Ziele der beteiligten Nationalstaaten mussten in immer neuen Kompromissen austariert werden. Unterschiedliche ideologische Vorstellungen über den Charakter des Europäischen Hauses und das Verhältnis der zentralen Institutionen in Brüssel und Straßburg zu den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten führten und führen bis heute zu Konflikten. [...]

  • von Rebecca Belvederesi-Kochs und Paul Thomes

    Das European Recovery Program (ERP), gemeinhin als Marshall-Plan bezeichnet, war das bedeutendste, von den USA getragene europäische Wiederaufbauprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist bis heute ganz überwiegend positiv besetzt, zumal es in der Wahrnehmung der begünstigten Staaten unmittelbar mit der Wohlstandserfahrung der ersten Nachkriegsjahrzehnte korrespondiert. So wurden die Effekte der US-amerikanischen Auslandshilfe beispielsweise nicht nur direkt mit dem westdeutschen „Wirtschaftswunder“ assoziiert; im politischen und medialen Diskurs arrivierten der Marshall-Plan und die mit ihm verknüpften Institutionen zu Symbolen der gemeinsamen Erfolgsgeschichte der europäischen Wohlstandsgesellschaften. [...]

  • von Christiane Eifert

    Europa heißt das Zauberwort, mit dem Unternehmerinnen im Westeuropa der Nachkriegszeit ihren Zusammenschluss zu einem Europäischen Unternehmerinnenverband begründeten und die Ernsthaftigkeit ihres Unterfangens demonstrierten. Mit dem Kalten Krieg war Europa seit 1948 der Schlüsselbegriff in der westlichen Sicherheits- wie Wirtschaftspolitik, Europa war Chiffre für Frieden und Wohlstand und die Unternehmerinnen bewiesen ihre staatsbürgerliche Verantwortung, indem sie sich für diese Ziele einsetzten. Europa als Grundlage und Ziel des Verbandes signalisierte Bedeutung und Stärke, und die Unternehmerinnen nahmen beides gerne an. Im Grunde vollzogen sie für Unternehmerinnen den europäischen Verbandszusammenschluss, den 1950 die von Unternehmern dominierten industriellen Spitzenverbände mit der Formierung zum Rat der Europäischen Industrien praktizierten. [...]

  • von Ludolf Herbst

    In einer Zeit vermehrter deutsch-amerikanischer Irritationen einerseits und fortschreitender europäischer Integration andererseits ist es von besonderem Interesse, sich die Konstellation in Erinnerung zu rufen, die die Entwicklung gemeinsamer europäischer Institutionen ermöglichte, und dabei die Rolle zu beleuchten, die die USA hierbei spielten. Ein streng geheimes Grundsatzpapier des amerikanischen State Department vom März 1949 ist hierzu sehr gut geeignet, weil es die Grundlinien der amerikanischen Politik gegenüber Europa klar herausarbeitet und zeigt, wie eng der Zusammenhang zwischen der Lösung des „deutschen Problems“ und der europäischen Integration in Washington gesehen wurde.[...]

  • von Christian Kleinschmidt

    Der Marshall-Plan war ein bedeutender Faktor des westdeutschen und europäischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Das amerikanische Engagement für den Wiederaufbau Europas und insbesondere Deutschlands war in der unmittelbaren Nachkriegszeit innerhalb der USA jedoch zunächst umstritten. Voraussetzung für einen fruchtbaren deutsch-amerikanischen Wirtschaftsaustausch und für die Bereitschaft der Amerikaner zur Unterstützung des deutschen Wirtschaftsaufbaus ab etwa 1947 war eine Abkehr von der restriktiven Politik der direkten Nachkriegszeit hin zu konstruktiveren wirtschaftspolitischen Konzepten, die sich ebenso an der Steigerung der Produktion und der Produktivität deutscher und europäischer Unternehmen und der Landwirtschaft orientierte wie an deren Wiedereingliederung in die Weltwirtschaft. [...]

  • von Jean-François Eck

    Ab 1955 stützten sich die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Frankreichs auf eine besondere Einrichtung, die offizielle deutsch-französische Handelskammer. Sie war im Rahmen der im vorangegangenen Jahr von den jeweiligen Regierungschefs unterzeichneten Verträgen von La Celle Saint-Cloud auf Initiative der öffentlichen Hand gegründet worden und versammelte Anfang der 1960er Jahre ungefähr 2.000 Teilnehmer (Unternehmen, Einzelpersonen, Vereinigungen). Ausgehend von strikt paritären Strukturen, einer Zeitschrift und der Unterstützung der Industrie- und Handelskammer von Paris spielte sie eine nicht unbedeutende Rolle. Sie übernahm die Verteidigung privater Interessen gegenüber öffentlichen Stellen, die sie in technischen Fragen konsultierten, die Verbreitung von Informationen an Unternehmen, die sich im Nachbarland ansiedeln wollten sowie die Entwicklung von Sprach- und Wirtschaftsunterricht.

  • von Gerold Ambrosius

    Es scheint eine Epoche zu Ende zu gehen, in der die Bürger/innen Anspruch auf eine stabile, preiswerte und qualitativ gute Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen haben und der Staat diese durch Eigenproduktion befriedigt. Stattdessen hat eine Diskussion darüber begonnen, was als angemessene Grundversorgung bezeichnet werden kann und ob und wie sie gesichert werden soll. Was noch vor nicht allzu langer Zeit als undenkbar galt, ist inzwischen selbstverständlich: Die monopolistischen Strukturen der Versorgungsnetze werden aufgebrochen und wettbewerbliche eingeführt. Öffentlich-rechtliche Dienstleistungsunternehmen werden in privatrechtliche umgewandelt oder sogar privatisiert. Internationale bzw. europäische Großkonzerne übernehmen lokale und regionale Versorgungsnetze. Die traditionellen Dienstleistungssysteme machen einen tief greifenden Wandel durch und noch ist nicht abzusehen, wohin die Entwicklung letztlich geht. [...]

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