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  • von Nicolas Blumenthal

    Der vorliegende Essay betrachtet die Eigenheiten der politischen „Säuberung“ nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz und ordnet sie in einen gesamteuropäischen Kontext der deutschen Entnazifizierung und französischen „épuration“ ein. Er verdeutlicht zum einen die Logiken, denen die Ausmerzung des Nationalsozialismus in einem Land folgte, das von einer Einverleibung in den nationalsozialistischen Machtapparat verschont geblieben war. Zum anderen beleuchtet der Beitrag, wie innen- und außenpolitisches Taktieren in die Schweizer „Säuberungspolitik“ hineinspielte und sich mit Momenten der Vergeltung verband. Die damaligen Auseinandersetzungen entfalteten sich geradezu zu einer nationalen Bewährungsprobe. Ausschaffungen von Nationalsozialist:innen erfüllten vor dem Schweizer Nachkriegskontext eine doppelte Funktion: Sie schufen einerseits eine Möglichkeit, um mit diskreditierten NS-Anhänger:innen abzurechnen und dem Unmut in der Bevölkerung Luft zu machen. Andererseits dienten sie dazu, Vorwürfe der nationalsozialistischen Verstrickung zurückzuweisen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von innen und außen gegen die Schweiz erhoben wurden.

  • von Jochen Oltmer

    Der vorliegende Beitrag soll einen knappen Einblick in die Diskussion um die Formulierung eines Asylrechts in der Endphase der Weimarer Republik geben und diese in die Geschichte des westeuropäischen Auslieferungsasyls einordnen. Im 19. Jahrhundert nahmen grenzüberschreitende Fluchtbewegungen als Ergebnisse des Ausweichens von Menschen vor der Androhung oder Anwendung von Ge-walt im Kontext von Kriegen, Bürgerkriegen und Maßnahmen autoritärer politi-scher Systeme nur vergleichsweise geringe Dimensionen ein. Das änderte sich mit dem Ersten Weltkrieg. Nun stieg die Zahl politisch bedingter räumlicher Bewe-gungen erheblich an. Das machte eine rechtliche Festlegung der Stellung von Nicht-StaatsbürgerInnen erforderlich.

  • von Jochen Oltmer

    1948 formulierte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen erstmals ein individuelles Asylrecht. Artikel 14, Absatz 1 lautet: „Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.“ Nur selten allerdings wurde diese Formel in nationales Recht überführt. Eine Ausnahme bildete die Bundesrepublik Deutschland. Artikel 16, Absatz 2, Satz 2 des Grundgesetzes bot mit der (den Wortlaut der Menschenrechtserklärung aufnehmenden) Formulierung „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ ein im internationalen Vergleich weitreichendes Grundrecht auf Schutz. [...]

  • von Isabella Löhr

    Bücher haben nicht nur einen intellektuellen und kulturellen Wert, sondern sie sind auch Waren, mit denen regional, national und global Handel betrieben wird. Um Autoren ein finanzielles Auskommen zu sichern, das ihnen erlaubt, Schreiben berufsmäßig zu betreiben, ist der Schutz von Urheber-, Übersetzungs- und Verwertungsrechten nötig, der garantiert, dass jedes verkaufte Exemplar Tantiemen für den Autor und Erträge für den Verleger abwirft. Das zentrale Problem eines solchen Urheberschutzes ist seine räumliche Begrenzung. Denn Recht und Gesetze sind an Staaten und damit an ein räumlich begrenztes Territorium gebunden, über das hinausgehend sie nur geschützt werden können mit Hilfe internationaler Abkommen, die die Rechte ausländischer Autoren gegenüber inländischen Verwertern anerkennen. [...]

  • von Klaus-Jürgen Müller

    In einem zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert ablaufenden säkularen Prozess rückte das moderne Militär aus einer exklusiven Stellung im Zentrum staatlicher Macht¬strukturen (dynastischer Fürstenstaaten, dann nationaler Machtstaaten) schließlich in eine Position, in der sie nur eine von zahlreichen anderen staatlichen Funktionsschichten war. Die Militärelite wurde von einer politisch-gesellschaftlichen Machtelite zu einer professionalisierten Funktionsschicht. Das Verschwinden des Ost-West-Antagonismus kann als Epocheneinschnitt in der Entwicklung des Militärs in beiden Ländern angesehen werden. Seit dem weltpolitischen Umbruch von 1989/90 traten Formen organisierter Gewalt in Erscheinung, die sich zwar bereits im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt hatten, nunmehr aber größeres Gewicht bekamen.[...]

  • von Dietmar Müller

    Unter Berufung auf das Recht auf nationale Selbstbestimmung entstanden im Kontext der Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg mehrere neue Nationalstaaten in Osteuropa. Damit hatte sich auch dort das nationalstaatliche Prinzip durchgesetzt, wobei dem Minderheitenschutz die Funktion eines Korrektivs gegenüber befürchteten Bevormundungen ethnischer Minderheiten zukam. Da jedoch die Nation als Ausdruck eines souveränen und einheitlichen Volkes gedacht wurde und deshalb innerhalb der neuen Staaten zumeist nur der Mehrheitsethnie das Recht auf nationale Selbstbestimmung zugebilligt wurde, war der Schutz ethnischer Minderheiten gleichsam ein Fremdkörper und unterminierte die theoretische Konsistenz des Modells „einheitlicher Nationalstaat“.