Essays/

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  • von Ruth Weber

    In den Präambeln europäischer Verträge zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Geschichte der europäischen Integration und deren Recht. Die Präambel der Grundrechte-Charta der Europäischen Union sticht besonders heraus, da sie in Form und Inhalt von den übrigen europäischen Präambeln abweicht: Sie stellt die europäischen Völker an den Beginn und bezieht sich mehrfach auf Werte. Bei einer vergleichenden Analyse der Präambeln vergangener und geltender europäischer Verträge offenbaren sich Ambivalenzen im Selbstverständnis der Europäischen Union.

  • von Marcel Berlinghoff

    Das exorbitante Wirtschaftswachstum, das die westeuropäischen Industriestaaten in den 1950er- bis 1970er-Jahren erlebten, wurde von einer umfangreichen Arbeitsmigration begleitet, die diesen Teil des Kontinents zu einer Einwanderungsregion machte. Hatte im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch die Auswanderung nach Übersee dominiert, so zogen nun vermehrt nicht nur Arbeitskräfte aus den agrarisch geprägten Peripherien innerhalb, sondern zunehmend auch Menschen von außerhalb des Kontinents in die Industriezentren Europas.

  • von Dieter Gosewinkel

    Wer 1942 durch die Straßen von Paris ging und Bekanntmachungen der deutschen Besatzungsmacht und des kollaborierenden Vichy-Regimes sah, stieß immer wieder auf ein Wort: „Europa“ bzw. „L’Europe nouvelle“. Ein halbes Jahrhundert später prägte wieder „Europa“ das Pariser Straßenbild, diesmal anlässlich der Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht 1992. Dort war auf Plakaten unter den Farben der Trikolore zu lesen: „Non à Maastricht – oui à l’Europe des patries“ – unterzeichnet: „Front National“ (FN) bzw. Jean-Marie Le Pen. Lassen sich diese beiden, so verschiedenen Zeiten und Anlässen entstammenden Proklamationen eines geeinten Europa miteinander in Verbindung setzen?

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Hartmut Kaelble

    Ich möchte sechs Thesen zum historischen Vergleich der Coronakrise mit früheren Krisen der EU vortragen. Sie behandeln zuerst die schweren Herausforderungen für die Europäische Union: Die historische Neuartigkeit und damit den Überraschungseffekt der Pandemie (These 1), die neuartige Verschärfung der Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern (These 2) und die weitere Schädigung der globalen Stellung der Europäische Union (These 3). Sie gehen dann auf der Reaktion der Europäischen Union auf diese Krise ein, auf die Unterstützung durch die Bürger (These 4), auf die Entscheidungen der Union, vor allem der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB), bis Anfang Juni (These 5) und schließlich auf bisherige Veränderungen in der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen (These 6).

  • von Stefan Scholl

    Als die für den Sport zuständigen nationalen Minister des Europarats im März 1975 in Brüssel zum ersten Mal zusammentraten, hatten verschiedene Gremien des Europarats bereits knapp zehn Jahre an dem zentralen Dokument gearbeitet, das dort verabschiedet und zur endgültigen Unterschrift an den Ministerrat übergeben wurde – der Europäischen Sport für Alle-Charta. Die Charta stand im Zentrum der sportpolitischen Aktivitäten des Europarats, die sich seit Anfang der 1960er-Jahre entfalteten und als Europäisierung des Sportwissens interpretiert werden können. Im Folgenden soll dieses bisher wenig beleuchtete Kapitel europäischer Sportvernetzung betrachtet werden. In einem ersten Schritt gilt es, das sportpolitische und diskursive Umfeld der 1960er- und 1970er-Jahre – die Zeit, in der das Sport für Alle-Paradigma Gestalt annahm – zu skizzieren. [...]

  • von Ingo Köhler

    Energiekrisen begleiten die Moderne. Sie sind zugleich Ausdruck und Folge sich verändernder Produktions- und Verbrauchsmuster in der Moderne. Aus rein ökonomischer Sicht basieren Energiekrisen meist auf einem einfachen Wirkmechanismus, bei dem Verknappung zu Preisanstieg führt. So sind die in der publizistischen Öffentlichkeit viel diskutierten Ölkrisen, die Europa und die Welt in den 1970er-Jahren und erst jüngst wieder in ihrem Bann hielten, treffender mit dem Begriff der Ölpreiskrisen zu beschreiben. [...]

  • von Henning Türk

    Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) hat bis heute keinen guten Ruf. Dominierte seit den 1960er-Jahren zunächst die Kritik an den Butterbergen und Milchseen, die sie produzierte, so wurden seit den 1980er-Jahren vermehrt die Marktabschottung gegenüber den Entwicklungsländern und die Bevorzugung der konventionellen Landwirtschaft hinterfragt. Reformvorschläge, die es bereits frühzeitig gab, wurden von den Landwirtschaftsministern und agrarischen Verbänden über lange Zeit blockiert. Erst unter dem irischen Agrarkommissar Raymond MacSharry fand 1992 ein Paradigmenwechsel statt. Erstmals wurden die Einkommen der Landwirte nicht mehr nur über den Preis für das Produkt gestützt, sondern auch über Beihilfen, welche jetzt direkt an die Landwirte gezahlt wurden. [...]

  • von Gerhard Altmann

    David Cameron muss derzeit an vielen Fronten kämpfen. Es ächzt vernehmlich im Gebälk der für Briten ohnehin fremdartig anmutenden Koalitionsregierung, die sich inzwischen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner eines raschen wirtschaftlichen Aufschwungs zufriedenzugeben scheint. Das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands im Sommer 2014 legt zudem die Axt an die singulär erfolgreiche Union aus Engländern und keltischer Peripherie – just zu dem Zeitpunkt, wenn mit der Hanoverian succession von 1714 die innere Befriedung des Königreichs nach Jahrzehnten des Aufruhrs gefeiert wird. Und dann Europa. Immer wieder Europa. Wie ein Menetekel scheint der Name des Alten Kontinents an den Wänden von Whitehall zu prangen. Nachdem sich die Konservative Partei seit Mitte der 1990er-Jahre in europapolitischen Grabenkämpfen selbst zerfleischt hatte [...]

  • von Wilfried Loth

    Wie kommen wir zu Europa? Auch jenseits der Frage, wie die Europäische Union in Zukunft aussehen soll, interessiert uns, wie sie entstanden ist und warum sie sich so entwickelt hat, wie wir es erlebt haben. Diplomatie- und Wirtschaftshistoriker haben die Antwort auf diese Frage in den Akten der Regierungen gesucht und herausgefunden, was dort zu finden war: Unterschiedliche nationale Interessen, unterschiedliche wirtschaftliche Interessen, unterschiedliche Konzeptionen treffen aufeinander und führen zu schwierigen, mehr oder weniger haltbaren Kompromissen. [...]

  • von Wolfram Kaiser

    Als Resultat ihrer Erweiterung auf inzwischen 28 Mitgliedstaaten zum 1. Juli 2013 ist die heutige Europäische Union (EU) nahezu identisch mit einem geografisch definierten Europa. Das war in der frühen Nachkriegszeit keineswegs so. Vielmehr wurde das „Kerneuropa“ der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, 1951/52) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957/58) von nur sechs westeuropäischen Staaten gegründet, nämlich Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Andere demokratisch verfasste Staaten Westeuropas schlossen sich zunächst nicht an. Großbritanniens noch immer enge Wirtschaftsbeziehungen mit dem Commonwealth schienen die Teilnahme an einer europäischen Zollunion auszuschließen, die Schweiz, Schweden und (wenngleich weniger rigide) Österreich lehnten diese Option zunächst als nicht kompatibel mit ihrer Neutralität ab [...]

  • von Guido Thiemeyer

    Die Frage nach der demokratischen Legitimation der Europäischen Union gehört zu den Hauptproblemen der politik- und rechtswissenschaftlichen Europa-Forschung. Daher erstaunt es, dass die Geschichtswissenschaft in dieser Debatte bislang sehr wenig präsent ist. Hier konzentrierte man sich zunächst auf die Erforschung der politischen und wirtschaftlichen Aspekte der europäischen Integration, seit etwa zehn Jahren dominieren gesellschafts- und vor allem kulturgeschichtliche Perspektiven die Forschung. Dabei könnte ein geschichtswissenschaftlich orientierter Zugang zu dem Problem des Demokratiedefizits die Debatte durchaus bereichern. Er könnte fragen, welche Bedeutung das Problem der demokratischen Legitimation in der Gründungsphase der EU, insbesondere bei der Entstehung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) oder auch der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hatte.

  • von Jan-Henrik Meyer

    In bemerkenswertem Gegensatz zum altehrwürdigen Konferenzort, dem mittelalterlichen Rittersaal des Binnenhofs zu Den Haag – einem europäischen Erinnerungsort, seit 1948 Winston Churchill dort über den Kongress der europäischen Bewegung präsidiert hatte – gab es auf der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaften (EG) am 1. und 2. Dezember 1969 viel Neues. Während einige britische Kommentatoren noch den langen Schatten Charles de Gaulles über den Häuptern der Konferenzteilnehmer wahrzunehmen vermeinten, betonten andere Beobachter bereits im Vorfeld des Gipfels, dass eine neue, jüngere „zweite Generation“ im Begriff war, sich der Geschicke der EG anzunehmen. Die Vertreter der beiden wichtigsten Mitgliedsstaaten waren neu in ihren Ämtern. [...]

  • von Christian Henrich-Franke

    Der Bericht des Spiegel über das „Europa-Programm“ erschien am 2. Juni 1954 unmittelbar vor dem Auftakt zu der Summer Season of European Television Programme Exchanges, welche den Startschuss für den (west-) europäischen Austausch von Fernsehprogrammen über das Sendenetz der Eurovision gab. Wie viele andere Presseberichte auch äußerte sich der Spiegel kritisch hinsichtlich des europäischen Fernsehprogrammaustauschs. Der Bericht spiegelt die Skepsis wider, die dem neuen Medium Fernsehen generell und in besonderem Maße dem internationalen Austausch im Rahmen der Eurovision entgegengebracht wurde. Gleichzeitig wird in ihm eine Reihe von rechtlichen, programmatischen und wirtschaftlichen Aspekten angesprochen, die die Eurovision in ihrer Entwicklung entscheidend prägen sollten. [...]

  • von Tilmann Siebeneichner

    „In these troubled times, when our newspapers are full of reports of violence and tragedy, it is reassuring to be able to draw attention to human achievements.” Mit diesen Worten kommentierte der damalige Generaldirektor der europäischen Weltraumagentur ESA (European Space Agency), Erik Quistgaard, im November 1981 in Bremen die Übergabe des ersten, in Europa hergestellten Weltraumlabors an die transatlantischen Partner der NASA (National Aeronautics and Space Administration). „For the last eight years, hundreds of people of different nationalities have been working together to develop Europe’s manned re-usable laboratory, Spacelab. We, in ESA, as driving force behind the programme, are proud to have been associated with them and, by encouraging the development of the very advanced technology needed for this programme, feel we have contributed, in our own specialised field, to forging closer ties between European countries.” [...]

  • von Marcel Berlinghoff

    Das exorbitante Wirtschaftswachstum, das die westeuropäischen Industriestaaten in den 1950er- bis 1970er-Jahren erlebten, wurde von einer umfangreichen Arbeitsmigration begleitet, die diesen Teil des Kontinents zu einer Einwanderungsregion machte. Hatte im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch die Auswanderung nach Übersee dominiert, so zogen nun vermehrt nicht nur Arbeitskräfte aus den agrarisch geprägten Peripherien innerhalb sondern zunehmend auch Menschen von außerhalb des Kontinents in die Industriezentren Europas. Verbesserte Verkehrsverbindungen und imperiale Freizügigkeitsregime sorgten zudem dafür, dass koloniale und postkoloniale Mobilität zunehmend auch Einwohnern der (ehemaligen) Kolonien möglich war, die nicht als „europäisch“ oder „weiß“ galten: [...]

  • von Dieter Lindenlaub

    Am 1. Januar 1999 startete – in Verfolg des am 7. Februar in Maastricht vom EU-Rat unterzeichneten Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (im Folgenden: EWU = Europäische Währungsunion). Elf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union führten – zunächst nur als Buchgeld, am 1. Januar 2002 auch als Bargeld – den Euro als gemeinsame Währung ein, ohne gleichzeitig andere Politikbereiche, wie z.B. die Finanz- und Wirtschaftspolitik, zu vergemeinschaften; bis 2013 folgten sechs weitere Länder. Die nationalen Zentralbanken dieser Länder und die Europäische Zentralbank (EZB) bilden das Eurosystem, das für eine einheitliche Geldpolitik im Euroraum zu sorgen hat. [...]

  • von Daniel Habit

    „If we were to start all over again, we would start with culture.“ Dieses Jean Monnet zugeschriebene Zitat erfährt seit den 1980er-Jahren sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in öffentlichen Reden, Danksagungen und Grußworten im Kontext der Europäischen Union eine kontinuierliche Aufmerksamkeit. Die Popularität erklärt sich weniger aus dem (nicht vorhandenen) historischen Wahrheitsgehalt als vielmehr aus der Sehnsucht nach einem kulturellen Ursprungsgedanken, der sich stärker am Leitbild eines humanistischen Europabildes orientiert als an rationellen und ökonomischen Entscheidungen. Seine Bedeutung erlangt dieser Ausspruch vor allem auch durch sein Weiterleben in verschiedenen Argumentationszusammenhängen kultureller Programmentwürfe und Interventionen der EU. [...]

  • von Anne Lammers

    Was für die französischen Arbeiterfamilien in der Eisen- und Stahlindustrie der Wein, ist für die Deutschen der Branntwein. Während die Italiener am liebsten Spaghetti essen und der Luxemburger am meisten Fleisch verzehrt, zieht der Saarländer Kartoffeln vor. Und die Niederländer lieben ihre Milch so sehr, dass sie sie am liebsten direkt aus der Flasche trinken, während sich der Belgier mit reichlich Kaffee durch den Tag bringt. So ließe sich zugespitzt eine grafische Darstellung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1956/57 beschreiben, die als Teil einer umfangreichen Statistik über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in der Montanindustrie erschien (Quelle 1). Als 1963/64 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine zweite Studie dieser Art durchgeführt wurde, hatten sich der Erhebungsbereich sowie die Parameter zur Bestimmung des Lebensniveaus verändert. [...]

  • von Jan-Henrik Meyer

    Die 1970er-Jahre gelten gemeinhin als ein erster Höhepunkt der Sorge um die Umwelt und zivilgesellschaftlicher Mobilisierung für dieses neu entdeckte Problemfeld in Europa. Für die grundsätzliche Entscheidung der Europäischen Gemeinschaften (EG), des Vorläufers der heutigen Europäischen Union, sich des Politikfelds Umwelt anzunehmen, war die rasch wachsende Umweltbewegung aber nicht die treibende Kraft. Andere Akteure und Beweggründe waren hier zunächst von größerer Bedeutung. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Brüsseler EG-Kommission drängten aus eher technischen Gründen auf gemeinsame Umweltregeln. Einheitliche Standards sollten verhindern, dass unterschiedliche einzelstaatliche Umweltvorschriften den Handel auf dem Gemeinsamen Markt beschränkten. [...]

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