Essays/

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  • von Dieter Gosewinkel

    Wer 1942 durch die Straßen von Paris ging und Bekanntmachungen der deutschen Besatzungsmacht und des kollaborierenden Vichy-Regimes sah, stieß immer wieder auf ein Wort: „Europa“ bzw. „L’Europe nouvelle“. Ein halbes Jahrhundert später prägte wieder „Europa“ das Pariser Straßenbild, diesmal anlässlich der Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht 1992. Dort war auf Plakaten unter den Farben der Trikolore zu lesen: „Non à Maastricht – oui à l’Europe des patries“ – unterzeichnet: „Front National“ (FN) bzw. Jean-Marie Le Pen. Lassen sich diese beiden, so verschiedenen Zeiten und Anlässen entstammenden Proklamationen eines geeinten Europa miteinander in Verbindung setzen?

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Benjamin Beuerle

    Als Fedor F. Kokoškin im Februar 1906, inmitten des Wahlkampfes zu den ersten Russischen Dumawahlen auf nationaler Ebene, in den liberalen „Russkie Vedomosti“ seinen Artikel „Die Konstitutionell-Demokratische Partei vor dem Gericht des 17. Oktobers“ veröffentlichte, war er in der russischen Öffentlichkeit kein Unbekannter. 1871 als Sohn eines alten russischen Adelsgeschlechtes in Cholm geboren, hatte er sich nach einem Studium des Rechts in Moskau, Heidelberg und Paris zunächst als Staatsrechtsdozent an der Moskauer Universität einen Namen gemacht. Er schloss sich bald als aktives Mitglied der liberalen Oppositionsbewegung an, die vor allem seit 1904 mit öffentlichkeitswirksamen Kundgebungen zum Druck auf die Regierung beitrug. In der im Oktober 1905 gegründeten „Konstitutionell-Demokratischen Partei“, die sich auch „Partei der Volksfreiheit“ nannte, und deren Mitglieder kurz als „Kadetten“ bezeichnet wurden, gehörte Kokoškin zum Zentralkomitee und somit zu den Führungspersönlichkeiten. [...]

  • von Nils Freytag

    Die 1970er und 1980er Jahre sind in umweltpolitischer Sicht eine Boomzeit. Umweltorganisationen und ökologische Parteien stiegen zu politischen Größen auf und die Regierungsaktivitäten auf nationaler, europäischer wie globaler Ebene nahmen vor dem Hintergrund aufgeregter Debatten um „Waldsterben“ und „Ozonloch“ zu. Während ersteres mit Namen wie „Greenpeace“ und „Die Grünen“ verbunden ist, steht für letzteres etwa das Montrealer Protokoll, das 1987 zum Schutz der Ozonschicht die Reduktion und das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffe einleitete. Untrennbar verknüpft ist diese Politisierung mit den großen Öko-Katastrophen jener Epoche, die das gesellschaftliche Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit der natürlichen Umwelt des Menschen schärften. Neben dem Reaktorunfall von Tschernobyl geriet dabei insbesondere die chemische Industrie in das Blickfeld der ökologisch sensibilisierten Öffentlichkeit. [....]