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  • von Felix Ackermann

    Robert Geißler stellte 1884 das Berliner Gefängnis in der Lehrter Straße in einer anschaulichen Grafik als idealtypisches Gebäude für den Strafvollzug in Preußen dar. In der Komposition von acht Holzschnitten ordnet der Grafiker Innen- und Außenansichten des Moabiter Gebäudekomplexes so an, dass die Isolationshaft nicht als Strafe, sondern in erster Linie als Mittel zur Besserung der Einzelnen erscheint. Die in der Jahresillustrierten <em>Das Buch für alle</em> erschienene Darstellung verdeutlicht, wie im Deutschen Reich der Fortschrittsgedanke der Moderne auf das Individuum der verurteilten StraftäterIn übertragen wurde. In der vorliegenden Bildanalyse möchte ich zwei Aspekte herausarbeiten, die von den HerausgeberInnen des Projekts „Ambivalenzen der Europäisierung“ stark gemacht werden [...]

  • von Carolin Kosuch

    Der Umgang, den Gesellschaften mit ihren Minderheiten, mit als andersartig oder fremd Empfundenen, mit Flüchtlingen und als „Randgruppe“ Klassifizierten pflegen, steht nicht nur in Europa in einer wechselvollen Tradition. Gerade auch der jüdischen Bevölkerung europäischer und außereuropäischer Staaten schlugen und schlagen bis heute Gefühle der Ambivalenz, der Abneigung, des Unverständnisses und der Befremdung entgegen. [...]

  • von Sigrun Lehnert

    Mit der Finanzkrise in Europa wurde deutlich, wie wichtig staatenübergreifende politische und gesellschaftliche Selbstreflexion für die Kommunikation über die herrschende Situation ist. Voraussetzung für eine solche Selbstreflexion ist das Wissen und die Erinnerung an Ursprünge und Wege. Die Schritte, die zur europäischen Gemeinschaft geführt haben und einen der Kontexte des Essays bilden, sind weitgehend bekannt. Wilfried Loth teilt den Weg zur Europäischen Union in acht Phasen ein. Wir befassen uns mit den ersten beiden Phasen, den Gründerjahren 1948–1957 und den Aufbaujahren 1958–1963, nicht mehr dagegen mit der dritten Phase, der Krisen der Sechser-Gemeinschaft 1963–1969. Wichtige Akteure auf diesem Weg waren die Franzosen Robert Schuman und Jean Monnet, der Italiener Alcide De Gasperi, der Belgier Paul-Henri Spaak und der Deutsche Konrad Adenauer. Sie alle hatten Kriegszeiten wie auch Zwischenkriegszeiten erlebt und sie verband eine kulturelle Aufgeschlossenheit. [...]

  • von Dietmar Müller

    Nach dem Ersten Weltkrieg standen die Staaten Ostmittel- und Südosteuropas unter erheblichem Druck, den Charakter ihrer Staatlichkeit den Herausforderungen anzupassen, die durch Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung sowie durch Agrarreformen und das allgemeine (Männer-)Wahlrecht entstanden waren. In Gestalt von Industriearbeitern und Grund besitzenden Kleinbauern hatten die Massen die Bühne betreten, auf der ihre Interessenvertreter politische und soziale Teilhabe forderten. Große Teile der akademisch gebildeten Elite sahen darin eine Herausforderung, der man mit den Mitteln der Honoratioren- und Klientelparteien in einem durch Improvisation geprägten Politikprozess nicht mehr gerecht werden konnte. Überall im östlichen Europa entstanden Institutionen, die – oftmals angelehnt an westeuropäische Vorbilder – Prozesse in Gang setzten, die man mit Lutz Raphael als Verwissenschaftlichung des Sozialen und als Professionalisierung des Politischen charakterisieren kann. [...]

  • von Detlef Siegfried

    Eine der vielen Analysen des Konsumverhaltens, wie sie der kombinierte Aufstieg von Massenkonsum und empirischer Sozialforschung in den 1960er-Jahren hervorbrachte, widmete sich unter anderem dem Gebrauch von Schönheitsmitteln im europäischen Vergleich. Wie so häufig wurde auch diese Konsumstudie von einer Zeitschrift in Auftrag gegeben, um gezielter Werbeanzeigen akquirieren zu können. Da es hier um das Kerngeschäft der Kunden ging, war Verlässlichkeit wichtig, sodass derartige Studien, durchgeführt von etablierten Meinungsforschungsinstituten, in der Regel keine Reliabilitätsprobleme aufwiesen. Wie die großen Untersuchungen etwa im Auftrag des Spiegel oder der BRAVO erfassten sie zumeist das Konsumverhalten im nationalen Maßstab, da nahezu alle Publikumszeitschriften an den Grenzen ihrer Länder endeten. [...]

  • von Hartmut Kaelble

    Alfred Grosser brachte um 1970 alle Voraussetzungen mit, um über französische und deutsche Intellektuelle zu schreiben. In Frankfurt am Main 1925 geboren, lebte er seit der Emigration seiner Familie 1933 in Frankreich. Er wurde zuerst Germanist, wechselte bald zur Politikwissenschaft, lehrte seit 1955 an der Science Po, daneben auch an anderen der prestigereichen grandes écoles, schrieb seit 1965 regelmäßig für Le Monde und hatte schon eine ganze Reihe von französischen und deutschen Büchern über Deutschland veröffentlicht. Alfred Grosser hatte sich schon immer für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt, war schon als junger Mann 1948 Mitglied des Comité français de relations avec l’Allemagne nouvelle und gehörte um 1970 neben Joseph Rovan und Robert Minder zu den international bekannten, französischen Brückenbauern zwischen Frankreich und Deutschland. Er erhielt 1975 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. [...]

  • von Harald Homann und Verena Ott

    Im Zuge der Ausprägung kultur- und alltagshistorischer Fragestellungen, darauf hat Hannes Siegrist aufmerksam gemacht, wird auch die Geschichte des Konsums zunehmend auf der Ebene der dazugehörigen Aneignungs- und Deutungsprozesse untersucht. War der Konsum ursprünglich eher ein Thema der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung, werden seither auch deutungsorientierte Fragestellungen und Probleme der kulturellen Repräsentation durch Konsum, wie sie in den Sozialwissenschaften prominent sind, in die historische Forschung einbezogen. Je länger und intensiver unter dieser Perspektive geforscht wird, desto deutlicher wird, dass in modernen Gesellschaften die soziale Wirklichkeit einer permanenten Aushandlung unterliegt. Das gilt auch und gerade für den modernen Konsum. [...]

  • von Harald Dehne

    Der strahlende Glanz, der das rasante Wachstum der Hauptstadt des Deutschen Reiches seit 1871 begleitete, vermochte den besorgniserregenden Anstieg der Zahl von unterstützungsbedürftigen Arbeiterfamilien nicht zu verbergen. Wie jede Kommune zur Armenpflege verpflichtet, versuchte der Berliner Magistrat die schlimmste Not zu lindern, aber alle städtischen Fürsorgebestrebungen wären ein Tropfen auf dem heißen Stein geblieben ohne die vielfältige Wohltätigkeit engagierter Bürger der Stadt.[...]