Essays/

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  • von Jan Musekamp

    „Noch niemals sind den Regierungen in Deutschland so viele Mittel dargeboten worden, das ganze Territorium auf eine Weise in Verteidigungszustand zu setzen, die mit dem gesellschaftlichen Verkehre so sehr im Einklange steht und demselben einen neuen Aufschwung gibt. Statt daß jede Vermehrung der Streitmacht, bei welcher die bewegende Kraft eine Hauptrolle spielt, in der Regel eine Vermehrung der Staatsausgaben zu Folge hat, findet diesmal beinahe das Gegenteil statt, und es ist gewiß nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß seit Erfindung der Buchdruckerkunst sich nichts zugetragen habe, was der durch Eisenbahnen und Dampfwagen erzeugten Beschleunigung und Erleichterung des öffentlichen Verkehrs rücksichtlich der Folgen an die Seite gesetzt werden könnte.“ [...]

  • von Sabina Ferhadbegovic

    Fünf Wochen wartete er im Zentralgefängnis von Sarajevo auf seinen Prozess. Jeden Tag verabschiedete er sich von Mitgefangenen, die nach ihrer Urteilsverkündung nicht mehr zurückkamen. Denn für die Erschießungskommandos endete der Krieg nicht mit Kapitulation. Auch nach der Befreiung brachten sie Tag für Tag Verurteilte um, ehemalige Kriegsgegner, vermeintliche Kriegsverbrecher, „Volksfeinde“, Diebe, Mörder und Spione, die „Diener der Okkupanten“. Als solcher war auch er angeklagt. [...]

  • von Eckhart Gillen

    Nicht nur im sowjetischen Machtbereich in Mittel- und Osteuropa, sondern auch in der westlichen Hemisphäre wurde Anfang der 1950er-Jahre mit Denkmälern Propaganda gemacht für die eigene Weltanschauung. Der Westen setzte den Begriff der Freiheit als Waffe im Kalten Krieg der Kulturen gegen das östliche Schlagwort der Gleichheit ein. Unter der Parole „Freiheit im Angriff“ versammelte der Kongreß für kulturelle Freiheit, der erstmals 1950 in Westberlin abgehalten wurde, 180 Intellektuelle aus 21 Ländern. Der Kongress verstand sich als eine „kulturelle Luftbrücke“ und verfolgte das Ziel, das Propagandamonopol der ‚Friedenspartisanen’ und ähnlicher Tarnorganisationen der sowjetisch gesteuerten Friedenskongresse in der Kulturwelt zu brechen. [...]

  • von Gabriele Metzler

    Am 24. April 1975 drangen sechs Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) in das Botschaftsgebäude der Bundesrepublik in Stockholm ein. Mit zwölf Geiseln in ihrer Gewalt forderten sie die Bundesregierung ultimativ auf, ihre inhaftierten Gesinnungsgenossen – 26 verurteilte oder angeklagte RAF-Mitglieder wurden genannt, unter ihnen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe – freizulassen. Andernfalls, so ihre Drohung, würden sie im Gebäude mehrere Tonnen TNT zur Explosion bringen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und den Ernst ihrer Absichten zu unterstreichen, verletzten sie den deutschen Militärattaché Andreas von Mirbach so schwer, dass er noch am selben Tag seinen Verletzungen erlag; als die Bundesregierung auch dann eine Freilassung ablehnte, erschossen sie den Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart. [...]

  • von Stefan Troebst

    Dass die im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens geführte Bürger- und Staatenkriege wenig bis gar nichts mit „dem Balkan“, viel aber mit den Grundwidersprüchen des Titoschen Bundesstaates zu tun hatten, ist eine Erkenntnis, die sich nur langsam durchsetzt. In der Außensicht auf den Südosten Europas überwiegt daher weiterhin das ambivalente, teils heroisierend-verklärende, vor allem aber barbarisierend-perhorresziernde Regionalstereotyp des Musters „Die sind da alle so!“. Dabei handelt es sich nicht, wie Maria Todorova vermutet hat, um ein ausschließlich „westliches“ Vorurteil, sondern um eines, das in ganz ähnlicher Form auch in Gesellschaften wie Polen oder Russland dominant war und ist. [...]

  • von Michael Pesek

    Am 8. August 1914 brach der Erste Weltkrieg auch im von Europa weit entfernten Ostafrika aus. Deutsche Truppen überschritten die Grenze zur benachbarten britischen Kolonie und britische Schlachtschiffe bombardierten die Hauptstadt der deutschen Kolonie, Dar es Salaam. Vor allem in der Zivilverwaltung und von den Missionen gab es erheblichen Widerstand gegen die Pläne der Militärs, den europäischen Krieg auch in Afrika auszufechten. Sowohl der deutsche Gouverneur Heinrich Schnee als auch sein britisches Gegenüber Sir Henry Conway Belfield fürchteten den Zusammenbruch der europäischen Kolonialordnung infolge der Wirren des Krieges. So sahen die ersten Wochen des Krieges einen hektischen Depeschenwechsel zwischen den Kolonien und den Metropolen, in denen die Gegner des Krieges auf afrikanischem Boden auf die Einhaltung der Kongo-Akte von 1885 pochten. Die damals unterzeichnenden Kolonialmächte hatten im Falle eines europäischen Krieges den Kolonien in Afrika die Neutralität zugesichert. [...]

  • von Heinrich Best

    In einem Langzeitvergleich der Rekrutierung von Abgeordneten in die Nationalparla¬mente Deutschlands und Frankreichs werden der Wandel der politischen und gesell¬schaftlichen Machtorganisation und der Effekt von Veränderungen der institutionellen Regeln des Machterwerbs in beiden Ländern untersucht. Dabei zeigen sich bis zum Zweiten Weltkrieg deutliche Unterschiede in den Modi parlamentarischer Repräsentation mit einer kontinuierlichen Dominanz des „Intermediärs“ in Frankreich und einem massi¬ven Bedeutungsgewinn des „Funktionärs“ in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der öffentliche Dienst in beiden Ländern zur Hauptquelle parlamentarischer Rekru¬tierung, wobei in Frankreich die geringe Vertretung von Frauen und das cumul als Mittel der Karrierisierung fortdauernde Besonderheiten bilden.

  • von Klaus-Jürgen Müller

    In einem zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert ablaufenden säkularen Prozess rückte das moderne Militär aus einer exklusiven Stellung im Zentrum staatlicher Macht¬strukturen (dynastischer Fürstenstaaten, dann nationaler Machtstaaten) schließlich in eine Position, in der sie nur eine von zahlreichen anderen staatlichen Funktionsschichten war. Die Militärelite wurde von einer politisch-gesellschaftlichen Machtelite zu einer professionalisierten Funktionsschicht. Das Verschwinden des Ost-West-Antagonismus kann als Epocheneinschnitt in der Entwicklung des Militärs in beiden Ländern angesehen werden. Seit dem weltpolitischen Umbruch von 1989/90 traten Formen organisierter Gewalt in Erscheinung, die sich zwar bereits im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt hatten, nunmehr aber größeres Gewicht bekamen.[...]

  • von Heinz Schilling

    Das Kriegsmanifest Gustav Adolfs von Schweden, das im Juli 1630 Dutzende von Flugschriften durch Deutschland trugen, um die am 26. Juni mit der Landung des schwedischen Heeres auf der Insel Usedom begonnene Intervention im Reich zu legitimieren, fand große Beachtung, bei den Zeitgenossen nicht anders als später bei den Historikern. Denn erst dieser Kriegseintritt Schwedens ließ die konfessions- und machtpolitischen Auseinandersetzungen im Reich zu jenem Dreißigjährigen Krieg werden, der – wie noch die Europaratsausstellung 1648 – Krieg und Frieden in Europa 1998 in Münster und Osnabrück gezeigt hat – bis heute als traumatische Erfahrung und lieu de mémoire im Geschichtsbewusstsein der Deutschen fortlebt.[...]

  • von Dieter Gosewinkel

    Im Herbst 1940 hielten die Armeen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches große Teile des europäischen Kontinents besetzt. Der Sieg über Frankreich im Juni 1940 schaltete die letzte gegnerische Großmacht auf dem europäischen Kontinent aus, denn mit der Sowjetunion teilte das Reich einvernehmlich das besetzte Polen. Auch das na­tionalsozialistische Regime begann zu dieser Zeit Pläne für die Neuordnung Europas zu entwerfen, ein Europa unter nationalsozialistischer Hegemonie.[...]

  • von Oliver Janz

    Das Bild vom Beginn des Ersten Weltkriegs war lange von der Vorstellung einer allgemeinen Kriegsbegeisterung geprägt. Dass die Völker Europas den Ausbruch des großen Krieges in einem Taumel nationalistischer Begeisterung freudig begrüßten, ist von der Forschung inzwischen als Mythos entlarvt worden. Die einflussreiche Vorstellung von der allgemeinen Kriegsbegeisterung war freilich keine späte Mythologisierung, sondern hatte ihren Ursprung in den Augusttagen selbst.[...]

  • von Herfried Münkler

    Im Oktober 1801 hatte Clausewitz als Hörer des ersten Kurses der von Scharnhorst reformierten Berliner Kriegsschule seine Studien aufgenommen. Die auf drei Jahre angelegten Kurse sollten ihn neben technischen Problemen der Truppenführung auch mit Fragen der Geschichte und Philosophie in Kontakt bringen. Genau dies hatte Scharnhorst, gerade erst von hannoverschen in preußische Dienste übergewechselt, mit seinen Reformen angestrebt: Wer dem Elan und der taktischen Flexibilität der neuen, aus der Revolution hervorgegangenen französischen Armee Paroli bieten wollte, musste philosophisch geschulte und historisch gebildete Offiziere an der Spitze seiner Truppen haben. [...]