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  • von Ljiljana Radonic

    Es ist keineswegs erstaunlich, in der Ausstellung einer KZ-Gedenkstätte ein antisemitisches Plakat aus dem Jahr 1942 zu finden. Dennoch fallen an diesem Exponat und dem Kontext, in dem es steht, zwei Dinge auf. Erstens die Bildunterschrift zu dem „propagandistisch-hetzerischen“ Ausstellungsplakat, die seit der Eröffnung der neuen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Jasenovac im Jahre 2006 das Exponat untertitelt: „Die Ustascha- und Nazipropaganda über die zerstörerische Wirkung von Juden wird durch die Tatsache widerlegt, dass in den ersten vier Jahrzehn­ten des zwanzigsten Jahrhunderts Architekten und Bauunternehmer jüdi­scher Abstammung zahlreiche wichtigste öffentliche und Wohngebäude im Zentrum Zagrebs errichtet haben.“ [...]

  • von Kirsten Heinsohn

    Als die Soziologin Eva Reichmann 1981 gefragt wurde, wie sie denn ihr Selbstverständnis beschreiben würde, sagte sie als erstes: „das ist eine sehr komplizierte Sache.“ Und in der Tat war es für sie, als liberale Jüdin, die 1939 aus Deutschland vertrieben worden war, außerordentlich schwierig, sich eindeutig zu einem Land zu bekennen, geschweige denn sich mit ihm zu identifizieren. Die Gewalterfahrung der Juden in Europa zwischen 1933 und 1945 fügten – auch im Fall von Eva Reichmann – den persönlichen Biografien der Überlebenden eine schwere Hypothek hinzu. [...]

  • von Angelika Schoder

    Am 3. Januar 1996 wurde in Deutschland der 27. Januar als nationaler Holocaust-Gedenktag von Bundespräsident Roman Herzog proklamiert, nachdem sich die Bundestagsfraktionen bereits im Juni 1995 ohne öffentliche Diskussion und getragen von parteiübergreifender Zustimmung auf den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ verständigt hatten. Zurückzuführen ist die Etablierung des Gedenktags in Deutschland auf die Initiative deutsch-jüdischer Vertreter, so hatte sich seit 1994 vor allem Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, für einen Gedenktag an diesem Datum eingesetzt. Der Holocaust-Gedenktag in Deutschland kann damit zwar als national motiviert betrachtet werden, zielt aber auch auf ein transnationales Erinnern ab, verdeutlicht durch die europäische Bedeutung des dem Tag zu Grunde liegenden historischen Ereignisses. [...]

  • von Ljiljana Radonic

    Es ist keineswegs erstaunlich, in der Ausstellung einer KZ-Gedenkstätte ein antisemitisches Plakat aus dem Jahr 1942 zu finden. Dennoch fallen an diesem Exponat und dem Kontext, in dem es steht, zwei Dinge auf. Erstens die Bildunterschrift zu dem „propagandistisch-hetzerischen“ Ausstellungsplakat, die seit der Eröffnung der neuen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Jasenovac im Jahre 2006 das Exponat untertitelt: „Die Ustascha- und Nazipropaganda über die zerstörerische Wirkung von Juden wird durch die Tatsache widerlegt, dass in den ersten vier Jahrzehn­ten des zwanzigsten Jahrhunderts Architekten und Bauunternehmer jüdi­scher Abstammung zahlreiche wichtigste öffentliche und Wohngebäude im Zentrum Zagrebs errichtet haben.“ [...]

  • von Kirsten Heinsohn

    Als Eva Reichmann 1981 auf die Frage antwortete, wie sie denn ihr Selbstverständnis beschreiben würde, sagte sie als erstes: „das ist eine sehr komplizierte Sache.“ Und in der Tat war es für sie, als liberale Jüdin, die 1939 aus Deutschland vertrieben worden war, außerordentlich schwierig, sich eindeutig zu einem Land zu bekennen geschweige denn sich mit ihm zu identifizieren. Die Gewalterfahrung der Juden in Europa zwischen 1933 und 1945, die die Überlebenden in ihre persönliche Biografie integrieren mussten, fügten – auch im Fall von Eva Reichmann – eine schwere Hypothek hinzu. Denn schließlich waren den deutschen und später allen Juden im von Deutschland besetzten Europa die Bürgerrechte und die persönliche Freiheit sowie schließlich die körperliche Unversehrtheit genommen worden. Die Einführung ungleicher Bürgerrechte im Zuge der so genannten Nürnberger Gesetze1935 sowie die Aberkennung der Staatsangehörigkeit insgesamt waren Schritte in einem umfassenden Entrechtungsprozess. [...]

  • von Stefan Troebst

    Der Regimewandel in Ostmittel- und Südosteuropa 1989 und die Implosion der Sowjetunion samt Hegemonialsphäre 1991 haben im Bereich der Geschichtswissenschaft gleich zwei gravierende Folgen gezeitigt: Zum einen haben Historikerinnen und Historiker im östlichen Europa an präkommunistische Historiographietraditionen angeknüpft sowie den Anschluss an internationale Standards und Trends gesucht. Und zum anderen hat die internationale Geschichtsforschung ein neues Interesse an der Geschichte des östlichen Europa im Allgemeinen und an seiner geschichtswissenschaftlichen Produktion im Besonderen entwickelt.

  • von Helke Rausch

    Das „lange 19. Jahrhundert“ war europaweit ein Jahrhundert zunehmend aufgeregter Gedächtnisdiskurse. Als ihr bevorzugter Gegenstand erschienen Denkmalfiguren, mit deren Inszenierung politische Voten manifestiert und Deutungsmonopole behauptet werden sollten. Der öffentliche Raum, in dem sie standen, war zwar frei zugänglich, aber keineswegs frei von sozialen und politischen Vermachtungen. In den westeuropäischen Staaten und dort in eingeschränkterem Rahmen selbst im autoritären Deutschen Kaiserreich wirkte er daher bald als Repräsentations-, bald als Kampfarena politischer Nationalkulturen. Damit verkörperten die öffentlichen Denkmalfiguren nicht nur spezifische und im Detail vielfach heterogene Nationsideen. Sie wurden auch selbst zu Vehikeln in der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Definitionen der Nation und bei der Erfindung nationaler Meistererzählungen. [...]

  • von Etienne François

    Neben der Diskussion um das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein einer europäischen Öffentlichkeit gehört das Problem eines möglichen europäischen Gedächtnisses mit zu den am intensivsten von Publizisten und Politikern, Historikern und Sozialwissenschaftlern in allen europäischen Ländern diskutierten Fragen.[...]