Essays/

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  • von Bernhard Unterholzner

    Im Juli 1849 elektrisierte der aufsehenerregende Prozess gegen den „Vampir von Montparnasse“ die französische Öffentlichkeit. Als Angeklagter stand der 25-jährige Unteroffizier François Bertrand vor einem Pariser Militärgericht, den man beschuldigte, zwischen 1847 und 1849 auf Friedhöfen in Paris und Umgebung mehrfach Leichen ausgegraben und verstümmelt zu haben. Die Presse hatte die ungeheuerlichen Fälle von Anfang an fasziniert verfolgt und den unbekannten Täter, der die zerstückelten Leichen in grausigen Arrangements anordnete, bald „Vampir“ genannt.

  • von Sarah Frenking

    Am 14. Juli 1906 kam es am belebten modernen Grenzbahnhof der oberelsässischen Stadt Altmünsterol (Montreux-Vieux) an der Strecke zwischen Mülhausen und Belfort zu einem Konflikt. Mit Einführung des französischen Nationalfeiertags hatte sich ab 1880 ein Festtagstourismus entwickelt, bei dem die Bevölkerung des annektierten Oberelsass die Grenze in Richtung Frankreich überquerte, um an den nationalen Festlichkeiten im französischen Belfort teilzunehmen.

  • von Benjamin Steiner

    Dieser Beitrag handelt von Grenzordnungen, die sich während der Frühen Neuzeit im Verhältnis zwischen Europäern und Afrikanern herausgebildet haben. Es wird gezeigt, dass der Formationsprozess von Grenzordnungen im Wesentlichen durch die Art und Weise bedingt war, wie Wissen und Information in Bezug auf Afrika von den Europäern gesammelt und geordnet wurden. Die dadurch entstandenen Grenzordnungen erwiesen sich insofern als problematisch bzw. missverständlich, als sie den jeweiligen Bedeutungsrang des europäischen und afrikanischen Wissens unterschiedlich hoch zur Geltung brachten. Das führte zu einem asymmetrischen Kräfteverhältnis, in dem sich die Grenze zwischen den Kultursphären ‚Afrika‘ und ‚Europa‘ und die damit einhergehende Empfindung einer zwischen beiden bestehenden grundsätzlichen Unterschiedlichkeit immer tiefer verfestigte. [...]

  • von Hartmut Kaelble

    Alfred Grosser brachte um 1970 alle Voraussetzungen mit, um über französische und deutsche Intellektuelle zu schreiben. In Frankfurt am Main 1925 geboren, lebte er seit der Emigration seiner Familie 1933 in Frankreich. Er wurde zuerst Germanist, wechselte bald zur Politikwissenschaft, lehrte seit 1955 an der Science Po, daneben auch an anderen der prestigereichen grandes écoles, schrieb seit 1965 regelmäßig für Le Monde und hatte schon eine ganze Reihe von französischen und deutschen Büchern über Deutschland veröffentlicht. Alfred Grosser hatte sich schon immer für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt, war schon als junger Mann 1948 Mitglied des Comité français de relations avec l’Allemagne nouvelle und gehörte um 1970 neben Joseph Rovan und Robert Minder zu den international bekannten, französischen Brückenbauern zwischen Frankreich und Deutschland. Er erhielt 1975 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. [...]

  • von Corine Defrance

    Eine Untersuchung der Säuberung in den Universitäten in Frankreich nach der Befreiung durch die Alliierten und der Entnazifizierung in Deutschland nach der bedingungslosen Kapitulation ermöglicht die Frage nach den Kontinuitäten und Brüchen dieser Institution sowie der Eliten in zwei nachhaltig erschütterten europäischen Ländern: eines durch zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur und die Niederlage von 1945, das andere durch die Niederlage von 1940, die deutsche Besatzung, das Vichy-Regime und die Kollaboration. Auf beiden Seiten des Rheines stand damit ein Nachdenken über das Scheitern der Eliten, die Verantwortung des Systems zur Ausbildung dieser Eliten und die Reform der Universität zur Debatte. Der aktuelle Forschungsstand erlaubt eine erste vergleichende Herangehensweise. Er regt trotz der zeitlichen Verschiebung aufgrund vielfältiger Übereinstimmungen in der Vorgehensweise, den Zielen und auch den Misserfolgen sogar dazu an.

  • von Gangolf Hübinger

    Zur Eigenart der europäischen Geschichte gehört der Zusammenhang zwischen dem Handeln im Staat und dem Denken über den Staat. Diese Verbindung kann nicht einseitig aufgelöst werden. Weder lässt sich aus der Geschichte des europäischen Staatsdenkens das Handeln der herrschenden Eliten ableiten. Noch konnten die Fürsten oder die republikanischen Regierungen mit ihren Verwaltungsstäben den Wissenschaften auf Dauer diktieren, wie sie über Staat und von der Politik zu reflektieren haben. Immer herrscht eine komplizierte Wechselbeziehung. Für das neuzeitliche Denken über Staat und Politik, von der Epoche Machiavellis über Alexis de Tocqueville bis zu James Bryce im Zeitalter der Massendemokratie des 20. Jahrhunderts ist die Frage stets neu zu beantworten: Auf welche Weise führt ein struktureller Wandel politischer Herrschaft zu neuen Erkenntnisformen politischer Wissenschaft? [...]

  • von Alexander Schmidt-Gernig

    Das Schlusskapitel der Zukunftsstudie „Mutation der Menschheit“ des französischen Germanisten Pierre Bertaux ist für die Analyse des europäischen Selbstverständnisses nach dem Zweiten Weltkrieg in mehrerlei Hinsicht ein Schlüsseltext. Er bündelt erstens die vielfältigen Stränge des europäischen Selbstverständnisses des 19. und 20. Jahrhunderts, wie sie Hartmut Kaelble umfassend herausgearbeitet hat. [...]