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  • von Hannes Grandits

    Imaginierung und konkrete gesellschaftliche Erfahrung lassen sich nicht immer eindeutig voneinander trennen. Auf den sogenannten „europäischen Orient“ bezogen gilt dies ganz besonders. Die polarisierende Imagination des „Europäischen“ versus „Nicht-Europäischen/Orientalischen“ prägte im Laufe des 19. Jahrhunderts die Wahrnehmung der politischen Verhältnisse im osmanischen Südosteuropa. Je mehr die räumliche Zugehörigkeit der südosteuropäischen Peripherie zu Europa (wieder-)entdeckt und rhetorisch bekräftigt wurde, desto klarer empfand man, dass die „nicht-europäischen“ Elemente nicht hierher passten. Dies tangierte auch die gesellschaftliche Realität vor Ort. Dieser Essay versucht, einen Eindruck von einer „Verwestlichung“ bzw. Neuausrichtung hin zur Europäisierung zu vermitteln. Dabei müssen diese Prozesse als sehr widersprüchliche gesellschaftliche Entwicklungen betrachtet werden.

  • von Stefan Rohdewald

    Das Verhältnis von Religion und Entwürfen kollektiver Identität und Modernität ist in den vergangenen Jahren von der Forschung zunehmend intensiver untersucht worden. Als zentral erwiesen sich dabei nicht nur Fragen nach dem Wandel von im Mittelalter und in der Frühneuzeit hergestellten Verehrungskontexten während der Entstehung nationaler Rückblicke und die Gegenwart konstituierender Erwartungshorizonte im 19. Jahrhundert. [...]

  • von Ulf Brunnbauer

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. [...]

  • von Marie-Janine Calic

    Am Morgen des 11. Juli 1995 stürmten bosnisch-serbische Armee- und Polizeieinheiten nach tagelangem Beschuss die UNO-Schutzzone Srebrenica. Einen Tag später entstand ein Foto, das um die Welt ging: Es zeigt, wie der Kommandeur der niederländischen Blauhelmtruppe, Colonel Thom Karremans, dem serbischen General Ratko Mladic in die Augen sieht, beide ein Glas in der Hand. Man habe Sekt getrunken, sich zugeprostet, behauptete die Presse – was nicht stimmte. Mladic (zur Linken) blickt forsch und herausfordernd, Karremans (in der Mitte) eher unsicher und bange. [...]

  • von Vasilios N. Makrides

    Die Auszüge, die hier als Quelle verwendet werden, stammen aus einer kleinen Schrift, die in griechischer Sprache in Triest 1802 unter einem Pseudonym veröffentlicht wurde. Der preußische Diplomat Jakob Ludwig Salomon Bartholdy (1779–1825) – aus der bekannten deutschen Familie – suchte diese während seiner Griechenlandreise (1803–1804) aus und übersetzte sie aus dem Griechischen ins Deutsche. Angeblich war ihr Verfasser ein Mönch namens Nathanael von Neokaisareia, der zu jener Zeit auf dem Heiligen Berg Athos als Hesychast in Zurückgezogenheit lebte – so die Titelseite. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde sie aber vom Hieromönch Athanasios Parios (1721–1813), das heißt von der ägäischen Insel Paros stammend, verfasst, der zu jener Zeit der osmanischen Herrschaft vielleicht der eifrigste Gegner der Einführung von Aufklärungsideen im griechischen Raum war. [...]

  • von Hannes Grandits

    Imaginierung und konkrete gesellschaftliche Erfahrung lassen sich nicht wirklich eindeutig voneinander trennen. Auf den so genannten „europäischen Orient“ bezogen gilt dies ganz besonders. Ohne hier schon eingangs tiefer in theoretische Reflexion einzusteigen, möchte ich mich diesbezüglich gleich der ersten historischen Quelle zuwenden, an die dieser Essay anknüpft. Es ist dies eine genremäßig im frühen 19. Jahrhundert mit ihrem exotisierenden Grundton recht typische zeitgenössische „westliche“ Beschreibung des „Orients in Europa“. Sie stammt von einem jungen englischen Gentleman namens Alexander William Kinglake. Seine Grand Tour führte ihn 1834 auch ins damals noch osmanische Belgrad und von dort weiter in die osmanische Hauptstadt Istanbul und noch in verschiedene Provinzen des Reichs im Nahen Osten. [...]

  • von Adamantios Skordos

    Am 8. September 1991 fand in der damals noch zu Jugoslawien gehörenden Teilrepublik Makedonien ein Referendum statt, in dem die Bürger/innen der südlichsten Teilrepublik Jugoslawiens folgende Frage zu beantworten hatten: „Unterstützen Sie einen souveränen und unabhängigen Staat Makedonien, der berechtigt sein wird, einer zukünftigen Vereinigung der souveränen Staaten Jugoslawiens beizutreten?“ Nachdem die Frage mit überwiegender Mehrheit positiv beantwortet worden war, rief die Nationalversammlung des Landes am 17. September 1991 die Souveränitätserklärung bzw. die Staatswerdung der Republika Makedonija aus.

  • von Günter Schödl

    Die derzeitige Debatte zu einer künftigen Südosterweiterung der EU bezieht sich vorrangig auf die Türkei, auf ihre EU-Kompatibilität, nur gelegentlich auch auf Rumänien und Bulgarien als nächste Beitrittskandidaten, viel zu wenig auf die südslawisch-albanische Region. Diese wird seit der Auflösung Tito-Jugoslawiens aus westeuropäischer Sicht fast nur in den Kategorien von Kriegsfolgenmanagement und Konfliktprävention wahrgenommen. Dies stellt eine unbegründete Reduzierung dar – ein Ausblenden der überfälligen Frage nach der besonderen, südslawisch-westbalkanischen Variante des Europäischen, der Europäizität des Südostens:[...]