Essays/

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  • von Martin Schieder

    Bürgersteige und Straßen sind wie leergefegt. Nur drei Männer in Gehrock und mit Zylinder begleiten ihre eigenen Schatten über eine Verkehrsinsel, während zwei Kutschen durch das Bild schleichen. Auf dem Pflaster lassen sich noch die vagen Umrisse von zwei Frauen mit Sonnenschirm erahnen, die im gleißenden Mittagslicht dahinzuschmelzen scheinen. Wohl kaum ein Maler des französischen Impressionismus hat die gewaltige städtebauliche Umgestaltung und die mit ihr einhergehenden sozialen Umwälzungen, die Paris unter Napoléon III. erfuhr, so zu seinem Motiv gemacht, wie Gustave Caillebotte. Es sei nur sein ikonisches Gemälde Rue de Paris, temps de pluie (1877) genannt, in dem die modische Pariser Bourgeoisie mit ihren Regenschirmen über die Boulevards und Trottoirs promeniert. [...]

  • von Katharina Stornig

    1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]

  • von Stephanie Schlesier

    Der vorliegende Beitrag vergleicht die staatlichen Vorschriften in Frankreich und Preußen, die im 19. Jahrhundert den organisatorischen und finanziellen Rahmen für die Ausübung der jüdischen Religion vorgaben. Die Autorin analysiert ihre Auswirkung auf die jüdischen Gemeinden in den untersuchten Gebieten Lothringens und der Preußischen Rheinprovinz. Die Bedingungen waren weder in Frankreich noch in Deutschland optimal für verstreut lebende Landgemeinden, sondern eher an den Bedürfnissen städtischer Gemeinden orientiert. Bau und Unterhaltung von Synagogen und die Bezahlung ihrer Würdenträger gestaltete sich für die jüdischen Bewohner Lothringens etwas einfacher als für ihre Glaubensgenossen in der Rheinprovinz, die in Preußen kein Anrecht auf staatliche Zuwendungen hatten. Außerdem beschäftigt sich der Beitrag mit den Unterschieden in der Religiosität und der Bereitschaft zu kultischen Reformen in der jüdischen Bevölkerung der beiden Gebiete.

  • von Chantal Metzger

    Le colloque bisannuel organisé par le Comité franco-allemand de recherches sur l’histoire des 19ème et 20ème siècles, qui s’est tenu du 24 au 26 septembre 2004 à l’Institut Gustav Stresemann à Bonn, a porté sur les relations existant entre l’Allemagne, la France et l’Amérique du Nord au cours des 19 et 20ème siècles. Le choix du sujet était resté en suspens lors de l’Assemblée générale du 16 septembre 2002 à Pont-à-Mousson. Deux thèmes avaient été retenus : l’un portait sur les transferts culturels, l’autre sur les relations entre nos deux pays et les pays non-européens d’Asie, d’Afrique ou d’Amérique. Le premier d’entre eux ayant fait l’objet de plusieurs colloques au cours de l’année 2004, le bureau du Comité a décidé, après enquête auprès des membres, de choisir le second.

  • von Heike Bungert

    Der Artikel beschäftigt sich mit den Dreiecksbeziehungen zwischen den circa hunderttau­send Frankoamerikanern, den 1,7 Millionen Deutschamerikanern und der Bevölke­rungsmehrheit der Angloamerikaner während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871. Für die deutschen Migranten war der Deutsch-Französische Krieg mit der anschließenden Gründung des Deutschen Reiches der wichtigste Wendepunkt in der Geschichte der Schaffung einer deutschamerikanischen Identität. Sie sammelten Geld für ihre Landsleute in Europa, organisierten Wohltätigkeitsveranstaltungen und feierten große Friedensfeste, in denen sie sich ihrer gemeinsamen Herkunft bewusst wurden. Auch die Frankoamerikaner organisierten Benefizfeste, Sammlungen und Proteste gegen den Frankfurter Frieden. Beide ethnischen Gruppen hatten Werte, Sympathien und gegenseitige Vorurteile in die USA transferiert, mussten in ihren Sympathiebekundungen für ihre Ursprungsländer jedoch Rücksicht aufeinander und auf ihr Gastland nehmen.

  • von Ilja Mieck

    Schon wenige Tage nach dem Sieg bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zogen alle französischen Armeekorps weiter, um sich von drei Seiten der preußischen Hauptstadt zu nähern. Napoleon selbst hielt sich ab dem 24. Oktober zweieinhalb Tage in Potsdam auf, ritt am 26. Oktober nachmittags nach Spandau und Charlottenburg und vollzog, umgeben von seinen Generalen, seinen feierlichen Einzug in Berlin am späten Nachmittag des 27. Oktobers.[...]

  • von Helke Rausch

    Das „lange 19. Jahrhundert“ war europaweit ein Jahrhundert zunehmend aufgeregter Gedächtnisdiskurse. Als ihr bevorzugter Gegenstand erschienen Denkmalfiguren, mit deren Inszenierung politische Voten manifestiert und Deutungsmonopole behauptet werden sollten. Der öffentliche Raum, in dem sie standen, war zwar frei zugänglich, aber keineswegs frei von sozialen und politischen Vermachtungen. In den westeuropäischen Staaten und dort in eingeschränkterem Rahmen selbst im autoritären Deutschen Kaiserreich wirkte er daher bald als Repräsentations-, bald als Kampfarena politischer Nationalkulturen. Damit verkörperten die öffentlichen Denkmalfiguren nicht nur spezifische und im Detail vielfach heterogene Nationsideen. Sie wurden auch selbst zu Vehikeln in der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Definitionen der Nation und bei der Erfindung nationaler Meistererzählungen. [...]