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  • von Kirsten Heinsohn

    Als die Soziologin Eva Reichmann 1981 gefragt wurde, wie sie denn ihr Selbstverständnis beschreiben würde, sagte sie als erstes: „das ist eine sehr komplizierte Sache.“ Und in der Tat war es für sie, als liberale Jüdin, die 1939 aus Deutschland vertrieben worden war, außerordentlich schwierig, sich eindeutig zu einem Land zu bekennen, geschweige denn sich mit ihm zu identifizieren. Die Gewalterfahrung der Juden in Europa zwischen 1933 und 1945 fügten – auch im Fall von Eva Reichmann – den persönlichen Biografien der Überlebenden eine schwere Hypothek hinzu. [...]

  • von Judith Große

    Unter den veröffentlichten Leserbriefen an die Redaktion der Zeitschrift Die Ehe. Monatsschrift für Ehewissenschaft, -Recht und -Kultur findet sich im Jahrgang 1929 die Anfrage einer Leserin „in einer Sache […], die so eigenartig ist, daß es sich wohl lohnt, sie den Lesern vorzulegen.“ Die anonymisierte Verfasserin des Briefes bittet um Antwort auf die Frage, „ob moralische oder gesetzliche Bedenken gegen die Ehe einer Weißen mit einem Neger existieren“. [...]

  • von Kirsten Heinsohn

    Als Eva Reichmann 1981 auf die Frage antwortete, wie sie denn ihr Selbstverständnis beschreiben würde, sagte sie als erstes: „das ist eine sehr komplizierte Sache.“ Und in der Tat war es für sie, als liberale Jüdin, die 1939 aus Deutschland vertrieben worden war, außerordentlich schwierig, sich eindeutig zu einem Land zu bekennen geschweige denn sich mit ihm zu identifizieren. Die Gewalterfahrung der Juden in Europa zwischen 1933 und 1945, die die Überlebenden in ihre persönliche Biografie integrieren mussten, fügten – auch im Fall von Eva Reichmann – eine schwere Hypothek hinzu. Denn schließlich waren den deutschen und später allen Juden im von Deutschland besetzten Europa die Bürgerrechte und die persönliche Freiheit sowie schließlich die körperliche Unversehrtheit genommen worden. Die Einführung ungleicher Bürgerrechte im Zuge der so genannten Nürnberger Gesetze1935 sowie die Aberkennung der Staatsangehörigkeit insgesamt waren Schritte in einem umfassenden Entrechtungsprozess. [...]

  • von Heinrich Best

    In einem Langzeitvergleich der Rekrutierung von Abgeordneten in die Nationalparla¬mente Deutschlands und Frankreichs werden der Wandel der politischen und gesell¬schaftlichen Machtorganisation und der Effekt von Veränderungen der institutionellen Regeln des Machterwerbs in beiden Ländern untersucht. Dabei zeigen sich bis zum Zweiten Weltkrieg deutliche Unterschiede in den Modi parlamentarischer Repräsentation mit einer kontinuierlichen Dominanz des „Intermediärs“ in Frankreich und einem massi¬ven Bedeutungsgewinn des „Funktionärs“ in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der öffentliche Dienst in beiden Ländern zur Hauptquelle parlamentarischer Rekru¬tierung, wobei in Frankreich die geringe Vertretung von Frauen und das cumul als Mittel der Karrierisierung fortdauernde Besonderheiten bilden.

  • von Augustine Dolores

    Die Koexistenz zweier Gesellschaftssysteme war für die europäische Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zweifellos ebenso prägend wie der Zusammenbruch des sozialistischen Systems 1989/90 und die damit einhergehenden Transformationen. In Deutschland sollte die Konkurrenz der beiden politischen Systeme das Leben mehrer Generationen bestimmen. Die Systemkonkurrenz spiegelt sich hier in den Brüchen individueller Biografien wider.[...]

  • von Ina Merkel

    Zu Beginn der 90er Jahre stieß ich bei Recherchen im Deutschen Rundfunkarchiv auf den ungewöhnlichen Aktentitel: „Zeitgeist-Sammlung“. Dahinter verbargen sich mehrere Ordner mit Zuschauerbriefen. Die Mitarbeiter des Büros für Zuschauerpost beim Fernsehen der DDR hatten in Eigeninitiative jeweils 150 exemplarische Zuschriften eines Jahres, das waren etwa 5 Prozent aller Posteingänge, aufgehoben, anstatt sie nach 5 Jahren zu kassieren, wie es die Vorschriften vorsahen.[...]