Essays/

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  • von Erik Liebscher

    Forschungsreisen bildeten einen wichtigen Bezugspunkt für die Konstruktion einer deutschen Nation im 19. Jahrhundert. Dies lässt sich insbesondere an den ‚deutschen‘ Polarexpeditionen der 1860er- und 70er-Jahre beobachten. Anhand eines Briefes, den der in Mexiko lebende, unbekannte deutsche Musiker und Botaniker Luis Hahn (†1873) an den Initiator dieser ‚Nordfahrten‘, den Kartografen August Petermann (1822–1878), sandte, lässt sich rekonstruieren, wie diese Expeditionen ausgedeutet und angeeignet wurden. Hahn, der die Polarreisen lediglich in Zeitschriften verfolgte, entwarf seine eigene chauvinistische Vision einer Eroberung des Nordpols, plante zu deren Finanzierung eine musikalische Werbekampagne und imaginierte sich so selbst als Teil eines nationalen und kolonialen Projektes. Dieses exaltierte Engagement zeigt einerseits die Wirkmacht imperialer Phantasien und verdeutlicht andererseits das komplexe Wechselverhältnis zwischen Wissenschaftsakteuren und der zeitschriftenlesenden Öffentlichkeit, das mit dem einseitigen Konzept der Popularisierung nur unzureichend erfasst wird.

  • von Ulf Brunnbauer

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. [...]

  • von Kerstin Lange

    Eine Tangomanie ergriff in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die europäischen Großstädte. Der argentinische Tango wurde vor allem in der Unterhaltungskultur von Paris, London und Berlin zu einem neuen Modetanz und verbreitete sich von dort aus auch in anderen Städten. Auf den Bühnen der Music Halls und Varieté-Theater kam kaum eine Vorstellung ohne eine Tango-Nummer aus, international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Gaby Deslys oder George Grossmith Jr. nahmen den Tanz in ihr Programm auf. Doch nicht nur auf den Bühnen war der Tango zu sehen, auch das Publikum tanzte. Tanzflächen fanden sich in den Palais de Danse, wie sich die glamourösen Ballsäle des Olympia in Paris oder des Metropolpalastes in Berlin nannten, sowie in den Cafés, Restaurants und neuen Grandhotels entlang der Boulevards der Städte. Tango war in der Vergnügungskultur europäischer Metropolen „en vogue“. [...]

  • von Stefanie Bietz

    1892 informierte ein Beitrag der Zeitschrift Aus allen Welttheilen die Leserinnen und Leser über die erste Einfuhr des Mahagoniholzes durch bürgerliche Kreise nach Europa. Die Erzählung des Artikels, dass dieses Überseeholz erstmals zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach England importiert und als Möbelholz verwendet worden sei, ist allerdings anhand historischer Dokumente nicht belegbar. [...]

  • von Mineke Bosch

    In a letter dated February 15, 1882 Theodore Stanton (1851-1925), the son of the American women’s rights pioneer Elizabeth Cady Stanton (1815-1902) invited the prominent Dutch educational reformer, Elise van Calcar (1822-1904), to contribute to his project of compiling an overview of the “women question in Europe.” She probably owed this request to her presence at the International Congress of Women in Paris in 1878. In his letter, he explained that his mother “qui depuis bien des années s’occupe de la question du droit des femmes,” and two other women were compiling a History of Woman Suffrage in the US, the first volume of which had been published in 1881. For the second volume they had asked the British suffragist Lydia Becker to write a chapter on “le movement des femmes en Angleterre,” and, to make things complete, “on se propose de faire un dernier chapître où se trouvera un compte-rendu de ce qui a été fait à ce sujet sur le continent.” [...]

  • von Ulrike Kirchberger

    Die “Ecuador Land Company” (ELC) wurde 1859 in London gegründet. Das Ziel der Gesellschaft war es, Land in Ecuador zu erwerben, es wirtschaftlich zu erschließen und zu kolonisieren. Dies war in der damaligen Zeit kein ungewöhnliches Vorhaben. Sowohl in Großbritannien als auch in den Staaten des Deutschen Bundes wurden vor dem Hintergrund der Massenauswanderung nach Übersee immer wieder Kolonisations- und Auswanderungsgesellschaften gegründet. Das Besondere an der ELC bestand darin, daß sie von deutschen und britischen Kaufleuten in London gemeinsam getragen wurde und sich aus dieser Konstellation spezielle Möglichkeiten ergaben, die ein in Deutschland gegründeter Auswanderungsverein nicht hatte. [...]

  • von Philippe Alexandre

    Am Vorabend des Ersten Weltkrieges verfügte die bürgerliche Friedensbewegung in den Vereinigten Staaten über eine starke Organisation, die auf eine lange Tradition seit Beginn des 19. Jahrhunderts zurückging. Sie vereinte eine gewisse Anzahl bedeutender Mitglieder der Zivilgesellschaft, darunter vor allem Politiker der Demokraten, Geistliche, Lehrer, Wissenschaftler, Verleger und Humanisten, die über ein unermessliches Vermögen verfügten, wie der Industrielle Andrew Carnegie. Diese Organisation war in der Lage, Einfluss auf die Machthabenden auszuüben und sie in ihrer Außenpolitik zu unterstützen, die auf internationalen Ausgleich sowie die Förderung des Handels und des Einflusses der USA hinzielte. Die deutschen und französischen Pazifisten waren sich des wachsenden Gewichtes der Vereinigten Staaten in der Welt und der ambivalenten Beziehungen zwischen der Neuen Welt und dem „alten Europa“ bewusst und bemühten sich, auf eine engere Kooperation zwischen den beiden Kontinenten hinzuwirken.[...]

  • von Matthias Middell

    An der Wende zum 20. Jahrhundert entdeckten die europäischen Intellektuellen auf neue Weise globale Zusammenhänge. Der russisch-japanische Krieg vermittelte ebenso wie die spanische Niederlage gegen die USA 1898, mit der die letzten Reste des ehemals riesigen Kolonialreiches davon gerissen wurden, dass neue Konkurrenten einen allzu selbstgewissen Eurozentrismus herausforderten. Der Welthandel hatte rasant zugenommen und in seiner Dynamik die Wachstumsraten der Weltproduktion weit hinter sich gelassen. [...]

  • von Veronica Oelsner

    Nach dem Ablegen seines Kolonialstatus im Jahr 1816 musste das alte Vizekönigreich am Río de la Plata politisch, sozial und wirtschaftlich neu definiert werden. Über das ganze 19. Jahrhundert hinweg standen die Bemühungen im Vordergrund, aus dem Gebiet der damaligen spanischen Kolonie einen modernen Nationalstaat zu bilden. Es handelte sich bei dem im Entstehen begriffenen Argentinien um ein Land, das aus der „Barbarei“ herauskommen musste, um sich der „Zivilisation“ und dem „Fortschritt“ anderer Teile der Welt – nämlich Europa und USA – anzuschließen. In diesem Sinn wollte man das Land für moderne europäische Einflüsse öffnen. Politiker und Intellektuelle der Zeit sahen in der Einwanderung aus Europa das „Heilmittel“, um die „Qualität“ der Bevölkerung anzuheben und die Entwicklung der Wirtschaft zu beschleunigen [...]

  • von Hannes Siegrist

    Stichworte wie „Medienrevolution“, „Leserevolution“ und „Verwissenschaftlichung“ verweisen auf den tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Wandel im 19. Jahrhundert. Seit dem späten 18. Jahrhundert stieg die Produktion, Reproduktion und Nutzung von Texten, Bildern und Tonwerken auf immer neue Höhen. Den Zeitgenossen stellte sich angesichts der massiven Veränderungen und Potentiale die Frage, wer über „Kultur“ und „Wissen“ verfügen sollte. Vor diesem Hintergrund frage ich im Folgenden nach der Individualisierung, Nationalisierung und Internationalisierung der Verfügungs- und Handlungsrechte von Autoren, Verlegern, Publikum und Staaten über „geistige Werke“.[...]

  • von Peter N. Stearns

    Gegen Ende des 19. Jahrhunderst erstarkte die Frauenbewegung in vielen Ländern. In Europa und Amerika bildeten sich zahlreiche internationale feministische Verbände, die neben einer Vielzahl politischer Ziele vor allem auch allgemeine gesellschaftliche Reformen propagierten und anstrebten.[...]

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