Essays/

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  • von Erik Liebscher

    Forschungsreisen bildeten einen wichtigen Bezugspunkt für die Konstruktion einer deutschen Nation im 19. Jahrhundert. Dies lässt sich insbesondere an den ‚deutschen‘ Polarexpeditionen der 1860er- und 70er-Jahre beobachten. Anhand eines Briefes, den der in Mexiko lebende, unbekannte deutsche Musiker und Botaniker Luis Hahn (†1873) an den Initiator dieser ‚Nordfahrten‘, den Kartografen August Petermann (1822–1878), sandte, lässt sich rekonstruieren, wie diese Expeditionen ausgedeutet und angeeignet wurden. Hahn, der die Polarreisen lediglich in Zeitschriften verfolgte, entwarf seine eigene chauvinistische Vision einer Eroberung des Nordpols, plante zu deren Finanzierung eine musikalische Werbekampagne und imaginierte sich so selbst als Teil eines nationalen und kolonialen Projektes. Dieses exaltierte Engagement zeigt einerseits die Wirkmacht imperialer Phantasien und verdeutlicht andererseits das komplexe Wechselverhältnis zwischen Wissenschaftsakteuren und der zeitschriftenlesenden Öffentlichkeit, das mit dem einseitigen Konzept der Popularisierung nur unzureichend erfasst wird.

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Roland Wenzlhuemer

    In den Jahren 1902 und 1903 schafften es zwei gänzlich unterschiedliche Akteursgruppen knapp hintereinander jeweils ein Telegrafenkabel durch den Pazifik zu ziehen. Das etwas frühere Kabel wurde durch das so genannte Pacific Cable Board, an welchem Großbritannien und die Kolonialregierungen in Kanada, Neuseeland und Australien beteiligt waren, verlegt und betrieben. Es verband British Columbia über Fanning Island und Fiji mit Norfolk Island, von wo jeweils ein Strang nach Australien und Neuseeland weiterführte. Nur ein Jahr später eröffnete die private Commercial Pacific Cable Company eine telegrafische Verbindung von San Francisco über Honolulu nach Manila. Die Fertigstellung dieser beiden Projekte komplettierte in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts die telegrafische Umrundung der Welt. [...]

  • von Edith Glaser

    Im Laufe des 19. Jahrhunderts änderten sich die Anstellungsverhältnisse von Erzieherinnen und Lehrerinnen in Deutschland. Es galt weiterhin die zwischen dem späten 16. und 18. Jahrhundert in vielen Ländern sukzessiv verfügte Unterrichtspflicht , doch kam es nun überdies zu einer zunehmenden staatlichen Regulierung des Bildungswesens insgesamt. Infolgedessen wurde auch die Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen stärker reglementiert. So musste für jeden Arbeitsvertrag einer Erzieherin schulpflichtiger Kinder, ob in einer Familie oder als Lehrkraft einer privaten Mädchenschule angestellt, ebenfalls eine erfolgreich abgelegte staatliche Prüfung nachgewiesen werden. Mitte des 19. Jahrhunderts fehlte es allerdings an entsprechenden Ausbildungseinrichtungen. So gab es beispielsweise im Königreich Sachsen bei der Einführung der Lehrerinnenprüfung am 17. Juni 1859 nur einen Ort, das Lehrerinnenseminar in Callnberg, an dem Interessentinnen eine entsprechende Ausbildung absolvieren konnten. [...]

  • von Gabriele Lingelbach

    In der historiografiegeschichtlichen Forschung hielt sich lange Zeit die Vorstellung, die französische Geschichtswissenschaft habe sich im 19. Jahrhundert nicht nur hinsichtlich ihrer Forschungs- und Darstellungsmethoden, sondern auch bei ihren institutionellen Formgebungen am ,Deutschen Modell‘ orientiert, das heißt Strukturen der deutschen Geschichtswissenschaft importiert. Empirische Studien belegen aber eher die Eigenständigkeit der französischen historischen Disziplin, die insbesondere im tertiären Bildungssektor große Unterschiede zu ihrem deutschen Pendant aufwies. Letztlich war der französische Rekurs auf das deutsche System von den eigenen Interessen und Vorstellungen bezüglich der Weiterentwicklung der Disziplin geprägt. Der Verweis auf Deutschland fungierte als Katalysator in der Reformdiskussion, als Diskurs.[...]

  • von Stefan Fisch; Chantal Metzger und Florence Gauzy

    Seit seiner Entstehung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist das moderne Bildungswesen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland stets Gegenstand umfassender Reformdiskussionen und Reformversuche gewesen. Diese Debatten fragen nach den sachlichen Inhalten und pädagogischen Metho¬den, nach dem Kreis der Lehrenden und Lernenden, nach der Beaufsichtigung und Kontrolle durch Kirche oder Staat oder Gemeinde, aber auch nach den Aufgaben des Bildungswesens als Ausbildungs- und Sozialisierungsanstalt, folglich nach seiner Einbettung in Staat und Gesellschaft, und nicht zuletzt auch nach seiner Instrumentalisierung durch Politik und Macht, wenn die Erziehung Mittel zum Zweck politischer Indoktrinierung wird. Zu diesen Fragen existiert bereits eine umfassende Forschungsliteratur.[...]

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