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  • von Hartmut Zwahr

    Dem nachstehenden Text vom 30. Oktober 1956 begegne ich gleichsam mit doppeltem Blick, dem eigenen, denn ich bin der Verfasser, sowie dem des Historikers auf vergessene Notizen, die ich im vorigen Jahr wiederfand. Ich kenne die Personen, den Ort, die Verhältnisse, die in sie hineinspielenden sorbischen Umstände, aber aus dem Gedächtnis könnte ich das Geschehen, das diese Quelle festhält, seine Spezifik und die damit verbundenen Reflexionen nicht rekonstruieren. Das Eigene erscheint inzwischen als das fast völlig Fremde.[...]

  • von Gangolf Hübinger

    Zur Eigenart der europäischen Geschichte gehört der Zusammenhang zwischen dem Handeln im Staat und dem Denken über den Staat. Diese Verbindung kann nicht einseitig aufgelöst werden. Weder lässt sich aus der Geschichte des europäischen Staatsdenkens das Handeln der herrschenden Eliten ableiten. Noch konnten die Fürsten oder die republikanischen Regierungen mit ihren Verwaltungsstäben den Wissenschaften auf Dauer diktieren, wie sie über Staat und von der Politik zu reflektieren haben. Immer herrscht eine komplizierte Wechselbeziehung. Für das neuzeitliche Denken über Staat und Politik, von der Epoche Machiavellis über Alexis de Tocqueville bis zu James Bryce im Zeitalter der Massendemokratie des 20. Jahrhunderts ist die Frage stets neu zu beantworten: Auf welche Weise führt ein struktureller Wandel politischer Herrschaft zu neuen Erkenntnisformen politischer Wissenschaft? [...]

  • von Ilja Mieck

    Schon wenige Tage nach dem Sieg bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zogen alle französischen Armeekorps weiter, um sich von drei Seiten der preußischen Hauptstadt zu nähern. Napoleon selbst hielt sich ab dem 24. Oktober zweieinhalb Tage in Potsdam auf, ritt am 26. Oktober nachmittags nach Spandau und Charlottenburg und vollzog, umgeben von seinen Generalen, seinen feierlichen Einzug in Berlin am späten Nachmittag des 27. Oktobers.[...]

  • von Michael Mitterauer

    Für eine vergleichende Erforschung historischer Familienformen in Europa kommt der Debatte um die so genannte „Zadruga“ entscheidende Bedeutung zu. Das Interesse an dieser insbesondere im westlichen Balkanraum verbreiteten Familienform reicht wissenschaftsgeschichtlich bis weit ins 19. Jahrhundert zurück. Vielfältige ideologische Implikationen flossen dabei in diese Debatte ein. Nationalisten sahen in der „Zadruga“ eine spezifische Ausdrucksform nationaler Identität.[...]

  • von Luisa Passerini

    Sprechen wir von „Europa“, dann sprechen wir von einer Idee, die durchaus ambivalente Züge aufweist. Um diese Ambivalenz der Idee „Europa“ näher zu charakterisieren, wähle ich hier den Ausdruck „Die große Illusion“. Das Wort „Illusion“ steht zuallererst für „Täuschung“, doch auf den zweiten Blick erschließen sich weitere Bedeutungen, wie diejenige, die sich aus der etymologischen Herkunft vom lateinischen Verb ludere = spielen und illudere = zum Spielen anregen, ergibt.[...]

  • von Dietmar Rothermund

    Mahatma Gandhi schrieb die in Quelle Nr. 4.5 wiedergegebenen Zeilen über die britische Fremdherrschaft in Indien an Bord eines Schiffes auf der Rückfahrt von London nach Südafrika. Sein Besuch in London stand im Zusammenhang mit seinen Bemühungen um die indische Minderheit in Südafrika. Doch während seines Aufenthaltes in London hatte er viele Gespräche mit jungen indischen Nationalisten und mit seinem väterlichen Freund Dr. Pranjivan Mehta geführt. Dieser kluge Arzt und Jurist hatte Gandhi 1881 in London empfangen, als er als junger Student dort eintraf. Damals gab es noch nicht einmal den indischen Nationalkongress, der erst 1885 gegründet wurde. [...]

  • von Heinz Schilling

    Das Kriegsmanifest Gustav Adolfs von Schweden, das im Juli 1630 Dutzende von Flugschriften durch Deutschland trugen, um die am 26. Juni mit der Landung des schwedischen Heeres auf der Insel Usedom begonnene Intervention im Reich zu legitimieren, fand große Beachtung, bei den Zeitgenossen nicht anders als später bei den Historikern. Denn erst dieser Kriegseintritt Schwedens ließ die konfessions- und machtpolitischen Auseinandersetzungen im Reich zu jenem Dreißigjährigen Krieg werden, der – wie noch die Europaratsausstellung 1648 – Krieg und Frieden in Europa 1998 in Münster und Osnabrück gezeigt hat – bis heute als traumatische Erfahrung und lieu de mémoire im Geschichtsbewusstsein der Deutschen fortlebt.[...]

  • von Alexander Schmidt-Gernig

    Das Schlusskapitel der Zukunftsstudie „Mutation der Menschheit“ des französischen Germanisten Pierre Bertaux ist für die Analyse des europäischen Selbstverständnisses nach dem Zweiten Weltkrieg in mehrerlei Hinsicht ein Schlüsseltext. Er bündelt erstens die vielfältigen Stränge des europäischen Selbstverständnisses des 19. und 20. Jahrhunderts, wie sie Hartmut Kaelble umfassend herausgearbeitet hat. [...]

  • von Iris Schröder

    Europa war für viele Europäer in der Zeit um 1800 kein unbeschriebenes Blatt. Die französische Revolution hatte nicht nur Frankreich erfasst, sondern als europäisches Großereignis auch viele andere Europäer mit in ihren Bann gezogen. Die nachfolgenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Großmächten, die Koalitionskriege sowie die anschließende Napoleonische Herrschaft über weite Teile Süd-, West- und Mitteleuropas sollten die europäische Staatenwelt umfassend verändern.[...]

  • von Peter Steinbach

    Über die Zielsetzung des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus wird nach wie vor gestritten – in der Regel aus der Perspektive der Nachlebenden, die angesichts der zuweilen tief im 19. Jahrhundert wurzelnden vorkonstitutionellen Grundvorstellungen des Widerstands bezweifeln, dass der Umbruch als Folge eines gelungenen Anschlags auf Hitler wirklich die viel beschworene Neuordnung aus dem Widerstand gebracht hätte.[...]

  • von Bo Stråth

    Europakarten bestimmen oft die Grenzen von Europa, insofern stellen sie Repräsentationen von Europa her. Im Wortsinn meint repräsentieren etwas wieder sichtbar machen und weist auf etwas Größeres oder Authentischeres hinter dem Begriff hin. Dieser Zusammenhang wird zum Beispiel deutlich in Bezug auf den Begriff der politischen Re­präsentation, bei dem ein konstituierendes Volk hinter der parlamentarischen Repräsentation mitgedacht wird. Entsprechend sind Karten als Repräsentationen des Raumes zu betrachten: mit der Karte assoziieren wir einen kartografisch aufbereiteten größeren Raum. [...]

  • von Philipp Ther

    Gelegentlich haben europäische Intellektuelle Visionen von Europa, die sich als prophetisch erweisen. So ist es im Falle Milan Kunderas, einem der großen tschechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er hatte 1983 Vorstellungen von Europa, die durch den EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten 2004 zur Realität wurden. Sein Text zeigt das klare Bewusstsein, dass Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei eigentlich zum westlichen Kulturkreis Europas gehören.[...]

  • von Ingeborg Baldauf

    Unter dem Titel Avrupa Säjaxatnamäse – „Europareise“ – erschien 1902 in Sankt Petersburg das Buch zu einer Reise, die der muslimisch-tatarische Aufklärer Fatix Kärimi (1870-1937) im Jahre 1899 an der Seite des Goldmillionärs und Mäzens Shakir Rämiev unternommen hatte. Der Text gehört unter den zahlreichen russlandtürkischen Reisebeschreibungen aus dieser Zeit zu denen, auf die ein zuweilen gegenüber dem Genre Reiseliteratur generell geäußertes Urteil tatsächlich zutrifft:[...]

  • von Christoph Conrad

    Das deutsch-französische Verhältnis weist eine reichhaltige Geschichte gegenseitiger Wahrnehmungen, Charakterzuschreibungen und Stereotypen auf. In der Tat lässt sich diese „histoire croisée“ als eine Verschränkung von Verfeindung und Anfreundung, Verteufelung und Bewunderung schreiben. Was für die Vordenker des Nationalismus im 19. Jahrhundert eine Binsenweisheit war, musste die historische Forschung erst wieder entdecken, nämlich dass sich ohne diesen ständigen Bezug auf den Anderen die eigene Identität nicht entwerfen ließ.[...]

  • von Andreas Eckert

    Léopold Sédar Senghor (1906-2001), der erste gewählte Staatspräsident des unabhängigen Senegal, war im April 1961 erst seit wenigen Monaten im Amt. Seine erste Reise nach Europa führte ihn, wenig überraschend, zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. In seinen Reden während des Staatsbesuches, wie auch in seiner Ansprache auf dem Empfang des Stadtrates von Paris am 20. April, die der vorliegende Essay als Ausgangspunkt wählt, betonte Senghor wiederholt die engen und positiven Verbindungen zwischen den beiden Ländern. [...]

  • von Ruth Federspiel

    Die politisch erzwungene Emigration während des Nationalsozialismus ist in ihren Folgen eng mit der Frage individueller Mobilität verknüpft. Mittels Vermögensbeschlagnahme und Vermögensentzug gelang es der gut organisierten deutschen Bürokratie zu dieser Zeit, weit über ihren eigentlichen Einflussbereich hinaus, die Mobilität von rassisch oder politisch Verfolgten zu erzwingen.[...]

  • von Dieter Gosewinkel

    Im Herbst 1940 hielten die Armeen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches große Teile des europäischen Kontinents besetzt. Der Sieg über Frankreich im Juni 1940 schaltete die letzte gegnerische Großmacht auf dem europäischen Kontinent aus, denn mit der Sowjetunion teilte das Reich einvernehmlich das besetzte Polen. Auch das na­tionalsozialistische Regime begann zu dieser Zeit Pläne für die Neuordnung Europas zu entwerfen, ein Europa unter nationalsozialistischer Hegemonie.[...]

  • von Johannes Helmrath

    Reden und Essays über „Europa“ versäumen es selten, Papst Pius II. (1405-1464) als Impulsgeber, ja gar als „Vater“ des Europagedankens zu rühmen. Auch die Europa-Ausstellung 2003 im Deutschen Historischen Museum zu Berlin räumte dem Piccolomini-Papst einen prominenten Platz ein. In deutschen und französischen Quellensammlungen, die während des ersten, stark auf ein „karolingisches“ Kerneuropa gerichteten ideenpolitischen Schubs der 1950er und 60er Jahre entstanden waren, fehlten Texte Pius’ II. ebenso wenig wie in solchen, die während des zweiten, nach 1989 einsetzenden Booms erschienen.[...]

  • von Manfred Hildermeier

    Die Geschichte der großen Umwälzungen in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist wieder in Bewegung geraten. Wenn es noch eines weiteren Belegs für die Zeit- und Perspektivenabhängigkeit historischer Forschungsinteressen bedurfte – das Ende der kommunistischen Welt hat ihn erbracht. Ganz gleich, ob die neokantianische Vorstellung von den „höchsten Wertideen“, die ihr „Licht [...] auf einen stets wechselnden endlichen Teil des ungeheuren chaotischen Stromes von Geschehnissen“ werfen, auch solch profane Schleuderbewegungen des Zeitgeists gemeint hat, der Wandel liegt auf der Hand.[...]

  • von Vincent Houben

    Die europäisch-südostasiatische Kontaktgeschichte erforscht unter anderem die historischen Verbindungen zwischen Europa und den außereuropäischen Weltregionen, die zur Kolonisierung von Großteilen des Südens geführt haben. Im Rahmen der Etablierung und Konsolidierung der europäischen Kolonialstaaten im südostasiatischen Raum fanden wichtige Transfers statt: [...]

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