Essays/

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  • von Karsten Brüggemann

    Wie wird man seine Vergangenheit los? Zwei Mal im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Estland unabhängig, zwei Mal, 1918 und 1991, verließ das Land die Konkursmasse eines russisch dominierten Vielvölkerreichs. Gleichsam als Symbol des jeweils angestrengten Wandels darf der Umgang der neuen nationalen Exekutive mit der monumentalen Erinnerung an den früheren transnationalen Staatszusammenhang gelten. In diesem Beitrag werden zwei Denkmäler behandelt, die in idealtypischer Weise dafür stehen, wie lokale Gemeinschaften bestimmte Aspekte ihrer Vergangenheit im Kontext der jeweilig dominierenden Narrative verhandeln. [...]

  • von Ekaterina Makhotina

    Am 5. März 1989 trat Grigori Kanovic vor der jüngst gegründeten Jüdischen Kulturgemeinde Litauens auf. In einer flammenden Rede sprach der litauisch-jüdische Schriftsteller vom Neubeginn für das jüdische kulturelle Leben in Litauen und vom Aufbruch der Erinnerung an die Shoah, einer Erinnerung, die lange Jahre unterdrückt worden war. Das Motto seiner Rede – Geh und fürchte Dich nicht – ist ein Aufruf an die Bürger Litauens jüdischer Herkunft, an die wenigen Überlebenden und die aus der Sowjetunion zugezogenen jüdischen Immigranten, die Geschichte des jüdischen Schicksals während des Zweiten Weltkriegs ohne Furcht und Scham zu erinnern, diese gar als zentralen identitätsstiftenden Bestandteil der jüdischen Schicksalsgemeinschaft gelten zu lassen. In der bewussten Wahl und durch häufige Wiederholung des alttestamentarischen Satzes, mit welchem ursprünglich Gott dem jüdischen Vorvater Abraham Mut zugesprochen hatte, bekommt das Motiv des Weiterlebens des Jüdischen hier eine besonders starke Akzentuierung.[...]

  • von Wolfgang Schmale

    Nach wie vor ist die Wahrnehmung vieler durch die Vorstellung geprägt, dass mit der Grenzziehung zwischen West- und Ost- bzw. Ostmitteleuropa – mit dem Eisernen Vorhang im Kalten Krieg – gleichzeitig eine Zivilisationsgrenze entstanden sei. Dagegen stellt der Autor heraus, dass Ostmitteleuropa seit dem Spätmittelalter an allen umfassenden Kommunikations- und Kulturtransferprozessen (Renaissance, Reformation und Aufklärung) partizipiert hat, weshalb die davon geprägte nationale wie kulturelle Identität der „Ostblock“staaten während des Kalten Kriegs auch nur oberflächlich überformt wurde. Nach Überwindung der in erster Linie politischen Spaltung bieten die historisch-kulturellen Gemeinsamkeiten der Ostmitteleuropäer und Westeuropäer somit für die Staaten Ostmitteleuropas die Grundlage für ihre „Rückkehr nach Europa“ im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses.