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  • von Helke Rausch

    Das „lange 19. Jahrhundert“ war europaweit ein Jahrhundert zunehmend aufgeregter Gedächtnisdiskurse. Als ihr bevorzugter Gegenstand erschienen Denkmalfiguren, mit deren Inszenierung politische Voten manifestiert und Deutungsmonopole behauptet werden sollten. Der öffentliche Raum, in dem sie standen, war zwar frei zugänglich, aber keineswegs frei von sozialen und politischen Vermachtungen. In den westeuropäischen Staaten und dort in eingeschränkterem Rahmen selbst im autoritären Deutschen Kaiserreich wirkte er daher bald als Repräsentations-, bald als Kampfarena politischer Nationalkulturen. Damit verkörperten die öffentlichen Denkmalfiguren nicht nur spezifische und im Detail vielfach heterogene Nationsideen. Sie wurden auch selbst zu Vehikeln in der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Definitionen der Nation und bei der Erfindung nationaler Meistererzählungen. [...]

  • von Rita Aldenhoff-Hübinger

    Globalisierung als wirtschaftlicher Prozess ist gekennzeichnet durch die weltweite Integration der Märkte von Waren und Dienstleistungen, von Kapital und von Arbeitskräften. Dagegen formieren sich gesellschaftliche Bewegungen, auch kommt es zu staatlichen Gegenmaßnahmen. Im Unterschied zu diesen als wirtschaftsnationalistisch zu bezeichnenden Bewegungen und Maßnahmen werden aber auch erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Anstrengungen unternommen, der internationalen Konkurrenzsituation nicht durch Abschottung der Märkte, sondern durch Innovationen, Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungen aus eigener Kraft standzuhalten. Die Globalisierung ist, historisch gesehen, kein unbekanntes Phänomen. Bereits von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg gab es eine erste Phase oder Welle. [...]

  • von Steffen Sammler

    Die theoretischen Vorstellungen des radikalen Liberalismus, der das Ideal der bürgerlichen Gesellschaft in der Verbindung von politischer und wirtschaftlicher Freiheit für alle männlichen Mitglieder gesehen hatte, gerieten im Verlauf der Industrialisierung in einen zunehmenden Konflikt zu den wirtschaftlichen Realitäten, die zu einer kulturellen Trennung des Unternehmers von den von ihm beschäftigten Arbeitern geführt hatte. Diese Trennung wurde von den Vertretern eines radikalen politischen und wirtschaftlichen Liberalismus aus den Reihen der ersten Generation der historischen Schule der Nationalökonomie in Deutschland und des französischen „libéralisme bleu“ als Gefahr für die bürgerliche Gesellschaft angesehen, da sie diese zwischen den Extremen einer kommunistischen Gleichmacherei und einer neuen „Aristokratie der Industrie“ zu zerreiben drohte. [...]

  • von Dorothea Trebesius

    Eine konkrete Vorstellung von der Größe des europäischen Raumes konnten sich im 18. und 19. Jahrhundert Fernhandelskaufleute mehr noch als andere bürgerliche Berufsgruppen verschaffen, führten ihre Kontakte doch zu zahlreichen Reisen in andere Städte und Länder. Die Reichweite der geschäftlichen und privaten Beziehungen der Dufours in Leipzig, einer im 18. Jahrhundert aus Frankreich eingewanderten hugenottischen Kaufmannsfamilie, erstreckte sich von Russland und Polen über Italien bis nach Holland, Dänemark und England. Fernhandelskaufleute und ihre Angehörigen agierten durch die alltägliche Praxis des Reisens in einem spezifischen europäischen Handlungsraum, der jenseits von politischen Konjunkturen eigene Vorstellungen von Europa begründete. [...]

  • von André Kaspi

    Die USA sehen Frankreich und Deutschland 1945 nicht im gleichen Licht. Frankreich ist ein verbündetes Land, das die amerikanischen Soldaten besonders freundschaftlich empfangen hat. Aber es ist auch ein unbequemer Verbündeter. De Gaulle geht es um den Erhalt der nationalen Unabhängigkeit, und mit diesem Ziel widersetzt er sich gegebenenfalls auch den USA, wie zum Beispiel in den Auseinandersetzungen um Stuttgart und Clipperton. Das besiegte Deutschland soll vom Nationalsozialismus geheilt und nach demokratischem Modell wieder aufgebaut werden. In beiden Fällen sind die USA zu einer europäischen Großmacht geworden, wohlwissend, dass sich Europa, der alte Kontinent, im Niedergang befindet und nie wieder die gleiche Stellung wie vor 1939 einnehmen wird.

  • von Armin Heinen

    Wenige Themen US-amerikanischer Kultur wecken in Europa so viele Emotionen wie die Todesstrafe. Wollten die USA dem Europarat beitreten, so würde ihr Gesuch abgelehnt, und selbst der Beobachterstatus wäre umstritten. Der Beitrag untersucht die Geschichte der Todesstrafe als gemeinsame Geschichte einer US-amerikanisch-europäischen, westlichen Zivilisation, zeigt, dass selbst innerhalb der USA ganz unterschiedliche Traditionslinien zu beobachten sind, und entwickelt die These einer „Neuerfindung“ der USA und Europas seit dem Ende der 1960er bzw. 1980er Jahre. In beiden Fällen geht es um die „Erfindung von Tradition“, aber während die USA an das Referenzmodell der „Siedlergemeinschaft“ anknüpft, ist die Erfahrung totalitärer Staatsmacht für Europa maßgebend geworden. So stehen sich heute das „alte Amerika“ und das „neue Europa“ in der Frage der Todesstrafe „verständnislos“ gegenüber.

  • von Christophe Charle

    Lors de l’Exposition universelle de Londres en 1862, le gouvernement de Napoléon III avait envoyé une délégation de travailleurs français pour se rendre compte des transformations de la vie économique et sociale dans la première puissance industrielle du temps.

  • von Heinz-Elmar Tenorth

    Im Sommer 1762 erschien kurz vor dem „Contrat Social“ Rousseaus „Emile oder über die Erziehung“. Der Roman löste einen europaweiten Skandal aus. In Paris wurde der Emile sogleich verboten und selbst in Genf wurde das Werk kurz danach, am 19. Juni 1762, auf den Index gesetzt und öffentlich verbrannt. Sein Autor, der sich auf dem Titelblatt stolz als „citoyen de Genève“ bezeichnet hatte, war hier wie in Frankreich mit Verhaftung bedroht, der er nur durch rasche Flucht in die Schweiz entgehen konnte.[...]

  • von Maria Malatesta

    Der Prozess der Nationsbildung war in Europa und in den Vereinigten Staaten vom Aufkommen von Vorstellungen begleitet, durch die sowohl die Unterschiede als auch die möglichen Gemeinsamkeiten der beiden Kontinente betont wurden. Das von Literaten, Journalisten, Reisenden und Dilettanten entwickelte Verfahren der „gekreuzten Sichtweisen“, trug wesentlich zur Herausbildung eines nationalen Bewusstseins und zum Bewusstsein des Eigenen und des Anderen in der Alten und der Neuen Welt bei.[...]

  • von Thomas Mergel

    Der katholische Geistliche Heinrich Hansjakob, Pfarrer in Hagnau am Bodensee, Abgeordneter der Katholischen Volkspartei im Badischen Landtag und ein bekannter Volkserzähler und Publizist, reiste im Jahre 1874 für mehrere Wochen nach Frankreich. Selbstverständlich führte ihn sein Weg nach Paris und zu anderen touristischen Sehenswürdigkeiten, doch da er sich die Reise von seinem Bischof als Wallfahrt hatte genehmigen lassen, standen im Mittelpunkt die berühmten Anbetungsstätten in Lourdes, wo seit 1858 Marienerscheinungen zu einer der größten Wallfahrten Europas geführt hatten, und in Paray, dem Mittelpunkt der Herz-Jesu-Frömmigkeit, die im 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung als international verbreiteter und organisierter Kern ultramontaner Religiosität erlebte.[...]

  • von Christophe Charle

    Im Jahre 1862 schickte die Regierung Napoleons III. eine Delegation französischer Arbeiter zur Londoner Weltausstellung. Die Arbeiter sollten neue Erkenntnisse gewinnen, wie sich das wirtschaftliche und soziale Leben in England, der führenden Industriemacht der Zeit, in den letzten Jahren verändert habe.[...]

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