Das Bemühen des US-amerikanischen Historikerverbandes um ein nationales Schulcurriculum in Geschichte nach deutschem Vorbild[1]
Von Katja Naumann
Im Winter des Jahres 1896 setzte der Historikerverband in den USA, die American Historical Association (AHA), eine Kommission ein, in der sechs ihrer führenden Köpfe und ein Lehrer die Lage des Faches an den Schulen sowie den Übergang an die Universität bewerteten und Empfehlungen formulierten, wofür sich die Berufsvereinigung in diesem Bereich einsetzen sollte.Ihr Bericht mit dem Titel The Study of History in Schools (1898)[2] zirkulierte innerhalb des Verbandes, wurde aber vor allem an Schulleiter und Geschichtslehrer im ganzen Land versandt. Er enthielt den Vorschlag eines vierjährigen Lehrplanes für das Fach Geschichte, der zunächst die Alte Geschichte bis zum Jahr 800 behandeln würde, danach das Mittelalter und das Moderne Europa, gefolgt von einem Jahr Unterweisung zur Englischen Geschichte und der abschließenden Erörterung der US-Geschichte. Gedacht war er als Voraussetzung für die Zulassung an das College. Dieses Curriculum sollte den weit verbreiteten einjährigen Kurs general history ersetzen und damit Geschichte breiter sowie zugleich differenzierter vermitteln.
Mit dem Vorstoß in Richtung eines einheitlichen Schulunterrichts hatte sich die AHA als nationaler Akteur in der historischen Bildung etabliert. Immerhin steckte sie mit dem Curriculum die Eckpunkte eines historischen Grundlagenwissens ab, das an allen der höchst verschiedenen Schulen unterrichtet werden sollte, sodass an den Universitäten mit einem tatsächlich akademischen Studium der Geschichte begonnen werden könnte.
Schon in dem Bericht klingen Zweifel durch, ob die Empfehlung aufgegriffen würde, denn er bot zugleich zwei Minimallösung an, entweder eine knappere Fassung über zwei Schuljahre im Fach mit fünf Stunden pro Woche oder aber fachliche Zulassungsprüfungen an den Colleges. In einem Bildungssystem, das, dem Leitstern institutioneller wie inhaltlicher Originalität folgend, dezentral organisiert war – „it’s our rule here for every tub to stand on its own bottom“[3] – und folglich weder überregional geltende Lehrpläne und vergleichbare Prüfungen noch curriculare Ecksteine für einen Schulabschluss kannte, der die Hochschulreife anzeigen würde, konnte die AHA nur auf Selbstverpflichtung setzen. Obwohl der Verband intensiv für sein Modell eines landesweit standardisierten Geschichtsunterrichts warb, fand er nur begrenzt Gehör. Auch die beiden Neufassungen aus den Jahren 1911 und 1915 stiften nicht den angestrebten Konsens und noch Mitte der 1990er-Jahre rang man in den USA um landesweite school standards für Geschichte.
Wenngleich das ursprüngliche Vorhaben nicht gelang, reflektiert es drei Entwicklungen, die langfristig folgenreich waren: Erstens dokumentiert der Bericht einen kulturellen Transfer von Deutschland in die USA, der sich um 1900 auf viele Bereiche erstreckte, angefangen von der Professionalisierung der medizinischen Ausbildung (Flexner Report[4]), über das Entstehen eines Universitätssystems bis hin zur schulischen Bildung. In Bezug auf letztere wurde die Idee einer standardisierten historischen Allgemeinbildung aufgegriffen und auf spezifische Weise angeeignet. Zweitens spiegelt sich im Bericht der einschneidende Wandel, den die US-amerikanische Gesellschaft seit der Mitte des 19. Jahrhundert durchlief, in dem Geschichte überhaupt erst zu einer gesellschaftlichen Ressource wurde und zu einem Thema für das expandierende Bildungssystem. Drittens markiert er einen entscheidenden Schritt in der Formierung einer Geschichtswissenschaft und der Konsolidierung eines Berufsbildes für Historiker.
Zum kulturellen Transfer: Um ihren Empfehlungen Überzeugungskraft zu verleihen bzw. sie auf eine solide Grundlage zu stellen, erörterte die Kommission nicht nur die Lage im eigenen Land, sondern betrachtete auch den Geschichtsunterricht in Deutschland, Frankreich und auf den Britischen Inseln; am Rande wurde auch Kanada behandelt. Lucy M. Salmon, Direktorin des Historischen Instituts am Vassar College und später die erste Frau in der Geschäftsführung der AHA, bereiste für ihre Analyse drei Monate lang 32 deutsche und schweizerische Gymnasien und hospitierte in 70 Unterrichtsstunden. Charles H. Haskins, ein Mittelalter-Historiker an der Harvard University, schrieb auf der Grundlage seiner Forschungen über das Schulsystem in Frankreich, während sich George L. Fox, Leiter der Hopkins Grammar School in New Haven, für die Kommission über Großbritannien belesen hatte.[5] Ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen finden sich am Anfang des Berichts sowie in seinem Anhang, aus beiden sind die diesem Essay beigefügten Quellenausschnitte entnommen.
An dem deutschen Schulsystem faszinierten die gut ausgebildeten Lehrer und der mehrjährige Lehrplan, der die Vergangenheit in ganzer Gestalt behandelte und Geschichte nicht nur als Hilfswissenschaft für den Unterricht der Alten Sprachen begriff oder auf den Verlauf im eigenen Land reduzierte. Vor allem aber begeisterte die Einheitlichkeit, dass an jeder Schule der gleiche Wissenskorpus unterrichtet wurde und das Schulzeugnis ein historisches Allgemeinwissen kodifizierte. Anstatt des gewohnten laissez-faire, das partikularen Interessen Raum gab, wollte die AHA den Geschichtsunterricht standardisieren. Aus der Vermittlung eines breiten, systematischen Wissens über das Vergangene, das überregional anerkannt wäre, würde sich so etwas wie eine Hochschulreife ergeben, die Colleges sowie Universitäten davon befreite, zunächst einmal historische Eckdaten beibringen zu müssen.
Während sich für die Lehrerausbildung lange Zeit keine überzeugende Lösung fand[6], entstanden bereits zu der Zeit, als die AHA über ein Geschichtsabitur nach deutschem Vorbild nachdachte, zwei institutionelle Formate, die die gleiche Funktion erfüllten, aber den Vorzug hatten, dass sie nicht auf Kooperation mit den Schulen angewiesen waren, sondern auf das Eigeninteresse der Historiker an den Universitäten setzten und daher durchsetzbar waren: Zulassungsprüfungen zum College und verpflichtende general education-Programme innerhalb des Bachelorstudiums. Propagiert worden war der erste Mechanismus durch die National Education Association (NEA), einer der zentralen Fürsprecher der Schaffung eines öffentlichen Schulwesens um 1900, der sich über einen geregelten Hochschulzugang eine Standardisierung des schulischen Wissens erhoffte. Bereits 1895 schuf die NEA dazu ein Committee on College Entrance Requirements, dessen Überlegungen so überzeugten, dass fünf Jahre später Vertreter von 15 Colleges und Universitäten das College Entrance Examination Board (CEEB) schufen, welches umgehend für neun Fächer, einschließlich der Geschichte, Aufnahmeprüfungen entwarf und für die Bewerber an den beteiligenden Colleges abzuhalten begann. Zwar wurde das CEEB weder zu der nationalen Zulassungsinstanz, die ihre Gründer anvisiert hatten, sondern ein Vorläufer des auch heute noch existierenden Graduate Record Examination Board, noch erfüllten seine Prüfungen, allen voran die in Geschichte, die Erwartungen. Doch die Idee einer fachlichen entrance examination war konsensfähig. Mit ihr institutionalisierte sich die Notwendigkeit, einigermaßen klar die Grundinhalte der Studiengänge zu definieren und damit auch ein historisch-akademisches Allgemeinwissen abzustecken.
Dies geschah in der Zwischenkriegszeit vor allem im Rahmen von general education-Programmen. Zwei Kerngedanken lagen diesem curricularen Modell zu Grunde: erstens die ausdifferenzierten Wissenschaftsdisziplinen auf ihren gemeinsamen Nenner zu bringen und zweitens den Erwerb von Wissen mit einer Moralerziehung, Charakterbildung und der Vermittlung eines Weltbildes zu flankieren. Organisatorisch übersetzte sich das in fest vorgeschriebene Kurse innerhalb des Bachelorstudiums, die, ähnlich wie an der Schule, Grundlagen aus allen Fachbereichen vermittelten, der Leitmaxime folgend, die College-Ausbildung nicht auf die Vorbereitung eines akademischen Studiums zu reduzieren, vielmehr ein Studium generale, sprich eine akademisch inspirierte Allgemeinbildung zu offerieren.
Dass auch diese curriculare Neuerung – wiewohl eine spezifisch US-amerikanische[7] – wie das schulische Curriculum der AHA aus dem Jahr 1898 in Referenz auf das deutsche System erdacht wurde, belegt der radikalste Fürsprecher der general education, Robert M. Hutchins, Präsident der University of Chicago. Am College seiner Universität hatte er zum Jahr 1931 verpflichtend interdisziplinäre Kurse in den Natur-, Lebens-, Sozial- und Geisteswissenschaften eingeführt und deren Anteil am Studienprogramm sukzessiv erhöht. Im Grunde jedoch lag ihm an einer noch radikaleren Reform. In der Regel immatrikulierten sich die Jugendlichen im Alter von 18 bis 21 Jahren, nachdem sie sechs Jahre Grundschule und acht Jahre High School absolviert hatten. Nach zwei Jahren general education am College begannen sie erst mit 22 oder 23 Jahren eine wissenschaftliche Ausbildung, während ihre Altersgenossen in Europa bereits den Magister abgeschlossen hatten. Damit entsprach der Bachelor-Abschluss kaum noch einem akademischen Grad. Dies vor Augen wollte Hutchins die ersten beiden Studienjahre mit den letzten beiden Schuljahren verbinden und für die Klassen 11–14 einen abgestimmten Lehrplan entwickeln, in explizitem Verweis auf das deutsche Abitur. Mit der Struktur sechs Jahre Grundschule, drei bis vier Jahre High School, gefolgt von drei bis vier Jahren College suchte er dem Bachelor-Abschluss die Bedeutung einer Hochschulreife zugeben. Letztlich konnte er sich damit nicht durchsetzen, aber der Vorstoß belegt, dass das deutsche (Geschichts-) Abitur auch in den 1940er-Jahren in der bildungs- und hochschulpolitischen Debatte der USA weiter präsent war.
An dem skizzierten deutsch-US-amerikanischen Kulturtransfer lassen sich mehrere Charakteristika kultureller Transfers verdeutlichen: Selten bedeutet der Blick über die Grenze, das Lernen vom Anderen, eine schlichte Übernahme, vielmehr schließt er ein genaues Abwägen ein, was im eigenen Kontext nützlich und machbar ist, und übersetzt sich in ein partielles Aufgreifen von Ideen und Mechanismen, die im Zuge der Implementierung eine Eigendynamik entwickeln und sich verändern. Das Argumentieren mit internationalen Entwicklungen, die die Konstruktion einer eigenen Rückständigkeit erlauben, wird zum Mittel für die Initiierung von Reformen. Der AHA lag in ihrem Bericht an einem nationalen Curriculum und der wiederholte Verweis, man wolle nicht, und es sei auch undenkbar, das im Ausland Vorgefundene importieren, signalisiert sowohl, dass man sich des Prestiges von Internationalisierung bedienen wollte, als auch die realistische Einschätzung, dass die Bewahrer des status quo ihre Interessen häufig mit dem Argument einer postulierten Singularität durchzusetzen versuchen. Und schließlich zeigt das Beispiel, dass Ideen in andere Kontexte in verwandelter Form zurückkommen können, denn ironischerweise wurde die Idee einer general education in jenem Moment, als sie in den USA ihre Attraktivität verlor, in der Bundesrepublik aufgegriffen.[8]
In ihrem Bericht reagierte die AHA auf eine schon länger währende Expansion des Bildungswesens. Allerorten wurden Schulen gegründet, nun auch public High Schools. Immer häufiger stand das Fach Geschichte auf dem Programm, wenngleich nicht im Sinne eines Pflichtfaches über mehrere Jahre, sondern in Form von immer populäreren Wahlkursen. Zu Beginn seiner Empfehlungen attestierte der Berufsverband, dass in den 1890er-Jahren die Zahl der Schüler, die in der einen oder anderen Form history wählten, um 115 Prozent gestiegen war. Einerseits hatte das zwar die erfreuliche Folge, dass immer mehr Schüler das Fach auch studieren wollten und sich an der wachsenden Zahl von Colleges dazu die Gelegenheit bot. Andererseits war man dort, wie an den entstehenden Universitäten, mit einem höchst unübersichtlichen Vorwissen konfrontiert; und das in jenem Moment, in dem der Verband und die Historikerschaft insgesamt das Studium als wissenschaftliche Ausbildung etablieren, sprich auf forschungsnahes und spezielles Wissen fokussieren wollten.
Das Vorhaben eines schulischen Geschichtsunterrichts zeigte, dass um 1900 in den USA ebenso wie anderswo die Vergangenheit zu einer gesellschaftlichen Größe wurde. Die gravierenden zeitgenössischen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umbrüche sowie die Wahrnehmung eines beschleunigten Wandels lenkten die Aufmerksamkeit auf den Faktor Zeit und sensibilisierten für Vergangenes. Landesweit entfaltete sich eine Bewegung zur Konservierung historischer Stätten, entstanden Vereine und Museen, die Traditionen, Symbole und Mythen schufen, parallel zu einer Kultur der Festumzüge, in denen Episoden aus der Geschichte der eigenen Gemeinde oder Stadt nachgestellt und inszeniert wurden. In diesen Aktivitäten formierten sich ein kollektives historisches Bewusstsein und ein kulturelles Erbe. Zugleich ergänzten geschichtliche Bezüge und Argumente das Repertoire der intellektuellen und politischen Reaktionen auf die erlebten Dynamiken sowie die geistige Krise des Gilded Age.[9] Je mehr Akteure, zumal mit höchst divergierenden Interessen, auf die Geschichte zurückgriffen, desto größer wurde der Bedarf nach Gewichtung und Prüfung der kursierenden Deutungen und Fragmente. Dazu fühlten sich Historiker an den Colleges und Universitäten berufen. Sie reklamierten ein professionelles historisches Rekonstruieren für sich, umgaben sich mit eigenen Organisationsformen und schufen damit eine Kluft zu den anderen, die bald als amateur historians firmierten, nicht zuletzt indem die akademischen Historiker die Deutungshoheit über den Schulunterricht in Geschichte reklamierten.[10]
Damit ist der dritte Prozess angesprochen, der in der Quelle reflektiert wird: die Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung und das Entstehen des Berufs des Historikers. Der Prozess der Professionalisierung beinhaltet, das hat Hannes Siegrist aus seinen Forschungen über Rechtsanwälte und andere Berufe abgeleitet, „die Systematisierung des Wissens und die Formalisierung von Ausbildung und Berechtigung, sowie die qualifikationsmäßige Homogenisierung der Berufsangehörigen“.[11] Für die Historiker hieß dies zu bestimmen, was Geschichte überhaupt ist, mit welchen Ausschnitten sie sich befassen wollen – die meisten votierten für die Nationalgeschichte in europäisch-westlicher Rahmung ohne zeitgeschichtliche Bezüge – und sich auf Methoden zu verständigen, mit denen allgemeingültige Erkenntnisse entstehen. Zugleich gaben sie dem Geschichtsstudium eine neue Gestalt und Bedeutung, denn die Curricula und Studienordnungen sorgten nun für die Aneignung eines fachlichen Kanons sowie der Spielregeln für die Produktion neuen Wissens. Und der Abschluss, der Magister, vor allem aber die Promotion, gewährt den Zutritt zur Profession; mit ihm deutet man historische Verläufe mit dem Ansehen von Professionalität. Diese Standardisierung der Ausbildung hatte jedoch eines zur Voraussetzung: die Vermittlung eines historischen Grundlagenwissens an der Schule. Gerade darauf zielte der Vorstoß der AHA von 1896 in Anlehnung an das deutsche Format mit der Idee eines mehrjährigen Curriculums.
[1] Essay zur Quelle: The Study of History in Schools: A Report to the American Historical Association by the Committee of Seven (1898). Die Druckversion des Essays findet sich in: Isabella Löhr, Matthias Middell, Hannes Siegrist (Hgg.): Kultur und Beruf in Europa, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012, S. 180–186, Band 2 der Schriftreihe Europäische Geschichte in Quellen und Essays.
[2] The Study of History in Schools: A Report to the American Historical Association by the Committee of Seven, Washington 1898. Neben diesen Passagen und der detaillierten Vorstellung des empfohlenen Curriculums enthält der Bericht Erörterungen zur Geschichtsdidaktik, zur Lehrerausbildung sowie zu Zulassungsprüfungen für das College.
[3] Hammer, Carl I., ‘Every Tub on its own Bottom’. Financing Higher Education in the United States, 1638–2000, in: Schwinger, Rainer Christoph (Hg.), Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart, Basel 2005, S. 271–293.
[4] Vgl. McClelland, Charles E., The German Model for American Medical Reform, in: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=597>.
[5] Bei den anderen Mitgliedern der Kommission handelte es sich um John Herbert B. Adam (John Hopkins University), einer der Gründungsväter der AHA. Wie er zählten auch seine Kollegen Andrew C. McLaughlin (University of Chicago) und Albert B. Hart (Harvard University) zu den Doyens der Geschichte der USA in dieser Zeit. Allesamt wurden sie später zu Präsidenten der AHA berufen. Hinzu kam H. Morse Stephens, der an der Cornell University und später in Berkeley arbeitete.
[6] Anders als in Deutschland ist in den USA weder der Grad eines Staatsexamens noch ein eigenständiges Lehramtsstudium entstanden, weshalb Lehrer an den regulären „Departments“ und im Rahmen des allgemeinen Geschichtsstudiums ausgebildet wurden. Selbst heute genügt häufig ein Bachelorabschluss, um sich bei den „State Boards of Education“ um eine „Teacher’s License“ zu bewerben, die einzig nennenswerten Zertifizierungsstellen für die Lehrbefähigung an öffentlichen Schulen. An den Colleges, besonders an den renommierten, erwartete man zwar ab 1900 mindestens einen Masterabschluss und dieser konnte bald auch an den entstehenden Instituten für Pädagogik bzw. den außeruniversitären Pädagogischen Hochschulen (Schools of Education) ablegt werden. Allerdings gelangten diese Institutionen zu keinem besonders guten Ruf und wurden an vielen Universitäten wieder geschlossen. Künftige Lehrer studierten daher häufig ein Fach und erwarben parallel dazu bzw. später pädagogische Kompetenzen, zumal sich spezielle Kurse zur Vorbereitung auf die Lehre an den Historischen Seminaren nicht durchsetzten bzw. randständig blieben.
[7] Die „general education“ ist zutreffend als ein Instrument der Nationalisierung in einer sich globalisierenden Gesellschaft und einer werdenden Weltmacht interpretiert worden. Vgl. Geyer, Michael, Multiculturalism and the Politics of General Education, in: Critical Inquiry 19 (1993), S. 499–533; ders., World History and General Education. How to Bring the World into the Classroom, in: Schissler, Hanna; Nuhoglu Soysal, Yasemin (Hgg.), The Nation, Europe, and the World. Textbooks and Curricula in Transition, New York 2005, S. 193–210.
[8] Im Oktober 1950 versammelten sich zahlreiche Universitätsdirektoren, Pädagogen und Studentensprecher in Tübingen zum „Kongress für studentische Gemeinschaftserziehung und Studium Generale“. Sie wollten die während des Krieges stagnierten Bemühungen in Richtung einer grundlegenden Universitätsreform aufgreifen. Aus den Diskussionen ging eine Denkschrift hervor, verfasst u.a. von Carl-Friedrich von Weizäcker, damals Mitglied des Hamburger Studienausschusses für Hochschulreform. Darin wurde gefordert, ein curriculares Gegengewicht zum deutschen Spezialistentum sowie unter den angehenden Akademikern ein Bewusstsein für allgemeingesellschaftliche Probleme zu schaffen – mit direktem Verweis auf die „general education“. Vgl. dazu: Paulus, Stefan, Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland 1945–1976, München 2010.
[9] Umso mehr, da eine nationale Identität nicht aus einer ethnischen, religiösen oder kulturellen Herkunft zu gewinnen war, sondern über eine gemeinsame „civic culture“ konstruiert wurde, die wesentlich auf ein geteiltes Geschichtsbild gründete. Vgl. dazu: Kammen, Michael, Mystic Chords of Memory. The Transformation of Tradition in American Culture, New York 1991; Glassberg, David, American Historical Pageantry. The Uses of Tradition in Early Twentieth Century, Chapel Hill 1990.
[10] Tyrrell, Ian, Historians in Public. The Practice of American History, 1890–1970, Chicago 2005; Waechter, Mathias, Die ‚Progressive Historians‘ und die Modernisierung der amerikanischen Geschichtswissenschaft, in: Küttler, Wolfgang; Rüsen, Jörn; Schulin, Ernst (Hgg.), Geschichtsdiskurs, Bd. 1, Frankfurt am Main 1993, S. 124–135; Jaeger, Friedrich, New History. Historismuskritik und Sozialgeschichte in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Oexle, Otto Gerhard (Hg.), Historismus in den Kulturwissenschaften. Geschichtskonzepte, historische Einschätzungen und Grundlagenprobleme, Köln 1996, S. 341–367.
[11] Zudem eine Loslösung des Experten von dem Laien und das Herstellen einer kollektiven Autonomie sowohl in der Regelung der Beziehungen innerhalb der Berufsgruppe als auch des Verhältnisses gegenüber der Außenwelt: Siegrist, Hannes, Bürgerliche Berufe. Die Professionen und das Bürgertum, in: ders. (Hg.), Bürgerliche Berufe. Zur Sozialgeschichte der freien und akademischen Berufe im internationalen Vergleich, Göttingen 1988, S. 11–48, hier S. 15.
Literaturhinweise
Geyer, Michael, World History and General Education. How to Bring the World into the Classroom, in: Schissler, Hanna; Nuhoglu Soysal, Yasemin (Hgg.), The Nation, Europe, and the World. Textbooks and Curricula in Transition, New York 2005, S. 193–210.
Laugesen, Amanda, The Making of Public Historical Culture in the American West, 1880–1910: The Role of Historical Societies, Lewiston, NY 2006.
Lingelbach, Gabriele, Klio macht Karriere. Die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft in Frankreich und den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2003.
Tyrrell, Ian, Historians in Public. The Practice of American History, 1890–1970, Chicago 2005.