Militärische Feindbilder im Kalten Krieg – Die Publikation Psychologie als Waffe des Bundesministeriums für Verteidigung (1961)[1]
Von Nikolas Dörr
Antikommunistische Feindbilder im Militär waren während des Kalten Krieges, insbesondere in seiner Frühphase, der Normalfall in Westeuropa. Die Bundesrepublik Deutschland stellte jedoch einen Sonderfall dar, der auf zwei Faktoren beruhte. Zum einen gab es im Rahmen der NATO keine weitere Armee, die sich zum Großteil aus Soldaten zusammensetzte, die während des Nationalsozialismus politisch sozialisiert worden waren und dadurch bereits das Feindbild „Kommunismus“ verinnerlicht hatten. Zum anderen führte die Teilung Deutschlands zu einer besonders ausgeprägten ideologischen Auseinandersetzung zwischen West- und Ostdeutschland.
Die Debatte über die vermeintliche Gefahr kommunistischer Unterwanderung und Beeinflussung erlebte nach dem Ausbleiben eines direkten militärischen Konflikts zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt einen massiven Aufschwung. In den demokratisch verfassten westeuropäischen Gesellschaften, so auch in Westdeutschland, erreichte die Angst vor dem Kommunismus zwar nicht das Ausmaß der McCarthy-Ära in den Vereinigten Staaten von Amerika.[2] Eine deutliche Freund-Feind-Logik im Sinne des Antikommunismus setzte sich jedoch auch mehrheitlich in Westeuropa durch.[3] Die Bundesrepublik zeichnete sich vor allem in der Regierungszeit von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1949–1963) durch eine prononciert antikommunistische Ausrichtung in Politik und Gesellschaft sowie im besonderen Maße im militärischen Bereich aus.[4] Der Antikommunismus hatte als Leitlinie politisch, gesellschaftlich und militärisch eine identitätsstiftende Funktion für die junge Bundesrepublik.[5] Für die im Nationalsozialismus sozialisierte Generation wirkte er innenpolitisch integrativ und außenpolitisch stellte er durch das Feindbild „Kommunismus“ im Hinblick auf die neuen internationalen Partner eine Gemeinsamkeit her, welche die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den ehemaligen Gegnern nach dem Zweiten Weltkrieg erleichterte.
Mit der Gründung der Bundeswehr und dem Beitritt zur NATO reagierte die Bundesrepublik 1955 auf die militärische Bedrohung durch die sozialistischen Staaten Osteuropas.[6] Bereits in der Gründungsphase wurde jedoch deutlich, dass sich die Bedrohung aus dem Osten nicht nur auf Soldaten und Waffen erstreckte, sondern darüber hinaus auch eine psychologische Komponente beinhaltete. Im Innern war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zwar durch das Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 verboten worden. Die Angst vor dem Kommunismus wurde dadurch jedoch kaum minimiert, da vermutet wurde, dass die Anhänger der KPD nun klandestin im Untergrund tätig sein würden. Insbesondere in der Frühphase des Kalten Krieges schien dieser psychologische Krieg für die Mitgliedstaaten der NATO noch gefährlicher als eine offene militärische Auseinandersetzung, wobei vor allem Westdeutschland als zentrales Ziel entsprechender Maßnahmen galt.[7] Im Gegensatz zu einem offen geführten Krieg waren psychologische Angriffe diffus und möglicherweise gar nicht als solche zu erkennen. Freund und Feind wären nicht mehr unterscheidbar gewesen. Auf diese Weise hätte der Gegner unbemerkt die eigene Gesellschaft, die politischen Institutionen und das Militär unterwandern und durch geschickte Manipulation eine Hinwendung zum Kommunismus erreichen können.
Als besondere Gefahr unter den Psychotechniken galt in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren die Gehirnwäsche.[8] Auf diese Weise würde die kommunistische Unterwanderung noch schwerer zu erkennen sein, da bislang unbescholtene Bürger infolge einer psychischen Manipulation durch kommunistische Experten in deren Sinne tätig werden würden. Diese Angst wurde in Westeuropa auch durch populärkulturelle Transfers verstärkt.[9] Die Aufdeckung kommunistischer Spionagetätigkeit in westlichen Staaten, insbesondere in sicherheitsrelevanten Institutionen wie dem Militär und den Nachrichtendiensten, schienen diese Ängste zu bestätigen.[10] Dass es sich dabei weitestgehend um Einzelfälle handelte und die Personen größtenteils nur an weniger wichtige Informationen gelangt waren, wurde zeitgenössisch kaum thematisiert. Die Bedrohung lag primär darin, dass kommunistische Spione überhaupt in sicherheitsrelevante Bereiche hatten vordringen können.
Für die Aufklärung über die Methoden der Psychologischen Kriegsführung sozialistischer Staaten erarbeitete das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) eine Broschüre, die unter dem Titel Psychologie als Waffe – Einführung in Wesen und Formen des psychologischen Kampfes 1961 veröffentlicht wurde. Das vor allem an Soldaten sowie an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der politischen Bildung adressierte Heft beinhaltet elf Kapitel auf 80 Seiten.
Psychologie als Waffe gibt in erster Linie Auskunft über die Frühphase des Kalten Krieges und die damit einhergehenden Vorstellungen von einem einheitlich auftretenden kommunistischen Gegner, der auf allen Feldern agiert und die Weltherrschaft anstrebt: „Mit den Möglichkeiten moderner Psychologie soll die Verteidigungsbereitschaft des Westens aufgeweicht werden, damit der Waffengang für die Machtübernahme risikolos gemacht oder gar völlig vermieden werden kann. Jede erfolgreiche psychologische Aktion der Kommunisten ist ein Schritt weiter auf dem Weg zum Ziel: zum totalitären Weltstaat unter kommunistischer Führung.“[11] Im Mittelpunkt der Analyse stehen daher die Persistenz von antikommunistischen Feindbildern im Militär und die Wahrnehmung Osteuropas als kommunistischer Machtblock im Westen. Gleichzeitig offenbart die im Jahr des Mauerbaus erschienene Publikation die spezielle Situation eines geteilten Deutschlands zwischen West- und Osteuropa. Darüber hinaus hat sie einen Quellenwert im Hinblick auf den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Allgemeinen und der Wehrmacht im Speziellen im Jahr 1961 von Seiten des Bundesministeriums der Verteidigung.
Der Publikation Psychologie als Waffe liegt die bereits dargestellte Angst vor einem schwer zu erkennenden, unterbewusst wirkenden psychologischen Angriff zugrunde. Sie muss daher vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Angst vor kommunistischer Subversion und Manipulation analysiert werden. Schon auf den ersten Seiten verstärkt sie beim Leser das Gefühl der Bedrohung vor einem Gegner, den man möglicherweise nicht einmal als solchen erkennt, und mahnt auch im Alltag zur immerwährenden Vorsicht, da „nahezu jede Form des zwischenmenschlichen Verkehrs mit einer geplanten Nebenwirkung auch im psychologischen Gefecht eingesetzt werden kann […]. Die geistige Auseinandersetzung zwischen Ost und West, in der wir gegenwärtig stehen, erstreckt sich auf alle Lebensbereiche.“[12] Der Kommunismus wird als Gegner beschrieben, der überall anzutreffen ist: im Äußeren in Form sozialistischer Staaten und ihrer Armeen, im Innern in Form von kommunistischen Parteien und Gruppierungen, und im Geheimen durch Spionage- und Sabotagetätigkeit.[13]
Die ideologisch aufgeladene Auseinandersetzung zeigt sich schon in der häufig martialischen Wortwahl: „Die kommunistische Glaubenslehre ist zum totalen Angriff angetreten“[14], die öffentliche Meinung werde durch kommunistische Propaganda „verseucht“[15], eine entsprechende Karikatur könne „zur ätzenden Säure“[16] werden usw. Weitere Publikationen der Schriftenreihe „Innere Führung“ zeichnen sich in ihrer Wortwahl sogar durch einen offenen Rassismus aus, der sich an der nationalsozialistischen Kombination von Antikommunismus und antislawischem Rassismus orientiert, allerdings ohne die antisemitischen Stereotype („jüdischer Bolschewismus“) zu wiederholen. So wird Lenin in der Broschüre Krieg und Revolution beispielsweise als „halbasiatischer Intellektueller“[17] charakterisiert.
Psychologie als Waffe fügt sich in eine Reihe zeitgenössischer Publikationen ein, die sich dem Thema Psychologische Kriegsführung widmeten. In der angespannten Situation im Kalten Krieg der 1950er- und frühen 1960er-Jahre erfuhr es eine hohe Aufmerksamkeit. Innerhalb von wenigen Jahren erschienen in Westeuropa und den USA zahlreiche Monografien zur Thematik.[18] In der Bundesrepublik Deutschland waren es in den ersten zwei Nachkriegsjahrzehnten vor allem Angehörige der Bundeswehr und der Nachrichtendienste, die mit Publikationen zur Psychologischen Kriegsführung eine hohe Wachsamkeit gegen die kommunistischen Versuche zur Beeinflussung fördern wollten.[19]
Das Militär war als sicherheitsrelevanter Bereich im besonderen Maße von der Furcht vor dem Kommunismus betroffen. Zum einen war die Bundeswehr tatsächlich ein wichtiges Zielobjekt kommunistischer Propaganda und Spionage. Zum anderen galt die kommunistische Unterwanderung der Sicherheitsbehörden als besonders gefährlich. Die eigenen Soldaten sollten aus diesen Gründen frühzeitig und umfassend über kommunistische Täuschungsversuche aufgeklärt werden. Psychologische Kriegsführung wurde daher zeitgenössisch als notwendiges Äquivalent zur klassischen Militärausbildung angesehen. Der zum Zeitpunkt der Publikation der Quelle als Referent für Erziehung und Bildung im Bundesverteidigungsministerium auch für Bildungsmaterialien zuständige ehemalige Wehrmachtsoffizier Eberhard Wagemann drückte dies in martialischer Sprache aus: „Wie im Gefecht die Zahl der Kampfarten begrenzt ist und deshalb typische Gefechtsaufgaben vorgeübt werden können, so ist es Aufgabe der geistigen Rüstung, den Soldaten an das Feindfeuer der Propaganda zu gewöhnen.“[20]
Eine Professionalisierung der Psychologischen Kriegsführung war die Folge. Diese verfolgte drei zentrale Ziele: die eigenen Soldaten insbesondere durch Aufklärung vor Beeinflussungen des Gegners zu schützen, darüber hinaus die eigene Zivilgesellschaft vor psychologischen Angriffen zu schützen und schließlich selbst aktiv auf den Gegner einzuwirken. Diese Ziele wurden in den westlichen Armeen unterschiedlich gewichtet. Die auch nach 1945 kriegführenden Staaten Westeuropas legten den Schwerpunkt auf die aktive Beeinflussung der Armeen und Gesellschaften des Gegners. Beispiele hierfür sind die intensiven Maßnahmen Psychologischer Kriegsführung der britischen Armee in Malaysia, der französischen Armee im Indochinakrieg sowie insbesondere in Algerien oder der portugiesischen Armee im afrikanischen Kolonialkrieg.[21] Für die Bundeswehr spielte die aktive Beeinflussung im Kampfgeschehen in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens hingegen nur eine theoretische und damit untergeordnete Rolle. Zentral war vielmehr die Aufklärung der eigenen Soldaten und darüber hinaus auch der westdeutschen Zivilgesellschaft über die Gefahren psychologischer Maßnahmen von Seiten der sozialistischen Staaten Osteuropas, vor allem der DDR und der Sowjetunion.
Die Institutionalisierung der Psychologischen Kriegsführung in der Bundeswehr ist eng mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß verknüpft. Strauß hatte in der Wehrmacht selbst als Offizier für wehrgeistige Führung bzw. ab 1944 als Nationalsozialistischer Führungsoffizier (NSFO) Erfahrung mit der Thematik gesammelt und setzte das Thema national und auch international im Rahmen der NATO auf die sicherheitspolitische Agenda.[22] Für ihn ergab sich die Notwendigkeit einer Professionalisierung der Psychologischen Kriegsführung aus zwei Faktoren. Zum einen perzipierte er den innenpolitischen Protest gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr („Kampf dem Atomtod“) als von Kommunisten infiltriert und gesteuert. Zum anderen nahm er die zunehmenden Propagandatätigkeiten der DDR und weiterer sozialistischer Staaten gegen Angehörige der Bundeswehr als Gefahr wahr.[23] Soldaten und insbesondere junge Menschen sollten daher gegen die kommunistischen Beeinflussungen „immunisiert“ und von den eigenen Werten überzeugt werden.[24]
Zu diesem Zweck wurden 1958 im Bundesverteidigungsministerium zwei Referate zur „Psychologischen Kampfführung“ eingerichtet.[25] Strauß griff dabei auch auf in hohem Maße NS-belastete Berater für Psychologische Kriegsführung wie Eberhard Taubert[26] zurück, was wiederum von der DDR propagandistisch aufgegriffen und verbreitet wurde.[27] Die Referate im Verteidigungsministerium sollten im Innern Überzeugungsarbeit für die Bundeswehr und Aufklärung über die psychologischen Methoden des Kommunismus leisten. Im Äußeren sollte der Propaganda Ost-Berlins aktiv entgegengetreten werden. Eine zentrale Rolle spielte dabei die 1961 innerhalb der Schriftenreihe „Innere Führung“ aufgelegte Reihe „Psychologische Waffen“, deren erste Ausgabe die hier besprochene Publikation darstellt. Die Schriftenreihe enthielt sowohl Hefte, die sich explizit an Soldaten wandten[28], als auch Ausgaben, die darüber hinaus gesellschaftspolitisch wirken sollten. Psychologie als Waffe gehört zur letzteren Kategorie.
Die Publikation behandelt zwei zentrale Bedrohungsszenarien. Zum einen wird vor kommunistischer Beeinflussung im Innern gewarnt, die, mit verdeckter Unterstützung der sozialistischen Staaten, die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik und der westlichen Staaten insgesamt unterminiere. Als zentrales Beispiel werden wiederkehrend die Proteste gegen die Wiederbewaffnung und die Atombewaffnung der Bundeswehr angeführt. Zum anderen werden der Psychologischen Kriegsführung zugerechnete Maßnahmen aus dem sozialistischen Ausland analysiert, so zum Beispiel fingierte Publikationen im westlichen Stil, gefälschte Statistiken, Rufmordkampagnen bis hin zu von Agentinnen und Agenten angebahnte Freundschaften und Liebesbeziehungen mit Bürgerinnen und Bürgern westlicher Staaten.[29] Die Herkunft und Zielsetzung solcher psychologischer Maßnahmen seien für den Laien auf den ersten Blick häufig nicht zu erkennen. Der Rezipient könne daher unbewusst im Sinne des Kommunismus beeinflusst werden. Daraus wird der Schluss und die Aufforderung an den Leser gezogen: „Das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes sind auch durch psychologische Waffen bedroht. Es gilt, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes auch geistig tapfer zu verteidigen.“[30]
Bereits vor der eigentlichen Lektüre wird das Thema grafisch aufgegriffen. Der Einband der Schriftenreihe zeigt auf der Vorder- und Rückseite einen stilisierten Soldaten, der den „Staatsbürger in Uniform“ repräsentieren soll.[31] Auf der Rückseite wird er von zahlreichen Keilen bedroht. Der Soldat steht links, während die Pfeile von rechts kommen. Symbolisch werden dadurch die psychologischen Angriffe auf den im Westen stehenden Soldaten aus dem kommunistischen Osten verdeutlicht.
Das erste Drittel der Publikation widmet sich der Begriffsklärung und historischen Beispielen bis zur Französischen Revolution. Umfangreich ist insbesondere der Teil „Aus Sage und Geschichte“, der die Entwicklung der Psychologischen Kriegsführung verdeutlichen soll und Abschnitte unter anderem über Homer, David und Goliath, Dschingis-Khan, das Trojanische Pferd und das Hildebrandslied enthält. Die Beispiele haben über die Darstellung antiker psychologischer Methoden hinaus die Aufgabe, eine Parallelität zur Gegenwart herzustellen. Sie wecken in ihrer Darstellung die Assoziation eines Abwehrkampfes der westlich orientierten Staaten gegen die Angriffe aus dem Osten (wie im Falle Dschinghis-Khans), der trotz ständiger Täuschungen (Trojanisches Pferd) und Drohgebärden eines starken Gegners erfolgreich sein wird (David und Goliath). Grafisch wird diese Symbolik durch die ganzseitige Zeichnung eines Ritters, der einen Drachen tötet, untermauert, wodurch eine Verbindung zur Figur Siegfrieds im Nibelungenlied und damit zu einem germanischen Urmythos hergestellt wird.[32] Mit modernen, professionalisierten Methoden der Propaganda beschäftigt sich die Publikation erst anschließend.
Neben Abschnitten über den Nutzen der Psychologie als Wissenschaft in der Psychotherapie, Medizin, Publizistik, Politik und Pädagogik wird auch die Psychologie im Rahmen des Marketings („Industriewerbung“) kurz dargestellt.[33] Werbung wird kritisch als „bis an den Abgrund der Menschenverführung“ heranreichend beschrieben. Die Vielzahl der Anbieter führe jedoch zu einem weitgehend freien Wettbewerb. Der Konsument könne daher, trotz psychologischer Beeinflussung, das passende Angebot auswählen.[34] Die Freiheit der Wahl nicht nur zwischen verschiedenen Produkten, sondern auch zwischen unterschiedlichen Informationen, wird als wiederkehrendes Argument gegen die Psychologische Kriegsführung der sozialistischen Staaten angeführt. Diese verbreite gezielt Fehlinformationen mit dem Ziel der kommunistischen Weltherrschaft.
Der zweite Abschnitt der Broschüre behandelt größtenteils die Phase des Kalten Krieges und damit die Ziele, Mittel und Aktionen Psychologischer Kriegsführung sozialistischer Staaten. Die letzten zehn Seiten wenden sich mit praktischen Hinweisen direkt an die Soldaten der Bundeswehr, die sich den psychologischen Attacken des kommunistischen Gegners in „mühevoller Kleinarbeit“[35] im täglichen Dienst widmen sollen.
Auffällig ist die mangelnde Differenzierung, die nicht dem damaligen Stand der Politik- und Sozialwissenschaften entspricht. Von einer einheitlichen kommunistischen Weltbewegung, die das zentrale Feindbild der Broschüre darstellt, konnte zur Zeit ihrer Publikation 1961 keine Rede mehr sein. Allen voran das sino-sowjetische Schisma ab 1958/59, das einen Krieg der beiden kommunistischen Großmächte möglich erschienen ließ, spielt in der Darstellung keine Rolle. Abbildungen chinesischer und sowjetischer Soldaten und Parteiführer werden hingegen geradezu synonym als kommunistische Bedrohung präsentiert. Bezogen auf Europa werden die massiven Differenzen zwischen dem titoistischen Jugoslawien und der Sowjetunion genauso wenig erwähnt wie der Bruch Albaniens mit der KPdSU. Seinerzeit wissenschaftlich, politisch und medial diskutierte reformkommunistische Ansätze in Westeuropa wie die Polyzentrismustheorie des Generalsekretärs der italienischen KP Palmiro Togliatti oder die Spaltungen der Kommunistischen Parteien in Dänemark und Island infolge des Protests zahlreicher Mitglieder gegen die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn 1956 spielen ebenso keine Rolle. Nicht zuletzt finden auch Dissidenten und Oppositionelle in den sozialistischen Staaten keine Berücksichtigung. Auf diese Weise wird der falsche Eindruck eines einheitlich auftretenden Weltkommunismus vermittelt, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung weder der globalen noch der europäischen Realität entsprach. Osteuropa wird als ein monolithischer kommunistischer Machtblock präsentiert. Im Gegensatz zu den im Zuge der Entspannungspolitik differenzierter gehaltenen Bildungsmaterialien der Bundeswehr der 1970er-Jahre liegt Psychologie als Waffe noch eine Logik zugrunde, die jedwedes Verständnis für den Kontrahenten mit einer Schwächung der eigenen Position gleichsetzt.
In der Publikation wird der Beginn einer systematischen Psychologischen Kriegsführung nicht auf den Ersten Weltkrieg datiert, obwohl konzediert wird, dass es dort bereits entsprechende Versuche gab. Eine geplante und langfristig in die militärische und politische Strategie eingebettete Nutzung der Psychologie habe es erst mit dem Sieg der Bolschewiki in der Oktoberrevolution gegeben. In diesem Zusammenhang fallen zwei Punkte auf. Zum einen wird neben Lenin auch Karl Marx als Begründer des systematischen psychologischen Kampfes genannt. Zum anderen wird eine problematische Verbindung zwischen den beiden kommunistischen Urvätern und Adolf Hitler gezogen, der als „gelehriger Schüler“[36] von diesen gelernt habe, wie man psychologische Kampftechniken anwende. Ein totalitarismustheoretischer Ansatz scheint auch in den folgenden Passagen durch, wenn zwischen der Sowjetunion und dem nationalsozialistischen Deutschland zahlreiche Ähnlich- und Gemeinsamkeiten hergestellt werden.
Äußerst problematisch ist das Beispiel des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, der in der Broschüre verharmlosend als „Russlandfeldzug“ betitelt ist.[37] Dort werden die deutschen Soldaten als Opfer sowjetischer Propaganda präsentiert. Durch den Einsatz von sowjetischen Lautsprecherkompanien sollten die Wehrmachtssoldaten getäuscht und zum Überlaufen animiert werden: „Mitunter waren es Mädchenstimmen, die – zum Beispiel am Heiligen Abend – Überläufern alles versprachen, was einem in Eis und Kälte kämpfenden Soldaten begehrenswert erscheinen mochte.“[38] In ähnlicher Weise wird der gezielte Einsatz von Musik zur emotionalen Beeinflussung deutscher Soldaten analysiert: „Wer einmal im Schneesturm in russischer Steppe lag und dabei aus den Großlautsprechern der Roten Armee Weihnachtslieder von Kindern gesungen hörte, hat vielleicht eine konkrete Vorstellung davon, wie stark Musik auf das Gefühl einwirken kann.“[39] Auch für die Westfront werden die deutschen Soldaten am Beispiel des Soldatensenders Calais als Opfer dargestellt.[40] Generell wird zwar konzediert, dass beide Seiten Psychologische Kriegsführung einsetzten. Die Beispiele dokumentieren jedoch nur die gegen die Wehrmacht oder die deutsche Bevölkerung gerichteten Propagandamaßnahmen – ohne zu erwähnen, dass es sich im Falle der Sowjetunion und Großbritanniens um zwei Staaten handelte, die von deutscher Seite angegriffen wurden.
Generell werden in Psychologie als Waffe selbst manipulative Techniken verwendet. So werden Aussagen geschickt mit Fotografien kombiniert, um künstliche Zusammenhänge beim Leser herzustellen. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass auch die Äußerungen eines bekannten Kirchenvertreters oder Wissenschaftlers einen psychologischen Beeinflussungsversuch im Sinne des Kommunismus darstellen können.[41] Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Foto einer Demonstration abgebildet. Einer der Demonstranten hält deutlich sichtbar ein Plakat mit der Aufschrift „Niemöller: ‚Waffen bedeuten den Tod!‘“ hoch. Direkt über dieser Abbildung wird das Foto einer kommunistischen Schulung und rechts daneben das einer Militärparade in Moskau präsentiert. Der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Theologen, Widerstandskämpfer und Protagonisten der Friedensbewegung in der Bundesrepublik Martin Niemöller und von Moskau bzw. Ost-Berlin aus gesteuerter Psychologischer Kriegsführung gegen Westdeutschland ist auf mehreren Ebenen äußerst problematisch. Zum einen handelt es sich bei der abgebildeten Demonstration um eine legitime, vom Grundgesetz geschützte Form der Meinungsäußerungen gegen die Wieder- oder Atombewaffnung der Bundeswehr. Auch wenn es tatsächlich Versuche der Einflussnahme kommunistischer Parteien und Gruppierungen aus dem In- und Ausland auf die junge Friedensbewegung der Bundesrepublik gab, konnte keine Rede davon sein, dass diese eine omnipräsente Stellung erreicht hätten. Beispiele hierfür sind die Proteste von Sozialdemokraten, Gewerkschaften, Christen oder auch Kulturschaffenden und Wissenschaftlern, die nicht dem kommunistischen Milieu angehörten.[42] Die „Kampf dem Atomtod“-Bewegung wird jedoch als „Musterbeispiel bolschewistischer psychologischer Kampfführung“[43] diffamiert. Mit Niemöller wird darüber hinaus eine Symbolfigur des Widerstands gegen den Nationalsozialismus diskreditiert, die im Bildkontext mit sowjetisch gesteuerter kommunistischer Propaganda in Verbindung gesetzt wird. Gleichzeitig findet eine Gleichsetzung von Pazifismus mit Kommunismus statt, die jedweden Widerstand gegen die Wiederbewaffnung oder Aufrüstung der Bundeswehr als kommunistische Propaganda disqualifiziert.
Da die Publikation nur in wenigen Fällen die Bildquellen benennt, sind mehrere Abbildungen problematisch. Im Zusammenhang mit der vermeintlich kommunistischen Beeinflussung der „Kampf dem Atomtod“-Debatte wird ein Foto mit der Bezeichnung „Anti-Atom-Demonstration 1960“ gezeigt. Dass es sich dabei allerdings um eine Demonstration gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr handelt, ist anzuzweifeln. Die Abbildung zeigt mehrere Männer arabischer Herkunft, die mit ihren Plakaten offensichtlich gegen einen französischen Atombombentest demonstrieren. Eines der Plakate bildet den Tod als Sensenmann ab, der eine arabische Familie bedroht, ein weiteres ist größtenteils auf Arabisch abgefasst, und ein drittes, weitgehend verdecktes Plakat zeigt den Namen „de Gaulle“. Zwar findet die Demonstration offensichtlich in der Bundesrepublik Deutschland statt, weil der Großteil der Plakate in deutscher Sprache verfasst ist und eines die Warnung trägt „Föhn bringt Todesstrahlen nach München“. Der im Text konstruierte Zusammenhang zwischen der kommunistischen Beeinflussung der deutschen Bevölkerung im Hinblick auf den Widerstand gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr wird jedoch nicht deutlich. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei der Abbildung um Proteste arabischstämmiger Studenten in der Bundesrepublik gegen den ersten französischen Atombombentest am 13. Februar 1960 in Algerien handelt.
Im Schlussteil von Psychologie als Waffe wird noch einmal ausdrücklich vor dem Gegner und seinen Methoden gewarnt: „Eine von kommunistischen Parolen zersetzte Truppe, ein von Drohungen eingeschüchtertes oder von Verleumdungen betörtes Volk kann den Kreml Krieg oder Revolution ohne einen scharfen Schuß gewinnen lassen.“[44] Die Soldaten der Bundeswehr fordert das Verteidigungsministerium in der Broschüre auf, sich nicht über die Grenzen des Rechtsstaats zu bewegen und „saubere Waffen“[45] im Psychologischen Kampf zu verwenden. Insbesondere sollen nur wahre und nachprüfbare Informationen eingesetzt werden. Auch wird darauf verwiesen, möglicherweise mit Blick auf die Exzesse der McCarthy-Ära wenige Jahre zuvor, dass „Hexenverfolgungen“, die überall den kommunistischen Feind vermuten, nur im Sinne des Gegners wirken und daher zu vermeiden sind.[46]
Auch filmisch widmete sich die Bundeswehr der Aufklärung über die Psychologische Kriegsführung der sozialistischen Staaten Osteuropas.[47] Als visuelle Quelle ist insbesondere der die Publikation ergänzende gleichnamige Ausbildungsfilm der Bundeswehr aus dem Jahr 1968 empfehlenswert.[48] Dieser ist bewusst einfach und weitestgehend als farbiger Trickfilm im Stile eines amerikanischen Cartoons gehalten. Auf diese Weise sollte die Botschaft auch Rekruten erreichen, die nur über eine geringe Schulbildung verfügten. Bereits in der Publikation war konstatiert worden, dass besonders „Menschen mit einfachen Denkmöglichkeiten“[49] durch psychologische Angriffe von kommunistischer Seite aus gefährdet seien.
Vom Aufbau her folgt der Ausbildungsfilm weitestgehend der Publikation. Auffällig ist jedoch, dass sich der sieben Jahre nach der Publikation entstandene Film bereits intensiver mit der nationalsozialistischen Propaganda auseinandersetzt. Hier lassen sich erste Ansätze eines Wandels erkennen, der sich dann im Zuge von „1968“ und dem Regierungswechsel hin zur sozial-liberalen Koalition in den Folgejahren verstärkt. Zwar wird Adolf Hitler weiterhin als „gelehriger Schüler Lenins“ bezogen auf Propagandatechniken bezeichnet. Im Gegensatz zur Printversion geht der Film jedoch auch auf Joseph Goebbels ein und zeigt am Beispiel der fingierten Pressemeldungen über vermeintliche Übergriffe polnischer Staatsbürger auf Deutsche oder polnische Angriffspläne die gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Vorfeld des deutschen Überfalls auf Polen auf.
Einen deutlichen Unterschied zur Publikation stellt der Hinweis auf die eigene Psychologische Kriegsführung dar, der in der Printversion 1961 nur kursorisch erwähnt wird. Begründet wird die Tätigkeit mit der nicht vorhandenen Meinungsfreiheit im kommunistischen Machtbereich. Im Film heißt es, dass die Aktivitäten der Bundesrepublik nötig seien, „um auf unkonventionellen Wegen Informationen an die Bevölkerung der Zone gelangen zu lassen“.[50] Sogar die bis dato kaum öffentlich thematisierten Ostbüros von SPD, CDU und FDP werden erwähnt.[51] Visuell wird der Hinweis mit dem Start von Ballons mit entsprechenden Materialien untermauert. Auch geht der Film auf den Inhalt der Sendungen ein, indem zum Beispiel in der DDR verbotene Bücher gezeigt werden, die mit Ballons über die Grenze gelangten.[52]
Während die filmische Ergänzung 1968 bereits erste Anzeichen einer Abmilderung der manichäischen Darstellung West- versus Osteuropas und der kritischen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit enthält, ist die Publikation von 1961 vornehmlich eine Quelle für die zeitgenössische Wahrnehmung Osteuropas als kommunistischer Machtblock und damit als Feind. Aussagekraft hat die Quelle demnach nur für die Frühphase des Kalten Krieges. Denn mit dem Einsetzen der Entspannungspolitik änderten sich auch die militärischen Feindbilder in Westeuropa.
Von wissenschaftlicher Seite erhöhte sich in der Phase nach 1968 zunehmend der Druck. Insbesondere Politik- und Sozialwissenschaftler kritisierten nun explizit das bisherige Freund-Feind-Schema der Bundeswehr und den Einsatz ehemaliger NSFO in der Psychologischen Kriegsführung.[53] Wilfried von Bredow bezeichnete die politische Bildungsarbeit der Bundeswehr in den ersten eineinhalb Jahrzehnten ihres Bestehens beispielsweise als eine Schwarz-Weiß-Ausmalung des Ost-West-Verhältnisses mit doppelter Funktion, die beinhalte, „den Weltkriegssoldaten doch noch die Sinnhaftigkeit ihres damaligen Kampfes zu verdeutlichen und den jungen Soldaten jene Mischung von Furcht und Hochachtung vor dem feindlichen Kommunismus zu vermitteln, die ihre Integration in den herrschenden Antikommunismus erleichtern“.[54]
Mit dem erstmaligen Wechsel der Führung des Bundesverteidigungsministeriums von den Unionsparteien hin zum Sozialdemokraten Helmut Schmidt kam es ab 1969 zu einer grundlegenden Neuorientierung, die auch zahlreiche personelle Wechsel beinhaltete. Durch Pensionierungen, teilweise mit ministeriellem Zwang gegen den Willen der in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Offiziere durchgesetzt, wurde der nationalkonservative Einfluss innerhalb der Bundeswehr deutlich minimiert. Insbesondere die unter Schmidt eingeleitete Bildungsreform der Bundeswehr ab 1970/71 führte zu einer nachhaltigen Modifikation der Feindbilder, was sich auch in den Bildungsmaterialien der Bundeswehr niederschlug. Die ebenfalls in der Schriftenreihe „Innere Führung“ erschienene Publikation Die DDR aus dem Jahr 1979 zeichnet sich beispielsweise durch eine stärkere Differenzierung aus. Auch war dort im Gegensatz zu den Heften der 1950er- und frühen 1960er-Jahre nicht mehr von einem totalitären Staat die Rede.[55] Ebenso wurde die bisherige Überschätzung der Psychologischen Kriegsführung relativiert, da die Wirksamkeit vermeintlicher Psychotechniken wie Gehirnwäsche inzwischen als gering galt.
Der Kommunismus blieb zwar bis zum Ende des Kalten Krieges der zentrale Kontrahent. Statt einer vereinfachenden Schwarz-Weiß-Logik setzte sich jedoch auch im militärischen Bereich zunehmend eine Logik durch, die statt auf klare Feindbilder verstärkt auf Verständnis abzielte.[56] Im Gegensatz zur in Teilen noch durch den antikommunistischen Jargon des Nationalsozialismus gefärbten Sprache in Psychologie als Waffe hieß es 1970 im Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums, das die strategische Leitlinie für die Bundeswehr gegenüber den sozialistischen Staaten Osteuropas der kommenden Jahre festlegte: „Das Ziel ist, das Nebeneinander im geteilten Deutschland und Europa zu organisieren und ein Miteinander zu versuchen.“[57]
[1] Essay zur Quelle: Die psychologische Aggression (1961).
[2] Zur McCarthy-Ära und dem Second Red Scare in den USA siehe: Morgan, Ted, Reds. McCarthyism in Twentieth-Century America, New York 2003.
[3] Siehe hierzu exemplarisch die Länderstudien zur Schweiz, Italien, Schweden, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich: Caillat, Michel; Cerutti, Mauro; Fayet, Jean-François; Roulin, Stéphanie (Hgg.), Histoire(s) de l'anticommunisme en Suisse / Geschichte(n) des Antikommunismus in der Schweiz, Zürich 2009; Lepre, Aurelio, L'anticomunismo e l'antifascismo in Italia, Bologna 1997; Nilsson, Mikael, The Battle for Hearts and Minds in the High North. The USIA and American Cold War Propaganda in Sweden, 1952–1969, Leiden 2016; Koedijk, Paul, The Netherlands, the United States, and Anticommunism during the Early Cold War, in: Krabbendam, Hans; Minnen, Cornelis A. van; Scott-Smith, Giles (Hgg.), Four Centuries of Dutch-American Relations, 1609–2009, Albany 2009, S. 597–608; Defty, Andrew, Britain, America, and Anti-communist Propaganda, 1945–53. The Information Research Department, London 2004; Villatoux, Paul; Villatoux, Marie-Catherine, La République et son armée face au péril subversif. Guerre et action psychologiques en France, 1945–1960, Paris 2005.
[4] Es ist zu beachten, dass der europäische Antikommunismus eine Vorgeschichte hat, die bis in die Frühphase von Marx und Engels zurückreicht. Für das Verständnis des Antikommunismus in der jungen Bundesrepublik ist vor allem seine prägende Rolle im Nationalsozialismus zentral. Zur Geschichte des Antikommunismus siehe: Faulenbach, Bernd, Antikommunismus, Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 03.05.2017, URL: http://docupedia.de/zg/Faulenbach_antikommunismus_v1_de_2017 (04.05.2017).
[5] Vgl. Creuzberger, Stefan; Hoffmann, Dierk, Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik. Einleitende Vorbemerkungen, in: dies. (Hgg.), „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik, München 2014, S. 1-13, hier S. 2f.
[6] In der hier besprochenen Publikation werden die Begriffe „Sozialismus“ und „Kommunismus“ fälschlicherweise weitestgehend synonym verwendet. Ich verwende im Text „Sozialismus“ als Bezeichnung für die entsprechenden Staaten (die sich in der Selbstwahrnehmung auf dem Weg zum Kommunismus befanden und daher „sozialistische Staaten“ waren) und „Kommunismus“, wenn es sich auf die Ideologie bezieht.
[7] Vgl. Ostermann, Christian F., „Die beste Chance auf ein Rollback“? Amerikanische Politik und der 17. Juni 1953, in: Kleßmann, Christoph; Stöver, Bernd (Hgg.), 1953 – Krisenjahr des Kalten Krieges in Europa, Köln 1999, S. 115–139, hier S. 116–119.
[8] Vgl. Carruthers, Susan L., Cold War Captives. Imprisonment, Escape, and Brainwashing, Berkeley 2009, S. 174–216.
[9] Ein prägnantes Beispiel stellt der an den Kinokassen äußerst erfolgreiche US-amerikanische Spielfilm „The Manchurian Candidate“ von 1962 dar. Im Mittelpunkt steht ein aus dem Koreakrieg zurückgekehrter US-Offizier, der als Kriegsheld gefeiert wird. Schließlich stellt sich jedoch heraus, dass er in Gefangenschaft von chinesischen Spezialisten einer Gehirnwäsche unterzogen wurde und nun unbewusst in den USA Morde im Auftrag kommunistischer Agenten ausführt. Ebenso sind die Spionagefilme sowie die US-amerikanischen Science-Fiction-Filme der 1950er- und frühen 1960er-Jahre zu nennen, die in ihrer Darstellung einer fremden, häufig unsichtbaren außerirdischen Macht die Angst vor kommunistischer Unterwanderung des Militärs aufgriffen. Für einen Überblick zum Topos der Gehirnwäsche in der Popkultur siehe: Seed, David, Brainwashing. The Fictions of Mind Control. A Study of Novels and Films since World War II, Kent (Ohio) 2004.
[10] International erregten unter anderem die Enttarnungen des Spionagerings um Julius und Ethel Rosenberg 1950 in den USA, der „Cambridge Five“ seit den 1950er-Jahren in Großbritannien und des hochrangigen französischen NATO-Mitarbeiters Georges Pâques 1963, die alle im Dienst der Sowjetunion spioniert hatten, Aufsehen. In der Bundesrepublik sind für die Frühphase des Kalten Krieges insbesondere die Enttarnungen des Bundestagsabgeordneten Alfred Frenzel (1960), der für den tschechoslowakischen Geheimdienst tätig gewesen war, und des BND-Mitarbeiters Heinz Felfe als Sowjetagent (1961) zu nennen.
[11] BMVg (Hg.), Psychologie, S. 3.
[12] Ebd., S. 14.
[13] Ebd., S. 39.
[14] Ebd., S. 14.
[15] Ebd., S. 47.
[16] Ebd., S. 49.
[17] BMVg (Hg.), Krieg und Revolution. Die ideologische Ausrichtung der Sowjetarmee, Schriftenreihe Innere Führung, Reihe Bolschewismus, Heft 2, Bonn 1957, S. 5.
[18] Vgl. Linebarger, Paul Myron Anthony, Psychological Warfare, Washington D.C. 1948; Byfield, Robert Sigmund, The Fifth Weapon. A Guide to Understanding what the Communists Mean, New York 1954; Pagniez, Yvonne, Le Viet Minh et la guerre psychologique, Paris 1955; Szunyogh, Béla, Psychological Warfare. An Introduction to Ideological Propaganda and the Techniques of Psychological Warfare, New York 1955; Mégret, Maurice, La guerre psychologique, Paris 1955; Diaz de Villegas y Bustamente, José, La guerra revolucionaria. La técnica de la revolución y la acción psicológica – el arma secreta del marxismo, Madrid 1959; Sauge, Georges, L'armée, face à la guerre psychologique, Paris 1959; Qualter, Terence H., Propaganda and Psychological Warfare, New York 1962; Sanders, Ralph; Brown, Fred R. (Hgg.), Global Psychological Conflict, Washington D.C. 1964.
[19] Vgl. Bauer, Karl; Grimm, William, Das lautlose Gefecht. 20 Lagen „Geistige Rüstung“ für den Gruppen- und Zugführer, Darmstadt 1961; Bergen, Michael, … unter die Haut, Boppard 1959; ders., … dunkle Punkte, Boppard 1961; Bohn, Helmut (Hg.), Siegen ohne Krieg. Erfahrungen und Möglichkeiten der psychologischen Verteidigung in der Demokratie, Köln 1959; Reile, Oscar, Kalter Krieg, heißes Europa. Der psychologische Krieg, München, Wels 1965.
[20] Wagemann, Eberhard, Erziehung zum Staatsbürger, in: Dokumente und Kommentare. Beilage zu Informationen für die Truppe 9 (1964), S. 6. Wagemann (1918–2010) war bereits in der Wehrmacht als Ausbildungsoffizier tätig gewesen. In der Bundeswehr war der nationalkonservativ orientierte Wagemann in verschiedenen Posten für die Ausbildung und „Innere Führung“ der Soldaten zuständig. Zuletzt war er als Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr tätig. 1977 wurde er von Bundesverteidigungsminister Georg Leber in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
[21] Vgl. French, David, The British Way in Counter-Insurgency, 1945–1967, Oxford 2011, S. 174–199; Villatoux, Paul, L'institutionnalisation de l'arme psychologique pendant la guerre d'Algérie au miroir de la guerre froide, in: Guerres mondiales et conflits contemporains, Themenheft „Aspects militaires de la guerre d’Algérie” 208 (2002), S. 35–44; Cann, John P., Counterinsurgency in Africa. The Portuguese Way of War, 1961–1974, Westport (Connecticut), London 1997, S. 37–60.
[22] Vgl. Risso, Linda, Propaganda and Intelligence in the Cold War. The NATO Information Service, Milton Park 2014, S. 93–97; Drews, Dirk, Die Psychologische Kampfführung / Psychologische Verteidigung der Bundeswehr. Eine erziehungswissenschaftliche und publizistikwissenschaftliche Untersuchung, Mainz 2006, S. 99–102.
[23] Die DDR-Regierung versuchte beispielsweise seit 1960 mit dem Deutschen Soldatensender 935 Einfluss auf die Bundeswehr zu nehmen, vgl. Wilke, Jürgen, Radio im Geheimauftrag. Der Deutsche Freiheitssender 904 und der Deutsche Soldatensender 935 als Instrumente des Kalten Krieges, in: Arnold, Klaus; Classen, Christoph (Hgg.), Zwischen Pop und Propaganda. Radio in der DDR, Berlin 2004, S. 249–266.
[24] Vgl. Thedieck, Franz, Kommunistische Infiltration – Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Wichtigstes Ziel aller Gegenwirkungen: Immunisierung des deutschen Menschen, Teil I, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 143, Bonn 1956, S. 1393-1396; ders., Kommunistische Infiltration – Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. Wichtigstes Ziel aller Gegenwirkungen: Immunisierung des deutschen Menschen, Teil II, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 144, Bonn 1956, S. 1403–1406.
[25] Vgl. Drews, Psychologische Kampfführung, S. 119ff.
[26] Eberhard Taubert (1907–1976), seit 1931 NSDAP- und SA-Mitglied, von 1933 bis 1945 in führender Position im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda tätig, u.a. Autor des Drehbuchs für den antisemitischen NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“. Nach Kriegsende arbeitete er für verschiedene US-amerikanische Nachrichtendienste und gehörte zu den Protagonisten des antikommunistischen „Volksbundes für Frieden und Freiheit“. 1958 ernannte ihn Strauß zum Berater für Psychologische Kriegsführung im Bundesverteidigungsministerium.
[27] So zum Beispiel in der im Ost-Berliner Militärverlag erschienenen Monografie: Zazworka, Gerhard, Psychologische Kriegsführung. Eine Darlegung ihrer Organisation, ihrer Mittel und Methoden, Berlin (Ost) 1961, S. 476f.
[28] So zum Beispiel: BMVg (Hg.), Durchstehen nach dem Kampf – Verhalten in Kriegsgefangenschaft, Schriftenreihe Innere Führung, Reihe Psychologische Waffen, Heft 4, Bonn 1964.
[29] Vgl. BMVg (Hg.), Psychologie, S. 51-61.
[30] Ebd., S. 5.
[31] Vgl. Schmidt, Wolfgang, Die bildhafte Vermittlung des Staatsbürgers in Uniform in den Anfangsjahren der Bundeswehr, in: Schlaffer, Rudolf J.; Schmidt, Wolfgang (Hgg.), Wolf Graf von Baudissin, 1907–1993. Modernisierer zwischen totalitärer Herrschaft und freiheitlicher Ordnung, München 2007, S. 165–188, hier 172f.
[32] BMVg (Hg.), Psychologie, S. 64.
[33] Vgl. ebd., S. 6–10.
[34] Vgl. ebd., S. 8.
[35] Ebd., S. 73.
[36] Ebd., S. 34.
[37] Ebd., S. 35.
[38] Ebd.
[39] Ebd., S. 56.
[40] Der Soldatensender Calais war ein britischer Propagandasender, der sich, als deutscher Radiosender getarnt, im Zweiten Weltkrieg von 1943 bis 1945 an Soldaten der Wehrmacht richtete; BMVg (Hg.), Psychologie, S. 36f.
[41] Ebd., S. 14.
[42] Vgl. Rolke, Lothar, Protestbewegungen in der Bundesrepublik. Eine analytische Sozialgeschichte des politischen Widerspruchs, Wiesbaden 1987, S. 152–194.
[43] BMVg (Hg.), Psychologie, S. 42.
[44] Ebd., S. 73.
[45] Ebd., S. 65.
[46] Ebd., S. 69.
[47] Vgl. Die rote Gefahr, BRD 1959, 17 Minuten, URL: https://www.youtube.com/watch?v=C9-QeFibta8 (26.04.2017); Völker hört auf die Signale, BRD 1959, 75 Minuten, URL: https://www.youtube.com/watch?v=yI0cSFr4M_c (26.04.2017). Ich danke Klaus Schroeder (Universität Bielefeld) für den Hinweis.
[48] Psychologie als Waffe, BRD 1968, 18 Minuten, URL: https://www.youtube.com/watch?v=BRz2iPDEVXc (13.04.2017).
[49] BMVg, Psychologie, S. 40.
[50] Psychologie als Waffe, BRD 1968, 16:02–16:22 Min.
[51] Zu den Ostbüros siehe: Buschfort, Wolfgang, Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP, Berlin 2000.
[52] Als Beispiele werden im Film die in der DDR verbotenen Bücher des sowjetischen MI5- und CIA-Spions Oleg Penkowskij („Geheime Aufzeichnungen“) und des jugoslawischen Dissidenten Mihajlo Mihajlov („Moskauer Sommer 1964“) gezeigt.
[53] Vgl. Grimm, Siegfried, „… der Bundesrepublik treu zu dienen.“ Die geistige Rüstung der Bundeswehr, Düsseldorf 1970; Thielen, Hans-Helmut, Der Verfall der Inneren Führung. Politische Bewußtseinsbildung in der Bundeswehr, Frankfurt am Main 1970, S. 58–66; Bredow, Wilfried von, Die unbewältigte Bundeswehr. Zur Perfektionierung eines Anachronismus, Frankfurt am Main 1973, S. 92–115.
[54] Ebd., S. 94.
[55] Vgl. Ammer, Thomas; Holzweißig, Gunter, Die DDR, neubearbeite Auflage, Schriftenreihe Innere Führung, Heft 4, Bonn 1979.
[56] Im Rahmen der NATO geschah dies beispielsweise 1967 durch den Harmel-Bericht, vgl. Romano, Angela, From Détente in Europe to European Détente. How the West Shaped the Helsinki CSCE, Brüssel u.a. 2009, S. 67–71.
[57] Bundesminister der Verteidigung (Hg.), Weißbuch 1970. Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr. Ein Auszug, Bonn 1970, S. 16.
Literaturhinweise
Creuzberger, Stefan; Hoffmann, Dierk (Hgg.), „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik, München 2014.
Drews, Dirk, Die Psychologische Kampfführung / Psychologische Verteidigung der Bundeswehr. Eine erziehungswissenschaftliche und publizistikwissenschaftliche Untersuchung, Mainz 2006.
Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Walter, Dierk (Hgg.), Angst im Kalten Krieg, Hamburg 2009.
Robin, Ron Theodore, The Making of the Cold War Enemy. Culture and Politics in the Military-Intellectual Complex, Princeton 2001.
Schwan, Gesine, Antikommunismus und Antiamerikanismus in Deutschland. Kontinuität und Wandel nach 1945, Baden-Baden 1999.