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  • von Sarah Lias Ceide

    Dass die italienische Halbinsel und insbesondere ihre Hauptstadt nach 1945 schnell von zahlreichen westlichen Nachrichtendiensten ins Visier genommen wurden, überrascht angesichts der Präsenz des Vatikans, der allgemein geographisch-strategisch günstigen Lage des Landes und des Rückhalts, den die Kommunistische Partei Italiens genoss, keineswegs, und die internationale Forschung hat dies bereits mehrfach und auf überzeugende Art und Weise hervorgehoben. Einem wichtigen Aspekt wurde dabei jedoch selten Aufmerksamkeit geschenkt: dem Geheimdienstkrieg zwischen den untereinander konkurrierenden Nachrichtendiensten Westeuropas, die, jeweils unterstützt durch verschiedene, ebenfalls rivalisierende US-amerikanische Dienste, nach Kriegsende auf italienischem Boden aufeinanderprallten. Italien wurde somit zum Schauplatz nachrichtendienstlicher Konkurrenzkämpfe diverser Nationen, deren komplexe Verflechtungen in diesem Essay in ihren Grundzügen aufgezeigt werden sollen.

  • von Oliver Krause

    Abstract An den drei Karten, die alle auf imaginierte,globale Raumordnungen zurückgehen, die Halford J. Mackinder zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt hatte, lassen sich die Internationalisierung europäischen Wissens am Transfer eines geopolitischen Konzepts, dessen Anpassung und Instrumentalisierung nachzeichnen. Die Karten prägten je spezifische Imaginationen einer globalen Raumordnung, die die Wahrnehmung der Welt aus nationalen Perspektiven heraus präfigurierten. Auf dieser Grundlage entstanden unterschiedliche Globalisierungsszenarien. Im Deutschen Reich wurde Mackinders imaginierte globale Raumordnung zur Utopie deutscher Großmachtstellung umgedeutet. In den USA behielt sie den ursprünglich dystopischen Charakter zukünftiger Vorherrschaft einer eurasischen Landmacht, die als legitimierendes Narrativ US-amerikanischer Außenpolitik gegenüber der Bevölkerung nutzbar wurde.

  • von Ruth Nattermann

    Im November 1922, unmittelbar nach Mussolinis Marsch auf Rom, verfassten die italienischen Feministinnen Rosa Genoni (1867–1954) und Ida Vassalini (1891–1953) eine Rede anlässlich der internationalen „Konferenz für einen neuen Frieden“, die vom 7. bis 9. Dezember 1922 in Den Haag stattfinden sollte. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF); Genoni und Vassalini vertraten die italienische Sektion. Die WILPF, auf Deutsch „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF), war aus dem Frauenfriedenskongress in Den Haag vom April 1915 hervorgegangen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wählten die Mitglieder die Stadt Genf zum Sitz der internationalen Organisation, um dem Völkerbund nahe zu sein. Das Hauptziel der WILPF bestand im Einsatz für eine friedliche Lösung globaler Konflikte, an zweiter Stelle stand das Engagement für die Emanzipation von Frauen. Stark geprägt von Vertreterinnen jüdischer Herkunft und Quäkerinnen aus den USA und Europa, beschäftigte sich die Vereinigung auch mit Minderheitenrechten und dem Problem von Flüchtlingen. Obwohl keine humanitäre, sondern eine politische und bildungsorientierte Institution, waren zahlreiche Mitglieder der WILPF in humanitären Netzwerken tätig, so dass häufig Überschneidungen zwischen den beiden Sphären – feministischem Pazifismus und Humanitarismus – entstanden.

  • von Ansgar Engels

    Bei der Compañía Guipuzcoana handelt es sich um eine baskische Handelskompanie, die im 18. Jahrhundert das Monopol auf den Handel zwischen der Kolonie Venezuela und dem Mutterland Spanien innehatte. Ihr ökonomisches Fundament ruhte auf der Versorgung des spanischen Marktes mit dem im Venezuela produzierten Kakao. Eine Rebellion in Venezuela im Jahr 1749, in der sich die koloniale Bevölkerung gegen die dominierende Rolle der Kompanie im Kakaohandel und in der Provinz als Ganzes wandte, nahm die Compañía Guipuzcoana zum Anlass ein Manifest zu verfassen. In dem Beitrag soll dieser historischen Hintergrund kurz ausgeleuchtet und auf die Funktion der Kompanie als Vermittlungsinstanz zwischen Spanien und Venezuela eingegangen werden.

  • von Pavel Kolář

    Das hundertjährige Jubiläum der Entstehung der Nationalstaaten in Mittel- und Osteuropa auf den Ruinen von Kontinentalimperien bot eine gute Gelegenheit, über die historische Bedeutung der (europäischen) Staatsmacht in einer Zeit nachzudenken, in der Paradigmen der Transnationalisierung, Europäisierung und Globalisierung in der Geschichtswissenschaft vorherrschen. In diesem Essay werde ich mich an Max Webers klassischer Definition des Staates orientieren, das heißt als Organisation, die ein Monopol auf die legitime Anwendung physischer Gewalt besitzt. Die Geschichtsschreibung, die sich der „transnationalen Wende“ verschrieb, scheint dagegen vor allem auf „weiche“ Phänomene überwiegend kultureller Natur konzentriert, auf Ideen, Vorstellungen, Modelle und Konzepte, während sie „harte“ Phänomene weniger berücksichtigt. Damit meine ich hauptsächlich jene, die die äußerste Grenze des menschlichen Lebens berühren, das heißt körperliche Gewalt und körperliches Leiden.

  • von Patrick Bernhard

    Der Beitrag stellt die These auf, dass Interpol – eine der zentralen Organisationen heutiger europäischer und internationaler Zusammenarbeit – in seiner Vergangenheit an antiliberale Modernitätsprojekte geknüpft war, ohne dass dies kritisch reflektiert würde. Der vorliegende Text versteht sich vor diesem Hintergrund als Versuch, die Idee europäischer Zusammenarbeit im Bereich der Polizei stärker zu historisieren, das heißt die Sinnwelten der damaligen Akteure zu rekonstruieren.

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Simone Paoli

    The first part examines the use of the notion of crisis in depicting and interpreting migration in literature. It argues that the discursive framework of migration crisis began to be increasingly employed by scholars between the late 1980s and early 1990s. While it soon became popular in media and political discourses, the crisis rhetoric was more and more criticised in the academic debate, not least because of the hegemony of liberal and pro-human rights tendencies in Western academia. Between the early 1990s and early 2000s, a prevailing trend in literature emerged, which dismissed the crisis narrative as a reprehensible way to prompt or justify more restrictive approaches to migration.

  • von Magda Wlostowska

    Mitte der 1980er-Jahre erschienen in der Volksrepublik Polen in unregelmäßigen Abständen kleine Auflagen eines schreibmaschinengeschriebenen mehrseitigen Newsletters. Die kurzen Textezirkulierten inoffiziell, etwa indem sie von ihren Lesern (und wenigen Leserinnen) per Hand abgeschrieben oder – falls es möglich war – fotokopiert und an interessierte Bekannte weitergereicht wurden. [...].

  • von Wencke Meteling

    Das politische Streben nach internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist wesentlicher Teil der Geschichte der zweiten Globalisierung. Ob Unternehmen, Universitäten, Städte, Regionen, Staaten, die Eurozone oder die Europäische Union – sie alle wähnen sich im Wettbewerb mit Konkurrenten um Marktanteile, Kapital und Köpfe. Die vorliegende Quelle, ein Auszug aus dem ersten Bericht der Competitiveness Advisory Group (CAG) der Europäischen Kommission von 1995, stammt aus der Hochphase des Paradigmas der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. [...]

  • von Matthäus Feigk

    Auf der Fotografie von 1920 hat sich im Vordergrund eine Personengruppe in zwei Reihen − die vordere auf Holzstühlen sitzend, die hintere stehend − arrangiert. Im Hintergrund erkennt man die mit Efeu bewachsene Hausecke eines Backsteingebäudes. Links von der Gruppe sind ein Durchgang mit dreistufiger Treppe, direkt dahinter und am rechten Bildrand zwei Fenster zu sehen. Die Personen rechts der Bildmitte stehen bzw. sitzen mit ihren Stühlen im Gras eines Vorgartens. Die zwölf Männer und eine Frau nehmen größtenteils eine steife Haltung ein. [...]

  • von Stefan Rohdewald

    Das Verhältnis von Religion und Entwürfen kollektiver Identität und Modernität ist in den vergangenen Jahren von der Forschung zunehmend intensiver untersucht worden. Als zentral erwiesen sich dabei nicht nur Fragen nach dem Wandel von im Mittelalter und in der Frühneuzeit hergestellten Verehrungskontexten während der Entstehung nationaler Rückblicke und die Gegenwart konstituierender Erwartungshorizonte im 19. Jahrhundert. [...]

  • von Maximilian Buschmann

    Am 9. Juli 1909 verbreitete sich eine Nachricht aus dem berüchtigten Londoner Frauengefängnis Holloway weit über die britischen Inseln hinaus. Nach 91 Stunden im Hungerstreik wurde Marion Wallace Dunlop, die Anerkennung als politische Gefangene einforderte, vorzeitig entlassen. Ihre einmonatige Haftstrafe wegen unerlaubten Plakatierens endete bereits nach fünf Tagen. In Votes for Women, der Wochenzeitung der militantesten Organisation der britischen Frauenbewegung, Women’s Social and Political Union (WSPU), hieß es: „At last the Authorities had to give way. [...]

  • von Gerhard Altmann

    David Cameron muss derzeit an vielen Fronten kämpfen. Es ächzt vernehmlich im Gebälk der für Briten ohnehin fremdartig anmutenden Koalitionsregierung, die sich inzwischen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner eines raschen wirtschaftlichen Aufschwungs zufriedenzugeben scheint. Das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands im Sommer 2014 legt zudem die Axt an die singulär erfolgreiche Union aus Engländern und keltischer Peripherie – just zu dem Zeitpunkt, wenn mit der Hanoverian succession von 1714 die innere Befriedung des Königreichs nach Jahrzehnten des Aufruhrs gefeiert wird. Und dann Europa. Immer wieder Europa. Wie ein Menetekel scheint der Name des Alten Kontinents an den Wänden von Whitehall zu prangen. Nachdem sich die Konservative Partei seit Mitte der 1990er-Jahre in europapolitischen Grabenkämpfen selbst zerfleischt hatte [...]

  • von Christian Henrich-Franke

    Der Bericht des Spiegel über das „Europa-Programm“ erschien am 2. Juni 1954 unmittelbar vor dem Auftakt zu der Summer Season of European Television Programme Exchanges, welche den Startschuss für den (west-) europäischen Austausch von Fernsehprogrammen über das Sendenetz der Eurovision gab. Wie viele andere Presseberichte auch äußerte sich der Spiegel kritisch hinsichtlich des europäischen Fernsehprogrammaustauschs. Der Bericht spiegelt die Skepsis wider, die dem neuen Medium Fernsehen generell und in besonderem Maße dem internationalen Austausch im Rahmen der Eurovision entgegengebracht wurde. Gleichzeitig wird in ihm eine Reihe von rechtlichen, programmatischen und wirtschaftlichen Aspekten angesprochen, die die Eurovision in ihrer Entwicklung entscheidend prägen sollten. [...]

  • von Katharina Stornig

    1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]

  • von Stefan Troebst

    Seit dem Überfall durch das nationalsozialistische Deutschland reaktivierte die Führung der UdSSR neben dem „Sowjetpatriotismus“ und der Orthodoxie auch das „Slaventum“ in Gestalt des Allslavischen Komitees in Moskau – mit historisierenden Rückgriffen auf den ersten Slavenkongress von 1848 im damals habsburgischen Prag, nicht hingegen auf den zarischen Panslavismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch nach 1945 sollte dieser Bezugsrahmen gemäß sowjetischer Planung seine Bedeutung beibehalten, vor allem mit Blick auf die jetzt kommunistischen Bündnispartner Jugoslawien und Polen, aber auch auf die bürgerlich-demokratische Tschechoslowakei und sogar auf Bulgarien, das zwar ein Verliererstaat des Zweiten Weltkriegs war, jedoch ein in Stalinisierung begriffener. [...]

  • von Axel Körner

    Die Geschichte der italienischen Oper ist voll wunderbarer Anekdoten, denen wir häufig mit wohlwollender Sympathie begegnen, die wir teilweise belächeln, denen wir jedoch auch allzu leicht Glauben schenken. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Kunst und Politik, speziell der politischen Konnotierung von Oper im 19. Jahrhundert und der Inanspruchnahme Giuseppe Verdis als „Barde der italienischen Nationalbewegung“, ein Bild, das die Rezeption seiner Musik auch heute noch prägt. [...]

  • von Stefanie Michels

    1908 unternahm König Njoya aus dem kamerunischen Grasland eine ca. 350 Kilometer lange Reise von seiner Residenz in Fumban zum Sitz des deutschen Gouverneurs in Buea. Der Thron, den er damals als Geschenk für den deutschen Kaiser mitbrachte, steht heute im Völkerkundemuseum in Berlin. Der Besuch des Königs der Bamum und seiner Delegation wurde fotografisch festgehalten und als Postkarte gedruckt. Im Folgenden werden verschiedene Perspektiven auf dieses Ereignis vorgestellt, mit dem Ziel die historische und regionale Dynamik, die sich kolonialen Logiken widersetzte, zu zentrieren. [...]

  • von Hillard von Thiessen

    Als der neue spanische Botschafter beim Heiligen Stuhl, der Conde de Castro, im Frühjahr 1609 an seinem neuen Dienstort eintraf, fand er eine Denkschrift vor, die, von einem erfahrenen Mitarbeiter der Botschaft erstellt, ihn mit den politischen und sozialen Verhältnissen in der Ewigen Stadt vertraut machen sollte. In ihr finden sich teils wenig schmeichelhafte Wertungen über den Charakter der Einwohner der verschiedenen Teile Italiens. Besonders bemerkenswert ist das vernichtende Urteil über die Römer, die ihre alten Tugenden gänzlich verloren hätten; sie seien nur noch „Menschen, die zu Sklavendiensten geboren wurden“. [...]

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