In der Frühen Neuzeit waren viele Menschen häufig unterwegs. Die Kutsche ist einer der Räume, die als spezifischer sozialer Mikrokosmos des Unterwegsseins verstanden werden kann. Auch der Theologe Heinrich Julius Elers war viel unterwegs; vor allem aber schrieb er viel darüber. In diesen „Kutschenbriefen“ gibt er seine religiösen Gespräche mit den Mitreisenden wieder. Wie schildert er die Situation in der Kutsche? Welche Funktion hatten diese Briefe für ihn und für die Adressaten? Und was lässt sich daraus ermitteln in Bezug auf die religiösen Praktiken und Vorstellungen, die meist mit dem Stempel des Pietismus versehen werden? Am Beispiel eines Kutschenbriefes lässt sich also genauer das Verhältnis von Reisen, Religiosität und Schreiben um 1700 eruieren.
1952 einigten sich österreichische Priester und Laien bei einer Studientagung in Mariazell auf eine neue Gangart zwischen der katholischen Kirche und der Politik. Ihr Hauptanliegen, "eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft" zu schaffen, war geprägt von ihren Erfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Unterdrückung religiöser Freiheit in den östlichen Nachbarstaaten Österreichs. Die österreichische Kirche kämpfte zu jener Zeit für einen für einen größeren Entfaltungsraum der Kirche als eigenständiger gesellschaftlicher Faktor, etwa durch die Mitsprache bei Bildungs-, Sozial- und Eherechtsfragen. In diesem Zusammenhang formulierten die katholischen Vertreter ihre Vorstellungen von Freiheit, Menschenrechten und Emanzipation und betonten die Leistungen und Forderungen der katholischen Kirche in diesen Bereichen. Der hier vorgestellte Beitrag soll das bei den Beratungen entstandene "Mariazeller Manifest" und seinen ideologischen Überbau in die nationalen und internationalen Diskurse zum Verhältnis von Staat und Kirche in den 1940er und 1950er Jahren einbetten.
Der Beitrag untersucht, wie sich Protestanten um 1700 zum bekenntnisübergreifenden Vergleich von Bibelübersetzungen positionierten. Im Fokus steht die publizistische Auseinandersetzung des lutherischen Pfarrers Michael Berns mit der Sammeledition Biblia Pentapla (1710–1712). Für den Herausgeber Johann Otto Glüsing stand dieses Werk für die Rückkehr zu den Ursprüngen des Glaubens, Berns hingegen sah darin ein Manifest gefährlicher religiöser Innovation. Anhand dieses Konfliktes hinterfragt der Essay heutige Vorstellungen von der historischen Entwicklung des europäischen Protestantismus.
Am 16. Juli 1974 stand der amerikanische Baptisten-Pastor und Evangelist Billy Graham (1918–2018) vor knapp zweieinhalbtausend Delegierten und über tausend weiteren Zuhörerinnen und Zuhörern aus 150 Ländern und hielt die am aufwändigsten vorbereitete Rede seines Lebens. Es handelte sich um den Eröffnungsvortrag des Internationalen Kongresses für Weltevangelisation im schweizerischen Lausanne. „Why Lausanne?“ hieß Grahams Vortrag.
Der Begriff Antisemitismus tauchte bekanntlich erstmals im Namen der im Herbst 1879 in Berlin gegründeten Antisemiten-Liga auf. Das neue politische Schlagwort ist gebildet worden, um eine neue, nicht mehr religiös bestimmte Jüdinnen- und Judenfeindschaft auf den Begriff zu bringen. Es zielte in erster Linie gegen die Integration der Jüdinnen und Juden in die bürgerliche Gesellschaft, und die antisemitischen Akteure gingen in Worten, Bildern und Taten gegen die jüdische Bevölkerung vor.
Die evangelische Mission war von Beginn ein europäisches Phänomen. Schon die ersten Missionare, die 1706 im südindischen Tranquebar ankamen, hatten einen europäischen Hintergrund: deutsche Pietisten, ausgesandt vom dänischen König Friedrich IV. mit finanzieller Unterstützung der englischen Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK), ausgewählt von dem halleschen Pietisten August Hermann Francke. Die in der Folge entstehende Dänisch-Englisch-Hallesche Mission war die erste organisierte evangelische Missionsgesellschaft, die sich tatsächlich die Mission unter nichtchristlichen NichteuropäerInnen zum Ziel gesetzt hatte.
Das Verhältnis von Religion und Entwürfen kollektiver Identität und Modernität ist in den vergangenen Jahren von der Forschung zunehmend intensiver untersucht worden. Als zentral erwiesen sich dabei nicht nur Fragen nach dem Wandel von im Mittelalter und in der Frühneuzeit hergestellten Verehrungskontexten während der Entstehung nationaler Rückblicke und die Gegenwart konstituierender Erwartungshorizonte im 19. Jahrhundert. [...]
Die evangelische Mission war von Beginn ein europäisches Phänomen. Schon die ersten Missionare, die 1706 im südindischen Tranquebar ankamen, hatten einen europäischen Hintergrund: deutsche Pietisten, ausgesandt vom dänischen König Friedrich IV. mit finanzieller Unterstützung der englischen Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK), ausgewählt von dem halleschen Pietisten August Hermann Francke. Die in der Folge entstehende Dänisch-Englisch-Hallesche Mission war die erste organisierte evangelische Missionsgesellschaft, die sich tatsächlich die Mission unter nichtchristlichen Nichteuropäerinnen und -europäern zum Ziel gesetzt hatte. Gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden in fast allen europäischen Ländern evangelische Missionsgesellschaften, und auch diese waren häufig bewusst oder notgedrungen europäisch ausgerichtet. [...]
1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]
Die Geschichte des Eides, der Eiddebatten und der Eidreformen wirft ein Licht auf das unterschiedliche Verhältnis von Religion und Politik in Deutschland und in Frankreich. Die politische Arbeit an den Eidesformeln deutet auf verschiedene Wege der Säkularisierung der politischen Sprache in beiden Ländern hin. Sowohl die deutsche wie auch die französische neueste Geschichte kennen zahlreiche Anläufe, die religiösen Eidesformeln des Gerichtseides, der im Folgenden als Beispiel gewählt wird, zu beseitigen, sie zu säkularisieren oder den Gerichtseid durch eine eidesstattliche Versicherung ganz zu ersetzen. Eiddebatten tobten in beiden Gesellschaften. In ihnen stand schon bald mehr auf dem Spiel als die Produktion gerichtsverwertbarer wahrer Aussagen. Es ging dabei regelmäßig um Grundbegriffe des politischen und sozialen Zusammenlebens. In beiden Gesellschaften vermittelte die Debatte um den Gerichtseid Einblicke in Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Verhältnisbestimmung von Religion, Individuum und Gesellschaft
Im Spätsommer des Jahres 1877 begab sich eine kleine Gruppe junger Novizinnen der Schwestern von der heiligen Katharina aus der ostpreußischen Stadt Braunsberg auf eine Reise nach Skandinavien. Ziel war die finnische Hauptstadt Helsinki, die damals den schwedischen Namen Helsingfors trug. Die Schwestern wollten hier in der katholischen Kirchengemeinde als Lehrerinnen arbeiten. Wie sie waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Männer und Frauen im Namen der Kirche unterwegs in Europa. Sie hatten sich die Verkündigung des Evangeliums zur Aufgabe gemacht und arbeiteten vor allem im Schulwesen und in der Krankenpflege. Eingebunden in religiöse Netzwerke reisten also nicht nur Missionare, Ordensmänner, Brüder oder Diakone, sondern auch Ordensfrauen, Diakonissen, Schwestern und Missionarinnen. Doch was bedeuteten diese weiblichen Aktivitäten? [...]
Wie die friedliche Koexistenz heterogener, sich gegenseitig ausschließender, weil mit ultimativem Wahrheitsanspruch auftretender Glaubenssysteme funktionieren kann, ist nicht erst seit der Reformation eine Grundfrage der europäischen Geschichte. Aus deutscher Perspektive wird der Augsburger Religionsfrieden und die rechtliche Absicherung der bikonfessionellen Reichsverfassung nach der Reformation oft als europäisches Novum und als wegweisende Lösung dieser Frage gedeutet.[...]
Füße, Hände, Augen, Nieren, Mägen, Busen, Köpfe, Mädchen, Jungen, alles aus Wachs. Dies und noch viel mehr kann man im portugiesischen Fátima, nördlich von Lissabon kaufen. Denn in Portugal ist es Tradition, all das, was den Menschen Kummer bereitet, symbolisch in Wachsform der Heiligen Jungfrau in der Cova da Iria bei Fátima zu opfern. Rund vier Millionen Pilger kommen jährlich aus ganz Europa, beten, bringen ihre Wachsopfer und kaufen Bücher, CDs und DVDs. Viele, die zu Fuß kommen, sind erschöpft und krank. Andere reisen mit Zügen und Bussen an. Aus einem kleinen unbedeutenden Ort am Rande Europas, in dem die Menschen in ärmlichen Verhältnissen lebten und zum Teil noch leben, ist einer der wichtigsten Wallfahrtsorte der Welt geworden. Nicht nur die Pilgerströme und rund 500 Devotionalienhändler vor Ort zeugen davon. [...]
Der Begriff Antisemitismus ist bekanntlich im Herbst 1879 im Kreis des einst radikaldemokratischen, nunmehr zutiefst frustrierten und hoffnungslosen Schriftstellers Wilhelm Marr geprägt worden. Gleichzeitig hatte der preußische Hofprediger Adolf Stoecker die mit diesem Neologismus intendierte neue judenfeindliche Einstellung in breiten Teilen des Mittelstandes populär gemacht und der Berliner Historiker Heinrich von Treitschke zur Verbreitung des Antisemitismus im Bildungsbürgertums, vor allem unter der akademischen Jugend, beigetragen. Nicht zuletzt die von über einer Viertel Million Menschen unterzeichnete „Antisemiten-Petition“ von 1880/81 trug wesentlich dazu bei, dass der neue Terminus eine sehr rasche Verbreitung im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch fand. Vor allem der Philosoph Eugen Dühring schließlich sorgte für die rassistische Aufladung des neuen Begriffs, auch wenn die Sprache des Rassismus nicht von allen Judenfeinden dieser Zeit geteilt wurde.
Es ist ein Bild von geradezu unmoderner Ruhe und Klarheit: Die runde, mit einem Blick überschaubare Erde, harmonisch eingebettet in die Weiten des Kosmos – und doch nicht geometrischer Mittelpunkt der Welt. Der biblisch vorgeprägte Betrachter mag darin vor allem ein Symbol für die gute Schöpfungsordnung Gottes erkennen; der historisch Versierte möglicherweise ein Sinnbild für den zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschenden Fortschrittsglauben und Optimismus.
Mit der Neuzeit begann in Europa zugleich das Zeitalter der Mission. Die koloniale Expansion in die ‚neue Welt’ führte zu einem mehr oder weniger unter Zwang erfolgten globalen Christianisierungsschub, die Glaubensspaltung auf dem Kontinent zu neuen kriegerischen und kontroversen theologischen Versuchen, die jeweils Andersgläubigen auf den richtigen Pfad der Gotteslehre zurückzuführen. Die äußere ‚Heidenmission’ ging somit stets mit einer ‚Heimatmission’ einher, die dann vor allem seit dem 19. Jahrhundert eine immer größere Bedeutung für die Geschichte des europäischen Christentums entfaltete. Man denke nur an die ‚Innere Mission’, die August Hinrich Wichern in den 1830er Jahren aus sozialprotestantischem Geist ins Leben rief, oder an die zahlreichen ‚Volksmissionen’, die katholische Ordensgeistliche nach der Revolution von 1848 aus dem Arsenal der Gegenreformation hervorholten, um die durch die diversen Modernisierungsschübe des 19. Jahrhunderts verwirrten Schäfchen bei der Herde zu halten. [...]
Les rapports entre religion et pouvoir politique reposent sur des socles différents en France et en Allemagne. Mais on constate une même perplexité face à l’intrusion des valeurs d’un islam lui-même hésitant entre adaptation et affirmation. L’embarras repose sur la distinction que n’établit pas l’islam traditionaliste entre lois religieuse et temporelle, ou encore sur la conviction qu’une entreprise de déstabilisation est à l’œuvre, symbolisée par Al-Qaida. En France s’ajoutent à cela les ambiguïtés du passé, la mémoire de la colonisation ou la crainte qu’une perte de lisibilité de la laïcité favorise le communautarisme. L’Allemagne, exempte de décolonisation et de laïcité, a un rapport au monde musulman traditionnellement fondé sur une appréhension plus économique. [...]
Der „Untergang des Römischen Reiches“ wird immer wieder gern beschworen, wenn es um das vermeintlich unausweichliche Schicksal großer Imperien geht oder vor einem kulturellen Verfall gewarnt werden soll. Bewusste oder unbewusste Reminiszenzen an das Werk von Edward Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (6 Bände, 1776-1788) – das einzige Geschichtswerk aus der Zeit der Aufklärung, das bis heute immer noch und wieder gelesen wird – sind dabei geläufig.[...]
Am 24. Dezember 1793 veröffentlichte die „Vossische Zeitung“, die den offiziellen Titel „Königl. Privilegirte Berlinische Zeitung. Von Staats- und gelehrten Sachen. Im Verlage der Vossischen Buchhandlung“ trug, einen ausführlichen Bericht über den feierlichen Einzug der Prinzessinnen Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz in die Haupt- und Residenzstadt Berlin am Vorabend ihrer Doppelhochzeit mit dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und seinem jüngeren Bruder Ludwig.[...]
In seinen Vorlesungen zur „universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ im Winter 1919/20 hat Max Weber auf eine Reihe von insbesondere demografischen, historischen und geografischen Faktoren hingewiesen, die es im Lichte zeitgenössischer Kapitalismustheorien hätten erwarten lassen müssen, dass der moderne Kapitalismus eher in China als in Europa entstehen würde.[...]