Themenportal Europäische Geschichte

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht Materialien – Texte, Statistiken, Bilder und Karten – und Darstellungen zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom Beginn der Moderne in der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Die Geschichte Europas, der Europäer/innen und des Europäischen wird anhand einer Vielzahl ausgewählter Themen behandelt – vergleichend, transfer- und verflechtungsgeschichtlich und im Spannungsfeld zwischen Nationalisierung und Globalisierung. Es geht weniger um eine Totalgeschichte als um eine Problemgeschichte. Die Vergangenheit wird anhand ausgewählter Themen und Fragestellungen aufgearbeitet und dargestellt.

Das Themenportal stellt eine technische und organisatorische Plattform im Internet dar. Es eröffnet Historiker/innen, Vertreter/innen benachbarter sozial- und kulturwissenschaftlicher Disziplinen und einer interessierten Öffentlichkeit den Zugriff auf lehr- und forschungsunterstützende Informationen. Es handelt sich um ein modulares themenzentriertes Netzwerk für Forschung und Lehre an Universitäten, Forschungseinrichtungen und höheren Schulen.

Motive und Ziele

Europa befindet sich im Umbruch. Als Zeitgenossen/innen und Historiker/innen denken wir dabei zunächst an den tief greifenden und raschen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandel der europäischen Gesellschaften seit dem Zweiten Weltkrieg, an das Ende des Ost-West-Gegensatzes und die gegenwärtigen Umbrüche im Zeichen von (De-)Europäisierung und Globalisierung. Der Auf- und Ausbau supranationaler Einrichtungen reagiert auf Probleme des Nationalstaats und Tendenzen der Globalisierung. Die politische Institutionalisierung Europas erfolgt im Rahmen der Diskussionen über verschiedene Europakonzeptionen (integral, föderal, national) und so genannte antieuropäische Positionen, die sich historisch ganz unterschiedlich legitimieren. Vor diesem Hintergrund wächst das Bedürfnis nach historischer Orientierung. Historiker/innen, Sozial- und Kulturwissenschaftler/innen stellen Fragen wie: Was charakterisiert die europäische Dimension des erinnerten, erlebten und erwarteten sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Wandels? Wo beginnen, wo enden die europäischen Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten? Wie verständigen sich die Europäer untereinander und mit Dritten über Unterschiede und Unterscheidungen, Ähnlichkeiten und Annäherungen? Wie lassen sich die besonderen nationalen wie regionalen historischen Entwicklungen in europäische Sinn- und Handlungszusammenhänge einordnen? Was sind die inneren und äußeren Grenzen Europas und des europäischen Gesellschaftsmodells? Bleibt die enge Verbindung von Geschichtswissenschaften und (National-) Staat für das allgemeine Geschichtsverständnis und die Geschichtsbilder auch im vereinigten Europa und in einer sich globalisierenden Welt prägend?

Europa-Historiografie zwischen Tradition und Innovation

Die seit längerem beobachtbare Reorganisation der wissenschaftlichen Institutionen und Lehrpläne förderte eine allmähliche Abkehr vom nationalstaatlichen Paradigma. Es zeichnet sich eine Öffnung der universitären Curricula und Forschungsprofile vieler Professuren in den Geschichtswissenschaften unter europäischen und internationalen Vorzeichen ab. Diese neuere Entwicklung mag in vielerlei Hinsichten in der langen Tradition einer Geschichtsschreibung über "Europa", die "Europäer/innen" und das "Europäische" stehen. Aufgrund der qualitativen Entwicklungen in der Europahistoriografie und angesichts der steigenden Zahl der Forschungsprojekte, Stiftungsprogramme, Europa-Studiengänge, Monografien und Buchreihen wird indessen noch einmal deutlich, dass die Geschichtswissenschaft zu einem Element der europäischen Integration im Spannungsfeld von Traditionalisierung und Innovation sowie Nationalisierung und Globalisierung geworden ist.

Ansätze, Methoden und Gesichtspunkte

Neuere Überblicke zum Stand der Forschung und Literatur zeigen, dass die Motive, Gegenstände, Inhalte, Methoden und Ziele der Europa-Historiografie so vielfältig wie umstritten sind. Das Themenportal "Europäische Geschichte" hält das Spektrum der Themen und Methoden bewusst relativ offen. Besonders innovative und weiterführende Erkenntnisse erhoffen wir uns von methodischen und inhaltlichen Ansätzen, wie, erstens, von der international vergleichenden Sozialgeschichte und der interkulturell vergleichenden Geschichtswissenschaft; zweitens von den interaktions- und rezeptionsgeschichtlichen Ansätzen der "Geschichte des interkulturellen Transfers" und der "Transfergeschichte", der "verwobenen Geschichte", der "sich überkreuzenden Geschichte", der "Verflechtungsgeschichte"; drittens von neueren Richtungen der Kulturgeschichte, Erinnerungskultur-, Gedächtnis- und Geschichtspolitikforschung und der bild- und raumwissenschaftlichen Richtungen der Historiographie; viertens von den historischen und systematischen sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Studien zur Integration Europas und zu den internationalen Beziehungen.

Neue Informationsbasis der Europageschichte

Um den curricularen Wandel in erstrebenswerter Qualität und gebotener Zügigkeit durchzuführen, sind Quellen- und Textsammlungen zu neuen und alten Fragen auf dem aktuellen internationalen Forschungsstand dringend erforderlich. Sie ergänzen und ersetzen die traditionellen nationalgeschichtlichen und europageschichtlichen Quellensammlungen und Datenbanken. Im digitalen Zeitalter liegt es nahe, diese Herausforderung durch Einsatz vernetzter, dezentraler und kooperativer Arbeitsstrukturen und durch webbasierte Lösungen zu meistern. Die Bereitstellung der notwendigen Materialien, Quellen und Artikeln zur Geschichte Europas, der Europäer und des Europäischen kann nur mit der Unterstützung einer größeren Zahl von Experten für die Geschichte von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kultur und Recht gelingen.

Zielgruppe

Die Zielgruppe des Themenportals umfasst zunächst alle in Forschung und Lehre tätigen Historiker/innen sowie Experten/innen aus den benachbarten Sozial- und Kulturwissenschaften, zudem die Studierenden, die Lehrer/innen vorzugsweise der weiterführenden Schulen und die interessierte Öffentlichkeit. Die Planungen und Konzepte für das Themenportal orientieren sich an fachwissenschaftlichen Standards.

Der gewählte Ansatz: Themenportal

Das Themenportal Europäische Geschichte greift auf Vorarbeiten der Herausgebergruppe eines im April 2005 erschienenen Sammelbandes mit dem Titel "Europa und die Europäer" (Franz Steiner Verlag) zurück, dessen Beiträge einen ersten Grundstock gebildet haben.[1] In konzeptioneller wie technischer Hinsicht stellte es gewissermaßen den logisch nächsten Schritt der Entwicklung des historischen Informationssystems von Clio-online dar. Zu den Angeboten von Clio-online zählen Plattformen für die fachwissenschaftliche Kommunikation, Diskussion und Musterlösungen für das elektronische Publizieren. Zugleich werden Angebote von Hochschulen, Bibliotheken, Archiven und Forschungseinrichtungen erschlossen, nachgewiesen und befördert sowie durch übergreifende Suchsysteme integriert und gebündelt. Aufgrund seines modularen technischen Aufbaus, der vorhandenen Nachweissysteme von Webressourcen, Institutionen und Forscher/innen sowie der Zusammenarbeit mit großen wissenschaftlichen Infrastruktureinrichtungen bot Clio-online günstige Anknüpfungspunkte für die Entwicklung eines Themenportals zur modernen europäischen Geschichte.

Perspektiven, Fokussierung, Qualitätssicherung

Für die Realisation des Themenportals Europäische Geschichte kann somit auf die europaweite Vernetzung der Kommunikationsplattformen H-Soz-Kult, Connections und Zeitgeschichte-online zurückgegriffen werden, zu deren Autoren/innen und Leser/innen viele Experten/innen für die moderne europäische Geschichte zählen. Die Verantwortung für die thematische Ausrichtung und die Qualitätssicherung übernimmt die Herausgebergruppe in Zusammenarbeit mit der Redaktion. Sie entscheidet über Themenschwerpunkte und die Auswahl der Beiträge zur Forschung und für Diskussionsforen. Die Geschichte Europas und der Europäer lässt sich jeweils nur unter einer bestimmten Perspektive und im Hinblick auf ein Problem oder ein Thema darstellen. In diesem Sinn wird das Themenportal Europäische Geschichte exemplarisch vorgehen. Es wird keine "Totalgeschichte" bieten und darauf verzichten, eine bestimmte Meistererzählung in den Mittelpunkt zu stellen. Die auf dem Portal versammelten Beiträge erweitern und überwinden den Kanon der klassischen älteren Europahistoriografien. Sie sind Ergebnis und Ausdruck professioneller Expertise. Angehörige verschiedener Generationen, Länder und Geschichtsräume machen in ihren Beiträgen deutlich, dass die Vergangenheit aufgrund eigener Erfahrungen, Herausforderungen und Forschungen immer wieder neu rekonstruiert und interpretiert wird. Sie stellen damit Grundlagen- und Reflexionswissen für die Verständigung über Vergangenheit und Geschichtspfade. Sie fragen nach der Bedeutung der Geschichte für gegenwärtiges und künftiges Handeln. Die Quellen, Darstellungen, Berichte und Materialien des Themenportals richten sich an Menschen, die mit historischen Informationen und Meistererzählungen kritisch umzugehen verstehen, mehr als gute Unterhaltung oder schlichtes Infotainment im historischen Gewand erwarten.

Technisches Konzept

Themenportale sind in technischer Hinsicht standardisierte Lösungen, die auf einer Plattform unterschiedliche Arten von Online-Ressourcen zusammenzuführen. In Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern werden darin aus verschiedenen eigenen und externen Onlineangeboten thematisch fokussierte Inhalte gebündelt. Mit Hilfe generischer Aufbereitungs-, Selektions- und Suchfunktionen können redaktionell beteiligte Institutionen oder Forscher/innengruppen thematische Cluster aus unterschiedlichen Datenbeständen entwickeln und die verfügbaren Informationen in weiteren Publikationen, Gateways oder Informationsangeboten verarbeiten. Eigene Inhalte können durch weitere Standardmodule eingepflegt und aktualisiert, insbesondere Publikationen (Artikel, Essays, Quellen, Themenschwerpunkte) können mit Hilfe generischer Datenhaltungs- und Ausgabefunktionen in vielfältigen Ausgabeformaten produziert werden. Längst hat sich das World Wide Web als zentraler Ort für wissenschaftliche Nachweis- und Erschließungssysteme jeglicher Art und eben auch für historische Online-Ressourcen etabliert. Das Themenportal Europäische Geschichte trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem es fachwissenschaftlich verlässliche Ressourcen (Überblicksdarstellungen, historische Quellen und Essays, Materialien, Hinweise auf Fachliteratur und Rezensionen) bereitstellt und darüber in europäischer Perspektiven transnationale und vergleichende Betrachtungsweisen unterstützt und auf diesem Wege auch zur Revision einseitiger nationenzentrierter Geschichtsnarrative beiträgt.

Struktur des Themenportals

Inhalte und Dokumente des Themenportals werden den Nutzern/innen über unterschiedliche navigierende Zugänge und Suchen präsentiert. Der erste Zugang erfolgt über das Browsen durch Haupt- und Untermenüs, die sich an den eingebundenen Dokumenttypen und Quellengattungen orientieren und darüber zugleich das inhaltliche Spektrum des Themenportals verdeutlichen.

Eine weitere Zugangsoption offerieren die Themenbände der Schriftreihen, in denen eigenverantwortliche Herausgeber und die Herausgeberin und Teilredaktionen Materialien, Texte und Dokumente zu ausgewählten Themen zusammengeführt und mit einer themenspezifischen Navigation versehen haben. Beispielsweise sind die Essays und Quellen des Sammelbandes "Europa und die Europäer" zu einem solchen thematischen Cluster zusammengefasst wurden, dessen Navigation der Gliederung des Buchs entspricht.

Organisations- und Kooperationsstruktur

Die Organisations- und Kooperationsstruktur für das Themenportal Europäische Geschichte stellt sich folgendermaßen dar: Funktional unterschieden wird zwischen Herausgeberkollegium, Redaktion, Themenverantwortliche und Kooperationspartnern. Die Herausgeberinnen und Herausgeber verantworten gemeinsam das Konzept und die Entwicklung des Themenportals sowie die inhaltliche Profilierung. Sie verstehen sich als aktive Herausgeber/innen, die sich an der Akquisition, am Begutachtungsprozess und an der Redaktion von Beiträgen beteiligen, die in ihr thematisches Arbeitsfeld fallen.

Das Herausgeberkollegium und die Redaktion sorgen für die Koordination der Arbeitsprozesse und für die Sicherung der festgelegten europahistorischen Themen- und Fragestellungen des Projektes. Zu den Aufgaben der Redaktion zählt die abschließende redaktionelle Betreuung des Kernangebotes, die Entwicklung und Betreuung der technischen Dienste und Infrastruktur sowie die Übernahme organisatorischer Fragen.

Themenverantwortliche steuern in Abstimmung mit dem übergreifenden Rahmenkonzept zu ausgewählten Themenkomplexen fachliche Expertise bei und übernehmen die redaktionelle und herausgeberische Verantwortung für diese Themenschwerpunkte.

[1] Hohls, Rüdiger; Schröder, Iris; Siegrist, Hannes (Hgg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Franz Steiner Verlag Stuttgart 2005.