Ambivalenzen der Europäisierung

Timm Beichelt / Clara Maddalena Frysztacka / Claudia Weber / Susann Worschech (Hrsg.): Ambivalenzen der Europäisierung, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2021, 282 S., ISBN: 978-3-515-12874-2, Preis: EUR 39,00, Band 5 der Schriftenreihe Europäische Geschichte in Quellen und Essays.

Kurztext

Europas Gegenwart ist voller Widersprüche und Konflikte. Soeben noch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, ist die Europäische Union als transnationaler Akteur unfähig, auf existentielle Herausforderungen wie die globale Migration, die Klimakrise oder die eigene koloniale Gewaltgeschichte zu reagieren. Die Autorinnen und Autoren zeigen an ausgewählten Beispielen, dass Krisen und Konflikte nicht als unerwünschte Nebeneffekte einer ansonsten „gut gemeinten“ und erfolgreichen Europäisierung betrachtet werden können. Im Gegenteil sind jene Ambivalenzen, die im Kolonialismus oder in der Gewaltgeschichte zutage treten, dem modernen Konzept der Europäisierung eingeschrieben. Lange an die Peripherie oder in den außereuropäischen Raum verschoben, kehren Europas Widersprüche nun in die Zentren „zurück“. Das hier vorgestellte wissenschaftliche Analysekonzept exkludiert nicht die Ambivalenzen der Europäisierung: Sie sind den gegenwärtigen und historischen Prozessen innewohnend und basieren auf der Wechselbeziehung von Moderne und Europa, die die Weltenordnung seit der Aufklärung geprägt hat.

Inhaltsverzeichnis

 

Clara M. Frysztacka:
Die Ambivalenzen der Europäisierung. Einführung in ein Forschungsprogramm [S. 11]

EUROPA: AMBIVALENZ(EN) EINER IDEE

Anette Schlimm
Eine entente cordiale für den Schutz der Heimat? Europäische Kooperationsversuche von Landschafts- und HeimatschützerInnen vor dem Ersten Weltkrieg [S. 37]
Quelle: Carl Johannes Fuchs: Begrüßungsansprache auf dem Zweiten Internationalen Heimatschutzkongress (12. Juni 1912) [S. 47]

Judith Becker
Europa in der Mission. Ambivalenzen des Europabezugs in der evangelischen Mission im 19. Jahrhundert [S. 49]
Quellen: Church Missionary Record / Der evangelische Heidenbote (1830/1833)[S. 60]

Ulrich Wyrwa
Vereinigungsversuche antisemitischer Akteure in Europa. Die Internationalen Kongresse von 1882 und 1883 in Dresden und Chemnitz [S. 65]
Quelle: Internationaler Congress zur Wahrung nichtjüdischer Interessen zu Dresden (12. September 1882) [S. 77]

Dieter Gosewinkel
Antiliberales Europa oder Anti-Europa? Europakonzeptionen in der französischen extremen Rechten 1940–1990 [S. 81]
Quelle: Titelblatt der Zeitschrift Défense de l’Occident (Mai/Juni 1965) [S. 88]

Ben Gardner-Gill
From Accolade to Bridge Builder: Petr Nečas and the Manifestation and History of Party and Personal Ambivalences of Europeanization [S. 89]
Quelle: Petr Nečas: 10 Theses from the Prime Minister on the Future Shape of Europe (April 3rd 2012) [S. 101]

EUROPA: AMBIVALENZ(EN) DES RAUMES

Hannes Grandits
Europäisierung im spätosmanischen Südosteuropa. Von einer romantischen Idee zu rücksichtsloser Realpolitik [S. 109]
Quellen: Berichte aus Südosteuropa (1844/1877) [S.118]

Ayhan Kaya
Oration of the Nation in Turkey: From Secularisation to Re-Islamisation [S. 123]
Quelle: Recep Tayyip Erdoğan: We Should Set New Cultural Goals for Ourselves in Accordance with the 2023 Vision (March 3rd 2017)[S. 133]

Jochen Oltmer
Ein deutsches Asylrecht am Ende der Weimarer Republik? Das Auslieferungsasyl in Westeuropa und seine Grenzen [S. 135]
Quellen: Auszüge aus den Ansprachen der Abgeordneten Dr. Ludwig Marum (SPD) und Dr. Eduard Ludwig Alexander (KPD) anlässlich der Zweiten Beratung des Deutschen Auslieferungsgesetzes, 106. Sitzung des Reichstages (2. Dezember 1929) [S. 144]

Marcel Berlinghoff
Zwischen Einwanderung und Zwangsrotation. Europäische Migrationspolitik zum Ende des „Booms“ (1972–1975) [S. 149]
Quelle: Helmut Heyden: Diskussion über die Ausländerbeschäftigung in Europa (Januar 1973) [S. 157]

Ljiljana Radonić
Europäisierung der Erinnerung an das kroatische Konzentrationslager (KZ) Jasenovac. Wie europäisch sind post-sozialistische Gedenkmuseen? [S. 163]
Quelle: Juden – Eine Ausstellung über die Entwicklung des Judentums und seine zerstörerische Arbeit in Kroatien vor dem 10. April 1941. Lösung der Judenfrage in der N.D.H. [Unabhängiger Staat Kroatien] [S. 172]

Claudia Weber
Heimat. Ambivalenzen eines umkämpften Begriffs [S. 173]
Quelle: Antworten von Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), Franziska Giffey (SPD) und Andreas Scheuer (CSU) auf die Frage, was Heimat für sie ist [S. 179]

EUROPA: AMBIVALENZ(EN) DER PRAXIS

Patrick Bernhard
Der Beginn einer faschistischen Interpol. Das deutsch-italienische Polizeiabkommen von 1936 und die Zusammenarbeit der Diktaturen im Europa der Zwischenkriegszeit [S. 183]
Quelle: Arturo Bocchini; Heinrich Himmler: Deutsch-italienisches Polizeiabkommen (01. April 1936) [S. 193]

Felix Ackermann
Isolation als Besserung. Das Zellengefängnis in Berlin-Moabit als preußische Ikone [S. 197]
Quelle: Robert Geißler: Darstellung des Berliner Gefängnisses in der Lehrter Straße (1884) [S. 208]

Estela Schindel
Versicherheitlichung versus humanitäre Rettung? Ambivalenzen des EU Grenzregimes und biopolitische Gouvernementalität [S. 209]
Quelle: Augenzeugenbericht von Amir, protokolliert auf Chios, Griechenland (13. Oktober 2015) [S. 220]

Pavel Kolář
Nationalstaat, physische Gewalt und transnationale Geschichte Europas [S. 223]
Quelle: Homicide Act (March 21st 1957) [S. 236]

Heike Karge
Psychiatrische Diagnostik und klinische Praxis im Ersten Weltkrieg [S. 239]
Quellen: Patientenakten aus der jugoslawischen Psychiatrie (1917/1925) [S. 248]

Paweł Lewicki
Modern sein im Herzen Europas. Polyvalenzen der Europäisierung in den EU-Institutionen nach den Erweiterungen der EU 2004 und 2007 [S. 253]
Quelle:Artikel 1d über das Statut der Beamten der Europäischen Union (23. Dezember 2008) [S. 268]

CONCLUSIO

Susann Worschech
Der Mehrwert der Ambivalenz [S. 271]